Buffl

4. 19. Jahrhundert

AB
von Anja B.

WISSEN

Charakteristika und Vertreter der romantischen Medizin

Charakteristika und Vertreter der romantischen Medizin


Charakteristika

  • von ca 1790-1820

  • Überhöhung der “Natur”, Mystizismus

    • Fortschrittsfeindlichkeit, Kulturkritik

    • “Wiederentdeckung des Religiösen”/ Spitituellen (mystisches Naturerleben, kein Zusammenhang mit Frömmigkeit)

  • Überhöhung der Vergangenheit, Geschichte als Forschungsgegenstand (Erhebung von Geschichte aus Erzählungen & Legenden)

    • Germanen, Kelten, Druiden

    • Mittelalterbegeisterung (Wiederentdeckung der Gotik)

  • Nationalismus (Befreiungskriege) -> napoleanische Kriege -> patriarchische Aufrufe -> Jugendbewegung

  • Beschäftigung mit Sprach(famili)en

    • Indigogermanistik (Konstrukt aus der Zeit der Romantik)

  • Jugendkult. “Enthusiasmus” (Betonung des Gefühls) statt Ratio

  • Medizin: Nebeneinander von “Romantik” und experimenteller Physiologie bzw empiriegestützter Medizin

  • Mediziner in enger Verbindng zu Philsophen und Künstlern der Zeit


Vertreter

  • Franz Anton Mesmer (1734-1815)

    • traditionelle Indentifikationsfolge

    • “tierischer Magnetismus” (Hypnose, Suggestion)

  • Justinus Kerner (1786-1862)

    • “Die Seherin von Prevorst” (1829) - psychisch auffällige Frau, die er bei sich beherbergt, Kontakt zur Geisterwelt

    • Somnalbumismus (Schlafwandeln), Geisterwelt, Amulette gegen Krankheiten

    • Monografien über Botulinismus (Bedeutung bei Konserven/ Räucherwaren im 19. Jahrhundert -> sinkende Hygiene erhöhte Fälle von Botulinumtoxin in Konserven) und Riesling (Wein, Kerner-Rebe)

  • Gotthilf Heinrich (von) Schubert (1780-1860)

    • “ Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaften” (1808)

    • Traum, Tiefe der Seele, das “Wunderbare”

  • Carl Gustav Carus (1789-1869)

    • Bekannter Geburtshelfer

    • Namensgeber der Dresdner Medizinischen Fakultät

    • Einfühlende Erkenntnis der Natur (Maler), Leben der Seele

  • Johann Christian Reil (1759-1813)

    • bekannter Neuroanatom

    • “Rhapsodien über die Anwendung der psychischen Curmethode” (1803): Plädoyer für Empathie und Verständnis in der Irrenbetreuung

  • Carl Josef Hieronymus Windischmann (1775-1839)

    • Verbindung von christlichem Menschenbild, “romantischer” Naturbetrachtung und medizinischer Anwendung

  • Johannes Nepomuk von Ringseis (1785-1880)

    • Iatrotheologie (= Durchdringung von Religion und Medizin): die meisten Krankheiten sind auf die Sündhaftigkeit der Menschen zurückzuführen


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Anfänge der Psychatrie im 19. Jahrhundert und ihre Vertreter

Anfänge der Psychatrie

  • Entstehung als Spezialfach der Medizin im 19 Jahrhundert

  • “romantische Wurzeln”(Magnetismus, Hypnose) in einem “Zeitalter der Vernunft” (geschärfter Blick für das Abweichende, Geisteskrankheiten)


Mystiker (Romantiker)

Psychiker

somatische Pragmatiker

“Materialisten”, Hirn-psychatrie

Krankheits-auslöser

Geisterwelt

Fehl-verhalten, Sünde

Hirn/ Organ

Hirn/ Organ/ Stoffwechsel

krankes “Substrat”

Seele

Seele

ganzes Hirn (Seele kann nicht erkranken)

Hirnareale, Seele ist Produkt des Hirns

Vertreter

Kerner

Heinroth

Reil

Griesinger, Wenicke


Vertreter

  • Johann Christian August Heinroth (1773-1843)

    • Vater: Militärchirurg, Mutter: Pietistin

    • Besuch der Nikolaischule, Sprachbegabung (Übersetzung fremdsprachiger Fachliteratur in moderne Sprachen)

    • Wechselnde ärztliche Tätigkeit, Militärarzt (Völkerschlacht!)

