Aus welchen Gründen scheidet die Anwendbarkeit des § 311 II Nr. 3 BGB im vorliegenden Fall aus?
Es handelt sich nicht um einen „ähnlichen geschäftlichen Kontakt“ gem. § 311 II Nr. 3. Man wird dies zwar nicht an der nach dem Gesetz erforderlichen Ähnlichkeit des vorliegenden Kontakts zu der in Nr. 2 genannten Fallgruppe scheitern lassen können. Denn auch der mitreisende M eröffnet dem R die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechtsgüter. Es fehlt aber vorliegend am Erfordernis eines geschäftlichen Kontakts. Mit dem Tatbestandsmerkmal ist nicht nur eine Abgrenzung zu den rein sozialen Kontakten geschaffen, sondern auch zu Kontakten, die lediglich anlässlich eines geschäftlichen Kontakts zu einer anderen Person entstehen.
Was meint „Verschulden“ iRd § 254 BGB?
Unter Verschulden ist bei § 254 anders als sonst nicht die schuldhafte Verletzung einer dem Schädiger gegenüber bestehenden Pflicht zu verstehen. Denn eine einem anderen gegenüber bestehende Rechtspflicht, sich nicht selbst zu schädigen, gibt es nicht. § 254 meint daher ein „Verschulden gegen sich selbst“. Das Gebot, sich nicht selbst zu schädigen, stellt mithin nur eine Obliegenheit dar, bei deren Nichtbeachtung der Geschädigte den Rechtsnachteil hinnehmen muss, dass sein Anspruch gekürzt wird bzw. ganz entfällt.
Welche Rechtsfolge bringt es mit sich, dass M im vorliegenden Fall erst 5 Jahre alt ist?
Dadurch, dass M hier erst 5 Jahre alt ist, entfällt damit auch seine Deliktsfähigkeit. Der Ausschluss der deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit gem. § 828 I erstreckt sich über § 276 I 3 auch auf § 254, denn es ist kein Grund ersichtlich, für die Frage der Verschuldensfähigkeit und des Verschuldensmaßstabs bei Obliegenheiten andere Kriterien heranzuziehen als bei Rechtspflichten.
An welches ungeschriebene Tatbestandsmerkmal ist iRd § 421 BGB zu denken und auf was bezieht sich dieses Tatbestandsmerkmal?
Nach herrschender Auffassung enthält § 421 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das Erfordernis der Gleichstufigkeit der Haftungen. Diese liegt dann nicht vor, wenn einer der Ansprüche subsidiär ist bzw. durch die Leistung eines der Haftenden eine Tilgungswirkung der gesamten Schuld nicht eintritt. Eine bloße Verpflichtung im Innenverhältnis, die ganze Schuld zu tragen, genügt dagegen nicht. Das Merkmal der Gleichstufigkeit bezieht sich somit auf das Außenverhältnis.
Wann taucht das Problem der „gestörten Gesamtschuld“ auf?
An die gestörte Gesamtschuld ist dann zu denken, wenn mindestens drei Personen im Fall auftauchen, von denen mindestens zwei Schädiger haften. Jedoch haften die beiden Schädiger nicht in gleichem Umfang, sondern einer der beiden Schädiger haftet privilegiert. In diesem Fall ist an das Problem der gestörten Gesamtschuld zu denken.
Welche verschiedenen Lösungsansätze bestehen für die gestörte Gesamtschuld?
Die Lösungsansätze erfassen die Fälle zu Lasten des nichtprivilegierten Schädigers, zu Lasten des Geschädigten oder zu Lasten des privilegierten Schädigers.
a) Lösung zu Lasten des nichtprivilegierten Schädigers
Der nichtprivilegierte Schädiger soll – ohne Regressmöglichkeit – allein für den Schaden verantwortlich sein. Diesen Weg geht der BGH bei den gesetzlichen Haftungsprivilegierungen der §§ 1359, 1664. Die Privilegierungen beruhten auf der gesetzgeberischen Würdigung und Bewertung der Familiengemeinschaft, die auch das „außenstehende“ Rechtsverhältnis angehe. Zum Teil wird diese Lösung auch dann vorgeschlagen, wenn die Haftungsprivilegierung aus einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen dem Zweitschädiger und dem Geschädigten beruht. Im Ergebnis wirkt diese Vereinbarung dann zu Lasten des Erstschädigers. Kritik: dies kommt einem Vertrag zu Lasten Dritter gleich.
b) Lösung zu Lasten des Geschädigten
Dagegen wenden sich Teile der Literatur. Geltend gemacht wird, dass die Position des geschädigten M durch § 1664 ohnehin abgewertet sei. Dies müsse dazu führen, dass M von R nur den seinem Verantwortungsbeitrag entsprechenden Teil verlangen könne. Die gestörte Gesamtschuld ist danach zu Lasten des Geschädigten zu lösen. Im Ergebnis wird aus der gestörten Gesamtschuld eine Teilschuld. Dagegen spricht, dass §§ 1359, 1664 wohl kaum als Vorschriften zum Schutze des schädigenden Dritten angesehen werden können.
c) Lösung zu Lasten des privilegierten Schädigers
Denkbar ist schließlich noch eine dritte Lösung. Sofern die Haftungsprivilegierung dazu führen würde, dass der andere Schädiger seinen Regressanspruch verlieren würde, wird diesbezüglich ein Gesamtschuldverhältnis fingiert. R müsste also voll zahlen, könnte sich aber über § 426 analog, § 254 analog einen Teil des Betrages von V zurückholen. Dagegen spricht als entscheidendes Argument, dass die Eheleute V dann schlechter stünden, als wenn sie den Schaden allein verursacht hätten.
Kommt ein Ersatz für die vertane Freizeit im vorliegenden Fall in Betracht?
Eine Naturalrestitution gem. § 249 I, kommt im Hinblick auf den nutzlos vertanen Sonntag nicht in Betracht, da Zeit nicht nachholbar ist; die Wiederherstellung ist daher unmöglich. Denkbar ist daher nur Ersatz in Geld, § 251 I. Freizeit ist aber nach herrschender Auffassung ein immaterielles Gut. Der Ersatz von Nichtvermögensschäden in Geld ist gemäß § 253 I grundsätzlich nicht möglich. Wenn demgegenüber teilweise argumentiert wird, Freizeit sei kommerzialisiert, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Zeit als solche hat anders als die Arbeitszeit keinen irgendwie bestimmbaren Marktwert, keinen Preis. Auch der Gedanke, dass die Freizeit durch die Arbeitsleistung „mitverdient“ ist und ihr Verlust nun nach dem Frustrationsgedanken in Geld auszugleichen sei (Arg: mangels Freizeit habe man „umsonst“ gearbeitet), führt nicht weiter. Damit ist die vertane Freizeit hier nicht ersetzbar.
Zuletzt geändertvor 2 Jahren