Neurologische Untersuchung : Abstract ?
Die körperliche Untersuchung nimmt in der neurologischen Diagnostik eine zentrale Rolle ein.
Anhand einer Funktionsprüfung des Nervensystems werden Informationen gesammelt, die eine Zuordnung zu einem Syndrom sowie möglicherweise auch zur Art einer Schädigung ermöglichen.
Für Rückschlüsse auf den Ort einer Schädigung im Nervensystem sind fokal-neurologische Defizite von großer Bedeutung, also Funktionsbehinderungen, die sich auf den Ausfall einer bestimmten Struktur oder Region des zentralen oder peripheren Nervensystems beziehen lassen.
Dieses Kapitel beschreibt als Kompendium ausführlich die Untersuchungen der verschiedenen neurologischen Funktionsbereiche mit den jeweils zu erwartenden Normalbefunden sowie möglichen pathologischen Befunden oder Abweichungen.
Die lockere Reihung der einzelnen Abschnitte ist dabei nicht als eine strenge Chronologie zu verstehen, sondern stellt einen Kompromiss aus inhaltlicher Zusammengehörigkeit und praktikabler Abfolge dar.
Insb. die hier an die Untersuchung der Vigilanz angeschlossene Beurteilung neuropsychologischer Funktionen wird nicht in vollem Umfang am Anfang jeder neurologischen Untersuchung stehen.
Der Umfang der neurologischen Untersuchung muss an die klinische Fragestellung angepasst werden.
Während die orientierende neurologische Untersuchung die standardisierte Erfassung des neurologischen Status und dabei insb. die hinreichend sichere Erfassung des neurologischen Normalzustands zum Ziel hat, dienen leitsymptomorientierte fokussierte neurologische Untersuchungen einer gezielteren differenzialdiagnostischen Einordnung.
Im Rahmen des Notfallmanagements steht die standardisierte Abklärung neurologischer Störungen („D“, siehe: Notfallmanagement - Disability) an, wenn entsprechend dem cABCDE-Schema Störungen auf höheren Dringlichkeitsstufen („cABC“) ausgeschlossen wurden;
siehe: Orientierende neurologische Notfalluntersuchung.
Spezielle neurologische Untersuchungstechniken, die i.d.R. ausschließlich im Kontext bestimmter Leitsymptome bzw. Erkrankungen verwendet werden, sind in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt (siehe bspw.:
Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel - Diagnostik oder Myasthenia gravis - Diagnostik).
Für den AMBOSS-Anamnese- und Untersuchungsbogen siehe: Link in Zitation [1]
N:
Fast immer ist die linke Seite von einem Neglect betroffen, da die Störung meist nach einer Schädigung der rechten nicht-sprachdominanten Großhirnhemisphäre auftritt!
Vor Beurteilung der Sprache sind die Muttersprache und mögliche mangelnde Sprachkenntnisse sowie Störungen des Hörvermögens zu eruieren!
Zwischen Gedächtnisstörungen und exekutiven Funktionsstörungen bestehen einige phänomenologische Überschneidungen. So kann z.B. die klinische Unterscheidung einer Agnosie von einer semantischen Gedächtnisstörung im Einzelfall schwierig sein. Zur genauen Differenzierung höherer Hirnleistungsstörungen ist daher immer eine ausführliche und standardisierte neuropsychologische Funktionstestung zu empfehlen!
Froment-Manöver: Zur Aufdeckung eines subklinischen Rigors der oberen Extremität kann die zu untersuchende Person aufgefordert werden, während der Untersuchung wiederholt Bewegungen des kontralateralen Arms auszuführen (z.B. Öffnen und Schließen der Hand). Auf diese Weise wird eine aktive Mitbewegung unterdrückt!
Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine wichtige Differenzialdiagnose, wenn gleichzeitig eindeutige Zeichen sowohl einer Läsion des 1. als auch des 2. Motoneurons vorliegen!
Die Beurteilung sollte immer im Seitenvergleich sowie im Vergleich zwischen verschiedenen Höhen (Arme/zervikales Myelon, Rumpf/thorakales Myelon, Beine/lumbosakrales Myelon) erfolgen! Der Masseterreflex erlaubt die Einbeziehung des Hirnstamms in den Höhenvergleich.
Grundsätzlich müssen die in der Sensibilitätsprüfung erhobenen Befunde immer in Zusammenschau mit der Untersuchung der übrigen neurologischen Funktionssysteme bewertet werden!
Hilfreiche Orientierungspunkte für bestimmte Dermatome sind z.B. die Mamillarlinie (Höhe der Brustwarzen: Übergang Th4/Th5), der Thenar (C6), der Mittelfinger (C7), der Bauchnabel (Th10) sowie die Vorderseite des Knies (L4)!
Geringe Schmerzen und Nackensteifigkeit sind auch bei degenerativen HWS-Veränderungen (insb. bei Älteren) häufig – dabei ist i.d.R. aber auch die passive Kopfdrehung schmerzhaft, die beim Meningismus typischerweise nicht beeinträchtigt ist!
Auch Störungen in anderen Funktionssystemen (z.B. Pyramidenbahn, 2. Motoneuron, Basalganglien, propriozeptives System) führen zu Fehlern in der Ausführung von Bewegungsabläufen, sodass für eine verlässliche Beurteilung immer auch die Untersuchung der anderen Systeme erfolgen muss!
Der Ausdruck „Romberg positiv“ sollte nach Möglichkeit vermieden werden, weil die Auffälligkeit dadurch oft nicht umfassend benannt werden kann. Stattdessen alle auffälligen Befunde immer direkt benennen!
Bei Sturzgefahr immer in der Nähe der zu untersuchenden Person bleiben und im Zweifel eine dritte Person zur Sicherung hinzuziehen!
Neurophysiologische Diagnostik : Abstract ?
(Spezielle neurologische Diagnostik)
Die neurologische Diagnostik umfasst neben der klinischen neurologischen Untersuchung und der konventionellen Bildgebung (insb. CT und MRT) auch spezielle elektrophysiologische Verfahren, die Rückschlüsse auf die Nerven-, Muskel- und Hirnaktivität zulassen.
Das am häufigsten verwendete Verfahren ist dabei die Elektroenzephalografie (EEG), bei der kortikale Potenzialschwankungen aufgezeichnet werden, wodurch Rückschlüsse auf kortikale Störungen (z.B. Epilepsie, Schlafstörungen, etc.) gezogen werden können.
Die Elektromyografie (EMG) dient der Messung der muskulären Bioelektrik und hilft unter anderem bei der Differenzierung zwischen neurogener und muskulärer Muskelschädigung.
Die Elektroneurografie (ENG) misst die Leitungsfunktion eines peripheren Nerven und hilft bei der Spezifizierung einer Nervenschädigung.
Evozierte Potenziale beschreiben Potenzialunterschiede im zentralen Nervensystem, die durch die Reizung eines Sinnesorgans oder peripheren Nerven ausgelöst und mithilfe einer EEG-Untersuchung dargestellt werden können.
Insbesondere Demyelinisierungen (z.B. im Rahmen einer Multiplen Sklerose) lassen sich mithilfe dieses Verfahrens gut detektieren.
Liquorpunktion : Abstract ?
(Lumbalpunktion, LP)
Eine Liquorpunktion kann aus diagnostischen oder therapeutischen Gründen durchgeführt werden.
Die Untersuchung des Liquors ist für die Diagnosestellung einer Vielzahl von neurologischen Erkrankungen von Bedeutung.
Sie kann bspw. bei Verdacht auf Meningitis, Multiple Sklerose, Blutungen oder Meningeosis carcinomatosa wegweisende Befunde liefern und die Therapieentscheidung bestimmen.
Meist erfolgt die Punktion zur Liquorgewinnung lumbal.
Absolute Kontraindikation für eine Liquorentnahme ist ein erhöhter Hirndruck, da eine zerebrale Einklemmung provoziert werden kann.
Eine häufige und unangenehme (aber ungefährliche) Komplikation ist der postpunktionelle Kopfschmerz.
Ein postpunktionelles Syndrom ist typischerweise lagerungsabhängig und bildet sich meist spontan innerhalb von 7–10 Tagen zurück!
Tremor : Abstract ?
Ein Tremor beschreibt rhythmische Bewegungen eines oder mehrerer Körperteile, die sich in ihrer Erscheinungsform sehr unterscheiden können.
Es werden im Wesentlichen Ruhe-, Halte- und Zieltremor unterschieden, wobei letzterer Zeichen für eine Kleinhirnläsion ist.
Typische Erkrankung für einen Haltetremor ist der essenzielle Tremor, der familiär gehäuft auftritt und sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass er sich in Stresssituationen verstärkt und durch moderaten Alkoholkonsum mildert.
Der Ruhetremor ist eines der Leitsymptome des idiopathischen Parkinson-Syndroms und ist gekennzeichnet durch einen während körperlicher Ruhe auftretenden, asymmetrisch ausgeprägten, feinschlägigen Tremor der Extremitäten, der sich ebenfalls in Stresssituationen verstärkt.
Eine Sonderform stellt der orthostatische Tremor dar, der bei längerem Stand die Beinmuskeln betrifft, zu Standunsicherheit führt und oft nur elektrophysiologisch nachweisbar ist.
Parkinson-Syndrom und Morbus Parkinson : Abstract ?
Beim Parkinson-Syndrom handelt es sich um ein klinisches Bild mit den Symptomen Akinese, Rigor, Ruhetremor und Posturale Instabilität, das durch einen Dopaminmangel jeglicher Genese verursacht wird.
Das idiopathische Parkinson-Syndrom (IPS, Morbus Parkinson) als degenerative Erkrankung dopaminerger Neurone der Substantia nigra ist mit einem Anteil von ca. 75% das häufigste Parkinson-Syndrom und steht im Fokus dieses Kapitels.
Das IPS verläuft langsam progredient und ist nicht heilbar.
Entsprechend der Symptom-Trias zeigen sich ein typisches vornübergebeugtes, kleinschrittiges Gangbild und ein einseitig beginnender Ruhetremor.
Die Krankheit manifestiert sich üblicherweise nach dem 50. Lebensjahr.
Die Diagnose IPS wird klinisch nach Ausschluss anderer Ursachen, insb. atypischer und sekundärer Parkinson-Syndrome, gestellt.
Zur symptomatischen Therapie kommen vor allem L-Dopa, Dopaminagonisten und MAO-B-Hemmer zum Einsatz.
Problematisch sind Medikamentennebenwirkungen bzw. ein Verlust der Wirksamkeit im Krankheitsverlauf.
Als alternative Therapie wird bei jungen Patienten zunehmend eine tiefe Hirnstimulation vorgenommen.
Die atypischen Parkinson-Syndrome (auch Parkinson-Plus-Syndrome) stellen eigenständige neurologische Krankheitsbilder dar und werden in einem gesonderten Kapitel behandelt.
Bei sekundären Parkinson-Syndromen zeigen sich die typischen Symptome im Rahmen bestimmter Auslöser (z.B. infolge antidopaminerger Medikamentennebenwirkungen).
„Klinische Symptomatik des Parkinson-Syndroms: TRAP (von eng. "Falle") - Tremor, Rigor, Akinese und posturale Instabilität.“
Symptome, die vermehrte Bewegung widerspiegeln (z.B. Tremor), werden Plus-Symptome genannt. Symptome, die verminderte Bewegung widerspiegeln, werden als Minus-Symptome (Akinese) bezeichnet!
Das einzige obligate Symptom des Parkinson-Syndroms ist die Bradykinese. Ein einseitiger Beginn der Erkrankung ist charakteristisch für den Morbus Parkinson!
Die nicht-motorischen Symptome sollten nicht unterschätzt werden. Oft stellen sie für Patienten und Angehörige die für die Lebensqualität zentralen Probleme dar!
Der akinetisch-rigide Parkinsontyp hat eine schlechte Prognose mit schneller Demenzentwicklung; ein Tremor ist prognostisch günstig!
