Notwehr (§ 32 StGB)
I. Notwehrlage: gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff
1. Angriff = jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten
Es gilt:
Ob ein Angriff vorliegt, beurteilt sich nach der objektiven Sachlage zur Zeit der Tat und nicht nach den Vorstellungen des Täters.
Ein Angriff auf Dritte ist ausreichend (Nothilfe); aber: keine aufgedrängte Nothilfe.
Kein Angriff sind Gefährdungen durch Tiere („menschliches Verhalten“); anders: wenn sich der Mensch seines Tieres zum Angriff bedient („Tier als Waffe“).
2. gegenwärtig = Der Angriff ist gegenwärtig, wenn die Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert.
Dauergefahren werden von § 32 StGB nicht erfasst.
Notwehr scheidet aus, wenn der Angriff beendet ist; beendet ist der Angriff, wenn er fehlgeschlagen, aufgegeben oder durchgeführt ist.
Unmittelbar bevor steht der Angriff jedenfalls dann, wenn es ohne wesentliche Zwischenschritte zu einer Verletzung des Rechtsguts kommen kann, d.h. wenn die Schwelle zum Versuch bereits überschritten wurde.
Präventivmaßnahmen gegen noch nicht gegenwärtige Angriffe werden nach h.M. nicht von § 32 StGB gedeckt.
3. rechtswidrig = Der Angriff ist rechtswidrig, wenn der Angreifer seinerseits nicht gerechtfertigt ist.
II. Notwehrhandlung: muss sich gegen den Angreifer richten und geeignet, erforderlich und geboten sein
1. muss sich gegen den Angreifer richten („Verteidigung“) = Die Handlung darf sich nur gegen Rechtsgüter des Angreifers und nicht gegen Rechtsgüter Dritter richten.
keine Drittwirkung der Notwehr
2. Geeignetheit = Geeignet ist eine Handlung, die den Angriff effektiv zu beenden vermag.
Nach h.M. sind schon solche Handlungen geeignet, die eine gewisse Chance bieten, den Angriff abzuschwächen, zu erschweren oder zu verzögern.
3. Erforderlichkeit = Erforderlich ist die Verteidigungshandlung, wenn sie von den zur Verfügung stehenden Abwehrmitteln das mildeste Mittel darstellt.
Eine sog. „schimpfliche Flucht“ ist dem Angegriffenen nicht zuzumuten. Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen.
Ein weniger gefährliches als das eingesetzte Abwehrmittel braucht nicht gewählt zu werden, wenn der Abwehrerfolg zweifelhaft erscheint.
Ist die Notwehrhandlung an sich erforderlich, so nehmen ungewollte Auswirkungen der Handlung, die sich aus der typischen Gefährlichkeit des Abwehrmittels ergeben und den Angreifer über das gewollte Maß hinweg verletzen, der Notwehrhandlung nicht ihre Rechtsmäßigkeit.
(P) Benutzung von Schusswaffen und anderen lebensgefährlichen Verteidigungsmitteln
4. Gebotenheit (= normatives Kriterium) Das Kriterium der Gebotenheit der Notwehrhandlung führt zu einer Einschränkung des (weiten) Notwehrrechts in Fällen, in denen das Selbstschutz- oder Rechtsbewährungsprinzip aus sozialethischen Erwägungen keine uneingeschränkte Geltung mehr beanspruchen soll.
Fallgruppen:
a) Bagatellangriffe > Notwehrrecht wird versagt
b) Krasses Missverhältnis zwischen angegriffenem und verletztem Rechtsgut > Notwehrrecht wird versagt
c) Angriffe erkennbar schuldlos Handelnder > abgestuftes Notwehrrecht
d) Personen mit enger familiärer Beziehungen > abgestuftes Notwehrrecht (ganz h.M.)
e) Einschränkungen aus Art. 2 II a EMRK > volles Notwehrrecht
f) Absichtsprovokation > h.M.: Notwehrrecht wird versagt (P)
g) Schuldhafte Provokation der Notwehrlage > h.M.: abgestuftes Notwehrrecht (P)
h) Abwehrprovokation > h.M.: volles Notwehrrecht (P)
III. Subjektives Rechtfertigungselement: Verteidigungswille (str.) = Verteidigungswille erfordert Kenntnis von der Notwehrlage und ein Handeln zum Zwecke der Verteidigung, d.h. die Absicht (dolus directus 1. Grades) den Angriff abzuwehren oder zumindest abzuschwächen
Rechtswidrigkeit: Rechtfertigungsgründe
Notwehr §32 StGB
rechtfertigender Notstand §§228, 904 BGB, 34 StGB
Selbsthilferechte des BGB §§229, 230, 859 BGB
Festnahmerecht §127 I 1 StPO
Einwilligung, mutmaßliche Einwilligung, hypothetische Einwilligung
Strafprozessliche und polizeirechtliche Befugnisnormen
Wahrnehmung berechtigter Interessen §193 StGB
Art. 20 IV GG
Fahrlässigkeitsdelikt
Fahrlässigkeit ist die Außerachtlassung der im Verkehr objektiv erforderlichen Sorgfalt bei objektiver Vorhersehbarkeit.
