I. Ansatzpunkte (4)
I. Personenbezogene Maßnahmen: Individuum / Arbeitnehmer
Z.B. Information, Aufklärung; Instruktion, Unterweisung; Personalauswahl, Verhaltensmodifikation (Prinzipien Lerntheorie, Modelllernen); Training, Kurs, Seminar
EBM: positiver Effekt von Trainings (Vorgesetzte, Mitarbeiter, Partizipation) (Hofmann, Burke & Zohar, 2017)
II. Bedingungsbezogene Maßnahmen: Tätigkeit, Abteilung, Organisation
Gestaltung der Umgebungs- und Ausführungsbedingungen (z.B. Räume, Ausrüstung), Gestaltung der Rahmenbedingungen (z.B. Dauer Arbeitszeit, Entlohnung – Akkord /Prämienlohn); Gestaltung der Arbeitsaufgabe (z.B. Handlungsspielraum, Vielfalt, Reduzierung schwerer körperlicher Arbeit)
Unfälle empirisch in Verbindung gebracht mit
Anforderungen: Zeitdruck, hoher Leistungsdruck, Kontrollierbarkeit, physische Anforderungen, Komplexität der Aufgabe
Behindernde Stressoren, z.B. Störungen, Rollenkonflikte (Clarke, 2012)
II. Ansatzpunkte (4)
Organisation: Sicherheitskultur
Geteiltes Bewusstsein und korrespondierendes Verhalten aller
Systemmitglieder, das die Sicherheit des Gesamtsystems fördert
EBM: Meta-Analyse von über 200 Studien belegt Effekt von Kultur auf Arbeitssicherheit in verschiedenen Organisationen / Industriezweigen (Hofmann et al., 2007)
Merkmale erfolgreicher Sicherheitskultur (High Reliability
Organizations HRO):
Berichtskultur: Funktionierendes Berichtssystem über Unfälle
Gerechte Vertrauenskultur: gerechte / transparente Sanktionen für akzeptables / inakzeptables Verhalten
Flexible Kultur: flexible Anpassung, Experten vor Ort verantwortlich
Lernkultur: auf allen Ebenen der Organisation
Take away points - Arbeitssicherheit ()
Positiver Trend für Sicherheit bei der Arbeit
Arbeitsplätze sind sicherer geworden
2021: 12.000 schwere Arbeitsunfälle, 500 Tote in Deutschland
Aber: Neue Belastungen durch Arbeit 4.0 / Digitalisierung!
Individuelle Unterschiede sagen sicheres Verhalten am Arbeitsplatz vorher
Sicherheitstrainings funktionieren
Multilevel Modelle: Einflussfaktoren auf verschiedenen Ebenen
Wichtige Rolle der Vorgesetzten – täglich Wichtigkeit von Sicherheit betonen, stärken und leben!
Sicherheitsklima und Kultur im Unternehmen sind zentral (auch hier Führungskraft und andere Teammitglieder übernehmen eine wichtige Rolle)
Berücksichtigung psychischer Belastungen
Aktuelle Trends ()
Quelle: TK Stress Report / Gesunheitsreport 2021
https://www.tk.de/techniker/unternehmensseiten/unternehmen/broschueren-und-mehr/stressstudie-2021-2026692?tkcm=aaus
https://www.tk.de/resource/blob/2103660/ffbe9e82aa11e0d79d9d6d6d88f71934/gesundheitsreport-au-2021-data.pdf
Job Demands Resources (JDR) Modell (2)
Zwei grundlegende Prozesse:
Health Impairment (rot) vs. Motivationsprozess (grün=
1. Haupteffekte von Ressourcen auf Motivation, bspw. Engagement
2. Haupteffekt Anforderungen auf Gesundheit, bspw. Burnout
- Wechselwirkungen von Ressourcen und Anforderungen
Entwicklungen im JDR-Modell (Bakker et al., 2023) (4)
Person X Situation Interaktionen
Zunächst nur arbeitsplatzbezogenen Ressourcen in Modell (z.B. Feedback, soziale Unterstützung), Erweiterung um personale Ressourcen (z.B. CSE, Optimismus, Resilienz)
moderiert Effekt von Persönlichkeit mit Ressourcen und Anforderungen
Multilevel Ansatz
Effekte über verschiedene Levels
Proaktive Ansätze
z. B. Job Crafting, playful work design
Work-home resource Modell
Spillover von Arbeit – Privatleben (und anders herum) von Demands und Ressourcen
The JDR in times of crisis: Aktuelle Studien (2)
—> weitgehend Unterstützung v.a. für Haupteffekte
Studie mit Mitgliedern von Crisis management teams
(CMT) nach 2 Jahren Pandemie (Thielsch et al.,)
10.31234/osf.io/7vke5
Studie mit Arbeitnehmenden Büroarbeitsplätze
(Oberländer & Bipp, 2022)
Bipp et al. hat grundlegenden Prozess des JDR nicht gefunden
Kritische Würdigung des JDR
Gut:
Rahmenmodell: Flexibilität & integratives Modell
Empirische Unterstützung für Modell
Durch Längsschnitt- und Tagebuchstudien
In unterschiedlichen Jobs, Ländern & Kulturen empirische Belege
Wichtige Ansatzpunkte um Gesundheit & Wohlbefinden zu steigern
Nicht so gut:
Aber, auch Grenzen des Modells
Konzeptionelles / heuristisches Modell, nicht wirklich falsifizierbar
Interaktionen meta-analytisch nicht bestätigt (Gonzalez-Mulé, Kim, & Ryu, 2020)
Erklärung in Pfaden fehlt (warum kommt es zu den Effekten)?