Der Morbus Parkinson ist eine klinische Diagnose! Anamnese und klinische Untersuchung sind die zentralen diagnostischen Maßnahmen!
L-Dopa wird optimalerweise zwischen Mahlzeiten eingenommen (z.B. 30 min vor einer Mahlzeit). Eine hohe Eiweißbindung führt zu verminderter Wirkung!
Atypische Parkinson-Syndrome : Abstract ?
(Parkinson-Plus-Syndrome)
Bei den atypischen Parkinson-Syndromen (auch Parkinson-Plus-Syndrome genannt) handelt es sich um neurodegenerative Erkrankungen des Syndromkreises Parkinson.
Zu ihnen werden die Lewy-Body-Demenz (DLK), die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Parese (PSP) und die kortikobasale Degeneration (CBD) gezählt.
Der Ausschluss dieser atypischen Parkinson-Syndrome ist ein Bestandteil der Diagnosestellung beim Morbus Parkinson.
Siehe hierzu auch: Diagnostik beim Parkinson-Syndrom
Die atypischen Parkinson-Syndrome zeigen die Kernsymptomatik aus Bradykinese, Rigor, Ruhetremor und posturaler Instabilität.
Im Gegensatz zum idiopathischen Morbus Parkinson zeichnen sie sich aber je nach betroffener Hirnregion durch bestimmte zusätzliche Befunde oder einen anderen klinischen Symptomverlauf aus.
Wichtige Hinweise auf ein atypisches Parkinson-Syndrom sind z.B. das schlechte Ansprechen der Symptomatik auf eine L-Dopa-Therapie oder eine frühe demenzielle Entwicklung.
Die Therapieoptionen der atypischen Parkinson-Syndrome sind limitiert und rein symptomatisch.
L-Dopa ist i.d.R. nicht oder nur schwach wirksam.
Die Prognose ist schlechter als bei der idiopathischen Parkinson-Erkrankung.
Auf die Behandlung mit klassischen Antipsychotika reagieren Patienten mit Lewy-Body-Demenz überempfindlich, es kann zu lebensbedrohlichen akinetischen Krisen kommen!
Chorea Huntington : Abstract ?
(Chorea major Huntington)
Die Chorea Huntington ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch extrapyramidal-motorische Störungen (Hyperkinesien) und psychische sowie kognitive Probleme gekennzeichnet ist.
Die Erkrankung gehört zu den Trinukleotid-Erkrankungen, wobei eine Mutation zur vermehrten Wiederholung des Basentripletts CAG im Huntingtin-Gen führt.
Die Folge ist ein stetig zunehmender Neuronenuntergang, insb. in den Basalganglien.
Das Erkrankungsalter ist von der Anzahl der Wiederholungen des Basentripletts abhängig, liegt aber typischerweise um das 40. Lebensjahr.
Die Erkrankung wird autosomal-dominant vererbt.
Frühe Symptome sind psychiatrische Veränderungen, wie depressive Verstimmungen oder vermehrte Reizbarkeit.
Im Verlauf kommt es zu den typischen choreatiformen Bewegungen mit plötzlich einschießenden Hyperkinesien des Gesichts und der distalen Extremitäten.
In späten Stadien entwickelt sich meist eine zunehmende Demenz.
Der Verdacht auf eine Chorea Huntington ergibt sich aus der typischen Klinik und einer positiven Familienanamnese, gesichert wird die Diagnose durch molekulargenetische Untersuchungen.
Eine kausale Therapie der Erkrankung existiert nicht.
Die psychopathologischen Veränderungen gehen der hyperkinetischen Symptomatik häufig voraus: anfänglich leichte Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten und Störungen des Affektes oder der Wahrnehmung möglich, später teils aggressives, teils gleichgültiges Verhalten, zuletzt regelmäßig demenzielle Entwicklung!
Die genetische Untersuchung erfolgt erst nach Erreichen der Volljährigkeit! Aufgrund eines Beschlusses der Bundesärztekammer darf eine entsprechende Diagnostik nur dann vorgenommen werden, wenn präventive oder therapeutische Maßnahmen möglich wären!
Vor Durchführung einer molekulargenetischen Testung bei Verwandten muss eine ausführliche humangenetische Beratung stattfinden! Betroffene können sich jederzeit auch gegen die Untersuchung bzw. Mitteilung der Ergebnisse entscheiden. (Gendiagnostikgesetz, GenDG)
Es ist keine kausale Therapie möglich!
Restless-Legs-Syndrom : Abstract ?
(RLS, Syndrom der ruhelosen Beine)
Das Restless-Legs-Syndrom ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen und geht mit vermehrt in Ruhe auftretenden (also meist nächtlichen) Missempfindungen und Bewegungsdrang einher.
Die Beschwerden bessern sich bei Bewegung.
Es werden primäre Formen mit genetischer Prädisposition und sekundäre Formen (z.B. durch Eisenmangel oder Urämie) unterschieden.
Der neurologische Untersuchungsbefund ist unauffällig. Bei Therapiebedürftigkeit erfolgt eine Behandlung mit L-Dopa und Dopaminagonisten, bei sekundären Formen muss die Grunderkrankung behandelt werden.
Die Erkrankung weist eine gute Prognose auf:
Pharmaka lindern die Beschwerden, müssen allerdings tlw. lebenslang eingenommen werden, sekundäre Formen sind bei kausaler Behandlung meist regredient.
Kleinhirnerkrankungen : Abstract ?
Das Kleinhirn regelt als Koordinationszentrum die Stütz-, Blick- und Zielmotorik.
Sobald ein Kleinhirnschaden vorliegt, werden Bewegungen, Haltung, Stand und Gang unsicher, und Zielbewegungen können nicht mehr adäquat ausgeführt werden.
Außerdem kommt es zu Störungen der Stimme und zu einer Hypotonie der Muskulatur.
Epileptische Anfälle und Epilepsien : Abstract ?
Die Epilepsie ist ein Überbegriff für Erkrankungen, die sich durch eine Übererregbarkeit der Neurone der Hirnrinde auszeichnen.
Die Übererregbarkeit äußert sich durch anfallsartige, synchronisierte neuronale Potenzialentladungen, die zum klinischen Bild eines epileptischen Anfalls führen.
Je nachdem, ob die Potenzialentladungen beide Großhirnhemisphären oder nur begrenzte Bereiche einer Hemisphäre betreffen, unterscheidet man hauptsächlich zwischen Anfällen mit fokalem und mit generalisiertem Beginn.
Diese Unterscheidung ist für die Pharmakotherapie zentral, stellt aber nicht die einzige Einteilungsmöglichkeit dar.
Klinisch kommt es je nach Ort der Potenzialentladung zu zeitlich limitierten Symptomen motorischer, sensorischer, sensibler, vegetativer und/oder psychischer Art.
Bei erstmaligem Auftreten eines epileptischen Anfalls gilt es herauszufinden, ob sich eine oder mehrere fassbare (hirn‑)organische Ursachen identifizieren lassen.
Mittel der ersten Wahl zur Therapie der Epilepsie mit fokalem Beginn ist Lamotrigin, bei der Epilepsie mit generalisiertem Beginn wird Valproat empfohlen.
Dieses Kapitel gibt einen allgemeinen Überblick über epileptische Anfälle und Epilepsien, inkl. der klassischen Form des bilateral-tonisch-klonischen Anfalls.
Die Sonderform des Status wird im Kapitel Status epilepticus abgehandelt.
Darüber hinaus lassen sich einige Epilepsien durch ihre typische Epidemiologie, Klinik und Befunde in der Diagnostik zu Epilepsiesyndromen zusammenfassen.
Eine Übersicht über die Formen der fokalen Epilepsiesyndrome gibt das Kapitel Fokale Epilepsien und Syndrome.
Die generalisierten Epilepsiesyndrome des Kindesalters werden in dem Kapitel Generalisierte Epilepsien im Kindesalter abgehandelt.
Für die Wahl der medikamentösen Therapie ist insb. die Unterscheidung zwischen fokalen und generalisierten Epilepsien ausschlaggebend!
Bei jedem Anfall ist zunächst zu klären, ob tatsächlich ein epileptischer Anfall vorliegt! Die weitergehende Diagnostik richtet sich danach, ob Anhaltspunkte für einen Notfall existieren und ob es sich um einen erstmaligen oder einen wiederholten Anfall handelt!
Das erstmalige Auftreten eines Anfalls mit fokalem Beginn (mit oder ohne Ausweitung zu einem bilateral-tonisch-klonischen Anfall) bei Erwachsenen spricht für einen symptomatischen Anfall und bedarf einer gründlichen Abklärung!
Auch Synkopen können mit Konvulsionen einhergehen und damit epileptischen Anfällen sehr ähneln, die Patienten sind aber auch nach konvulsiven Synkopen in wenigen Sekunden vollständig reorientiert!
Epileptische Anfälle werden innerhalb der ersten 5 min nicht medikamentös behandelt, weil die allermeisten Anfälle innerhalb dieser Zeit spontan sistieren und so die Nachteile der Sedierung vermieden werden können. Erst ab 5 min spricht man von einem Status und beginnt die Behandlung dann ohne Verzögerung!
Bei V.a. Pharmakoresistenz, d.h. bei Versagen zweier Antiepileptika einzeln oder in Kombination, sollte immer nochmals die Einordnung als Epilepsie mit fokalem Beginn oder als Epilepsie mit generalisiertem Beginn geprüft werden!
Status epilepticus : Abstract ?
Beim Status epilepticus handelt es sich um einen nicht selbstlimitierend verlaufenden epileptischen Anfall bzw. mehrere in kurzem Zeitraum auftretende, nicht komplett reversible epileptische Anfälle.
Prinzipiell können alle Anfallsformen in einen Status epilepticus übergehen.
Wegen der drohenden Schädigung von Neuronen handelt es sich um einen neurologischen Notfall, der einer umgehenden Therapie bedarf.
Der Status bilateral-tonisch-klonischer Anfälle ist ein lebensbedrohlicher Notfall! Zur Durchbrechung muss das o.g. Stufenschema schnell und in ausreichender Dosierung angewendet werden!
Fokale Epilepsien und Syndrome : Abstract ?
Wenn von einer fokalen Epilepsie gesprochen wird, dann ist damit gemeint, dass sich das Geschehen auf einen Fokus konzentriert (im Gegensatz zur generalisierten Epilepsie, die das gesamte Großhirn erfasst).
Die Identifizierung einer zugrundeliegenden Ursache unterscheidet dabei idiopathische von symptomatischen Epilepsien.
Je nach Lokalisation des Geschehens ergeben sich mehr oder weniger typische Symptomatiken.
Bei der Temporallappenepilepsie handelt es sich um die häufigste fokale Epilepsie.
Pathomorphologisches Korrelat ist meist eine Sklerosierung des Ammonshorns (eine Struktur im Hippocampus).
Auch fokale Epilepsien können mit Bewusstseinsstörungen einhergehen (= komplex-fokal) und sekundär generalisieren.
Die Einteilung der lokalisationsbezogenen Epilepsien und Syndrome in diesem Kapitel folgt der Klassifikation der ILAE.
Eine generelle Übersicht gibt das Kapitel Epileptische Anfälle und Epilepsien.
Geht ein fokaler, epileptischer Anfall mit einem march of convulsion einher, nennt man ihn unabhängig von seinem Ursprung Jackson-Anfall!
Alle symptomatischen, fokalen Epilepsien sollten i.d.R. mit Lamotrigin oder Levetiracetam behandelt werden!
Transiente globale Amnesie : Abstract ?
Die transiente globale Amnesie (TGA) ist eine akut auftretende Gedächtnisstörung unbekannter Ursache.
Sie geht sowohl mit einer anterograden (keine Speicherung neuer Gedächtnisinhalte) als auch mit einer retrograden Amnesie (eingeschränkter Abruf alter Gedächtnisinhalte) einher.
Die Betroffenen sind unruhig und wirken ratlos;
häufig stellen sie wiederholt Fragen zu Situation und Zeit.
Zur eigenen Person sind die Betroffenen allerdings immer orientiert.