I. Tatbestand
Erfolgseintritt
Kausalität
Kausalität zwischen der objektiven Sorgfaltsverletzung und dem eingetretenen Erfolg
Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
Ein Täter handelt objektiv sorgfaltswidrig, wenn er nicht diejenige Sorgfalt angewendet hat, die von einem besonnenen und gewissenhaften Menschen in der konkreten Lage und der sozialen Rolle des Handelns zu erwarten ist.
Hat der Täter gegen bestehende Verhaltensregeln/Rechtsvorschrift (gesetzliches Ge- oder Verbot) verstößt, ist die Sorgfaltspflichtverletzung indiziert.
Vorhersehbarkeit des Erfolges
Objektiv vorhersehbar ist, was ein umsichtig handelnder Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter den jeweils gegebenen Umstände aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung stellen würde.
Objektive Zurechnung des Erfolgs
Ist der Erfolg dem Täter auch zurechenbar?
2 Punkte sind interessant für die objektive Zurechnung
Plichtwidrigkeitszusammenhang: Pflichtwidrig verhält sich der, der den Erfolgseintritt in seiner konkreten Gestalt objektiv nicht voraussieht und dessen pflichtwidriges Verhalten/die von ihm ausgehende rechtlich missbilligte Gefahr sich im Taterfolg verwirklicht hat
(P): Hätte pflichtgemäßes Alternativverhalten den Erfolgseintritt verhindert?
Risikoerhöhungslehre:
Obj. Zur. (+), wenn Täter Risiko für den Erfolgseintritt erhöht und wenn sich nicht feststellen lässt, dass der Erfolg mit Sicherheit auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre (in dubio pro reo hebelt aus!!!)
Vermeidbarkeitstheorie:
Obj. Zur. (-), in dubio pro reo, dass sich die vom Täter geschaffene Gefahr nicht im konkreten Erfolgseintritt realisiert hat (hM)
! Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang entfällt (-), wenn der Erfolg auch trotz normgemäßem Verhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.
im Erfolg verwirklicht sich nicht das sorgfaltswidrige Verhalten des Täters
BGH: 2 Bedingungen bei alkoholisierter Autofahrt
Bei alkoholisiertem Autofahren muss das Fahrverhalten (Geschwindigkeit) dem Alkoholkonsum angepasst werden…
und es ist danach zu fragen, ob der Erfolg bei pflichtgemäßem Alternativverhalten trotzdem eingetreten wäre,
…damit Pflichtwidrigkeitszusammenhang entfällt
Schutzzweckzusammenhang: Die verletzte Sorgfaltsnorm muss es zumindest mitbezwecken, dass solche Erfolge verhindert werden
(P) Schutzzweck der Norm
= Hat die Sorgfaltswidrigkeit tatsächlich den Erfolg herbeigeführt, der mit der verletzten Sogfaltsnorm hätte verhindert werden sollen?
Wenn nicht, objektive Zurechnung (-)
(P) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung
= Das Opfer hat den gefährlichen Akt allein oder wenigstens mitbeherrscht (Tatherrschaft)
Rechtwidrigkeit
Schuld
Subjektive Vorhersehbarkeit: Der Erfolg muss für den Täter in den wesentlichen Grundzügen auch subjektiv vorhersehbar gewesen sein.
Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung: Der Täter muss nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens im Stande gewesen sein, die objektive Sorgfaltspflicht zu erfüllen.
subj. Fahrlässigkeit
Subjektive Fahrlässigkeit
Prüfung der subjektiven Seite erst in der Schuld!
1. Subjektive Vorhersehbarkeit = Der Erfolg muss für den Täter in den wesentlichen Grundzügen auch subjektiv vorhersehbar gewesen sein.
2. Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung = Der Täter muss nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens im Stande gewesen sein, die objektive Sorgfaltspflicht zu erfüllen.
Defensiver Notstand §228 S.1 BGB
Notstandslage:
Def. Die gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut, die von der fremden Sache (nicht von einem Menschen) selbst ausgeht bzw. Droht
Gefahr: definiert als eine auf tatsächlichen Umständen beruhende Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts
Gefahr geht von der beschädigten Sache aus
(Defensiv-) Notstandshandlung:
Die Beschädigung oder Zerstörung der fremden, die Gefahr begründenden Sache
Beschädigung oder Zerstörung einer Sache
Geeignetheit + Erforderlichkeit
Erforderlichkeit
Mildestes Mittel
VHMK in Rahmen einer Abwägung
Schaden der Zerstörung oder Beschädigung der Sache darf nicht außer Verhältnis zur drohenden Gefahr stehen
Aggressiver Notstand §904 S.1 BGB
Notstandslage
Gegenwärtige Gefahr, die nicht zwingend von einer Sache, sondern auch von einem Mensch ausgehen kann.
