Grund für objektive Zurechnung?
Grund: Uferlosigkeit der Äquivalenztheorie => braucht Korrekturen
Nach der Äquivalenztheorie wären ist es gleichermaßen kausal, dass die Eltern den Täter geboren haben
Geht im Grunde um die Frage, wessen Werk der Erfolg ist
Rspr. nimmt die Einschränkung erst im subjektiven Tatbestand vor: Als Irrtum über den Kausalverlauf, § 16 StGB
Wann ist ein Erfolg objektiv zurechenbar?
Nach der Lehre der objektiven Zurechnung ist ein Erfolg objektiv zurechenbar, wenn der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat, welches sich in tatbestandstypischer Weise im Erfolg realisiert hat.
Welche anderen Theorien gibt es?
Adäquanztheorie: Nur solche Verhaltensweisen sind erfasst, die nach der typischen Lebenserfahrung typischerweise zum Erfolg führen
Krit.: zu unscharf; vermischt Kausalität und obj. Zurechnung
Relevanztheorie: geht grds. Von einer Gleichwertigkeit der Ursachen aus, schaltet aber Kausalverläufe aus, die tatbestandlich nicht relevant sind
Krit.: zu unscharf
Welche Fallgruppen gibt es, bei denen es an der objektiven Zurechenbarkeit fehlt?
Fallgruppen ohne rechtlich missbilligtes Risiko
Erlaubtes Risiko/Allgemeines Lebensrisiko
Risikoverringerung
Fallgruppen ohne Risikozusammenhang
Atypischer Kausalverlauf
Freiverantwortliche Selbstgefährdung oder Schädigung des Opfers
Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter
Naturkausalität
Realisierung einer anderen Gefahr
Pflichtwidrigkeitszusmmenhang (rechtmäßiges Alternativverhalten)
Schutzzweckzusammenhang (toleriertes Begleitrisiko)
= rechtlich nicht missbilligtes, sondern gesellschaftlich akzeptiertes Risiko
Beispiele für ein erlaubtes Risiko/allgemeines Lebensrisiko
z.B. Regelkonforme Teilnahme am Straßenverkehr
solange es regelkonform ist, ist das Verhalten sozialadäquat
z.B. Regelkonforme Teilnahme an Sportwettkämpfen
z.B. regelkonformes Betreiben einer gefährlichen Anlage
z.B. Hinausschicken einer Person bei heraufziehendem Gewitter/Sturm, in dem diese umkommt
Selbst wenn man dem hier nicht folgt: höchstens Teilnahme an einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung
z.B. Überreden zu einem Linienflug
P.: Anhusten einer Person?
Wichtig, was man für eine Krankheit es hat
Wie würde es die Gesellschaft beurteilen
Bei Corona eher rechtlich missbilligt, da auch Regeln zum Verhalten bei Corona
Fallgruppe Risikoverringerung
= Wenn der Täter durch die Tat das Risiko einer bereits anderweitig in Gang gesetzten Kausalkette verringert
z.B. Täter lenkt Stein ab, sodass er nicht den Kopf, sondern den Arm des Opfers trifft
Strafrecht möchte rettende Handlungen, die das Schadensrisiko verringern, nicht verbieten
Wenn ein Risiko verringert wird, schafft er keine rechtlich missbilligte Gefahr
Erfolg ist Werk des Zufalls oder eines Dritten
Aber: Abgrenzung von der Risikoersetzung
Der Täter darf zur Erreichung des Ziels keine neue, andersartige, selbst missbilligte Gefahr schaffen
Bsp.: A will B angreifen. Deshalb schlägt C den A nieder.
Kritik an der Lehre: Sie ist nicht erforderlich => Täter hat i.d.R. bereits keinen Vorsatz; Tat ist im Zweifel durch § 34 StGB gerechtfertigt
Fallgruppe atpypischer Kausalverlauf
= Ursachenzusammenhang, der außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt
P.: Atypischer Kausalzusammenhang und außergewöhnliche Konstitution des Opfers
z.B. Tritt hätte „normales“ Opfer nicht getötet, aber das konkrete Opfer hat eine besondere medizinische Konstitution, weshalb es trotzdem stirbt
e.A. (Rspr.): Besondere medizinische Konstitution liegt nicht außerhalb aller Lebenswahrscheinlichkeit => Zurechnung (+)
(-): Es realisiert sich nicht die vom Täter verursachte Gefahr, sondern das beim Opfer angelegte Risiko in Form der medizinischen Konstitution
a.A. Wesentliche Teil des Kausalverlaufs müssen vorhersehbar sein => bei einer medizinischen Rarität (-)
Arg.: Wenn medizinische Rarität nicht atypisch ist, was dann?