Eine Vigilanzminderung oder fokal-neurologische Defizite treten nicht auf.
Bei klassischer Präsentation ist keine Zusatzdiagnostik notwendig.
Aus differenzialdiagnostischen Erwägungen können ein cMRT und ein EEG in Betracht gezogen werden.
Die Symptomatik bildet sich innerhalb von 24 Stunden spontan zurück.
Es verbleibt eine Erinnerungslücke für die Zeit der Gedächtnisstörung.
Narkolepsie : Abstract ?
Autor:innen: Dr. med. Anna Wings für AMBOSS, Dr. med. Alfred Wiater für die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM)
Die Narkolepsie ist eine neurologische Erkrankung mit gestörter Schlaf-Wach-Regulation durch einen Untergang Hypokretin-produzierender Neurone im Hypothalamus, deren genaue Pathogenese unklar ist.
Ursächlich spielen genetische sowie äußere Faktoren eine Rolle.
Klinisch zeigt sich meist schon in der Kindheit eine schwere Tagesschläfrigkeit, häufig begleitet von sog. Kataplexien, bei denen es zu einem plötzlichen Muskeltonusverlust kommt.
Zusätzlich können REM-Schlaf-assoziierte Symptome wie Schlaflähmungen, automatisches Handeln und hypnagoge Halluzinationen auftreten.
Zur Diagnosestellung ist neben Klinik und Anamnese insb. die Polysomnografie mit multiplem Schlaflatenztest (MSLT) wegweisend sowie der Nachweis bestimmter HLA-Typen und eine quantitative Hypokretinbestimmung im Liquor.
Die Therapie richtet sich nach den dominierenden Symptomen.
Während Stimulanzien die Tagesschläfrigkeit lindern, werden Antidepressiva zur Behandlung der Kataplexien eingesetzt.
Natrium-Oxybat wirkt sich auf alle Narkolepsiesymptome positiv aus.
Perspektivisch könnten Hypokretinagonisten therapeutisch erfolgversprechend sein.
Da sich bereits 2008 (also vor Beginn der Schweinegrippe-Pandemie) ein Anstieg an Narkolepsiediagnosen im Kindes- und Jugendalter nachweisen lässt, und auch Ungeimpfte betroffen waren, sind weitere Faktoren wahrscheinlich.
Die Pathophysiologie der Narkolepsie mit normalen Hypokretinwerten ist derzeit unklar.
Natrium-Oxybat sollte niemals zusammen mit Alkohol oder anderen ZNS-dämpfenden Substanzen eingenommen werden, da dies eine lebensbedrohliche Atemdepression zur Folge haben kann!
Die Abgabe von Natrium-Oxybat muss streng reguliert werden, da die Missbrauchsgefahr hoch ist – die Substanz wird auch als "Liquid Ecstasy" bezeichnet und als K.O.-Tropfen missbraucht!
Vigilanzminderung : Abstract ?
(Quantitative Bewusstseinsstörung, Wachheitsstörung)
Eine Vigilanzminderung (von lat. vigilantia = „Wachsamkeit“, Synonym: quantitative Bewusstseinsstörung) ist zunächst ein unspezifisches Symptom, das durch eine verminderte Wachheit gekennzeichnet ist.
Ursächlich können sowohl primär neurologische Erkrankungen (z.B. Hirnblutung, ischämischer Schlaganfall oder Meningitis) als auch nicht primär neurologische Erkrankungen und Zustände sein (z.B. metabolische Entgleisungen, Intoxikationen oder verminderte zerebrale Perfusion).
Pathophysiologische Gemeinsamkeit ist, dass es zu einer Hirnfunktionsstörung mit Schädigung des Weckzentrums im Hirnstamm (ARAS) oder einem Ausfall beider Großhirnhemisphären kommt.
Der Grad der Wachheit kann klinisch mit steigender Schwere der Störung in Somnolenz, Sopor und Koma unterteilt werden.
Zur Quantifizierung wurde u.a. die Glasgow-Coma-Scale entwickelt, die eine Einschätzung anhand weniger klinischer Untersuchungskriterien ermöglicht.
Das Koma bezeichnet die durchgehende Bewusstlosigkeit als schwerste Verlaufsform einer Vigilanzminderung.
Ein Koma ist auch durch wiederholt dargebotene äußere Reize (z.B. Schmerzreize) nicht zu durchbrechen;
die Augen bleiben geschlossen und je nach Tiefe des Komas können Hirnstammreflexe erloschen sein.
Bei der Vigilanzminderung unklarer Ursache steht die Stabilisierung der Vitalfunktionen sowie die schnellstmögliche Identifizierung und Behandlung des Auslösers im Vordergrund.
Der Begriff “Vigilanzminderung” bedeutet “Minderung der Wachheit” und bezeichnet immer eine quantitative Bewusstseinsstörung! Sie sollte nicht verwechselt werden mit qualitativen Bewusstseinsstörungen wie z.B. Orientierungsstörungen, inhaltlichen Denkstörungen oder kognitiven Defiziten!
Häufig liegen aber auch mehrere miteinander zusammenhängende oder voneinander unabhängige Ursachen für eine Vigilanzminderung vor!
Vorsicht bei frühzeitiger Beendigung der klinischen Untersuchung und Diagnosestellung! Häufig liegen einer Vigilanzminderung mehrere Ursachen zugrunde, die miteinander zusammenhängen oder voneinander unabhängig sein können. Daher sollte die Basisdiagnostik sorgfältig abgearbeitet und eine initiale Verdachtsdiagnose mit jedem neuen Befund überprüft werden!
Schädelhirntrauma : Abstract ?
(SHT, Schädelhirnverletzung)
Das Schädelhirntrauma (SHT) ist eine Verletzung des Schädels mit konsekutiver Funktionsstörung und/oder struktureller Schädigung des Gehirns.
Mittels der Glasgow-Coma-Scale (GCS) erfolgt die Ersteinschätzung der Patient:innen und die Einteilung in ein leichtes, mittelschweres oder schweres SHT.
Je nach Schweregrad kann sich die Verletzung klinisch durch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie Vigilanzminderungen bis hin zum lebensbedrohlichen Koma zeigen.
Neben Anamnese und klinisch-neurologischer Untersuchung stellt die notfallmäßige CT-Bildgebung den diagnostischen Goldstandard dar.
Zur frühzeitigen Abwendung von Komplikationen ist eine engmaschige klinische Überwachung notwendig.
Therapeutisch kann bei intrakraniellen Blutungen oder Schädelfrakturen eine operative Therapie notwendig sein.
Je nach Schwere der intrakraniellen Verletzung sind Verläufe mit kompletter Remission neurologischer Defizite bis hin zu Verläufen mit schweren bleibenden Behinderungen möglich.
Intrakranielle Druckerhöhung : Abstract ?
Als intrakranieller Druck (ICP) wird der Druck bezeichnet, der innerhalb des Schädels und seiner verschiedenen Kompartimente (z.B. im Subarachnoidalraum und in den Ventrikeln) besteht.
Der ICP variiert je nach relativer Position des Kopfes zum restlichen Körper und wird durch physiologische Prozesse beeinflusst (z.B. durch die kardialen Kontraktionen).
Erwachsene haben im Liegen normalerweise einen ICP von ≤15 mmHg.
Bei Werten ≥20 mmHg liegt ein pathologisch erhöhter intrakranieller Druck vor.
Der ICP erhöht sich, wenn eine intrakranielle Volumenzunahme nicht mehr durch die Verschiebung von Liquor in den spinalen Subarachnoidalraum kompensiert werden kann.
Dem kann eine Vielzahl verschiedener Ursachen zugrunde liegen.
Die Druckerhöhung kann zu einer Reduktion des zerebralen Perfusionsdrucks (CPP) und zu einer Herniation zerebraler Strukturen führen.
Sie zeigt sich häufig mit unspezifischen Symptomen (z.B. mit Kopfschmerzen, vegetativen Symptomen wie Übelkeit oder als unklare Bewusstseinsminderung).
Dennoch können je nach betroffener Hirnstruktur auch spezifische Symptome auftreten (z.B. die Cushing-Triade bei Kompression des Hirnstamms).
Körperliche Untersuchung und zerebrale Bildgebung können Hinweise auf funktionelle und morphologische Auswirkungen eines erhöhten ICP geben, der sichere Ausschluss ist durch Untersuchung und Bildgebung allerdings nicht immer möglich.
Im Zweifelsfall und besonders bei vorliegenden Risikofaktoren ist eine invasive Hirndruckmessung notwendig.
Neben der Behandlung der auslösenden Grunderkrankung kann der erhöhte ICP je nach Ursache auf verschiedenen Wegen symptomatisch behandelt werden.
Invasive Optionen bestehen in der Entlastung von Liquor, einer dekompressiven Kraniektomie oder kontrollierter Hyperventilation.
Eine medikamentöse Therapie kann mittels osmotisch wirksamer Substanzen wie Mannitol oder hypertoner Kochsalzlösung erfolgen.
Bei erhaltener Spontanatmung ist die Medulla oblongata noch intakt. Bei vorhandenem Kornealreflex sind zusätzlich der Pons und bei vorhandenem Pupillenreflex auch das Mesencephalon intakt!
Bei quantitativem Bewusstseinsverlust und beidseitiger maximaler Mydriasis muss differenzialdiagnostisch auch eine akute Intoxikation in Betracht gezogen werden!
Bei erhöhtem ICP aufgrund eines SHT oder ischämischen Schlaganfalls sollte die Gabe von Glucocorticoiden vermieden werden. Nach aktueller Studienlage ergibt sich kein Überlebensvorteil, während die Komplikationsrate erhöht ist!
Irreversibler Hirnfunktionsausfall („Hirntod“) : Abstract ?
Der Begriff „irreversibler Hirnfunktionsausfall“ bezeichnet im Allgemeinen den vollständigen und unumkehrbaren Ausfall der Funktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm.
Der Eintritt dieses Zustands ist Bestandteil jedes Sterbeprozesses und unmittelbare Folge des endgültigen Ausfalls der Herz- und Kreislauffunktion („Herztod“).
Im Speziellen wird der Begriff jedoch verwendet für den Zustand des isolierten irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (umgangssprachlich auch „Hirntod“) bei künstlich aufrecht erhaltener Atmung (durch Beatmung und ggf. Herz- und Kreislaufunterstützung).
Dieser Zustand kann nur bei intensivmedizinisch Behandelten mit ausgedehnter Schädigung des Gehirns vorkommen und muss von mehreren dafür qualifizierten Ärzten diagnostiziert werden.
Er ist ein sicheres Todeszeichen und unabdingbare Voraussetzung für die postmortale Organspende.
Die Verfahrensregeln für die Diagnostik legt die Bundesärztekammer in einer Richtlinie fest.
Die Diagnostik folgt einem dreistufigen Schema:
Als Voraussetzungen müssen eine passende schwerste Hirnschädigung vorliegen sowie reversible Komaursachen ausgeschlossen sein.
Die zwingend erforderlichen klinischen Symptome sind Koma, Hirnstammareflexie und Ausfall der Spontanatmung.
Zuletzt muss der Irreversibilitätsnachweis erbracht werden, für den ergänzende apparative Diagnostik notwendig sein kann.
Wurde der irreversible Hirnfunktionsausfall bei einer Person festgestellt und dokumentiert, werden die intensivmedizinischen Maßnahmen beendet (Ausnahme: geplante Organ- und/oder Gewebespende) und der Totenschein ausgestellt.
Epidurales Hämatom : Abstract ?
(Epidurale Blutung)
Das epidurale Hämatom entsteht durch eine akute Blutung meist aus der A. meningea media zwischen Schädelknochen und Dura mater.
Die Symptome sind Folge der Gehirnkompression und können sich direkt nach dem Trauma oder mit einer gewissen Latenz nach initialer Bewusstlosigkeit (freies Intervall) manifestieren.
Neben der Vigilanzstörung ist insbesondere eine Anisokorie durch eine ipsilaterale Mydriasis ein alarmierendes Zeichen.
