Definition Epileptischer Anfall
abnorme hypersynchrone, hochfrequente Entladung von kortikalen Neuronenverbänden
Epilepsie ungleich epileptischer Anfall!
Anfallstrigger Epileptischer Anfall
Fieber (v.a. Kleinkinder “Fieberkrämpfe)
Hypoglykämie
Elektrolytentgleisung (Hyponatriämie)
Alkoholentzug
Benzodiazepinentzug
Intox. (Kokain, Crack, Amphetamine..)
Schlafentzug
-> Gelegenheitsanfall
ca 5-10% erleiden im Leben einen epileptischen Anfall
Definition Epilepsie
Zustand des Gehirns durch andauernde Prädisposition epileptische Anfälle zu generieren
mind. 2 unprovozierte Anfälle oder
1 Anfall und besonderes Risiko einen weiteren zu bekommen
Prävalenz Epilepsie ca 0,7-1%
Ätiologie
genetisch (idiopathisch)
kein morph. Korrelat
keine weitere zugrunde liegende Erkrankung des Gehirns
genet. Prädisposition (Ionenkanal- oder Transmitterveränderung)
oft altersgebunden (Kindheit)
“symptomatisch” (zugrunde liegende Hirnerkrankung)
strukturell (z.B. Tumor, Narbe, (nach ICB/OP/Infarkt), kortikale Dysplasie, Gefäßmissbildung
metabolisch (Stoffwechselerkrankung, Mitochondriopathie)
infektiös (virale oder bakterielle MeningitiS)
immunologisch (autoimmunvermittelte Enzephalitis)
unbekannt (kryptogen)
Anfallsklassifikation
generalisierter Beginn
betrifft primär beide Hirnhemisphären bzw das ganze Gehirn
motorisch (tonisch-klonisch bspw)
nicht motorisch (Absencen)
Anfälle mit fokalem Beginn (“partiell”
lokalisationsbezogene Anfälle in bestimmten Bereich
Anfälle mit erhaltenem Bewusstsein (motorisch, sensibel…)
Anfälle mit gestörtem Bewusstsein
sekundär generalisiert - Entwicklung eines bilateralen, gen. Anfalls aus fokalem Anfall
Anfälle mit unklassifizierbarem Beginn
Generalisierte Anfälle - Klinik
tonische Phase
Initialschrei
Zyanose
Opisthotonus - generalisierte Erstarrung des Rumpfes und der Extremitäten bei überstrecktem Rücken
klonische Phase
Inkontinenz
schäumender Speichel
Flattern der Augenlider
klonische Zuckungen, Extr, Rumpf, Kopf
postkonvulsive Phase
fehlende Ansprechbarkeit
Speichelfluss
Erschlaffung der Extremitäten, Rumpf
Allgemeine Symptomatik
Abhängig davon, von welchen Bereichen des Kortex die abnorme elektrische Aktivität ausgeht, kann es prinzipiell zu einem breiten Spektrum motorischer, sensorischer, sensibler, vegetativer und psychischer Phänomene kommen .
Plötzliches, unwillkürliches Auftreten
Meist kurze Dauer (≤2 min) und verlangsamte Reorientierung nach dem Ereignis
I.d.R. selbstlimitierend, aber Übergang in Status epilepticus möglich
Epileptische Anfälle fokaler Beginn
Symptome vom Ort der Störung abhängig (siehe auch: Fokale Epilepsien und Syndrome), bspw.
Orale Automatismen: Temporallappenanfälle
Komplexe Bewegungsabläufe: Frontale Anfälle
Visuelle Halluzinationen: Okzipitallappenanfälle
Ablauf mit oder ohne Bewusstseinsstörung möglich
Übergang in einen bilateral-tonisch-klonischen Anfall möglich
Zusätzlich ggf. Aura: Sehstörungen, Sprachstörungen, motorische Erscheinungen, Déjà-vu- und Jamais-vu-Erlebnisse
Epileptische Anfälle generalisierter Beginn
Klinische Präsentation dieser Anfälle ist variabel, jedoch treten immer Bewusstseinsstörungen auf
Mögliche Bestandteile der Anfälle sind
Absencen: Kurze Bewusstseinspausen
Myoklonische Phasen: Ruckartige, unsystematische Muskelzuckungen (Myoklonien)
Klonische Phasen: Rhythmische Muskelzuckungen
Tonische Phasen: Anspannen der Muskulatur
Atonische Phasen: Plötzlicher Tonusverlust der Haltemuskulatur
Postiktale Phase: Terminalschlaf, Verwirrtheit
Sonderform: Bilateral-tonisch-klonischer Anfall/ Grand-Mal
Synonym: Grand-mal-Anfall (veraltet)
Formen
Fokal (mit Übergang) zu bilateral-tonisch-klonisch
Generalisiert tonisch-klonisch
Epidemiologie: Häufigste Anfallsform
Symptome
Typische Symptomatik: Bewusstseinsverlust und rhythmisches Zucken
Klassischer Ablauf
Ggf. Aura bei fokalem Beginn (dauert Sekunden bis Minuten)
Tonische Phase: Heftige Tonuserhöhung aller Muskeln (Phase dauert Sekunden)
Tonuserhöhung kann zu Initialschrei und lateralem Zungenbiss führen
Arme eleviert, Beine leicht angewinkelt, Lider geöffnet, Pupillen lichtstarr und weit, Apnoe
Klonische Phase: Vibrieren → Rhythmisches Zucken → Unregelmäßiges, grobes Zucken → Erschlaffung (Phase dauert Sekunden bis Minuten)
Postiktale Phase: Terminalschlaf, Amnesie und Desorientiertheit (Phase dauert Minuten bis Stunden)
Weitere mögliche Symptome: Schaum vor dem Mund, Urin- und/oder Stuhlabgang
EEG
Im Anfall: Hochfrequente Spikes in der tonischen Phase, Spikes mit folgender Nachschwankung in der klonischen Phase, postiktal verlangsamter Grundrhythmus
Im anfallsfreien Intervall: Abhängig von der Ursache des Anfalls
Therapie:
1. Wahl: Valproat; 2. Wahl: Lamotrigin oder Topiramat
Sonderfälle: Teilweise treten die Anfälle bevorzugt während des Schlafens oder der Aufwachphase auf
Basisdiagnostik
Eigen- und Fremdanamnese
Anfallssemiologie
Fokale Einleitung?