(-): Menschen mit besonderen medizinischen Konstitutionen würden so als weniger schutzwürdig eingestuft
(-): Problematik der Abgrenzung, ab wann eine medizinische Konstitution vorhersehbar ist
Fallgruppe Freiverantwortliche Selbstgefährdung oder Schädigung des Opfers
Risiken, denen sich ein anderer freiverantwortlich aussetzt, sind nicht zurechenbar => objektive Zurechnung (-)
Geht darum, ob ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen wurde
Somit: Abgrenzung von Verantwortungsbereichen
Grds.: Straftatbestände sollen den Rechtsinhaber vor Eingriffen Dritter schützen und nicht vor sich selbst
Für eigenes Handeln des Opfers kann der Täter nicht verantwortlich sein
Bei einer Selbstschädgung
Beihilfe zum Suizid ist nicht strafbar => Grund: Suizid ist nicht strafbar
P.: Wenn der Täter die Selbstgefährdung vorsätzlich oder fahrlässig veranlasst hat
Zurechnung (-), wenn sich nur das mit der Selbstgefährdung verwirklichte Risiko verwirklicht
Zurechnung evtl. (+), wenn der Täter das Risiko aufgrund seines überlegenen Wissens besser erfasst hat
z.B. bei Aids-Fällen Strafbarkeit des Infizierten (+), wenn er seinen Sexualpartner nicht über die Infektion informiert
Fallgruppe freiverantwortliche Selbstgefährdung oder Schädigung des Opfers
P.: Kriterien, nach denen sich die Freiverantwortlichkeit bestimmt
e.A.: Stellt auf dem Maßstab der Schuldfähigkeit ab
Demnach: §§ 19, 20, 35, 17 StGB analog
Somit: Hätte das Opfer im Falle einer fremden Rechtsgutsbeeinträchtigung schuldhaft gehandelt?
(-): geht nicht um Schuld und Strafbarkeit, sondern um Schutzbedürftigkeit => setzt früher ein
a.A.: Maßstab der Wirksamkeit einer rechtfertigenden Einwilligung
(+): hier wird auf der Beurteilungsfähigkeit bei einem Verzicht auf strafrechtlichen Schutz abgestellt
Frage: Hätte das Opfer wirksam einwilligen können?
Prüfung:
Dispositionsfähigkeit des betroffenen Rechtsgut
Einwilligender ist Träger des betroffenen Rechtsguts
Einwilligungserklärung
Einwilligungsfähigkeit
Keine wesentlichen Willensmängel
Kein Sittenverstoß i.S.d. § 228 StGB
Kenntnis der Einwilligung
Fallgruppe freiverantwortliche Selbstschädigung oder Gefährdung des Opfers
P.: Freiverantwortliche Selbstgefährdung und Retterfälle
h.M.: Missbilligte Gefahrschaffung
Arg.: Lage wurde geschaffen, durch die andere vorhersehbar in Gefahr gebracht wurden => Auch Retter
Grenze: Waghalsige oder leichtfertige Manöver der Retter
Hier verschieben sich der Verantwortungsbereiche
Hier freiverantwortliche Selbstgefährung => z.B. wenn Passant in brennendes Haus rennt, um es zu löschen
Gilt nicht für Berufsretter
Hier: Pflicht zum Eingreifen; keine freiverantwortliche Selbstgefährdung
a.A.: Wenn man eine solche Gefahr schafft (z.B. Feuer legen), setzt man das Risiko, dass auch Personen, die nicht dazu verpflichtet sind, sich herausgefordert fühlen
= klassisches Problem in Brandstifterfällen
Fallgruppe eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter
Der Risikozusammenhang entfällt, wenn ein Dritter in den Kausalverlauf eingreift und ein neues, allein von ihm gesteuertes Risiko setzt
z.B. Jäger bringt geladenes Gewehr, Dritter nutzt es, um jemanden zu erschießen
geht darum, ob eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen wurde
Erforderlich: Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen
Wenn ein Dritter vorsätzlich handelt Zurechnung (-); wenn ein Dritter fahrlässig handelt Zurechnung (+)
Zurechenbarkeit?
