Arbeitsgestaltung (Dunckel & Volpert, 1997)
Systematische Veränderung technischer, organisatorischer und/oder sozialer Arbeitsbedingungen
mit dem Ziel,
diese an die Leistungsvoraussetzungen des arbeitenden Menschen anzupassen, sodass sie
der Erhaltung und Förderung der Persönlichkeit
sowie der Gesundheit der arbeitenden Menschen
im Rahmen effizienter und produktiver Arbeitsprozesse dienen.
Ziele von Arbeitsgestaltungsmaßnhamen
Mitarbeiterbezogene Ziele
Unternehmensbezogene Ziele
Mitarbeiterbezogene Ziele für humangerechte Arbeit (Hacker & Richter, 1984)
Ausführbarkeit
Zentrale Frage:
Sind die Voraussetzungen für ein zuverlässiges, förderungsgerechtes, langfristiges Ausführen gegeben?
Mögliche Kriterien:
anthropometrische Normen
sinnespsychophysiologische Normwerte
klare Anweisungen
geeignete Arbeitsmittel
Schädigungslosigkeit
Sind körperliche und psychische Gesundheitsschäden ausgeschlossen?
Vermeidung von Stressoren wie Unter- und Überforderung, Monotonie, Zeitdruck
Vermeidung von Gasen, Lärm, Strahlung
Unfälle
Beispiele für Maßnahmen
schallreduzierende Trennwände, Schulung zum Umgang mit Gefahrstoffen
Sicherheitsmaßnahmen
Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen (Schutzabdeckungen, Abstände zu gefahrträchtigen Maschinenteilen, ...)
Beeinträchtigungsfreiheit
Sind geringe und kurzfristige Fehlbeanspruchungen ohne negative Auswirkungen auf das Befinden vorhanden?
negative Veränderungen psychophysiologischer Kennwerte (EEG, EKG, Blutdruck, …)
Befindensbeeinträchtigungen (z. B. Depressivität, Burnout)
Z.B.: Vermeidung von Stress, Über-/Unterforderung, Monotonie
Abwechslungsreiche Tätigkeiten, zeitliche Spielräume
Persönlichkeitsförderlichkeit
Wird die Persönlichkeitsentwicklung gefördert?
Zeitanteil für selbständige oder schöpferische Verrichtungen erforderliche Lernaktivitäten
Möglichkeit zum Anwenden und Erhaltung erworbener Fertigkeiten und Wissens
Entfaltung der eigenen Potenziale durch vielfältige Anforderungen
Planerische und organisatorische Fertigkeiten
Fachliches Wissen
Analytische Fähigkeiten
Sozialkompetenzen
Ausbau der eigenen Potentiale
Unternehmensbezogene Ziele (Grob & Haffner, 1982)
Beispielhafte Kostenziele
Senkung der Material- und Arbeitskosten
Senkung des Krankenstandes und der Fluktuation
Beispielhafte organisatorische Ziele
Verbesserung des Informationsflusses
Erhöhung der Flexibilität
Erhöhung der Kundenzufriedenheit
Beispielhafte technische Ziele
Vermeidung von Schadstoffen
Reduzierung von Störungen
Strategien der Arbeitsgestaltung
(2 á 3)
Zeitliche Perspektive
Korrektive Arbeitsgestaltung
Präventive Arbeitsgestaltung
Prospektive Arbeitsgestaltung
Inter- und intraindividuelle Unterschiede
Flexible Arbeitsgestaltung
Differenzielle Arbeitsgestaltung
Dynamische Arbeitsgestaltung
Berücksichtigung inter- und intraindividueller Unterschiede
Berücksichtigung der zeitlichen Perspektive
Soziotechnische Systemgestaltung
Arbeit findet in der Regel in Arbeitssystemen statt, die eine technische und eine soziale Komponente haben