Die CT bestätigt die Verdachtsdiagnose (bikonvexe, hyperdense, scharf begrenzte Raumforderung) und eine notfallmäßige neurochirurgische Eröffnung des Schädelknochens (Trepanation) ist indiziert.
Therapie : Sofortige Entlastung!
Subdurales Hämatom : Abstract ?
(Subdurale Blutung, SDH)
Bei der subduralen Blutung handelt es sich um eine venöse Blutung zwischen Dura mater und Arachnoidea, die unterschiedlich schwer verlaufen kann (von nahezu unbemerkt über mehrere Wochen bis hin zu rascher Progredienz innerhalb weniger Stunden).
Der akute Verlauf tritt meist als Begleiterscheinung bei einem Schädelhirntrauma auf, während der chronische Verlauf i.d.R. durch Bagatelltraumata ausgelöst wird.
Pathophysiologisches Korrelat des Subduralhämatoms ist meist ein Riss der Brückenvenen, die die oberflächlichen Hirnvenen zu den Sinus durae matris drainieren.
Im Zentrum der Diagnostik steht die Schnittbildgebung mittels cCT (Mittel der Wahl) oder MRT.
Neben der Kontrolle und ggf. Anpassung von Gerinnung und Hirndruck stehen die operative Therapie (z.B. Drainage durch Bohrlochtrepanation) oder die konservative Therapie (engmaschige Überwachung) im Fokus.
Die Prognose ist beim chronischen Verlauf deutlich günstiger.
Da hier ein langsam progredienter Verlauf und nur unspezifische Symptome vorliegen (dazu meist bei älteren Patienten), kann ein chronisches subdurales Hämatom leicht übersehen werden!
Subarachnoidalblutung : Abstract ?
(SAB)
Eine Subarachnoidalblutung (SAB) ist häufig die Folge einer Ruptur eines Aneurysmas der Hirnbasisarterien.
Es kommt zur Einblutung in den liquorgefüllten Subarachnoidalraum und zum Anstieg des intrakraniellen Drucks.
Zu den Leitsymptomen gehören heftigste Kopfschmerzen, Vigilanzminderung und Meningismus.
Die Diagnose erfolgt über eine kraniale CT, in der die frische Blutung hyperdens zur Darstellung kommt.
Das rupturierte Aneurysma wird anschließend mit einer digitalen Subtraktionsangiografie (DSA) dargestellt.
Die Blutungsquelle kann entweder operativ (Clipping) oder endovaskulär (Coiling) verschlossen werden.
Komplikationen wie Rezidivblutungen, die Entwicklung eines Hydrozephalus oder das Auftreten von Vasospasmen mit sekundären Ischämien tragen zur hohen Letalität der Subarachnoidalblutung bei.
Subarachnoidalblutungen können auch mit weniger starken und/oder sich langsamer entwickelnden Kopfschmerzen einhergehen!
(Pseudotumor cerebri, Benigne intrakranielle Hypertension, BIH)
Bei der idiopathischen intrakraniellen Hypertension (IIH) liegt eine Erhöhung des Liquordrucks vor.
Ein Hydrozephalus tritt dabei nicht auf.
Die Ursachen sind teilweise noch unverstanden.
Typischerweise sind von der Erkrankung übergewichtige Frauen im gebärfähigen Alter betroffen.
Leitsymptome sind Kopfschmerzen und Sehstörungen.
In der Spiegelung des Augenhintergrunds (Ophthalmoskopie) sieht der Untersucher eine meist beidseitige Schwellung der Austrittsstelle des Sehnerven aus dem Augapfel (Stauungspapille).
Nach Ausschluss einer intrakraniellen Raumforderung mittels MRT erfolgt eine Lumbalpunktion in Seitlage, bei der ein erhöhter Liquordruck gemessen wird.
Ziel aller therapeutischen Verfahren ist die Senkung des Liquordrucks.
Die konservative Therapie umfasst Maßnahmen zur Gewichtsreduktion sowie die Gabe von Acetazolamid.
Regelmäßige Entlastungspunktionen können zur Drucksenkung nötig sein.
Bei Therapieresistenz kommen interventionelle Verfahren wie die Anlage eines Liquorshunts zur dauerhaften Liquorableitung zur Anwendung.
Die klassische Patientin mit idiopathischer intrakranieller Hypertension ist eine deutlich übergewichtige Frau im gebärfähigen Alter!
Normaldruckhydrozephalus : Abstract ?
Beim Normaldruckhydrozephalus (Normal Pressure Hydrocephalus, NPH) kommt es zu einer progredienten Symptomatik aus Gangstörung mit breitbasigem und kleinschrittigem Gangbild, Demenz und Urininkontinenz (Hakim-Trias).
Die Ätiopathogenese der Erkrankung ist noch unzureichend verstanden.
Der mittlere intrakranielle Druck ist normal, was namensgebend für die Erkrankung ist.
In der Bildgebung des Kopfes kommen erweiterte innere Liquorräume bei normalen oder engen äußeren Liquorräumen zur Darstellung.
Diagnostisch wegweisend ist ein Liquorablassversuch (Tap-Test), der zu einer vorübergehenden Besserung der Symptomatik führt.
Durch eine dauerhafte Ableitung des Liquors über einen ventrikulo-peritonealen Shunt kommt es zur Besserung der Symptome.
Bei einer progredienten Gangstörung mit kognitiven Defiziten sollte die Differenzialdiagnose eines Normaldruckhydrozephalus abgeklärt werden!
Demenzielle Veränderungen gehören nicht zum normalen Alterungsprozess. Eine frühzeitige Diagnostik ermöglicht die Einordnung und ggf. Behandlung der Erkrankung!
Hirnnerven-Syndrome : Abstract ?
Die Untersuchung der Hirnnerven ist essenzieller Bestandteil der neurologischen Untersuchung.
Auffälligkeiten in der Prüfung lassen häufig schon eine gute Eingrenzung der Lokalisationshöhe zu.
In diesem Kapitel sind die Störungen der Hirnnerven isoliert betrachtet – häufig kommen aber auch mehrere Störungen kombiniert vor (siehe → Syndrome der Schädelbasis).
„Onkel Otto operiert tag täglich, aber feiertags vertritt er gerne viele alte Hebammen.“
Syndrome der Schädelbasis : Abstract ?
Die Syndrome der Schädelbasis können entzündlicher oder tumoröser Genese sein und sind schlichtweg deshalb in einer Gruppe zusammengefasst, weil sie allesamt an der Schädelbasis lokalisiert sind.
Die Schädigungen erfassen benachbarte Strukturen und äußern sich dementsprechend häufig in relativ charakteristischen Ausfällen, die wiederum Rückschlüsse auf den Schädigungsort zulassen.
Komplettes Querschnittsyndrom : Abstract ?
Ein komplettes Querschnittsyndrom beschreibt eine Läsion der gesamten auf- und absteigenden Leitungsbahnen des Rückenmarks, wobei die potenziell reversible, akute Form als spinaler Schock bezeichnet wird.
Es kommt zum kompletten Verlust von Sensibilität und Motorik.
Die schlaffe Paraparese (oder Tetraparese) und die Areflexie des spinalen Schocks werden bei Übergang in ein komplettes Querschnittsyndrom zu spastischer Parese und Hyperreflexie, hinzu kommen dann auch pathologische Reflexe (z.B. Babinski-Reflex).
Liegt die Schädigung oberhalb von C4, stellt eine Zwerchfellparese eine lebensbedrohliche Situation dar.
Bei einem akuten Querschnitt (spinalen Schock) kommt es unterhalb der Läsion zu einer schlaffen Plegie und zum Ausfall aller Reflexe (auch die Muskeleigenreflexe sind erloschen). Nach 6–8 Wochen ändert sich die Symptomatik. Die Plegie wird spastisch, die Muskeleigenreflexe kehren im Sinne einer Hyperreflexie wieder und pathologische Reflexe (z.B. Babinski-Reflex) treten hinzu!
Inkomplette Querschnittsyndrome : Abstract ?
Ein inkomplettes Querschnittsyndrom bezeichnet eine nicht den kompletten Querschnitt betreffende Läsion des Rückenmarks.
Es werden im Wesentlichen das zentromedulläre (z.B. Syringomyelie), das ventrale (z.B. Arteria-spinalis-anterior-Syndrom) und das halbseitige Querschnittsyndrom (Brown-Séquard-Syndrom) voneinander abgegrenzt.
Syringomyelie und Arteria-spinalis-anterior-Syndrom werden in eigenen Kapiteln behandelt, wohingegen die charakteristischen Merkmale des Brown-Séquard-Syndroms in diesem Kapitel Erwähnung finden.
Die gemeinsame Darstellung der drei klinisch verschieden in Erscheinung tretenden Syndrome ergibt sich aus der Tatsache, dass durch die jeweiligen (dissoziierten) Empfindungsstörungen und Paresen auf die Ausbreitung der Läsion der ab- und aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks rückgeschlossen werden kann.
Die Nomenklatur der sensiblen Qualitäten wird nicht einheitlich und dadurch häufig verwirrend verwendet! Teilweise wird die Propriozeption zur epikritischen Sensibilität gezählt (veraltet), teilweise stellt sie eine eigene Unterform dar!
Syringomyelie : Abstract ?
Bei der Syringomyelie, die häufiger Männer um das 30. Lebensjahr betrifft, kommt es aufgrund einer Liquorabflussstörung zur Ausbildung einer Höhle im Rückenmark, die benachbarte Nervenbahnen, meist auf Höhe des Zervikal- und oberen Thorakalmarks, komprimiert und dauerhaft schädigt.
Dies führt anfänglich zum Bild einer dissoziierten Empfindungsstörung mit schlaff-atrophischen und spastischen Paresen.
Die sichere Diagnosestellung erfolgt per MRT und eine kurative Therapie ist nur per Shunteinlage möglich.
Ursache ist immer eine Liquorzirkulationsstörung, die zur Ausbildung einer zentralen Höhle im Rückenmark führt.
Arteria-spinalis-anterior-Syndrom : Abstract ?
Das Arteria-spinalis-anterior-Syndrom beschreibt ein inkomplettes ventrales Querschnittsyndrom mit Ischämie des vorderen und seitlichen Rückenmarks durch verminderten Blutfluss in der A. spinalis anterior oder deren Verschluss.
Als Ursache kommen unter anderem Arteriosklerose, Mikroangiopathie oder eine Gefäßkompression aufgrund eines Tumors in Frage.
Leitsymptom ist eine plötzliche, innerhalb einer Stunde entstehende Paraparese beider Beine.
Pyramidenbahnzeichen (Babinski-Reflex) entwickeln sich aber erst nach Tagen, sodass die Gefahr besteht, das Krankheitsbild als psychogene Lähmung fehlzudeuten.
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache.
Bei Verdacht auf Arteriosklerose werden Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure) verabreicht.
Für das klinische Management des akuten Querschnittsyndroms (inkl. Arteria-spinalis-anterior-Syndrom) siehe: Akutes Querschnittsyndrom - AMBOSS-SOP
Syndrom der reaktionslosen Wachheit : Abstract ?
(Apallisches Syndrom, Wachkoma, permanent vegetative state)
Es handelt sich beim Syndrom der reaktionslosen Wachheit um eine schwerwiegende Schädigung des Großhirns bei gleichzeitig erhaltener vegetativer Funktion von Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark (daher auch der Begriff "permanent vegetative state").
Die Ursache ist meist traumatisch, gelegentlich aber auch auf neurodegenerative, toxische oder entzündliche Prozesse zurückzuführen.
Die Patienten scheinen wach zu sein, sind aber wahrscheinlich nicht bei Bewusstsein und haben so gut wie keine Mitteilungsmöglichkeiten.
Die Diagnose wird klinisch gestellt.
Eine Remission ist möglich, das Syndrom kann aber auch über Jahre persistieren.
Eine kurative Therapie existiert nicht.
Locked-in-Syndrom : Abstract ?