(-): Vertrauensgrundsatz: Man muss grundsätzlich nicht damit rechnen, dass andere Personen vorsätzliche Straftaten begehen
(-): Regressverbot: Unzulässig, bei der vorsätzlichen Erfolgsverursachung durch einen Dritte, auf einen fahrlässig handelnden „Hintermann“ zurück zu greifen
(+): Bei besondere Pflichten beim Umgang mit gefährlichen Gegenständen, die den Zweck haben, Dritte davon abzuhalten, damit Straftaten zu begehen
Rechtlich missbilligtes Risiko hat sich dann verwirklicht
Ausnahme zum Vertrauensgrundsatz
z.B. beim Gewehr: Pflichten zum sorgfältigen Aufbewahren einer Waffe sollen auch vor Missbrauch durch einen Dritten schützen
Fallgruppe Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter
P.: Wenn der Täter das Opfer vorsätzlich verletzt und das Opfer bei einem Unfall auf dem Weg ins Krankenhaus verstirbt?
h.M.: Zurechnung (+)
a.A.: Unfall ist eine neue, zusätzliche Ursache, die dem Täter nicht zuzurechnen ist
Fallgruppe Naturkausalität
Wenn der Erfolg aufgrund einer Naturkausalität auch eingetreten wäre, wenn der Täter nicht gehandelt hätte
z.B. Bahnwärter stellt Weiche um => aber: sowohl neues als auch ursprünglich geplantes Gleis werden durch Erdrutsch verschüttet
Fallgruppe Pflichtwidrigkeitszusammenhang
Wenn der Erfolg nicht auf dem pflichtwidrigen Verhalten beruht, sondern auch bei pflichtmäßigem Verhalten eingetreten wäre
Objektive Zurechnung (-)
Arg.: Erfolg beruht nicht auf der Pflichtwidrigkeit
Pflichtwidrigkeitszusammenhang (rechtmäßiges Alternativverhalten)
P.: Wenn nicht sicher festgestellt werden kann, ob der Erfolg auch bei pflichtmäßigem Verhalten eingetreten wäre (non-liquet-Situation)
h.M.: Keine objektive Zurechnung, wenn man nicht ausschließen kann, dass der Erfolg auch bei pflichtgemäßen Alternativverhalten eingetreten wäre
Arg.: in dubio pro reo
a.A.: Risikoerhöhungslehre
Für objektive Zurechnung ausreichend, wenn das Täterverhalten die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintrittes erhöht hat
(-): Schränkt den Zweifelssatz des in-dubio-pro-reo in unzulässiger Weise ein
(-): Begreift Verletzungsdelikte contra legem als Gefährdungsdelikte
P.: Wenn sich das Opfer bei seiner Flucht verletzt
ann Frage: Stellen das Fluchtverhalten des Opfers und die dadurch erlittenen Verletzungen eine naheliegende Folge der ausgeführten Faustschläge dar?
Je nach Situation (+/-) argumentieren
Fallgruppe Freiverantwortliche Selbstgefährdung
=> wie geht man bei der Prüfung vor?
zuerst: Liegt eine Selbstschädigung vor
dann: Freiverantwortlichkeit prüfen (Kriterien s.o.)
Wenn eine Fremdgefährdung vorliegt: Auf Rechtfertigungsebene die Einwilligung prüfen
P.: Liegt eine Selbst- oder Fremdgefährdung vor?
Abgrenzung über das Kriterium der Tatherrschaft: Wer hat Herrschaft über das unmittelbar zum Erfolgseintritt führende Geschehen
Wenn man eine freiverantwortliche Selbstgefährdung prüft, das zuerst prüfen!
Immer daran denken, wenn das Opfer sich freiwillig in Gefahr bringt bzw. wenn eine rechtfertigende Einwilligung in Betracht kommt
Maßgeblicher Zeitpunkt: Konkrete Gefährdungslage, welche unmittelbar zum schädigenden Ereignis führt
P.: Einverständliche Fremdgefährdung => Woran denken?
Behandlung einer einverständlichen Fremdgefährdung sinnentsprechend wie eine Einwilligung
Arg.: Wenn in den tatbestandlichen Erfolg eingewilligt werden kann, dass sollte dies auch bei einer bloßen Fremdgefährdung möglich sein
Beachte: Rechtsgedanke des § 228 StGB findet bei der einverständlichen Fremdgefährdung Anwendung
Zuletzt geändertvor 5 Monaten