Buffl

4. Angst und Lernen (Hock)

RS
von Ruth S.

Wie lässt sich Angst von Ängstlichkeit abgrenzen? Beschreibe die ursprüngliche sowie moderne Konzeption. Nenne dazu Beispielitems aus einem bekannten Verfahren. Welche Bereichsspezifischen Differenzierungen werden vorgenommen?

Ängstlichkeit

  • Messung im STADI (Trait-Items)

    • Besorgnis, z.B. “Ich fürchte mich vor dem, was auf mich zukommt".”

    • Aufgeregtheit, z.B. “Meine Nerven sind gespannt.”

traditionelle Konzeption nach Freud

  • Angst = zeitlich kurz erstreckter aktueller Zustand (Affekt)

  • Ängstlichkeit = längerfristig stabiles Persönlichkeitsmerkmal

  • Ängstlichkeit als mögliche Grundlage der Angstentstehung

  • Unfähigkeit, ein erlebtes psychisches Trauma angemessen zu verarbeiten

  • Hauptformen: Hysterie & Zwang

  • Dissoziation zwsichen kognitiven und affektiv-somatischen Komponenten

moderne Konzeption nach Spielberger

  • Ängstlichkeit = Stabile Unterschiede in der Tendenz, angesichts potenziell bedrohlicher Situationen mit Angst zu reagieren

  • Differenzen zwischen Niedrig- und Hochängstlichen betreffen…

    • Leichtigkeit der Angstauslösung (Grad der Bedrohung)

    • Häufigkeit (Anzahl unterschiedlicher Situationen)

    • Intensität

    • Dauer (Rückkehr ins Gleichgewicht)

  • Unterschiede zwischen Hoch- und Niedrigängstlichen nur für selbstwertbedrohliche Situationen

Bereichsspezifische Differenzierungen

  • Selbstwertbedrohliche Situationen

    • Test-, Prüfungs-, Leistungsangst

    • Soziale Angst

      • Schüchternheit, soziale Gehemmtheit

      • Publikums- und Sprechangst

  • Angst angesichts physischer Gefährungen

    • Operationen, Gewalt, Naturereignisse

  • Angst in eng umgrenzten Bereichen, z.B. Mathematik, Computer, spezifische Sportarten

Erläutere das Vorgehen beim Impliziten Assoziationstests am Beispiel der Ängstlichkeit. Was sind hierbei die typischen Ergebnisse?

IAT

  • Ursprünglich konzipiert zur Messung impliziter Einstellungen

  • Implizit = verhaltenssteuernde Prozesse und Strukturen, die der bewussten Kognition nicht (/nur schwer) zugänglich sind oder über die die Proband:innen keine korrekte Antwort erteilen wollen

  • Hoffnung: Freiheit von Verfälschungstendenzen und Antwortstilen

  • Tradition der “objektiven Diagnostik”: Intransparenz des Messprinzips

  • Adaptation für den Angstbereich

    • Schüchternheit (Asendorpf)

    • Angst (Egloff & Schmukle)

  • Konzeption

    • Explizite Tests -> Auskunft über bewusste/kontrollierte Zustände/Prozesse

    • Implizite Tests -> Auskunft über nicht-bewusste/automatisch/spontane Verhaltenstendenzen

  • Bestimmung der Assoziationsstärke zwischen verschiedenen Konzepten, z.B. Selbstkonzept und Angst

Durchführung

  • Grundidee: Assoziative Netzwerke

  • In dieser Aufgabe sollen Wörter bestimmten Begriffen zugeordnet werden

    • Begriffe: links bzw. rechts oben auf dem Monitor

    • Wörter: in der Mitte

  • “Ordnen Sie bitte die Wörter den Begriffen zu, indem Sie möglichst schnell die linke oder die rechte Reaktionstaste drücken.”

  • Verschiedene zugehörige Wörter zu Begriffen (Ich, Andere, Angst, Gelassenheit)

Ergebnisse

  • Den meisten Personen fällt es leichter “Ich und Gelassenheit” zusammenzubringen als “Ich und Angst” -> eher angstfreies Selbstkonzept

  • Moderat positive Korrelationen mit expliziten Verfahren (Q-Daten)

  • Implizite Maße liefern eigenständigen Beitrag zur Vorhersage (spontaner) expressiver Angstäußerungen in Belastungssituationen

  • Vergleichsweise hohe Reliabilität

  • Validität muss noch umfassender geprüft werden

Erläutere die Triebtheorie von Spence & Spence. Welche Beziehung stellt sie zum Yerkes-Dodson-Gesetz her und welche positiven und negativen Punkte lassen sich anmerken?