    • 1811: weltweit erste Professur für “Psychische Therapie”, 1819: persönliches Ordinat in Leipzig am Zucht-, Arbeits- und Waisenhaus “St Georg am Brühl”

    • 1830: Mitglied der medizinischen Fakultät, 1842: Dekan

    • Gutachter für den Frauenmörder Johann Christian Woyzeck (1780-1824) -> letzte öffentliche Vollstreckung eines Todesurteils in Leipzig, Vorlage für Büchner

    • Anthropologische Fundierung psychischer Krankheiten (1806/1822: Medizinische Anthropologie)

    • pädagogischer Ansatz, moralisierende Argumente, psychische Krankheiten als Verfehlungen/ Fehhaltungen

      • 1817: Promotion zu Dr. phil über den Wille als Heilmittel gegen Wahnsinn

      • 1829: Der Schlüssel zu Himmel und Hölle im Menschen oder Über moralische Kraft und Passivität (Verwendung von Worten des Pietismus bei noch nicht vorhandenem psychiatrischem Vokabular)

      • 1828: Von Grundfehlern der Erziehung und ihren Folgen

    • Zeittypische Zwangsmaßnahmen, da bestehender Glaube an Willensfreiheit trotz psychischer Erkrankung -> unter richtiger Führung und Wille ist Heilung möglich

      (1818: Lehrbuch der Störungen des Seelenlebens und ihrer Behandlung)

    • schlechte Presse:

      • Emil Kraeplin: H.ist gefährlicher Feind om de moraltheologischen Auffassungen des Irreseins -> Behinderung einer Entwicklung einer “wissenschaftlichen” Psychiatrie

      • Udo Benzenhöfer: rigider moralischer Charakter in H.s Lehre -> Krankheit wird in bedenklicher Weise als Sünde betrachtet


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Verschiedene Strömungen der Psychatrie im 19. Jahrhundert und ihre Vertreter

Verschiedene Strömungen der Psychatrie im 19. Jahrhundert und ihre Vertreter


  • Anknüpfung an “Magnestismus” des 18. Jahrhunderts: Hypnose (Auslösen von künstlichem Schlaf)

    • Jean M. Charcot (1825-1893): Hysterie-Experte

    • Siegmund Freud (1856-1939): traumatisch-sexuelle Auslöser

  • Frühe “Sozialpsychiatrie”

    • “Befreiung der Irren von ihren Ketten”

      • Philippe Pinel (1745-1826): Sozialreformer, “traitment moral” (psychisch Kranke nicht vor Gericht stellen, sondern therapieren und vor Selbst- und Fremdschädigung schützen), vergleichende Beobachtung der Kranken

      • Jean Etienne Dominique Esquirol (1772-1840): eher theoretisches Wirken, Übersetzung der Schriften von Heinroth

    • “No-Restraint”-Bewegung (-> gegen gewaltsames Vorgehen gegen Kranke (z.B. Anbinden)

      • John Conolly (1794-1866)

      • Wilhelm Griesinger (1817-1869)

  • Ende der moralischen Verurteilung

    • Richard von Krafft-Ebing (1840-1902)

      -> systematische Darstellung sexueller Perversion als krankhafte psychische Devianz - wissenschaftlich fundierte Entlastung der Beschuldigten

  • Lokalisationslehren

    • Anknüpfung an Franz Joseph Gall (1758-1828): Schädelsammlung, Phrenologie)

    • Experimenteller Ansatz: Schädigung in bestimmten Hirnbereichen mit immmer gleicher Folge -> Zuordnung von Hirnbereichen zu Funktionen

      • Paul Broca (1824-1880): motorisches Sprachzentrum

      • Carl Wernicke (1848-1905): sensorisches Sprachzentrum, “Hirnpsychiatrie”