Augen zu Beginn des Anfalls geöffnet oder geschlossen? Blickwendung?
Dauer des Anfalls?
Dauer der postiktalen Reorientierung?
Anfallstypische Stigmata?
Muskelschmerzen?
Todd'sche Phänomene?
Trigger: Auslösende Faktoren identifizierbar?
Medizinische Vorgeschichte
Blutuntersuchungen
Blutgasanalyse, hier insb.
Blutzucker
pH, Lactat : Entwicklung einer Lactatazidose möglich durch Überaktivierung der Muskulatur in Kombination mit verminderter Abatmung bei bilateralen tonisch-klonischen (konvulsiven) Anfällen
Neurologisches Notfall-Labor
CK-Verlaufskontrolle: 6–12 h nach dem Anfall
Zusätzliche Diagnostik
Bildgebende Diagnostik bei V.a. neurologischen/neurochirurgischen Notfall
Eine notfallmäßige kranielle CT ist nach (Fremd‑)Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung indiziert bei
Z.n. Status epilepticus oder Serie epileptischer Anfälle
Vorliegen wegweisender klinischer Befunde, z.B.
Sturz mit Schädel-Hirn-Trauma bzw. relevanter Kopfverletzung im Kontext des Anfalls
Postiktal persistierendes fokal-neurologisches Defizit
Vorliegen wegweisender bekannter Risikofaktoren, z.B.
Gerinnungsstörung oder Therapie mit Antikoagulanzien
Chronischer Alkoholkonsum
Zusätzliche Diagnostik nach erstmaligem epileptischem Anfall
EEG: Möglichst frühzeitig nach dem Anfall
Bedeutung: Der Nachweis epilepsietypischer Potenziale (z.B. Spikes, Sharp-Waves, Spikes and Waves ) bestätigt einen tatsächlich epileptischen Anfall und kann die Eingrenzung der ursächlichen Hirnregion und die Zuordnung zu einem Epilepsiesyndrom ermöglichen
EEG-Kriterien eines epileptischen Anfalls
Klarer Anfang und klares Ende
Steigerung der Amplitude im Verlauf
Veränderung der Frequenz im Verlauf
Kranielle MRT (ggf. fMRT, SPECT, PET)
Bedeutung: Suche nach potenziell epileptogenen, zumeist kortikalen Läsionen
DD Epilepsie
konvulsive Synkope
psychogener/ dissoziativer Anfall
‘drop attack’ bei verebtrobasilärer Insuffizienz
Hyperventilationstetanie
Akuttherapie
Mehrheit der Fälle selbstlimitierend!
Sicherung des Patienten
Benzodiazepine, z.b.
Lorazepam (Tavor) 2-4mg i.v. = 1. Wahl
Clonazepam (Rivotril) 0,5-2mg i.v.
Diazepam 10-20 mg i.v.
falls kein i.v. Zugang
Diazepam rektal
Midazolam buccal
Behandlung der Ursache / Trigger(Hypoglykömie, Fieber, Na)
Antikonvulsiva / Anfallsprophylaxe
mehr als 20 verschiedene Antikonvulsiva
allgemein Prinzipien:
Beginn spätestens nach 2. Anfall (evtl nach 1. bei hohem Rezidivrisiko, Symptomatik)
Monotherapie
langsam aufdosieren - start slow, go slow
Interaktion der Medikamente beachten
Enzyminduktion wie Phenytoin, Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenorbital meiden
Antikonvulsiva
individueller Einsatz je nach NW/ Verträglichkeit und Begleiterkrankung sowie abhhängig von Anfallstyp
generalisierte Anfälle
Wahl: Valproat (nicht Frauen gebärfähiges Alter)
alternativ: Lamotrigin, Topiramat
bei Absencen auch Ethosuximid
fokale Anfälle ( u. sekundär generalisierte)
Wahl: Lamotrigin, Levetiracetam
Alternativ: Lacosamid, Topiramat, Zonisamid, Valproat oder Oxcarbazepin, Carbamazepin
(cave: Enzyminduktion)
Epilepsiechirurgische Maßnahmen und Stimulationsverfahren
Resektionsverfahren
(Hippocampus, Temporallappenresektion bei Hippocampussklerose, Temporallappenepilepsie, Resektion kortikale Dysplasie)
‘Tiefe Hirnstimulation
Zielregion : Anteriorer o. centromedianer Thalamus, Hippocampus
Nervus Vagus Stimulation (palliatives Verfahren)
Status Epilepticus
Krampfanfallsdauer > 10 min
mind 2 Anfälle hintereinander, zwischen denen Bewusstsein nicht wiedererlangt wird
lebensbedrohlicher Notfall!!!
Komplikationen Status Epilepticus
abhängig von unterl. Grunderkrankung und v a Dauer des Status
Zerebrale Hypoxie
Hirnödem
Nervenzelluntergang
Rhabdomylose mit akutem Nierenversagen
Laktatazidose
Aspiration/ Lungenödem
Kardiale Arrhythmien
Hyperthermie
Fahrtauglichkeit
Zuletzt geändertvor 2 Jahren