Triebtheorie

  • Triebtheoretische Erklärung des Angst-Leistungszusammenhangs

  • Basiert auf der Verhaltenstheorie von C. Hull

  • Grundgleichung: E = H x D

    • E = Reaktionspotenzial -> Wahrscheinlichkeit und Intensität einer Reaktion

    • H = Habitstärke -> assoziative Determinante, gelernte S-R-Verbindung (entscheidet Ausrichtung)

    • D = Drive/Triebstärke -> motivationale Determinante, allerdings rein energetisierend (verleiht Verhalten Nachdruck)

  • Intention: Prüfung der Triebtheorie im Humanbereich

  • Problem: Manipulation und Messung von D bei Menschen (ethische Aspekte)

  • Taylor

    • Angst ist eine Quelle von D (Triebstärke)

    • Geburtsstunde des Angstfragebogens: Manifest Anxiety Scale (erfasst Angst als Disposition)

  • Hauptthema: Lernen als Funktion von…

    • D (operationalisiert über Angst)

    • H (operationalisiert über Aufgabenkomplexität/-schwierigkeit)

  • Geprüft wurden Leistungsunterschiede zwischen Hoch- und Niedrigängstlichen bei einfachen und komplexen Aufgaben

  • Häufig verwendete Untersuchungparadigmen:

    • Lidschlagkonditionierung

    • Paarassoziationslernen (Komplexität leicht variierbar)

  • Ergebnisse: Hochängstliche schneiden bei einfachen Aufgaben besser ab als Niedrigängstliche, bei komplexen Aufgaben dagegen schlechter

Theoretische Erklärung

  • Bei einfachen Aufgaben wird die korrekte Reaktion schnell dominant -> Personen mit hohem D (z.B. Ängstliche) sind im Vorteil

  • Bei komplexen Aufgaben sind (zumindest anfänglich) inkorrekte Reaktionen dominant -> Personen mit hohem D sind im Nachteil

Bezug zum Yerkes-Dodson-Gesetz

Diskussion

  • Kritische Punkte

    • Triebtheorie ist zu vereinfachend (kognitive Prozesse bleiben ausgespart)

    • Operationalisierung von D über Angstindikatoren ist nicht überzeugend (chronische vs. reaktive Hypothese; Verwendung von Traitmaßen)

  • Positive Beiträge

    • Versuch zu spezifizieren, was Aufgabenkomplexität ausmacht

    • Reaktionskonkurrenz als Erklärungsansatz

    • Angst moderiert die Beziehung zwischen Aufgabenkomplexität und Leistung

Erläutere die Cue Utilization von Easterbrook. Beschreibe eine Untersuchung hierzu und wie die Theorie zu bewerten ist.

Cue Utilization

  • Spotlight-Metapher (man kann nur im Zentrum des Lichtkegels gut sehen)

  • Unter emotionaler Erregung sinkt der Bereich der für Verhaltenssteuerung und -organisation genutzten Hinweisreize

  • “Bereich genutzter Hinweise” = Anzahl situativer Gegebenheiten, die eine Person beachtet, auf die sie reagiert oder die sie lernt

  • Periphere Hinweise: Sachverhalte, die für eine Anforderung nicht, nur teilweise oder nur gelegentlich relevant sind

  • Zentrale Hinweise: für die Lösung einer Aufgabe unmittelbar bedeutsame Sachverhalte

  • Mit steigender emotionaler Erregung wird zunächst die Nutzung peripherer Hinweisreize reduziert (Die Nutzung zentraler Reize bleibt dagegen zunächst unbeeinträchtigt)

  • Wenn unter Erregung die peripheren Reize aus dem Aufmerksamkeitsfeld ausgeschlossen werden und gleichzeitig das Beachten vergleichsweise weniger zentraler Merkmale zur Aufgabenlösung ausreicht, ist deshalb eine Leistungssteigerung zu erwarten

  • Leistungsbeeinträchtigende Effekte emotionaler Erregung stellen sich für komplexe Aufgaben ein, welche die Aufnahme und Integration peripherer Hinweise miterfordern

  • Die Leistung sinkt darüber hinaus bei extrem hoher Erregung ab, da dann auch zentrale Hinweise nicht mehr effizient verarbeitet werden können

Untersuchung von Markowitz

  • Intentionales Lernen zentraler Reize (Trigramme) vs. inzidentelles Lernen peripherer Reize (Wörter)

  • Instruktion: Versuche, die Buchstaben in der Mitte zu behalten; Wörter sind Ablenker (positive, neutrale oder negative Valenz)

  • Bedingungsvariation

    • Neutral: Wie gut können Studenten Trigramme lernen

    • Selbstwertbedrohlich: Intelligenztest, der mit akademischer Kompetenz (Studienleistungen) verglichen wird

  • Ergebnisse

    • Sensitizer erinnerten unter selbstwertbedrohlichen Situation besser, als unter neutraler