  • Hirnpsychiatrie

    • Wilhelm Griesinger

    • Paul Flechsig (1847-1929): Bedeutender Neuroanatom, erster Leipziger Ordinarius für Psychiatrie

  • Klassifizierungsversuche

    • Karl Lzdwig Kahlbaum (1828-1899): Krankheitsverlauf als Forschungsparadigma

    • Emil Kraepelin (1856-1927): exogene vs. endogene Psychosen (Schlüsselrolle in Psychiatrie), Unterscheidung von zirkulärem Irresein (bipolare Störung) von Demetia praecox (mögliche Verlaufsform der Schizophrenie)

    • Eugen Bleuler (1857-1939): Begriff “Schizophrenie” (gespaltener Verstand)

  • Denegerationstheorien im Zeitalter der “Nervösen” (Hysterikerinnen und nervöse Männer)

    • Augustin Morel (1809 -1875): Anamneseforschung: psychisch kranke Vorfahren aktuell Erkrankter - verschlimmern der Krankheit über Generationen

    • Paul Julius Möbius (1853-1907): Leipzig, “Vom physiologischen Schwachsinn des Weibes” -> gegen die Frauenbewegung/ Gleichberechtigung der Frauen

    • Alois Alzheimer (1864-1915): Erstbeschreibung der Alzeheimerkrankheit an Auguste Deter (gestorben 1906)


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Veränderungen im Medizinstudium und im Status der Ärzte im 19. Jahrhundert

“Professionalisierung”

Veränderungen im Medizinstudium und im Status der Ärzte im 19. Jahrhundert

“Professionalisierung”


  • Standartisierung der Inhalte

  • Abschaffung des obligaten Lateins und des Philosophicums (einschließlich Geschichte), statdessen naturwissenschaftliche Inhalte, Experimente

  • Unterricht am Krankenbett, Patientenvorstellung im Hörsaal

  • Praktische Ausbildung in Chirurgie und Geburtshilfe

  • nach und nach Einbeziehung der “neuen” Fächer

  • nach 1900: Zulassung von Frauen zum Studium

    • 1883: erstes Mädchengymnasium mit Zulassung zum Abitur

    • Gasthörerstatus ohne Examen/ Promotion

    • Ausnahme: 1880, Leipzig, Examen von Hope Bridges Adams Lehmann (2855-1916)

      • Promotion in Bern und Dublin

      • 1904 Anerkennung der Abschlüsse in München

      • Friedensaktivistin, Frauenrechtlerin, Sozialistin

    • erste Ärztinnen - Kurpfuscherinnen, dürfen weder Rezepte noch Totenscheien ausstellen

    • Änderung zwischen 1899 und 1908

    • erste deutsche Ärztin:

      • Dorothea Christiane Erxleben (1715-1762)

        • angelent von Vater, privater Unterricht in Latein und NaWi

        • 1755 Promotion in Halle mit Ausnahmegenehmigung

        • jahrelang Praxis neben Haushalt

      • Franziska Tiburtius (1843-1927)

        • 1817-76 Medizinstudium und Promotion in Zürch

        • unentgeltlich als Volantärztin in Leipzig und Dresden

        • eigene Praxis mit Studienkollegin Emilie Lehmus (1841-1932) in Berlin

          • erste deutsche Ärztinnen mit eigener Praxis

          • Anfeindung von Kollegenschaft

          • Status von Heilpraktikerinnen

          • 1908: “chirurgische Klinik weiblicher Ärzte” für arme Frauen (Schwepunkt Gyn und Chirurgie)

        • Engagement in Frauenbewegung

  • Abgrenzung von Laienheilern durch “Approbation”

  • ärztlicher Einheitsstand ab 1852

  • gestiegenes Ansehen von Chirurgie und Geburtshilfe

  • gestiegenes Ansehen durch naturwissenschaftliche Methoden

  • 1872 Deutscher Ärztevereinsbund

  • Gründung von Fachzeitschriften und Fachgesellschaften

  • Spezialisierung

  • Aufspaltun in Partikularinteressen unterschiedlicher Fächer und Arbeitsfelder

  • Niederlassungsfreiheit, allerdings keine allgemeine Kassenzulassung, schlecht bezahlte “Armenärzte”