Hierbei handelt es sich um eine Schädigung des Pons und cortico-spinaler/-nuclearer Bahnen ohne Schädigung der Formatio reticularis und der höher gelegenen, okulomotorischen Kerne.
Dies führt zu einer vollständigen Lähmung der Willkürmotorik mit Ausnahme der Augenmuskeln für vertikale Bewegungen und Lidschluss.
Die Patienten sind in ihrer Vigilanz und ihren kognitiven Fähigkeiten nicht eingeschränkt, müssen aber dauerhaft beatmet werden.
Es muss festgestellt werden, inwieweit die Aufnahmefähigkeit des Patienten tatsächlich noch erhalten ist (in Abgrenzung z.B. zum Syndrom der reaktionslosen Wachheit)! Dies gelingt bspw. über akustisch oder somatisch evozierte Potenziale!
Hirntumor : Abstract ?
(Intrakranielle Neoplasie, Tumor cerebri, Gehirntumor)
Hirntumoren können wie alle Tumoren histologisch gut- oder bösartig sein.
Bösartige Tumoren sind durch Infiltration von hirneigenem Gewebe rasch lebenslimitierend, aber auch gutartige Tumoren gehen nicht selten mit einer schlechten Lebenserwartung einher, da das Hirngewebe in seiner vorgegebenen Knochenschutzhülle (dem Schädel) dem Tumorwachstum nicht ausweichen kann.
Folglich sind lebenslimitierende Einklemmungen aufgrund einer Erhöhung des Hirndrucks möglich.
Erstsymptome stellen in der Regel diffuse Kopfschmerzen oder epileptische Anfälle dar.
Die Lokalisation des Hirntumors bestimmt die klinischen Symptome;
so können beispielsweise Tumoren des Frontalhirns durch psychische Veränderungen im Sinne einer vermehrten Reizbarkeit oder auffälliger Gedächtnisschwäche symptomatisch werden.
Störungen des Bewusstseins und neurologische Ausfälle sind Spätsymptome oder Zeichen eines schnellen Tumorwachstums.
Die Verdachtsdiagnose wird durch ein MRT bestätigt.
Bei unklaren Befunden werden die Raumforderungen zunächst im Verlauf kontrolliert, Heilung verspricht jedoch nur die vollständige Entfernung des Tumors.
Postoperativ kann mittels histologischer Differenzierung des Tumors in WHO-Grad I–IV eine grobe Prognose abgeschätzt werden.
Ist der Tumor bösartig, folgt oftmals eine Bestrahlung u./o. Chemotherapie.
Astrozytome und Oligodendrogliome : Abstract ?
Astrozytome und Oligodendrogliome sind primäre Hirntumoren aus der Gruppe der Gliome (syn. neuroepitheliale Tumoren).
Astrozytome unterteilen sich gemäß WHO in vier Grade:
Vom langsam wachsenden pilozytischen Astrozytom (Grad I), das typischerweise bei Kindern auftritt und sich in der Regel kurativ resezieren lässt, über die diffusen Astrozytome (Grad II bis III) bis hin zum schnell wachsenden Glioblastom (Grad IV).
Bei den Oligodendrogliomen unterscheidet man zwei WHO-Grade (II und III), wobei es sich bei letzterem um das aggressivere anaplastische Oligodendrogliom handelt.
Astrozytome und Oligodendrogliome können neben den allgemeinen Symptomen von Hirntumoren in Abhängigkeit von ihrer Lokalisation zusätzlich Herdsymptome wie progrediente Paresen oder Aphasien zeigen.
Ab WHO-Grad II ist bei beiden Entitäten keine kurative Resektion mehr möglich, sodass nach symptomorientierter Teilresektion die adjuvante Radiochemotherapie Mittel der Wahl ist, um den Tumorprogress zu verzögern.
Meningeom : Abstract ?
Meningeome sind fast ausschließlich gutartige, langsam wachsende Tumoren, die von den Deckzellen der Arachnoidea ausgehen.
Der Tumor bleibt lange symptomlos und ist deshalb nicht selten ein Zufallsbefund.
In der Bildgebung zeigt sich der rundliche Tumor scharf begrenzt mit einer ausgeprägten Kontrastmittelanreicherung und erinnert damit an einen Schneeball.
Bei alten Patienten mit langsam wachsenden Tumoren sind Verlaufskontrollen ausreichend, in allen anderen Fällen ist in der Regel eine operative Entfernung des Tumors indiziert.
Akustikusneurinom und andere periphere Neurinome : Abstract ?
Neurinome sind i.d.R. gutartige, langsam wachsende Tumoren, die von den Schwann-Zellen ausgehen.
Die Bezeichnung „Schwannome“ ist streng genommen zutreffender, wird jedoch im klinischen Alltag seltener verwendet.
Neurinome können im gesamten peripheren Nervensystem vorkommen.
Typische Lokalisationen sind insb. der vestibuläre Anteil des Nervus vestibulocochlearis (Akustikusneurinom) sowie die Spinalwurzeln.
Symptomatisch werden Neurinome durch Druck auf umgebende Strukturen;
so geht z.B. ein Akustikusneurinom durch Druck auf den N. cochlearis mit einer einseitigen Hörminderung einher.
Bei Auftreten im jungen Lebensalter und vor allem bei Nachweis multipler Neurinome muss stets an das Vorliegen einer Neurofibromatose Typ II gedacht werden.
Da der Tumor im Kleinhirnbrückenwinkel liegt, kommt es zum sog. „Kleinhirnbrückenwinkel-Syndrom“!
Bei beidseitigem Akustikusneurinom muss an die Neurofibromatose II gedacht werden!
Meningeosis neoplastica : Abstract ?
(Meningeosis carcinomatosa)
Die Meningeosis neoplastica ist eine Ausbreitung von Tumorzellen verschiedenen Ursprungs im Bereich der Hirnhäute (Meningen).
Von der Absiedlung können alle Abschnitte der Hirnhaut sowie der liquorgefüllte Subarachnoidalraum zwischen Arachnoidea und Pia mater betroffen sein.
Man unterscheidet hinsichtlich des Wachstumsmusters zwischen soliden leptomeningealen Metastasen und der Ausbreitung nicht-adhärenter Tumorzellen im Liquorraum.
Daneben kommen Mischformen vor.
Die Verbreitung der Tumorzellen erfolgt hämatogen, kontinuierlich (insb. bei ossären Tumoren) oder über die Migration primärer Hirntumoren bzw. von Tumorzellen entlang von Nervenbahnen.
Die Meningeosis wird jeweils nach der Art des Primärtumors benannt (Meningeosis carcinomatosa, - lymphomatosa, -leucaemica, - sarcomatosa, usw.).
Bei den meisten solitären Tumoren ist die Meningeosis Ausdruck einer disseminierten Erkrankung mit sehr schlechter Prognose und Indikation zur palliativen Therapie.
Um Tumorzellen nachzuweisen, sind ggf. wiederholte Liquorpunktionen notwendig!
Meningitis : Abstract ?
(Hirnhautentzündung)
Die Meningitis ist eine Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute, wobei die Abgrenzung einer isolierten Meningitis zu einer kombinierten Entzündung von Hirnhäuten und Hirngewebe (Meningoenzephalitis) insb. bei Kindern oft nicht möglich ist.
Als Ursache kommen zahlreiche Viren infrage;
bei den bakteriellen Erregern dominieren v.a. Meningokokken und Pneumokokken.
Klinisch muss auf die Leitsymptome Fieber, Kopfschmerzen, Meningismus und Bewusstseinstrübung geachtet werden, die bei Kleinkindern und Säuglingen allerdings oft fehlen.
Bedeutende Sonderformen sind die tuberkulöse Meningitis und die Neuroborreliose, die sich beide zumeist mit einem subakuten Verlauf über Wochen bis Monate präsentieren.
Diagnostisch wegweisend sind insb. die klinischen Symptome und die Liquoruntersuchung.
Zum Ausschluss von erhöhtem intrakraniellen Druck wird bei entsprechenden Symptomen vor der Liquorpunktion eine kraniale CT durchgeführt.
Während eine bakterielle Meningitis sowie Meningoenzephalitiden durch HSV oder VZV absolute Notfälle darstellen und so schnell wie möglich kalkuliert antiinfektiv therapiert werden müssen, heilt eine unkomplizierte virale Meningitis meist spontan und folgenlos aus.
Die am meisten gefürchtete Komplikation der bakteriellen Meningitis (insb. der Meningokokken-Meningitis) ist das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, das mit einer schweren Verbrauchskoagulopathie, Nebennierenrindeninsuffizienz und nicht selten auch mit einem letalen Verlauf einhergeht.
Insb. bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern kann der sonst typische Meningismus fehlen!
Typischerweise zeigen sich im Falle einer bakteriellen Meningitis eine Leukozytose mit Neutrophilie und Linksverschiebung sowie eine CRP- (und Procalcitonin‑)Erhöhung!
Die Antibiotikagabe ist bei bakterieller Meningitis die absolut wichtigste, weil einzig lebensrettende Maßnahme und muss so schnell wie möglich erfolgen, jede Verzögerung ist prognostisch ungünstig!
Erwachsenen Patienten mit V.a. bakterielle Meningitis sollen nach der Blutkulturentnahme und noch vor einer eventuellen Bildgebungsdiagnostik Dexamethason und Antibiotika verabreicht werden. (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme 2)
Nach einer Cephalosporin-Therapie über 24 h gelten Patienten nicht mehr als kontagiös!
Aufgrund der Gefährlichkeit und relativen Häufigkeit einer HSV- oder VZV-Meningitis wird mind. bis zum Erregernachweis immer mit Aciclovir i.v. anbehandelt!
Die Schwere der Dysregulation korreliert mit der Erregerlast im Blut!
Bei Verdacht auf Meningitis muss immer das gesamte Integument nach Petechien untersucht werden!
Da die Letalität auch unter adäquater Maximaltherapie extrem hoch ist, sind das frühzeitige Erkennen und die sofortige Einleitung einer antibiotischen Therapie bei Verdacht auf eine bakterielle Meningitis entscheidend!
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) : Abstract ?
Bei der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kommt es nach Infektion mit dem FSME-Virus über einen Zeckenstich zunächst zu grippeähnlichen Symptomen und im Verlauf zu neurologischen Ausfällen.
Zu Beginn der Erkrankung erfolgt der direkte Virusnachweis mittels PCR, im Verlauf kann ein Antikörpernachweis wegweisend sein.
Eine kausale Therapie existiert nicht;
neben der Expositionsprophylaxe zur Vermeidung von Zeckenstichen wird vor Reisen in entsprechende Risikogebiete eine Impfung empfohlen.
Auch FSME-Impfungen können zu erhöhten FSME-IgM-Antikörpertitern führen.
Hirnabszess : Abstract ?
Ein Hirnabszess entsteht aus einer lokal begrenzten Entzündung des Hirnparenchyms (Herdenzephalitis) durch Abkapselung.
Ursächlich kann eine Vielzahl von Erregern sein.
Meist handelt es sich um Bakterien;
es können aber auch Infektionen mit Pilzen, Protozoen oder Würmern ätiologisch relevant sein.
Die Erreger gelangen durch lokale Fortleitung (etwa bei Sinusitis oder Otitis), hämatogen (etwa bei infektiösen Endokarditiden) oder bei Traumata in das Hirnparenchym.
Je nach Ort und Ausdehnung des Abszesses können Kopfschmerzen, Fieber und fokal-neurologische Defizite auftreten.
Als typischer Befund zeigt sich in der Bildgebung des Kopfes durch die Abszesskapsel eine ringförmige Kontrastmittelanreicherung.
Der Hirnabszess wird in der Regel operativ und mittels antibiotischer Mehrfachkombination behandelt.
Herpes-simplex-Enzephalitis : Abstract ?
(HSV-Enzephalitis, HSVE)
Die Herpes-simplex-Enzephalitis (HSVE) ist eine akute nekrotisierend-hämorrhagische Entzündung insb. der Temporallappen und benachbarter Strukturen infolge einer Infektion mit Herpesviren.