Seit 1950er Jahren:
Z.B., Tavistock-Studien im englischen Kohlebergbau (Trist & Bamforth, 1951)
Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen technischen und sozialen Komponenten eines Arbeitssystems
=> Entwicklung von Konzepten wie Technologieeinsatz und Arbeitsorganisation gemeinsam im Rahmen von Arbeitsgestaltung optimiert werden können
Gestaltungsziel
Gestaltungsziel:
Gemeinsame Optimierung beider Teilsysteme im Sinne des „best match“
Nachträgliche Anpassungen des einen an das andere System —> suboptimale Lösungen
Abbildung
Technisches <—> Soziales System
Verknüpfung erfolgt durch Arbeitstätigkeit / -aufgabe der Beschäftigten
Festlegung der Funktionen, die Beschäftigte im Produktionsprozess wahrzunehmen haben
Festlegung der Kooperationsbeziehungen zwischen den Beschäftigten
Effektivität des soziotechnischen Systemansatzes
Guzzo, Jette & Katzell (1985):
Metaanalyse zur Untersuchung der Effektivität verschiedener Interventionsstrategien
Abhängige Variablen: Arbeitsergebnisse (Qualität, Quantität, Kosten), Rückzug (Kündigung, Absentismus) und Unterbrechungen (Unfälle, Streiks)
Ergebnisse:
Mittlere Effektstärken betragen für soziotechnische Maßnahmen (12 Studien) d = 0.62
Für Arbeitsgestaltung allgemein (work redesign, 18 Studien): d = 0.42
Tätigkeits- bzw. handlungstheoretische Konzepte (3)
Grundlegende Gestaltungskonzepte
Konzept der vollständigen Aufgabe (Rückblende Hacker, 2005)
Handlungs- bzw. Tätigkeitsspielraum
(Gruppenaufgabenkonzept)
Tätigkeits- bzw. handlungstheoretische Konzepte
Konzept der vollständigen Aufgabe
Merkmale vollständiger Arbeitsaufgaben (nach Ulich, 2004):
Zielsetzung: Selbständiges Setzen von Zielen
Vorbereitung: Selbständige Handlungsvorbereitung (Planungsfunktion)
Organisation und Entscheidung: Auswahl der Mittel, Aktionen
Ausführung mit Feedback (Korrektur)
Kontrolle mit Resultatfeedback (Qualitätskontrolle)
= Zyklische Vollständigkeit
Alle Handlungsphasen einer Tätigkeit vertreten
Hierarchische Vollständigkeit
Hierarchische Vollständigkeit (Hacker, 2006)
=> Wechselnde Anforderungen der Handlungsregulation auf unterschiedlichen Ebenen
Wirkung vollständiger vs. unvollständiger Aufgaben
Wirkung vollständiger Aufgaben
leistungsmotivierend
wirken einer Dequalifizierung entgegen
fördern Gesundheit und das Wohlbefinden
Wirkung unvollständiger Aufgaben
Abbau der individuellen Leistungsfähigkeit
Einseitige Beanspruchungen und Monotonieerleben
Psychische und physische Beeinträchtigungen
Tätigkeits- bzw. handlungstheoretische Konzepte Persönlichkeitsförderlichkeit
Handlungs- und Tätigkeitsspielräume eng mit Konzept der Persönlichkeitsförderlichkeit verknüpft
Zentraler Gedanke einer persönlichkeitsförderlichen Arbeitsgestaltung (Ulich, 2005):
Arbeitender Mensch und dessen Kompetenzen entwickeln sich in der Auseinandersetzung mit der Tätigkeit
Arbeitsinhalte von hoher Bedeutung
Vielfältige Anforderungen
Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten auf mehreren Dimensionen (sozial, kognitiv, ...)