  • Arbeit im Krankenhaus als neues Berufsfeld (unbezahlt, Heiratsverbot)


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Zentren der Krankenhausmedizin des 19. Jahrhunderts

Zentren der Krankenhausmedizin des 19. Jahrhunderts

  • PARIS

    • Guillaume Dupuytren (1777-1835)

      -> Beugekontraktur der Finger

    • Hyacinthe Laênnec (1781-1826)

      -> Stethoskop und Auskultation

    • Pierre Charles Alexandre Louis (1787-1872)

      -> statistische Überprüfung der Wertigkeit von klinischen Zeichen und Therapieverfahren

  • LONDON

    • Thomas Hodgkin (1798-1866)

      • Studium in Paris

      • maligne Lymphgranulomatose

      • soziale und sozialmedizinische Aktivitäten als Quäker und Philantroph, Aufgabe des Arztberufes

    • Thomas Addison (1793-1860)

      • primäre chronische Nebenniereninsuffiziens (1855)

      • Arbeiten zu Fettleber, Appendizitis, Lungenentzündung

      • klinisches Bild der “perizinösen Anämie”

      • gesellschaftliche Aufmerksamkeit über Mb. Addison in Kennedy-Familie

  • DUBLIN

    • John Cheyne (1777-1836)

    • William Strokes (1804-1878)

      • Cheyne-Strokes-Atmung: intermittierende Respiration bei Bulbus-Schädigungen (in großen Höhen, bei bestimmten Schlafphasen)

    • Robert James Graves (1796-1853)

      • “Graves”-disease: Tachykardie, Struma, Exophtalmus bei Hyperthyreose

        dt.: Badedow’sche (Merseburger) Trias, genannt nach Carl Adoplh von Basedow (1799-1854) aus Merseburg

  • WIEN (die zweite Wiener Schule)

    • Carl von Rockitansky (1804-1878)

      • erster Wiener Lehrstuhl für pathologische Anatomie, kein Kliniker

      • Krasenlehre (nicht alles exakt lokalisierbar und örtlich begrenzt, Blut als eigentlicher Sitz von Krankheiten)

    • Joseph Skoda (1805-1881)

      • Thoraxkrankheiten

      • Schallphänomene bei Auskultation und Perkussion

    • Joseph Dietl (1804-1881)

      • “Therapeutischer Nihilismus” - Versicht auf Behandlung, wenn deren patophysiologische Begründung fehlt

    • Ferdinand von Hebra (1816-1880)

      • Hautkrankheiten als Ausdruck der Inneren Erkrankung und als eigene Krankheitsgruppe, Entdeckung der Krätzemilbe

      • Pflegemaßnahmen bei langer Bettlägerigkeit (z.B. Wasserbett bei Dekubitus, außergewöhnliche Beschäftigung mit Pflegeproblemen)



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Kennzeichen der “klinischen Medizin” und des neuen Krankenhaustypes

Kennzeichen der “klinischen Medizin” und des neuen Krankenhaustypes


Klinische Medizin

  • systematischer Vergleich von klinischer Semiotik und Autopsie, Anfang der modernen Diagnostik, Ausgangshypothese: es gibt nicht nur einzelne Kranke, sondern Krankheitsentitäten

  • Beobachtung und Anwendung physikalischer Messmethoden (Objektivierung, “Normierung”)

    • Perkussion, Auskultation

    • Fierbermessen in Berlin und Leipzig, Neudefinition des Fiebers als Erhöhung der Körpertemperatur statt ein Gefühl von Schwäche und Erschöpfung

      -> Carl Reinhold August Wunderlich (1815-1877)

  • Zurückhaltender Medikamenteneinsatz, Diäten (Heilernährung)

    -> Morphium (1806, erstes reines Medikament), Strychnin (1818), Chinin (1820, Brechmittel, Einsatz bei Schock wegen erregender Wirkung), Chloral (1832, Schlafmittel)

  • Reduktion des exzessiven Aderlasses


Der neue Krankenhaustyp

  • Baukonzept: symmetrische Korridors vs. Pavilons (einzelne kleine Gebäude, Patienten nach Krankheitsbild “sortiert”), Integration der Ambulanz (Zugang der Bevölkerung zur Klinik)