    • Represser erinnerten unter neutraler Situation besser, als unter selbstwertbedrohlicher

    • Unabhängig von affektiver Valenz der Wörter

    • Keine Unterschiede für zentrale Reize, nur für periphere

Diskussion

  • Möglichkeit zur theoretischen Erklärung des Yerkes-Dodson-Gesetzes

  • Idee der Nutzung von Hinweisreizen wurde häufig aufgegriffen

  • Als alleinige (primäre) Erklärungsgrundlage für den Angst-Leistungszusammenhang ist das Modell aber nicht zureichend

    • Prozesse der Aufmerksamkeitsorientierung werden nicht berücksichtigt

    • Angstassoziierte kognitive Prozesse werden nicht thematisiert

Erläutere das Modell von Mandler & Sarason als Vorläufer der kognitiven Modelle. Welche alternativen Interpretationen und Erweiterungen wurden vorgenommen?

Vorläufer kognitiver Modelle

Mandler & Sarason

  • Konzentration auf Prüfungsangst

  • Ausgangspunkt: Triebtheorie

  • Chronische Hypothese:

    • Permanente Übererregung bei HÄ

    • Komplexe Aufgabe -> stärkere Reaktionskonkurrenz -> verminderte Leistung

  • Reaktive Hypothese:

    • HÄ sind nur in bedrohlichen Situationen stärker erregt als NÄ

    • Komplexe Aufgabe + erhöhte Bedrohlichkeit -> stärkere Erregung -> verminderte Leistung

Versuch von Mandler & Sarason

  • HÄ und NÄ bearbeiten Intelligenztestaufgaben (6 Würfelmuster)

  • Phase 1:

    • sind in den ersten Aufgaben schneller als HÄ

    • Angleichung von HÄ und NÄ in den letzten Durchgängen

  • Phase 2:

    • Bisherige Leistung wird bewertet (UV: keine Rückmeldung/ Erfolg/ Misserfolg)

    • AV: Lösungszeiten für die ersten Aufgaben

  • Ergebnisse

    • waren nach Misserfolgsrückmeldung am besten

    • waren nach keiner Rückmeldung am besten

Interpretation

  • Hochängstliche

    • Bewertungen nach Phase 1 rufen selbstwertbezogene Reaktionen hervor, die mit aufgabenrelevanten Reaktionen interferieren

    • Solange Lösungsschritte noch nicht genügend geübt (teilweise automatisiert) sind, resultieren Leistungseinbußen

    • (Auch unter der Erfolgsbedingung werden weitere Rückmeldungen antizipiert)

  • Niedrigängstliche

    • Interesse, Aufmerksamkeit und Anstrengung sind unter der Bedingung ohne Rückmeldung nicht hoch genug

    • Leistungsfördernde Effekte leichter Angst? (durch Misserfolgsrückmeldung)

Weitere Untersuchung von Sarason

  • Lösung von Anagramm-Aufgaben

  • UV: bedrohliche vs. neutrale Instruktion

  • Ergebnisse

    • HÄ: bedrohliche Instruktion -> schlechtere Leistungen als unter normalen Bedingungen

    • NÄ/MÄ: umgekehrt -> Leistung profitierte von bedrohlicher Situation

  • Widerspricht der Annahme, dass unter Bedrohung auch selbstbezogene, aufgabenirrelevante Reaktionen ausgelöst werden

  • -> Erklärung durch motivationale Faktoren

Alternative Interpretation

  • Sparsamkeit

  • Post-hoc-Erklärung ohne Datengrundlage

    • Impliziert, das HÄ und NÄ in ihrem Erregungsniveau unter beiden Bedingungen stark differieren

    • Was das Erregungsniveau ausmacht, wird nicht spezifiziert

  • Verdeutlicht die Notwendigkeit, kognitive Prozesse (selbstzentrierte Gedanken) und Erregungsprozesse gemeinsam zu betrachten

    • Kognition (z.B. aversive Erinnerung) -> Erregung

    • Erregung (z.B. bei öffentlichem Auftritt) -> Besorgnis (Wie nehmen mich andere wahr?)

Ergänzungen

  • Alpert & Haber: Unterscheidung von leistungsbeeinträchtigender und leistungsfördernder Angst

  • Liebert & Morris: Unterscheidung von kognitiven (Besorgnis) und emotionalen (Aufgeregtheit) Komponenten der Angst

Beschreibe die Theorie der Verarbeitungseffizienz als Grundlage der Aufmerksamkeitskontrolltheorie.