Die drohende Gefahr muss unmittelbar bevorstehen/ gegenwärtig sein.
Notstandshandlung
Erlaubt, dass eine Sache beschädigt oder zerstört werden darf, von der die Gefahr nicht gerade ausgeht, also einer unbeteiligten Sache
Notwendigkeit der Maßnahme
Wenn der Handelnde das geeignete und zudem erforderliche (mildeste zur Verfügung stehende) Mittel gewählt hat
Verhältnismäßigkeit zum enstandenen Schaden
Gefahr müsste gegenüber Schaden unverhältnismäßig groß sein.
Täterschaft und Teilnahme
Täterschaft vor Teilnahme prüfen
kommt nur bei Vorsatzdelikten mit mehreren Tätern in Frage
Zugerechnet werden nur Handlungen Anderer
jeder Täter muss alle Tatbestandsmerkmale und sonstige Strafbarkeitsvoraussetzungen selbst erfüllen
Beteiligung:
Täterschaft:
unmittelbare Täterschaft §25 I 1.Alt StGB
mittelbare Täterschaft §25 I 2.Alt StGB
Mittäterschaft §25II StGB
Teilnahme:
Anstiftung §26 StGB
Beihilfe §27 StGB
Gemäßigt subjektive Theorie auf objektiver Grundlage:
Täter ist, wer mit Täterwillen handelt, also wer die Tat als eigene will
Teilnehmer ist, wer mit Teilnehmerwillen handelt, also die Tat als fremde veranlassen oder fördern will
Wertende Gesamtwürdigung: Interesse an der Tat, Art und Umfang der Beiteiligung, Tatherrschaft und Wille dazu
Tatherrschaftslehre bzw. materiell-objektive Theorie der h.M
Tatherrschaft= das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandlichen Geschehensablaufs
Handlungsherrschaft des unmittelbaren Täters
Willensherrschaft des mittelbaren Täters
funktionelle Tatherrschaft der Mittäter
Täter= Zentalgestalt, die die Tatbestandsverwirklichung nach ihrem Willen ablaufen lassen oder hemmen kann
Teilnehmer= Randfigur, die die Tatbegehung verannlast/fördert
Täter
kann nach dem Gewicht seines objektiven Tatbeitrages
und dem Ausmaß seiner Willensbeteiligung
über Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung mitbestimmen
so dass diese als Werk seines zielstrebig lenkenden Willens erscheint
a) Mittäterschaft §25II StGB
“gemeinschaftlich“= aufgrund eines gemeinsamen Tatplan in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken
—> objektiv: gemeinsame Tatbestandsverwirklichung:
objektiver Tatbeitrag
in Zusammenwirken mit Anderen
h.M funktionelle Tatherrschaft
—>subjektiv: gemeinsamer Tatentschluss
gemeinsam gefasster Tatplan
Vorsatz in Bezug auf den eigenen objektiven Beitrag und allen sonstigen objektiven Tatbestandsmerkmalen
BGH: Täterwille
AUFBAU:
nur einen Tatbestand (kein obj- und subj. TB)
Mittäter getrennt prüfen
Mittelbare Täterschaft
Notstand §34 StGB
I. Notstandslage
Notstandsfähiges Rechtsgut
Gefahr
Gegenwärtig
II. Notstandshandlung
Geeignet
Erforderlich
VHMK
Interessenabwägung
Angemessenheit (nach den Wertevorstellungen der Allgemeinheit sachgerechte Konfliktlösung)
Versuchsprüfung
§212, §22 StGB
A Vorprüfung
Nichtvollendung der Tat
Versuch strafbar: §23 I, § 12 I StGB
B Tatentschluss (Subjektiver TB, Vorsatz)
Totschlag durch Unterlassen,
§§ 212, 13 I
I. Objektiver Tatbestand
Todeserfolg
Nichtvornahme einer objektiv erforderlichen und gebotenen Handlung
trotz physisch-realer Möglichkeit
Hypothetische Kausalität
nicht ganz unerhebliche Hinauszögerung oder Abmilderung des Erfolgs genügt
aA mM Risikoerhöhungslehre: Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts müsste bei Vornahme der gebotenen Handlung geringer gewesen sein
Verstößt gegen Art. 103 II (in dubio pro reo und an Sicherheit grenzende Wahrscheinlickeit für)
II. Subj. Tatbestand
Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale
Obhuts- oder Schutzgarantenstellung?
§ 1353 BGB (rechtlich fundierte enge natürliche Verbundenheit)
Grausamkeit? MM? Unterlassen müsste Tun entsprechen
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