  • Unterschiedliche Abteilungen <-> Spezialisierungen

    • Männer/ Frauen

    • Innere/ Chirurgie

    • ansteckend/ nicht ansteckend

  • Integration von Labor und Obduktionsraum

  • (langsame) Aufwertung der Krankenpflege

    • Barmherzige Schwestern, ab 1836 Diakonissen

    • bürgerliche Wohlfahrtspflege (sinkende Bedeutung der religiösen Komponente)

    • vaterländischer Frauenverein vom Roten Kreuz -> Einsatz zuerst in Kriegsgeschehen, später auch sozial- und gesellschaftlich, soziale Pflege zunächst vor allem ambulant


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Die wichtigsten Akteure der Krankenhausmedizin des 19. Jahrhunderts

Die wichtigsten Akteure der Krankenhausmedizin des 19. Jahrhunderts

  • Carl Reinhold August Wunderlich (1815-1877) Erfindung der Fieberkurve

    • 1840-50 in Tübingen

    • 1850 Leipzig: ord. Prof. für “Medizinische Klinik” der Universität Leipzig und klinischer Leiter des Jakobshospitals

    • Bedeutung der klinischen Befundung, exakter Dokumentation und Patientenbeobachtung

    • “physiologische Medizin” - stark physiologisch orientierter klinischer Unterricht

    • 1859 Fieberkurven (“systematische Thermometrie”), Pathognomonische, typische Verläufe bei bestimmten Krankheiten

  • Bismarck - Sozialgesetzgebung

    • “Top-Down”-Reformen zur Befriedigung der Kritiker und Sozialdemokraten

      • Landesweite Vereinheitlichung der Leistungen

      • Versicherung statt Wohltätigkeit

    • 1883: Krankenversicherung der (gewerblichen) Arbeiter

      • Gründung Ortskrankenkassen mit Mitbestimmung

      • gleichzeitige Durchsetzung der naturwissenschaftlichen Medizin (Grund: Krankenkasse zahlt nicht für Naturheilkunde, Homöopathie, …)

    • 1884: Unfallversicherung

    • 1889: Alters- und Invalidenversicherung

      • Rente mit 70

      • 1911: Reichsversicherungsordnung

  • Johann Lucas Schönlein (1793-1864)

    • ab 1814 in Würzburg als Dozent tätig

      • regelmäßige Obduktionen

      • bekanntester Schüler: Rudolph Virchow

    • 1824: Professur für Krankheitslehre und Therapie, Leiter der Medizinischen Klinik des Juliusspitals

      • 1826: physikalische Untersuchungsmethoden, Blut- und Urinanalysen

      • Begriff Hämophilie, Tuberkulose als eigenes Krankeheitsbild

      • Differenzierung von Bauchtyphus und Fleckfieber

      • Purpura-Schönlein-Henoch (Immunkomplex-Purpura, IgA-Vaskulitis)

      • Interesse für Seuchengeschichte

    • Bedeutender Paläobotaniker

    • ab 1839 Ordinarius in Berlin, Leibarzt von König Friedrich Wilhelm IV


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Die Entwicklung von Anästhesie und Asepsis und deren Folgen für die Chirurgie

Die Entwicklung von Anästhesie und Asepsis und deren Folgen für die Chirurgie


Schritt 1: Anästhesie

  • Zeitgewinn

  • enormer Anstieg der Operationszahlen

  • enormer Anstieg der Hospitalbrand-Fälle

  • Lachgas: 1845 Misserfolg von Horace Wells (Zahn-OP)

  • Äther: 1864 Thomas G. Morton (Zahn-OP), Robert Liston (Beinamputation)

  • Chloroform: 1847 James Y. Simpson (Geburtshilfe)

  • Kokain: 1883 Karl Koller (Augenarzt)

    • William Halsted: Blockadepunkte

    • Karl Ludwig Schleich: Infiltrationsanästhesie bei oberflächlichen Operationen (bis 5%ige Lösungen)