Merkmale beschreiben, wie Arbeit gestaltet sein sollte, damit Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung stattfinden kann
Tabelle (Gestaltungsmerkmale)
Motivationstheoretische Konzepte (3)
Job Rotation
Job Enlargement
Job Enrichment
Motivationstheoretische Konzepte
Grundlagen
Zwei-Faktoren-Theorie (Herzberg, Mausner & Snyderman, 1959)
Job Characteristics Model (Hackman & Oldham, 1980)
Ziel
Erweiterung der fachlichen & sozialen Kompetenz
Erweiterung des Tätigkeitsspielraums
=> Verringerung von Monotonie, Ermüdung bzw. einseitiger Belastungen
Wirkung
Verändert: Stressoren
Verändert nicht/kaum: Regulationsanforderungen, Handlungsspielraum
Bsp.: Müllabfuhr
Motivationstheoretisches Konzept
Job Enlargement (McGregor)
Wirkung:
Kritik an Job Rotation und Job Enlargement
Lediglich Erweiterung des Tätigkeitsspielraums (d. h. der horizontalen Dimension)
=> Anforderungen an die Arbeit verändern sich nicht wirklich
0 + 0 = 0
Job Enrichment (Herzberg)
Erweiterung des Handlungs- und Entscheidungsspielraums
Förderung der Kompetenzentwicklung
verändert: Stressoren, Regulationsanforderungen, Handlungsspielraum
Zusammenfassung motivationstheoretische Konzepte
Horizontale (/vertikale) Erweiterung der Tätigkeit
Horizontale Erweiterung der Tätigkeit ¾
Vertikale Erweiterung der Tätigkeit
Beispiel: Präventiv-prospektive Arbeitsgestaltung im Callcenter
Implementierung eines Inhouse-Callcenters
Vermeidung von Gefährdung bzw. Fehlbeanspruchung
Schaffung von Möglichkeiten zur Persönlichkeitsförderung
Ganzheitlicher Ansatz
Arbeitsorganisation (Ablauf, Aufgaben)
Arbeitsumgebung (Klima, Akustik)
Arbeitsmittel (Ergonomie, Ausstattung)
Mitarbeiter (Ressourcen, Qualifizierung)
Wirkung von Arbeitsgestaltung I
Edwards, Scully, & Brtek (2000): Systematischer Vergleich unterschiedlicher theoretischer Perspektiven zu Arbeitsgestaltung
Berücksichtigung der Gestaltungs- und Wirkungsvariablen von 4 Perspektiven
Motivational
Mechanistisch
Biologisch
Wahrnehmungsbezogen-motorisch –
Analysefragebogen mit 48 Items zur Einschätzung von Arbeitsgestaltungsmerkmalen und Wirkungskennwerten bei Stelleninhabern und Jobexperten
=> Einschätzung des Zusammenhangs zwischen Gestaltungsmerksmalen und Wirkungsvariablen
Wirkung von Arbeitsgestaltung II
Mechanistische und wahrnehmungsbezogene-motorische Ansätze empfehlen Verringerung der geistigen Anforderungen
Motivationale Ansätze befürworten Erhöhung der Arbeitsanforderungen
Negative Korrelationen der motivationalen Orientierung mit Arbeitseffizienz und Zuverlässigkeit
Negative Korrelationen der mechanistischen Orientierung mit der Arbeitszufriedenheit
Schwierigkeiten bei der Arbeitsgestaltung
Trade-Offs wahrscheinlich:
z. B. Standardisierung führt zu weniger Fehler, aber auch zu mehr Monotonie
Oft unklar, auf welcher Ebene die Arbeit gestaltet werden soll
Die ganze Arbeit? Einzelne Aufgaben? etc.
Vorhersage schwierig, wie eine neu gestaltete Arbeit wirklich sein wird
Individuelle Unterschiede oft wichtig
z. B. Wachstumsbedürfnis
Job Enlargement oft leichter als Job Enrichment
Arbeitsgestaltung oft als Reaktion auf Wachstum oder Stellenabbau
Langfristige Effekte oftmals anders als kurzfristige
Fazit
Arbeitsgestaltung: Alle technischen, organisatorischen, ergonomischen Maßnahmen zur Gestaltung von Arbeitsplatz, -umgebung, -ablauf, - organisation, -inhalt –
Mitarbeiterbezogene Ziele: Ausführbarkeit, Schädigungslosigkeit, Beeinträchtigungsfreiheit, Persönlichkeitsförderlichkeit
Unternehmensbezogene Ziele: kostenbezogene, organisatorische, technische ¾
Gute (d. h. humane) Arbeit sollte nicht nur ausführbar, schädigungslos und beeinträchtigungsfrei, sondern auch persönlichkeitsförderlich sein
Zentraler Ausgangspunkt der Arbeitsgestaltung: Arbeitsaufgabe
Ansätze der Arbeitsgestaltung:
Soziotechnisch, handlungs- und tätigkeitsorientiert, motivationstheoretisch
Strategien der Arbeitsgestaltung:
Zeitlich: korrektiv, präventiv, prospektiv
Inter- und intraindividuell Unterschiede werden bei flexibler, differenzieller, dynamischer Gestaltung berücksichtigt
Ganzheitliche Aufgaben wirken sich positiv auf Wohlbefinden, Gesundheit, Kompetenzentwicklung aus im Vergleich zu hoch arbeitsteiligen Arbeitsstrukturen
Die Effektivität hängt erheblich davon ab, ob bei der Einführung wichtige Randbedingungen beachtet werden.
Zuletzt geändertvor 2 Jahren