Bei Erwachsenen ist sie meist auf das Herpes-simplex-Virus 1 (HSV-1) zurückzuführen.
Die Erkrankung beginnt mit Fieber und Kopfschmerzen;
nach einigen Tagen kann sich ein vielseitiges Bild mit Wesensveränderungen, Bewusstseinsstörungen und fokal-neurologischen Defiziten zeigen.
Als Komplikationen können epileptische Anfälle und/oder ein erhöhter Hirndruck auftreten.
Im MRT zeigen sich typischerweise temporale Läsionen.
Der Liquor ist entzündlich verändert.
Zur Diagnosesicherung dient der Erregernachweis mittels PCR aus dem Liquor.
Bereits bei klinischem Verdacht muss die sofortige antivirale i.v. Therapie mit Aciclovir begonnen werden.
Auch mit optimaler Therapie besteht eine hohe Letalität von 10–20%.
Bei etwa der Hälfte der Überlebenden verbleiben dauerhafte Schäden, wie etwa kognitive Defizite und Verhaltensauffälligkeiten.
Die häufigsten Symptome der Herpes-simplex-Enzephalitis sind Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen.
Die antivirale Therapie mit Aciclovir beginnt bei klinischem Verdacht auf eine Herpes-simplex-Enzephalitis, nicht erst bei vorliegenden Befunden!
Bei Meningoenzephalitis-Verdacht und Temporallappenbefall in der Bildgebung sollte immer an eine Herpesenzephalitis gedacht werden!
Die Gabe von Aciclovir i.v. ist bereits bei Verdacht auf eine Herpes-simplex-Enzephalitis indiziert!
Der schnelle Beginn der Therapie mit Aciclovir i.v. ist wesentlich für die Prognose; eine Verzögerung ist mit einem schlechteren Outcome assoziiert!
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit : Abstract ?
(Humane spongiforme Enzephalopathie)
Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zählt zu den Prionenerkrankungen und ist die häufigste Form einer transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSE).
In den meisten Fällen handelt es sich um ein sporadisches Auftreten, die Krankheit kann aber auch familiär gehäuft vorkommen oder durch Infektion übertragen werden.
Bei Prionen handelt es sich um fehlgefaltete Proteine, die intrazerebral als Kondensationszentren wirken und so zur Plaquebildung führen, was wiederum den Untergang der Neurone verursacht.
Im Vordergrund der Symptomatik steht eine rasch progrediente Demenz, begleitet von Myoklonien, zerebellären/visuellen, pyramidalen/extrapyramidalen Störungen sowie im späteren Verlauf von einem akinetischen Mutismus.
Bildgebung und Liquorbefund liefern diagnostische Hinweise, eine endgültige Diagnosesicherung kann allerdings nur post-mortem histopathologisch erfolgen.
Die Krankheit setzt mit einer Latenz nach Infektion von bis zu 30 Jahren ein, ist nicht heilbar und hat einen schnell tödlichen Ausgang.
Zur Abgrenzung sei gesagt, dass keine dieser Erkrankungen die typischen EEG-Befunde und nur selten Myoklonien zeigt!
Sammelsurium der Neurologie : Abstract ?
Im Sammelsurium der Neurologie sind seltene Erkrankungen aufgeführt, die bei den Examensfragen meist nur als Falschantworten (sog. „Distraktoren“) in Multiple-Choice-Fragen fungierten.
Eine Kenntnis dieser Erkrankungen ist somit nicht zwingend erforderlich.
Da manche von ihnen aber häufiger auftauchten, sind sie hier einmal zentral gesammelt.
Ätiologie: Iatrogen (durch das Medikament Clioquinol)
Klinik: Progrediente Lähmungen, Blindheit und letaler Ausgang
Epidemiologie: Fast ausschließlich Jungen betroffen
Klinik : Phasenweises Auftreten von Hypersomnie mit exzessivem Schlafbedürfnis (16–18 Stunden pro Tag)
Ätiologie: Prionenerkrankung, die sich epidemieartig bei einem bestimmten Stamm (den sog. "Fore") auf Papua-Neuguinea fand, die das Gehirn ihrer verstorbenen Stammesmitglieder verzehrten. Das Auftreten sistierte mit dem Verbot des Kannibalismus 1954
Klinik: Zerebelläre Ataxie, Muskelzittern, pathologisches Lachen und rascher letaler Ausgang
Ätiologie: Prionenerkrankung, bei der sich Amyloidplaques vornehmlich im Kleinhirn ablagern
Klinik: Zerebelläre Ataxie, Dysarthrie, Nystagmus und letaler Ausgang. Zu einer Demenz kommt es in der Regel erst spät oder gar nicht
Ätiologie: Die Ursache liegt in einer defekten Arylsulfatase A
Klinik: Bereits im Kindesalter zunächst schlaffe, später spastische Paresen; Visusverlust (durch Atrophie des N. opticus); Demenz; Choledocholithiasis
Klinik: Schwere mentale und motorische Defizite; typisch: Sehverlust (Optikusatrophie), zunehmende Versteifung der Glieder und opisthotone Körperhaltung
Klinik: Auftreten meist im Kindesalter, mit relativ rascher Degeneration, ausgeprägter Demenz und letalem Ausgang
Definition: Autosomal rezessiv vererbte Krankheit aus der Gruppe der Lipidspeicherkrankheiten
Klinik: Rascher Abbau physischer und psychischer Fähigkeiten; Beginn ab dem 6. Lebensmonat, Patienten versterben meist um das 4. Lebensjahr
Definition: Häufigste lysosomale Lipidspeicherkrankheit
Klinik: Vergrößerung von Leber und Milz, Störungen des Skelettsystems, hämatologische Veränderungen, in seltenen Fällen Neurodegeneration, Krampfanfälle und Lungenbefall, bei Säuglingen Fütterstörungen
Ätiologie: Angeborene Myopathie
Klinik: Proximal betonte Muskelschwäche, Entwicklungsverzögerung, Kyphoskoliose und Hüftdysplasie (u.v.a.m.)
Klinik: Myoklonien verschiedener Form (evtl. in Kombination mit Asterixis und zerebellärer Ataxie)
Ätiologie: Posthypoxische Hirnschädigung
Einordnung: Sehr seltene, autosomal-rezessive, chronisch-degenerative Erkrankung
Klinik: Bereits in der Kindheit typische Zeichen einer Polyneuropathie, kann schon in der ersten Lebensdekade letal enden
Klinik
Einseitige Schmerzen um das Auge herum
Im Verlauf ipsilaterale Ophthalmoplegie (Paresen des III, IV und/oder VI Hirnnerven)
Ätiologie: Autoimmunologische oder paraneoplastische Genese
Klinik: Es liegt eine generelle Übererregbarkeit peripherer Nerven vor, was sich in spontanen Faszikulationen und Myoklonien äußert
Ätiologie: Häufige Normvariante, bei der eine liquorgefüllte Sella turcica als Folge einer Fehlanlage des Diaphragma sellae vorliegt (Einstülpung von liquorgefülltem Subarachnoidalraum in die Sella turcica)
Klinik: Durch Kompression der Hypophyse kann es zu endokrinen Störungen kommen
Epidemiologie: Verbreitung in den Tropen
Klinik: Vielfältiges klinisches Bild, ähnliche Symptomatik wie Multiple Sklerose oder amyotrophe Lateralsklerose (könnte zudem aber auch noch Arthritis, Uveitis, Alveolitis, Polymyositis u.v.m aufweisen)
Klinik: Extrapyramidalmotorische Störungen wie Rigor, Tremor, Choreoathetose, Dystonie, Demenz oder Pyramidenbahnzeichen
Definition: Krampfhafte, unwillkürliche Augenbewegungen nach aufwärts
Ätiologie: Medikamentös/psychogen induziert; Basalganglien-Erkrankung
Ätiologie: Seltene X-chromosomal-rezessiv übertragene Erkrankung; hauptsächlich sind Jungen betroffen
Frühsymptome
Periodisch auftretende akrodistale Parästhesien in Form von brennenden Schmerzen („Fabry-Krisen“)
Spätsymptome
Hypertrophe Kardiomyopathie
Ischämischer Schlaganfall : Abstract ?
(Zerebrale Ischämie, Ischämischer Insult, Hirninfarkt)
Beim Großteil aller Schlaganfälle handelt es sich um ischämische Schlaganfälle (Hirninfarkte).
Bei diesen kommt es zu einer akuten zerebralen Durchblutungsstörung (z.B. durch Stenosen) im arteriellen Stromgebiet.
Leitsymptome sind eine neu aufgetretene Hemiparese, Sprach- und Sehstörungen, wobei abhängig vom Ort der Läsion unterschiedlichste Beeinträchtigungen möglich sind.
Charakteristisch ist zudem das plötzliche Einsetzen der Symptome.
Wichtigstes diagnostisches Verfahren ist die kraniale CT, um eine ursächliche Blutung auszuschließen.
Anschließend ist beim ischämischen Schlaganfall die schnellstmögliche Rekanalisation zur Rettung des Gebietes relativer Ischämie anzustreben („Time is brain!“).
Die ebenfalls zu den Schlaganfällen zählende intrazerebrale Blutung und Subarachnoidalblutung werden in separaten Kapiteln behandelt.
Zum thrombotischen Verschluss venöser Hirngefäße bzw. der Hirnsinus siehe:
Zerebrale Sinus- und Venenthrombose
Die wichtigsten Risikofaktoren für den ischämischen Schlaganfall sind die arterielle Hypertonie und das Vorhofflimmern!
Eine TIA geht mit einem hohen Risiko für einen späteren ischämischen Schlaganfall einher – Diagnostik und Sekundärprophylaxe entsprechen der des ischämischen Schlaganfalls!
Jedes plötzlich aufgetretene neurologische Defizit deutet auf einen Schlaganfall hin und muss als Notfall behandelt werden!
Bei V.a. auf Schlaganfall muss schnellstmöglich eine (CT‑)Bildgebung erfolgen!
Die Bildgebung dient insb. dem Ausschluss einer intrazerebralen Blutung als Ursache der Defizite! Zeigt sich keine Blutung, wird von einer frischen Ischämie ausgegangen – und die entsprechende Notfalltherapie eingeleitet!
Die cCT ist die wichtigste Untersuchung bei V.a. Schlaganfall!
Nur 5–10% aller Patienten mit ischämischem Schlaganfall kommen für eine interventionelle Therapie infrage!
Bei akutem ischämischem Apoplex soll eine medikamentöse Blutdrucksenkung in der Regel nicht erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Notaufnahme 2)
Frühe Sekundärprophylaxe nach ischämischem Schlaganfall beginnen (siehe Prävention)!
Ischämischen Schlaganfällen liegen i.d.R. kardiologische Grunderkrankungen (insb. Atherosklerose und Vorhofflimmern) zugrunde. Die (Sekundär‑)Prophylaxe muss daher immer die optimale Einstellung dieser internistischen Erkrankungen einschließen!
Die Bestimmung des Stenosegrades bei Veränderungen der Arteria carotis soll mit der farbkodierten Duplex-Sonografie (FKDS) erfolgen. (DGIM - Klug entscheiden in der Angiologie)
Intrazerebrale Blutung : Abstract ?
(ICB)
Eine intrazerebrale Blutung ist eine Blutung in das Hirnparenchym und die zweithäufigste Form eines Schlaganfalls.
Zu den häufigsten Ursachen gehören der Bluthochdruck, die zerebrale Amyloidangiopathie, Gefäßfehlbildungen und die Therapie mit Antikoagulantien.
Je nach Ort und Ausmaß der Blutung bestehen unterschiedliche Defizite;
häufig gehören Vigilanzminderung, Paresen und Kopfschmerzen zu den Symptomen.
Klinisch lässt sich die intrazerebrale Blutung nicht sicher vom ischämischen Schlaganfall unterscheiden, weshalb schnellstmöglich eine CT-Bildgebung des Kopfes durchgeführt werden muss.
In dieser stellt sich die akute Blutung als hyperdense Raumforderung dar.