  • Avertin, Evipan als Einlauf (besonders bei Tetanus)

  • Bedenken gegen Anästhesie:

    • mentalitätsbedingt (Bibel: Forderung der Geburt unter Schmerzen)

    • Angst vor Hilflosigkeit wegen Bewusstseinsverlust

Schritt 2: Antisepsis/ Asepsis

  • Chirurgie wird zur “heilenden Disziplin”

  • Eingriffe in Körperhöhlen werden möglich

  • richtige Intuition, falsche Begründung: Ignatz Semmelweiß (1818-1865)

  • richtige Intuition, theoretische Begründung: Joseph Lister (ab 1865)

  • wissenschaftlicher Beweis: Robert Koch 1878

  • weiterhin teilweise erhebliche Widerstände der Chirurgen gegen antiseptische Maßnahmen


Ignaz Philip Semmelweis (1818-1865)

  • Ursache des Kindbettfiebers: “Leichengift” statt “Kontagium”

    • iatrogene Auslösung, kam nicht bei Hebammenschülerinnen vor

    • Gegenmittel: Chlorkalklösung, Reinlichkeit

  • Heftige Anfeindung in Wien und Pest

    • Politisierung des Konfliktes 1848, Einschränkung der Lehrfreiheit

  • Rätselhafter Tod in Landesirrenanstalt in Wien-Döbling an Sepsis

  • erst im 20. Jahrhundert “Retter der Mütter” (im deutschen Raum)

  • Namensgeber der Medizinischen Universität in Budapest


Joseph Lister (1827-1912)

  • Vater der Asepsis

  • Haut- und Gerätedesinfektion mit 5%iger Karbolsäure

  • Zerstäubung von 5%iger Karbolsäure im OP

    • nicht ungefährlich

    • Allergien, Hautverätzungen

    • Leber- und Nierenschäden

    • in der Wirksamkeit überschätzt, zugunsten von heißem Wasser verlassen

  • Einführung der keimarmen Catgutnaht und der Wunddrainage


Erstoperationen

  • End-zu-End-Gastroduodenostomie (Billroth I): 1879 Jules Péan, 1899: Theodor Billroth

  • Cholezystektomie: 1882 Carl Langenbuch

  • Appendektomie: 1884: Rudolph Krönlein

  • antekolische Gastroenterostomie (Billroth II): 1885, Theodor Billroth (Reststück Gaster/ Pankreas mit Duodenum verbunden, Abfluss von Verdauungssekreten weiterhin möglich)

  • Varikozele: 1893, Albert Koehler

  • Schilddrüsenchirurgie: Theodor Kocher


VERSTEHEN


Die Rolle Schellings für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin

Die Rolle Schellings für die Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin

  • Friedrich Wilhelm Schelling (1775-1854)

  • philosophische Vorraussetzung für experimentelle Forschung: “Philosphie des Organischen”

  • an Universitäten in Jena, Würzburg, Erlangen, München, Berlin

  • umfassende naturphilosophische Konzeption, die sich entschieden gegen mechanistisch-rationales Weltbild wendet

  • das sepzifische Organische und Lebendige im Mittelpunkt

  • Deduktion (Ableitung vom Allgemeinen auf das Besondere), Prinzip der Polarität, Unterordnung unter ein “oberstes Prinzip” = Anknüpfung an Tradition und Bekanntes

  • Natur als Organismus

  • Abtirationalistisch, Indentität von Natur und Geist, “Einheit der Natur”

  • fließende Übergänge zwischen Materie, Pflanzen und Tieren

  • Synthese von Objekt und Subjekt, Realem und Irrealem, Ding und Gedachtem

  • Verwendung aller wesentlichen naturwissenschaftlichen Begriffe der Zeit, z.B. Magnetismus, Elektrizität, Chemie, Reproduktion, Irritabilität, Sensibilität, Lebenskraft = Aufgreifen des Modernen

  • Ordnung in die Vielfalt der Meinungen gebracht

  • gut angenommen, da leicht vereinbar mit den gängigen Lehren (z.B. Brownianismus)

  • Experiment als “Bestätigung einer Prophezeiung”

