Was setzt die Widerrufsmöglichkeit gem. § 355 I BGB hier voraus?
Ein Widerruf des Bürgschaftsvertrages nach §§ 355 I, 495 I setzt zunächst voraus, dass der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des § 491 I oder § 506 im Hinblick auf die Bürgschaft eröffnet ist.
Warum scheitert die Anwendbarkeit des Widerrufs an dem sachlichen Anwendungsbereich?
Die Bürgschaft ist kein entgeltlicher Kreditvertrag i.S. § 491 I, sondern ein Kreditsicherungsmittel. Sie stellt auch keinen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe seitens des Kredit-gebers dar. Der Bürge empfängt vom Kreditgeber nichts, seine Verpflichtung ist vielmehr selbst eine Hilfe zur Finanzierung des zwischen Hauptschuldner und Kreditgeber geschlossenen Vertrags. Der sachliche Anwendungsbereich von § 491 I bzw. § 506 BGB ist mithin nicht eröffnet.
Was gilt es bei den Einreden des Hauptschuldners zu beachten, auf die sich der Bürge beruft?
Der Bürge kann sich neben den Einreden, die ihm aus eigenem Recht zustehen (insbesondere § 771, Stundung, Verjährung ihm gegenüber) auch auf die Einreden des Hauptschuldners gegen die gesicherte Forderung berufen, vgl. § 768 I 1. Dieser Grundsatz wird für die Gestaltungsrechte der Anfechtung und der Aufrechnung durch § 770 ausgedehnt. Diese wirken ja grundsätzlich erst ab ihrer Ausübung und geben dem Schuldner zuvor kein Leistungs-verweigerungsrecht. Das Gesetz geht nun nicht so weit, dem Bürgen die Ausübung dieser Gestaltungsrechte zu überlassen. Es gibt ihm aber nach § 770 eine Einrede, solange dem Hauptschuldner das Gestaltungsrecht zusteht. Für andere Gestaltungsrechte, wie das Rücktrittsrecht, wird § 770 analog angewandt. Ist das Gestaltungsrecht je-doch ausgeübt, so ergibt sich die Einwendung des Bürgen bereits daraus, dass die Hauptverbindlichkeit insoweit nicht mehr besteht.
Wie lauten die Voraussetzungen des Kaufmännischen Bestätigungsschreibens?
Voraussetzung ist, dass
→ Absender und Empfänger Kaufleute sind oder ähnlich wie Kaufleute am Geschäftsverkehr teilnehmen
→ Vorab Vertragsverhandlungen stattgefunden haben
→ Mit dem Schreiben ein bereits geschlossener Vertrag bestätigt wird oder damit Vertrags- verhandlungen abgeschlossen werden, die bereits soweit gediehen sind, dass das Schreiben nur noch als förmlicher Abschluss des Vereinbarten anzusehen ist
→ Das Schreiben eine inhaltlich eindeutige Fassung hat, die als bestätigende rechtsgeschäftliche Erklärung erkennbar ist
→ Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Vertragsverhandlungen und dem Zugang des kaufmännischen Bestätigungsschreibens besteht
→ Der Absender redlich ist
→ Das Schreiben nicht so stark von dem Vereinbarten abweicht, dass nicht mehr mit dem Einverständnis gerechnet hätte werden dürfen (gravierende Abweichung vom Vorbesprochenen)
Wie verhalten sich Rücktritt, Minderung und Schadensersatz zueinander?
Erklärt der Käufer den Rücktritt, so wird dieser wirksam und ein Wechsel zur Minderung ist ausgeschlossen. Dagegen bleibt Schadensersatz neben dem Rücktritt möglich, vgl. § 325, der dann aber nur noch als großer Schadensersatz denkbar ist. Neben der Minderung kann ebenfalls Schadensersatz verlangt werden, aber nur als kleiner Schadensersatz. Verlangt der Käufer Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so schließt er damit Rücktritt und Minderung aus, § 281 IV.
Kann sich der Bürge vorliegend auf § 768 oder § 770 I analog berufen?
Fraglich ist, ob sich der Bürge insoweit auf § 768 oder § 770 I analog berufen kann. Die Unter- scheidung erfolgt danach, ob die Einrede des Käufers nach Verjährung rechtsgestaltend wirkt oder nicht. Eine unmittelbare Gestaltungswirkung kommt der Geltendmachung der Mängeleinrede nach Verjährung nicht zu. Allerdings führt die Berufung auf ein Rücktrittsrecht, welches es dem Käufer erlaubt, den gesamten Kaufpreis zu behalten, dazu, dass nach § 438 IV 3 ein Rücktrittsrecht zugunsten des Verkäufers entsteht. Er kann sich damit vom Vertrag lösen. Anders da-gegen bei Berufung auf ein (verfristetes) Minderungsrecht nach § 438 V. Der Käufer muss sich also auch nach Verfristung der Gewährleistungsrechte entscheiden, ob er die Zahlung des gesamten Kaufpreises verweigert und damit dem Verkäufer die Möglichkeit des Rücktritts eröffnet, oder ob er die Sache behalten will und sich auf ein Minderungsrecht beruft. Insoweit besteht ebenfalls eine gestaltungsrechtsähnliche Situation, die eher dem § 770 I analog zuzuordnen ist, als dem § 768.
Zuletzt geändertvor 2 Jahren