Im Rahmen der Akuttherapie müssen der häufig gesteigerte Blutdruck und eine etwaige hämorrhagische Diathese behandelt werden.
Bei erhöhtem intrakraniellen Druck können Maßnahmen zur Hirndrucksenkung indiziert sein.
Die neurochirurgische Hämatomausräumung stellt eine therapeutische Einzelfallentscheidung dar und kommt insbesondere bei Lobär- und Kleinhirnblutungen zur Anwendung.
Komplikationen wie ein Einbruch der Blutung in das Ventrikelsystem oder die Entwicklung eines Hydrozephalus tragen zur hohen Letalität der intrazerebralen Blutung bei.
Nicht-traumatische intrazerebrale Blutungen zählen zu den hämorrhagischen Schlaganfällen!
Eine sichere klinische und anamnestische Unterscheidung zwischen einer intrazerebralen Blutung und einem ischämischen Schlaganfall ist nicht möglich!
Die wichtigste Differenzialdiagnose der intrazerebralen Blutung ist der ischämische Schlaganfall. Die Unterscheidung in der Akutsituation mittels Bildgebung ist aufgrund der unterschiedlichen Therapiestrategien von außerordentlicher Bedeutung!
Hirnstammsyndrome : Abstract ?
Bei den Hirnstammsyndromen handelt es sich um Symptomkonstellationen, die nach einem Hirnstamminfarkt auftreten können.
Die Syndrome bestehen u.a. aus ipsilateralen Hirnnervenausfällen und einer kontralateralen sensiblen und/oder motorischen Halbseitensymptomatik.
Es ist eine Vielzahl von Hirnstammsyndromen beschrieben, die mit Ausnahme des Wallenberg-Syndroms jedoch selten und klinisch wenig relevant sind.
Im Folgenden wird eine Übersicht der Hirnstammsyndrome aufgeführt.
Zerebrale Sinus- und Venenthrombose : Abstract ?
Bei zerebralen Sinus-/Venenthrombosen (auch Sinusvenenthrombosen) kommt es durch den thrombotischen Verschluss zerebraler Venen und der sie drainierenden Blutleiter (Sinus) zu venösen Abflussstörungen, die häufig zu Stauungsblutungen führen.
Zu den Ursachen gehören insbesondere hormonelle Faktoren wie orale Kontrazeption und Schwangerschaft sowie Thrombophilien.
Eine seltene Form stellen septische Sinusvenenthrombosen dar, bei der die Thrombose Folge entzündlicher Prozesse ist.
Klinisch äußert sich die Thrombose meist durch Kopfschmerzen, sehr häufig treten auch epileptische Anfälle, Paresen und andere neurologische Defizite auf.
Die Diagnose wird über eine MRT bzw. CT mit venöser Angiografie gesichert.
In der Akutphase wird eine Antikoagulation mit Heparin durchgeführt – auch beim Vorliegen einer Stauungsblutung.
Mit dieser Therapie soll die weitere Ausdehnung der Thrombose und der Wiederverschluss bereits durch körpereigene Thrombolyse eröffneter Gefäßabschnitte verhindert werden.
Die Antikoagulation wird im Verlauf mit oralen Antikoagulantien für einen meist beschränkten Zeitraum fortgesetzt.
Häufig haben Patienten mit Sinusvenenthrombose eine gute Prognose;
daneben kommen aber auch schwere Verläufe mit hoher Letalität vor.
Die Diagnose Sinusvenenthrombose umfasst ein breites klinisches Spektrum, das von leichten Kopfschmerzen bis hin zu hochgradigen Paresen und schwerer Vigilanzminderung reicht!
Bei klinischem Verdacht auf eine zerebrale Sinus- oder Venenthrombose muss unverzüglich eine bildgebende Diagnostik durchgeführt werden!
Differenzialdiagnostisch muss auch an die septische Sinusvenenthrombose gedacht werden, die mit einer deutlich schlechteren Prognose einhergeht als die aseptische Form!
Karotis- und Vertebralisdissektion : Abstract ?
(Karotisdissektion, Vertebralisdissektion)
Dissektionen der Halsarterien (A. carotis interna oder A. vertebralis) treten meist spontan und seltener nach (Bagatell‑)Traumata auf und werden durch eine Einblutung in die Gefäßwand verursacht.
Sie betreffen v.a. Erwachsene mittleren Alters und sind in der Altersgruppe bis 45 Jahre die häufigste Schlaganfallursache.
Klinisch zeigen sich die Dissektionen mit plötzlich auftretenden Schmerzen (einseitige Hals- oder Nackenschmerzen oder frontotemporale Kopfschmerzen) und/oder neurologischen Defiziten.
Häufig ist zudem ein ipsilaterales Horner-Syndrom zu beobachten.
Unbehandelt besteht ein hohes Risiko für einen ischämischen Schlaganfall (bis zu 80%).
Der Goldstandard zur Diagnostik ist das MRT der Halsweichteile mit Angiografie.
In der Akuttherapie liegt der Fokus auf der Behandlung des durch die Dissektion ausgelösten ischämischen Schlaganfalls.
Zur Sekundärprophylaxe werden Thrombozytenfunktionshemmer oder seltener auch orale Antikoagulantien gegeben.
Die klassische Präsentation einer Dissektion der Halsarterien ist die Trias aus plötzlichen Kopf- und/oder Nackenschmerzen, ipsilateralem Horner-Syndrom und Zeichen einer zerebralen Ischämie, wobei die meisten Patient:innen nicht alle drei Zeichen gleichzeitig erfüllen!
Alle Arten von Kopf- und Nackenschmerzen können als Symptom einer Dissektion auftreten!
Die Diagnostik zum Nachweis einer Dissektion sollte sich auf zwei Verfahren stützen: MRT (alternativ CT) und farbkodierte Duplexsonografie!
Stellen sich Patient:innen aufgrund einer akuten Schlaganfallsymptomatik vor, dann unterscheidet sich die Akutdiagnostik auch bei vermuteter Dissektion zunächst nicht von der anderer Schlaganfälle und stützt sich auf die cCT (ggf. mit CT-Angiografie). Zur Diagnosesicherung folgt dann aber die Hals-MRT als Goldstandard!
Bei Patient:innen mit ischämischem Schlaganfall durch eine Dissektion sollte im Lyse-Zeitfenster (nach Ausschluss von Kontraindikationen) eine systemische Thrombolysetherapie und/oder mechanische Thrombektomie erfolgen. Die Akuttherapie bei vermuteter Dissektion unterscheidet sich somit nicht von der anderer Schlaganfälle!
Sinus-cavernosus-Fistel : Abstract ?
(Carotis-Sinus-cavernosus-Fistel)
Wird die A. carotis interna im Sinus cavernosus verletzt, fließt das Blut der Arterie in den venösen Sinus.
Dieses Krankheitsbild wird als Sinus-cavernosus-Fistel bezeichnet.
Leitsymptome sind eine sich langsam entwickelnde Doppelsicht durch Druckschädigung der Hirnnerven für motorische Augenbewegungen (Hirnnerven III, IV und VI) im Sinus cavernosus, ein pulssynchrones Ohrgeräusch durch das Strömungsgeräusch der Fistel und ein Exophthalmus durch Abflussstörung der V. ophthalmica superior durch den arteriellen Zufluss aus der A. carotis interna.
Fibromuskuläre Dysplasie : Abstract ?
Die fibromuskuläre Dysplasie ist eine Erkrankung der Arterien (vor allem der A. carotis interna und der A. renalis) und ist gekennzeichnet durch eine Proliferation des Binde- und Muskelgewebes in der Gefäßwand.
Dabei kann es aufgrund von Stenosen zu ischämischen Ereignissen in den nachgeschalteten Organen (bzw. im Fall der Niere zu einer sekundären Hypertonie) kommen.
Migräne : Abstract ?
Bei der Migräne handelt es sich um einen rezidivierend auftretenden, meist einseitig lokalisierten Kopfschmerz, welcher oftmals mit Übelkeit, Erbrechen, Phono- oder Photophobie einhergeht.
In etwa 10–30% der Fälle kommt es dabei zu Auraphänomenen.
Damit werden reversible fokale neurologische Ausfälle, wie z.B. Gesichtsfeldausfälle (Flimmerskotome) oder Paresen, bezeichnet, die nicht länger als eine Stunde anhalten.
Therapie der Wahl beim akuten Migränekopfschmerz sind bei leichten Attacken nichtsteroidale Antiphlogistika (z.B. ASS), bei schweren Attacken Triptane.
Zusätzlich sollte in jeder Akutsituation ein Mittel gegen die Übelkeit gegeben werden (z.B. Metoclopramid).
Treten Attacken häufiger als dreimal im Monat auf oder halten länger als 72 Stunden an, ist prophylaktisch die Einnahme von Betablockern sinnvoll.
Die Diagnose Migräne kann anhand diagnostischer Kriterien gestellt werden. Landläufig werden unter „Migräne“ jedoch häufig zahlreiche nicht ärztlich diagnostizierte Kopfschmerzformen subsumiert!
Spannungskopfschmerz : Abstract ?
(Kopfschmerz vom Spannungstyp)
Beim Spannungskopfschmerz bzw. Kopfschmerz vom Spannungstyp handelt es sich um den häufigsten Kopfschmerztyp.
Diese Form des primären Kopfschmerzes ist in ihren Ursachen noch unzureichend verstanden.
Depressionen, Angststörungen und Stress gehören zu den ätiologischen Faktoren.
Unterschieden werden der episodisch und der chronisch auftretende Spannungskopfschmerz.
Die episodische Form wird akut mit gängigen Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Paracetamol behandelt.
Bei der chronischen Form sollte eine medikamentöse Prophylaxe mit Amitriptylin erfolgen.
Bei beiden Formen des Spannungskopfschmerzes sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Entspannungstechniken oder Massagen wesentliche Bestandteile der Therapie.
Eine häufige Komplikation der Selbstmedikation ist die Entwicklung eines Kopfschmerzes bei Medikamentenübergebrauch.
Erbrechen ist mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp nicht vereinbar!
Die zu häufige Einnahme von Analgetika sollte vermieden werden – durch medikamenteninduzierten Kopfschmerz droht ein Teufelskreis!
Cluster-Kopfschmerz : Abstract ?
(Bing-Horton-Syndrom)
Der Clusterkopfschmerz gehört zur Gruppe der trigemino-autonomen Kopfschmerzerkrankungen.
Bei dieser primären Kopfschmerzform treten – häufig nachts – stärkste und streng einseitige Kopfschmerzattacken im Bereich des Auges auf.
Weiterhin gehören autonome Symptome wie konjunktivale Injektion, Tränenfluss und Miosis zum klinischen Bild.
Namensgebend für die Erkrankung ist die periodische Häufung der Attacken über Wochen („Cluster“), an die sich ein beschwerdefreies Intervall anschließt.
Es werden eine episodische und eine chronische Verlaufsform unterschieden.
Die akute Kopfschmerzattacke wird mit Triptanen und der Maskeninhalation von Sauerstoff behandelt.
Für die Prophylaxe stehen unter anderem Verapamil und Lithium zur Verfügung.
Herkömmliche Schmerzmittel wie NSAR oder auch Opioidanalgetika sind bei Patienten mit Clusterkopfschmerz wirkungslos. Gängige Schmerzmittel werden vor Diagnosestellung häufig eingenommen, da das Ende der Clusterattacke auf die Selbstmedikation zurückgeführt wird!
Trigeminusneuralgie : Abstract ?
(Tic douloureux)
Bei der Trigeminusneuralgie handelt es sich um einen blitzartig einschießenden einseitigen Gesichtsschmerz.
Er ist extrem stark und tritt bevorzugt im Versorgungsgebiet des zweiten und dritten Trigeminusastes auf.
Der Schmerz hält einige Sekunden an und kann bis zu 100 mal pro Tag auftreten.
Schmerzereignisse sind in Ruhe möglich oder können durch Triggerfaktoren wie Kauen oder Berührung ausgelöst werden.