Theorie der Verarbeitungseffizienz

  • Ausgangspunkt: Variabilität der Befunde zur Angst-Leistungsrelation bei komplexen Aufgaben

  • Anspruch

    • Anbindung der Angstforschung an neuere kognitionspsychologische Konzeptionen

    • Spezifikation der kognitiven Prozesse und Mechanismen, die Angsteffekten zugrunde liegen

    • Erklärung der nicht durchweg konsistenten Assoziationen zwischen Angst und Leistung

  • Annahmen

    • Für den negativen Angst-Leistungs-Zusammenhang ist primär die Besorgnis (nicht die Aufgeregtheit) verantwortlich

    • In Belastungssituationen steigt die Besorgnis bei HÄ stärker an als bei NÄ

    • Effekte der Besorgnis auf die Leistung werden über das Arbeitsgedächtnis vermittelt

Effekte der Besorgnis

  1. Besorgnis beansprucht die zentrale Exekutive -> Beeinträchtigung bei Aufgaben, die hohe Verarbeitungs- und Speicherungsanforderungen stellen

  2. (Starke) Besorgnis löst Angstkontrollprozesse aus, die ebenfalls die Exekutive beanspruchen -> weitere Leistungsbeeinträchtigung

  3. Besorgnis besitzt motivationale Effekte

    • vermehrte Anstrengung, Rekrutierung von Ressourcen und Strategien zur Bewältigung einer Anforderung

    • kann leistungsbeeinträchtigende Effekte der Angst (partiell) kompensieren

Zentrale Annahmen

  • Effektivität: Leistungsresultat (Qualität oder Quantität)

  • Effizienz: Verhältnis zwischen Effektivität und aufgewendeter Anstrengung (investierten kognitiven Ressourcen)

  • Zentrale Hypothese: Angsteffekte betreffen nicht (primär) die Effektivität, sondern die Effizienz

Erläutere die Aufmerksamkeitskontrolltheorie und gehe auf positive und negative Bewertung der Theorie ein.

Aufmerksamkeitskontrolltheorie

  • Ergänzt die Theorie der Verarbeitungseffizienz, indem sie versucht zu spezifizieren, welche exekutiven Funktionen von der Angst betroffen sind

  • betroffene exekutiven Funktionen:

    • Shifting (Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus)

    • Updating (Auffrischen von Informationen)

    • Monitoring (Überwachen des Lösungswegs)

    • Inhibition (Hemmung irrelevanter Information)

Shifting

  • Wechsel des zentralen Aufmerksamkeitsfokus zwischen verschiedenen Aufgaben oder Teilaufgaben mit unterschiedlichen kognitiven Anforderungen

    • Veränderung der Aufmerksamkeitsorientierung (disengagement/engagement)

    • Überwindung proaktiver Interferenz

    • -> Zeitliche Kosten

  • Überprüfung: Plus-Minus-Task (shift cost = Zeit C - (Zeit A + Zeit B)/2)

Updating & Monitoring

… von Repräsentationen im AG

  • Prüfen eingehender Information auf Relevanz

  • Ersetzen nicht mehr relevanter Informationen durch neue

  • Evtl. zeitliche Markierung von Repräsentationen

  • Überprüfung: Keep-Track-Task (Behalte das letzte Wort aus jeder Kategorie)

Inhibition

  • Willentliche Unterdrückung dominanter, automatisch ausgelöster Reaktionstendenzen, die im Moment stören

  • Stroop-Test

    • Annahme: Lesen als hochgradig automatisierter Prozess, der keine AUfmerksamkeitsressourcen beansprucht und nicht einfach inhibiert werden kann

    • Demgegenüber: Farbe benennen = kontrollierter Prozess

    • Emotionale Variante: Ausmaß, in dem die Präsenz aufgabenirrelevanter affektiver Reizmerkmale gerade abgelaufene Verarbeitungsprozesse beeinträchtigt

Hypothesen

Angst beeinträchtigt vor allem:

  • Fähigkeit, ablenkenden Reizen/Reizaspekten zu widerstehen (Inhibition)

  • Fähigkeit, Aufmerksamkeit flexibel verschiedenen Aufgaben oder Teilen einer Aufgabe zuzuteilen (Shifting)

Diskussion

  • Positiv: Umfassender Versuch, Befunde zur Angst-Leistungs-Beziehung zu integrieren und an Fortschritte in der kognitiven Psychologie anzuschließen

  • Offene Punkte

    • Konstruktion “prozessreiner” Aufgaben oder Aufgabenkombinationen (z.B. Diverse Konzeptionen der Stroop-Interferenz)

    • Gelegentlich gefundene positive Effekte der Angst bei NÄ erfordern Zusatzannahmen

  • Kritik

    • Aufgeregtheit und Angstkontrolle werden nur stiefmütterlich behandelt

    • Effizienz/Effektivität

      • Direkte Evidenz fehlt

      • Wann im Verlauf einer Auseinandersetzung macht sich welche Form der “Anstrengung” wie bemerkbar?

Author

Ruth S.

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