Bewertungsaspekt: Was wird was wann von wem als Ressource / Demand
angesehen?
Reziproke Effekte, z.B. Burnout & Stressoren (Guthier, Dormann, & Voelkle, 2020)
Schaufeli & Taris (2014)
EBM: Reziproker Stressprozess ()
Effekte von Burnout und Job Stressoren über die Zeit
COTIMA Meta-Analyse (Guthier Dormann, & Voelkle, 2020)
Ja, solche Effekte gibt es
Aber insgesamt kleine Effektgrößen
Straineffekt ist grösser als der Stressoreffekt!!
V.a. Erschöpfung & Depersonalisation
https://doi.org/10.1037/bul0000304
Weiterentwicklungen I: DISC
Demands-Induced Strain
Compensation Model (DISC-Model)
(triple) Match Prinzip von Demands
& Resources (De Jonge, Demerouti
& Dormann, 2014)
Ebenen von Anforderungen &
Demands unterschieden:
Physische Anforderungen
Emotionale Anforderungen
Kognitive Anforderungen
Match nötig damit wirksamer Effekt
Erweiterung um: Erholung
(recovery)
Weiterentwicklungen II:
Erholung
Recovery Experiences Questionnaire
(Sonnentag & Fritz, 2007)
Abschalten von der Arbeit („In meiner Freizeit … vergesse ich die Arbeit“)
Entspannung („… nutze ich die Zeit zum relaxen“)
Herausforderungen suchen („… tue ich Dinge die mich herausfordern“)
Kontrolle über Freizeitgestaltung („… erledige ich die Dinge, die ich will“)
Wie steht es um Ihre Erholung?
https://www.sowi.uni-
mannheim.de/sonnentag/forschung/fragebogens
kalen-und-instrumente/
Welche Rolle spielt die Erholung?
Modellvorstellung:
Sonnentag & Fritz (2015)
EBM: Hauptergebnisse Forschungsfeld Erholung (Sonnentag, Cheng & Parker, 2022)
Erholungsaktivitäten und Erfahrungen am Abend fördern das Wohlbefinden und die Motivation am Arbeitstag (insbesondere physische Aktivitäten und das Abschalten)
Sind abhängig von aktuellem State, Stressoren und Leistung am Tag (RecoveryParadox: Es fällt schwere Abzuschalten wenn Demands hoch sind!)
hohe kurzfristige Effekte (z.B. Tagesbasis; zu langfristigen Effekten weniger Studien, scheint von weiteren Faktoren abzuhängen)
Mikropausen bei der Arbeit effektiver als andere Strategien um die Energie am Arbeitstag zu stützen
Der Erholungsprozess kann durch Interventionen gezielt gefördert werden (v.a. das Abschalten)
Weiterentwicklungen III: CHF
Challenge-hinderance framework - Bewertung Stressoren zentral
Usprüngliches Modell (Übersicht Horan et al., 2020):
Challenge: kann in Stresserleben (strain) münden, energetisieren aber und bieten auch Möglichkeit für Entwicklung und Wachstum (z.B. Workload, Deadlines)
Hinderance: behindern einen bei der eigentlichen Aufgabenerledigung (z.B. Unterbrechungen, schlechte Ausrüstung)
Weiterentwicklungen
Ein Faktor kann gleichzeitig challenge & hinderance sein
Nicht apriori festgelegt!
Dynamischer Prozess
Weitere Unterteilung (Tuckey et al., 2015): hinderance vs. threat
Übersicht Stressprozess: Interventionsansätze
Yogakurs am Abend: Da ist ja der Stress schon geschehen, wieso nicht früher ansetzen bei Arbeitsplatzgestaltung bspw?
