Gasbrand
= nekrotisierende Infektion der Weichteile, i.d.R. durch Clostridium perfringens
Ätiologie:
Clostridium perfringens = grampositiver, sporenbildender Anaerobier
Symptome durch Toxinbildung: verschiedene Toxine, die als Enzyme (Proteasen, Kollagenasen, Desoxyribonukleasen, Phospholipasen) wirken ➡️ Abbau von Gewebe und Nekrose
ubiquitär vorhanden, insb. im Boden, aber auch Teil der Darmflora
über verunreinigte Wunden, wobei insb. große, unsaubere Wunden mit Weichteilquetschungen das Risiko für eine Infektion erhöhen; Grunderkrankungen wie eine Arteriosklerose oder ein Diabetes mellitus begünstigen bei reduzierter peripherer Durchblutung die Infektion
endogene Infektion auch möglich, dann von Darmflora ausgehend, etwa bei Malignomen
Anaerobe Bedingungen, dadurch Vermehrung und CO2-Bildung
Klinik:
Inkubationszeit von Stunden bis Tage
Sich rasch ausbreitende Entzündung (Kardinalzeichen der Entzündung) der Wunde, sich plötzlich verstärkender Wundschmerz
Ödematös geschwollene Haut, kein bis wenig Eiter, fleischwasserfarbenes Wundsekret 🩸🥩
Knistern der Wunde, süßlich faul riechend
Hautkrepitationen = Knistern bei Palpation durch CO2-Gasbildung (Hautemphysem)
Allgemeinsymptome bei fortgeschrittenem Stadium: Fieber, Schockzeichen 🤒🥵
Diagnostik:
Klinische Verdachtsdiagnose
Mikrobiologische Diagnostik: Mikroskopischer Nachweis grampositiver dicker Stäbchen im Wundsekret oder in Biopsien ➡️ dauert zu lange, deshalb schon bei Verdacht Therapie!
Bildgebung: Nachweis von Gaseinschlüssen in Ultraschall oder Röntgen („Muskelfiederung“)
Therapie:
bereits bei Verdacht einleiten:
großzügige Wundrevision, Ausräumung aller Nekrosen, Spaltung der Muskelfaszien, Spülung mit H2O2, offene Wundversorgung (aerobe Verhältnisse schaffen!)
Hyperbare Oxygenation sofort postoperativ
Antibiose hochdosiert mit Penicillin G und Metronidazol i.v.
Intensivmedizinische Überwachung etc.
Ultima ratio: Extremitätenamputation
DDs:
Hautemphysem durch bspw. Lungen-, Mediastinaleingriffe
Abszesse mit Gasbildung bei Mischinfektionen (eher viel Eiter!), nekrotisierende Fasziitis durch Streptococcus pyogenes (Gruppe A)
Verletzungen mit Presslufteinwirkung
Nekrotisierende Fasziitis
fulminant verlaufende, lebensbedrohliche, meist durch eine synergistische Mischinfektion ausgelöste, tiefe, nekrotisierende Weichteilinfektion, die durch sich rasch ausbreitende (Stunden) Nekrosen bis unter die Faszien gekennzeichnet ist.
➡️ Muskulatur primär nicht mit betroffen!
Dringende chirurgische Interventionsnotwendigkeit
Einteilung:
Typ I (85–90 % der Fälle): synergistische polymikrobielle Mischinfektion mit Nachweis von durchschnittlich 4–5 aeroben (E. Coli, P. aeruginosa, Enterobacter cloacae etc.) sowie anaeroben (Bacteroides spp., Clostridium spp., Vibrio ssp.) Erregern
Typ II (10–15 % der Fälle): monomikrobiell verursacht, v. a. durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A und ggfs. in Kombi mit Staphylococcus aureus
Typ III (Vibrio spp.) und IV (Candida spp.) Raritäten
Vgl. Einteilung
Folge eines Bagatelltraumas
Zerstörung von Subkutis und Faszien mit sekundärer Hautnekrose ohne Muskel- oder Knochenbeteiligung
Risikofaktoren: höheres Lebensalter, Diabetes mellitus, Immunsuppression, Glukokortikoidtherapie, Alkoholismus, intravenöser Drogenabusus, Leberzirrhose, Tumorerkrankungen
bereits initial starke Schmerzen („über das erklärbare Maß hinaus“) in Verletzungsregion ➡️ später durch Nekrose von Nerven Gefühl- und Schmerzlosigkeit im Infektionsgebiet
im Frühstadium nur kleiner Hautdefekt möglich, wobei sich Infektion in Tiefe rasch ausbreitet
bereits frühzeitig deutlich reduzierter AZ
rasch progrediente ödematöse Schwellung der betroffenen Körperregion mit landkartenartigen Hautnekrosen sowie blau-schwärzlich eingebluteten Hautblasen
Allgemeinsymptome wie Fieber, Schüttelfrost
Gefahr der Sepsis! ➡️ Komplikation: toxisches Schocksyndrom mit Multiorganversagen
klinische Diagnose!
Labor: Erhöhung von CRP, Leukozyten, Creatinkinase (CK), Myoglobin, erhöhte Nieren- und Leberwerte als Zeichen der Organschädigung; Blutkulturen
Abstrich aus offener Wunde, Biopsien bei operativer Versorgung
Bildgebung: Sono / MRT mit KM, CT Nachweis für evtl. Gaseinschlüsse, Flüssigkeit
Diagnosekriterien nach Fisher: (mind. 5 für Diagnosestellung)
ausgedehnte Nekrosen der Faszie mit Ausdehnung auf die angrenzende Haut
mittlere bis schwere Systemintoxikation mit reduziertem mentalem Status
Fehlen einer primären Muskelbeteiligung
Fehlen von Clostridien im Wundabstrich
Fehlen eines ursächlichen Gefäßverschlusses
Leukozyteniniltration, fokale Nekrosen der Faszie und des umgebenden Gewebes sowie mikrovaskuläre Thrombosen im histologischen Befund
frühzeitiges, ausgedehntes chirurgisches Débridement mit offener Wundversorgung
Nach 6 bis 24 Stunden Revisionseingriff; weil: komplette Sanierung meist nur nach mehrfachen Revisionen erreichbar
Breitspektrumantibiose aus Dreifachkombination mit Penicillin G oder einem Cephalosporin, Aminoglykosid und Metronidazol / Ciproloxacin
bei Infektion mit S. pyogenes: Gezielte Kombinationstherapie mit Penicillin G plus Clindamycin, in früher Erkrankungsphase Erreger-spezifisches Immunglobulin G
nach Abklingen der Infektion: plastische Deckung
Erysipel
Tiefes Pyoderma gangraenosum
Fournier-Gangrän
= Sonderform der nekrotisierenden Fasziitis mit Befall der äußeren Genitale (Skrotum und Vulva) und des angrenzenden Perineums; gehört zur Typ I nekrotisierenden Fasziitis
Epidemiologie:
Männer etwa 10x häufiger betroffen als Frauen
bakterielle Infektion des Urogenitaltrakts oder des Kolorektalbereichs, hiervon ausgehende Entzündung entlang der Faszienräume
meist E. coli, Streptokokken und Staphylokokken
initial unspezifische Symptome wie Juckreiz und Schmerzen im Genitalbereich und perianal
dann zunehmende Schwellung und Rötung der betroffenen Region
Haut wird ödematös, induriert und wandelt sich gangränös um
Zeichen einer beginnenden (Uro-)Sepsis: Fieber, Tachykardie
Zuletzt geändertvor 2 Jahren