-> Jena als Zentrum der Romantik und Naturwissenschaften


Wirkung Schellings in der Medizin

  • Andreas Röschlaub (1768-1835)

    • Vermittler des Brownianismus (lebende Organismen lassen sich von Leblosen nur durch ihre “Reizbarkeit” unterscheiden) in Deutschland

  • Ignaz Paul Vitalis Troxler (1780-1866)

    • Grundriß der Theorie der Medizin (1805)

    • Leben als Prozess vs. Leben als Organismus

    • polare Ordnung der Heilmittel

    • “dynamische” vs. “plastische” Krankheiten

      • Anomalien der Sensitivität (Adynamie)

        • der Irritabilität (Spasmodien)

        • der Lebenstätigkeit (Spasmolyse)

      • Anomalien der Konformation (Kachexien)

        • der Affinität (Kontagien)

        • der Produktivität (Kolliquation)

  • Philipp Franz von Walther (1782-1849)

    • bedeutender Vertreter der Vergleichenden und funktionellen Anatomie

      • “Physiologie des Menschen mit durchgängiger Rücksicht auf die comparative Physiologie der Tiere” (1806)

      • Methode: Vergleich und Analogie

      • Zentrale Begriffe: Irritabilität/ Bewegung, Sensibilität/ Perzeption (Aufnahme von Reizen über Sinneszellen)

    • bedeutender Chirurg und Augenarzt

      • Leibarzt von König Ludwig I von Bayern

      • Gegner der strikten Trennung von Chirurgie und Innerer Medizin

      • “ganzheitlicher” Krankheitsbegriff

    • Pro-religiöse Position im Materialismusstreit

      • Vertreter eines naiven “Köhlerglaubens” (Glaube an die Aussage anderer, naiver/ blinder Glaube)


VERSTEHEN


Problematik der Krankenhausmedizin im 19. Jahrhundert

Problematik der Krankenhausmedizin im 19. Jahrhundert

  • neue Herausforderungen

    • Industrialisierung

    • Seuchen

    • Abwanderung in die Städte -> Arbeitsunfälle/ Arbeitslose

  • neue Krankenhausstrukturen -> größere Anstalten mit komplizierter Infrastruktur

  • Interesse am “Krankengut” -> Ausrichtung auf naturwissenschaftlich-medizinischen Fortschritt

  • Zuwachs der Bedeutung der Chirurgie

    • hohe Fallzahlen

    • Sepsis und Wundbrand machten Umdenken in Wundbehandlung nötig

  • Wundbehandlung von 1880-ca 1950

    • Lebertran

    • Silbersalbe (auch bei Gonorrhoe)

    • Bleiwasser bei infizierten Wunden

    • Quecksilbersalbe (auch als Diuretikum und mit Arsen und Wismut kombiniert bei Lues)

    • Schwefelsalbe bei Ekzemen

    • heiße Leinsamenpackungen bei Karbunkeln und Ekzemen

  • Sepsis in der Vor-Antibiotika-Ära

    • Bluttransfusionen (nicht als Volumenersatz, sondern als “Stärkung”)

    • Morphium zur Dämpung (sparsam als Schmerzmittel verwendet, eher palliativ)

    • Staphylokokken-Vakzine

    • Eigenblut-Um- und Einspritzung

    • Bier`sche Stauung

    • Terpentinabszess (Abszess durch Einspritzen von Terpentin, soll Selbstheilungskräfte anregen)

    • Kampfer und Strychnin bei Herzversagen

  • Einsatz von Röntgenstrahlen

    • kaum in Diagnostik (Frakturen, Schwangerschaften)

    • Große therapeutische Hoffnung

      • Hirntumore (Vermeidung von Operationen)

      • Nachbestrahlung fast aller operierten Karzinome (auch Basaliome, Plattenepithel-CA, Adenom, Aktinomykose, Narbenkeloiden)

      • Bestrahlung von Lupus Vulgaris (Haut-Tbc)

      • Reizbestrahlung des Abdomens bei Mesenterial-Tbc

    • Leichtsinn

      • Orthopädischer Service in Schuhgeschäften

      • Einsatz zur Damenhaarentfernung


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Anja B.

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