Betriebliche Gesundheitsförderung
Effekt von Maßnahmen: Overall
Richardson & Rothstein (2008) Meta Analyse „Occupational Stress Interventions Programs“
Auf Basis von 55 Interventionen
Mittlere Effektstärke bei d = 0.53
Art der Intervention (Moderatoreffekt):
Kognitiv-verhaltensgerichtete Interventionen größere Effekte (d = 1.16) als andere die bspw. auf Coping abzielen (problembezogen vs. emotionsbezogenes Coping)
Zentral: Veränderung Beurteilung der Situation
Nutzungshäufigkeit: Am häufigsten genutzt werden Entspannungsinterventionen (personenbezogene Interventionen)
In den letzten Jahren zunehmend Gesamtkonzeptionen in Unternehmen entwickelt und umgesetzt (Betriebliches Gesundheitsmanagement)
Beispiel I: Mindfulness
Definition „attention to the experiences occurring in the present moment, in a nonjudgmental or accepting way“
Bausteine aus achtsamkeitsbasierten, kognitiven Therapieansätzen für
Arbeitnehmer angepasst, z.B. Body Scan, Yoga, Atmungs-, Meditationsübungen
Hat das denn den gewünschten Effekt?
Meta-Analyse von randomized controlled trials (RCTs) Studien (Goldberg et al., 2022):
– Mindfulness besser als passive Kontrollgruppen (ds = 0.10–0.89)
– Kleinere oder keine Effekte wenn verglichen mit aktiven Kontrollgruppen (z. B. in Studierenenstichproben keine Unterschiede gefunden)
Meta-Analyse Studien mit Arbeitsbezug (Bartlett et al., 2019): förderliche Effekt identifiziert bspw. in Bezug auf Ängste (Reduktion, g = 0.62), Wohlbefinden (g = 0.46) und Schlaf (g = 0.26)
Aber auch: mögliche „Nebenwirkungen“
83% der Teilnehmern an einer Mindfulness Intervention berichteten mindestens eine Nebenwirkung (z.B. Ängste; Britton et al., 2021)
Mögliche Zunahme egoistischen Verhaltens (weniger Hilfeverhalten anderen gegenüber gezeigt) (Hafenbrack et al., in press)
Beispiel II: Detachment
Meta-Analyse von Karabinski et al. (2021) aufbauend auf Stressor-DetachmentModell (siehe Research Model)
Beispielhafte Ergebnisse:
Effekt auf Detachtment: d=.36
Sind alle Interventionen gleich effektiv?
Höhere Effekte bei: Primäre Bewertung verändert & weitere Inhalte im Training: boundary management, Emotionsregulation, Schlafverhalten
längere Interventionen
Keine Unterschiede im Format
gefunden (online vs. Präsenz)
Effekt von Maßnahmen: What makes it work, for whom, under
which circumstances?
Roodbaari et al. (2022): Empfehlungen für organisationale Programme
auf Basis eines umfangreichen Reviews zur Förderung Wohlbefinden und
Gesundheit
6 zentrale Themen identifiziert, z.B. Rolle der Partizipation
https://doi.org/10.1111/apps.12346
Burnout vs. Arbeitsengagement
Definition work
engagement:
"...a positive, fulfilling, work-related state of mind that is
characterized by vigor, dedication, and absorption" (Schaufeli & Bakker, 2010).
Work Engagement
Bei meiner Arbeit / In meinem Studium bin ich voll
überschäumender Energie.
Ich bin von meiner Arbeit /meinem Studium begeistert.
Ich gehe völlig in meiner Arbeit / meinem Studium auf.
UWES Utrecht Work Engagement Scala (Schaufeli & Bakker, 2003):
https://www.wilmarschaufeli.nl/publications/Schaufeli/Test%20Manu
als/Test_manual_UWES_English.pdf
Kombination: Motivationales, kognitives, und affektives Konstrukt
Wie Arbeitnehmende ihren Arbeitsplatz erleben – als etwas stimulierendes und energetisches, für etwas das sie Zeit und Anstrengung (vigor - Vitalität) investieren möchten, als wichtig und bedeutsam erleben (dedication – Hingabe), und als etwas das sie vereinnahmt und sich voll darauf konzentrieren (absorption - Absorbiertheit)
Outcome: Beeinflusst bspw. den Energieeinsatz bei der Arbeit, hat positive Effekten auf die Leistung (Halbesleben, 2010; Bakker, 2011)
Beispiel III: Förderung Engagement
Individuum
• Job Crafting: Ressource & challenges seeking, remands
reducing (Meta Analyse job crafting interventionen
Steigerung Arbeitsengagement: g = 0.31; Oprea et al.,
2019)
Team (mittlere bis große Effekte, Knight et al., 2017)
• Partizipation
• Führung
• Selbstwirksamkeit auf Teamniveau
Organisation
• Arbeitsplatzgestaltung (Anforderungen & Ressourcen)
• Personal- und Karriereentwicklung
Zuletzt geändertvor 2 Jahren