Der Leidensdruck der Betroffenen ist sehr hoch.
Man unterscheidet eine klassische Form, der ein pathologischer Kontakt zwischen N. trigeminus und einem Gefäß zugrundeliegt, von einer symptomatischen Form, beispielsweise im Rahmen einer Multiplen Sklerose.
Die medikamentöse Behandlung erfolgt vor allem mit Carbamazepin.
Auch eine operative Dekompression (mikrovaskuläre Dekompression nach Jannetta), eine Ausschaltung von Schmerzfasern durch Hitze oder eine Bestrahlung des N. trigeminus kann sinnvoll sein.
Gängige Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antiphlogistika sind bei der Trigeminusneuralgie wirkungslos!
Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch : Abstract ?
Der Kopfschmerz bei Medikamentenübergebrauch ist eine sekundäre Kopfschmerzform, bei der vorbestehende primäre Kopfschmerzen chronifizieren, weil die Patienten zu häufig Schmerzmittel einnehmen.
Entgegen der Erwartung der Betroffenen verbessert sich die Symptomatik durch die eingenommenen Schmerzmittel nicht, sondern verschlechtert sich sogar, woraufhin wiederum weitere Schmerzmittel eingenommen werden.
Am häufigsten sind Patienten mit Migräne und Spannungskopfschmerz betroffen.
Die Symptomatik ähnelt in der Regel jener der Grunderkrankung, wobei die Beschwerden häufiger auftreten.
Die Therapie besteht im Wesentlichen darin, die Medikamente zu pausieren und anschließend die zugrunde liegenden Kopfschmerzen leitliniengerecht zu behandeln.
Es ist essenziell für Ärzte und Pharmazeuten, sich dieser unerwünschten Arzneimittelwirkung bei Kopfschmerzpatienten bewusst zu sein.
Kopfschmerzen : Abstract ?
(Cephalgie)
Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzsyndromen, mit denen Mediziner im klinischen Alltag konfrontiert werden.
Unterschieden werden vor allem primäre (z.B. Spannungskopfschmerz, Migräne) und sekundäre (z.B. nach Schädel-Hirn-Trauma oder durch Infektionen hervorgerufene) Kopfschmerzen.
Weltweit beträgt die Prävalenz von Kopfschmerzerkrankungen >60%, wobei bis zu 4% der Weltbevölkerung Kopfschmerzen an 15 oder mehr Tagen pro Monat haben.
Laut WHO stellen Kopfschmerzen global eine der zehn häufigsten Erkrankungen dar, die mit funktionellen Behinderungen einhergehen.
Kopfschmerzen können anfallsartig, gelegentlich oder chronisch auftreten.
Insbesondere chronische Verläufe bedeuten für den Patienten neben den Schmerzen häufig eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität und einen hohen Leidensdruck, verursachen gleichzeitig jedoch auch hohe sozioökonomische Kosten, sodass einer adäquaten Differenzialdiagnostik und Therapie zunehmend mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird.
Obwohl Kopfschmerzen oft passager und harmlos sind, muss im klinischen Alltag zunächst immer an potenziell gefährliche Verläufe (z.B. Subarachnoidalblutung, Meningitis) gedacht werden.
Die Erkennung der jeweiligen Kopfschmerzursache gestaltet sich häufig als schwierig und erfordert neben einer ausführlichen Anamnese die genaue körperliche Untersuchung.
In den meisten Fällen ist eine weiterführende apparative Diagnostik nicht indiziert, kann jedoch bei auffälligen Befunden (sog. Red Flags) oder persistierenden Beschwerden notwendig werden.
Dieses Kapitel dient der Übersicht über die häufigsten Kopfschmerzformen.
Apparative Diagnostik ist in den meisten Fällen (insb. bei primären Kopfschmerzerkrankungen) nicht indiziert. Sie dient hauptsächlich der Abklärung sekundärer Kopfschmerzen, die durch andere Erkrankungen verursacht werden, sowie zur Diagnostik von akuten Kopfschmerzereignissen, die bedrohlich verlaufen können (z.B. Subarachnoidalblutungen, Trauma)!
Bei Kopfschmerzen immer abwendbar gefährliche Verläufe bedenken!
Spastisches Syndrom :Abstract ?
(Spastik)
Das spastische Syndrom ist Folge einer Läsion deszendierender motorischer Bahnen.
Erkrankungen, die häufig mit der Folge von Spastiken einhergehen, sind die Multiple Sklerose, hypoxische, ischämische oder hämorrhagische Hirnschädigungen sowie Läsionen des Rückenmarks.
Multiple Sklerose : Abstract ?
(MS, Encephalitis disseminata, Encephalomyelitis disseminata)
Die Multiple Sklerose (Encephalomyelitis disseminata) ist die häufigste autoimmun vermittelte chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems.
Kennzeichnend sind im Gewebe verteilte (örtlich disseminierte) herdförmige ZNS-Läsionen, die primär durch Demyelinisierung von Nervenfasern und durch sekundäre axonale Schäden entstehen.
Die genaue Ursache der Erkrankung ist unbekannt.
Je nach Lage der Läsionen sind vielfältige neurologische Symptome möglich.
Häufige Erstsymptome sind Sehstörungen infolge einer Optikusneuritis sowie Sensibilitätsstörungen.
Man unterscheidet schubförmige von progredienten Verlaufsformen, die beide durch eine Zunahme von Läsionen im Verlauf gekennzeichnet sind (zeitliche Dissemination).
Am häufigsten ist die schubförmig-remittierende Multiple Sklerose, bei der neurologische Defizite schubweise auftreten und sich jeweils vollständig oder unvollständig zurückbilden.
Diese Form kann in eine sekundär chronisch-progrediente Verlaufsform übergehen.
Daneben gibt es auch eine primär progrediente Verlaufsform ohne zwischenzeitliche Remissionen.
Mit der Zeit kommt es häufig zur Akkumulation dauerhafter Behinderungen.
Die Diagnose wird bei entsprechender Symptomatik und Dynamik insb. über den MRT-Nachweis der Läsionen in Gehirn und Rückenmark sowie passende Laborbefunde gestellt.
Akute Erkrankungsschübe werden mit hochdosierten Glucocorticoiden behandelt.
Zur verlaufsmodifizierenden Therapie der Multiplen Sklerose sind zahlreiche immunsuppressive und immunmodulatorische Wirkstoffe zugelassen.
Eine kurative Therapie existiert bisher nicht.
Eine Optikusneuritis ist ein häufiges Frühsymptom der Multiplen Sklerose, kann aber auch andere Ursachen haben!
Retrobulbärneuritis: „Patient sieht nichts“ (Zentralskotom) „… und Arzt sieht auch nichts.“ (unauffällige Ophthalmoskopie)
Amyotrophe Lateralsklerose : Abstract ?
(Motor Neuron Disease, Maladie de Charcot, Myatrophe Lateralsklerose, Lou Gehrig's disease)
Bei der amyotrophen Lateralsklerose handelt es sich um eine degenerative Erkrankung des 1. und 2. Motoneurons.
Die Krankheit manifestiert sich meist im 6.–8. Lebensjahrzehnt und beginnt häufig mit atrophischen Paresen der kleinen Handmuskeln oder anderer Muskelgruppen (Schulter, Waden).
Im Verlauf breitet sich die Erkrankung auf weitere Muskeln aus, wobei sich das Bild schlaffer atrophischer (2. Motoneuron geschädigt) mit dem spastischer Paresen (1. Motoneuron geschädigt) mischt.
Bei Befall der kaudalen Hirnnerven kommt es zu einer bulbären Symptomatik mit Schluck- und Sprechstörungen.
Weiterhin treten Faszikulationen der Muskeln und Fibrillationen der Zunge auf.
Sensibilitätsstörungen sind zwar kein typisches Symptom der Erkrankung, treten im Verlauf jedoch bei einem Teil der Patienten auf.
Eine kurative Therapie existiert nicht, durch zahlreiche symptomatische Therapieoptionen kann die Überlebenszeit allerdings verlängert und die Lebensqualität gesteigert werden.
Die Patienten versterben meist 2–5 Jahre nach Krankheitsmanifestation an einer respiratorischen Insuffizienz.
Die Symptomatik ist zu Beginn häufig gering ausgeprägt und unspezifisch. Die Diagnose wird deshalb häufig erst verzögert und nach zahlreichen Arztbesuchen gestellt!
Faszikulationen sind nicht pathognomonisch für die ALS! Sie können auch bei anderen Erkrankungen, als unerwünschte Arzneimittelwirkung oder insb. als benigne Faszikulationen ohne Krankheitswert auftreten!
Bei der amyotrophen Lateralsklerose ist keine kausale Therapie möglich! Im Vordergrund steht eine vielgestaltige supportive Therapie, die zahlreiche Symptome lindern kann!
Spinale Muskelatrophien : Abstract ?
Die spinalen Muskelatrophien (SMA) sind eine Gruppe seltener Erkrankungen, denen eine Degeneration des 2. Motoneurons zugrunde liegt.
Leitbefund ist eine progrediente Muskelschwäche mit Muskelatrophien und Faszikulationen.
Die Verteilung der Symptome und ihre Dynamik sind sehr unterschiedlich.
Die SMA lassen sich in die am häufigsten vorkommende 5q-SMA und in die selteneren Non-5q-SMA unterteilen.
In beiden Gruppen finden sich hereditäre und sporadische Formen, wobei die hereditären Formen weitaus häufiger sind.
Wegen der Seltenheit der Erkrankung erfolgt die Therapie der SMA in spezialisierten Zentren.
Seit Kurzem stehen zur Behandlung der 5q-SMA Gentherapeutika zur Verfügung, die die früher infauste Prognose deutlich verbessert haben.
Da ein möglichst früher Therapiebeginn die Wirksamkeit erhöht, ist die 5q-SMA seit Oktober 2021 Bestandteil des Neugeborenenscreenings.
Nicht verwechseln mit dem Foster-Kennedy-Syndrom (das noch dazu gelegentlich Kennedy-Syndrom genannt wird)!
Myasthenia gravis : Abstract ?
(Myasthenia gravis pseudoparalytica)
Bei der Myasthenia gravis (MG) handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung mit Störung der Signalübertragung an der Synapse zwischen Neuron und Muskel (an der sog. motorischen Endplatte).
Hierbei werden die Rezeptoren für Acetylcholin auf der postsynaptischen Seite von Antikörpern blockiert und auch langfristig zerstört, sodass bei wiederholter Reizung die Reizantwort stetig kleiner ausfällt (sog. Dekrement).
Das führt bei den Patienten zu einer unnatürlichen Ermüdbarkeit der Muskulatur, die sich erst nach Schonung wieder erholt.
Die MG geht oft mit Veränderungen des Thymus einher, eine Thymektomie ist bei vielen Patienten sinnvoll.
Die symptomatische Therapie mit Cholinesterasehemmern erhöht die Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt.
Durch Immunsuppressiva kann zusätzlich die Antikörperbildung reduziert werden.
Dadurch wird häufig eine Remission erreicht.
Eine relativ seltene, aber potenziell tödliche Komplikation der Myasthenia gravis ist die myasthene Krise, bei der es zur abrupten Verschlechterung der Symptomatik kommt.
Hauptsymptom ist die unnatürliche Ermüdbarkeit der Muskulatur!
Bei der myasthenen Krise handelt es sich um einen intensivpflichtigen Notfall!
Myotone Syndrome : Abstract ?
Die myotonen Dystrophien und die nicht-dystrophen Myotonien sind heterogene Gruppen von Erkrankungen, deren gemeinsames Merkmal eine verzögerte Muskelrelaxation (Myotonie) ist.
Die Betroffenen nehmen dies v.a. als Steifigkeit wahr.
Die Myotonie ist bei den verschiedenen Formen unterschiedlich stark ausgeprägt:
Bei den relativ häufigen myotonen Dystrophien handelt es sich um Multisystemerkrankungen, bei denen meist Paresen und extramuskuläre Symptome im Vordergrund stehen.
Die Myotonie selbst ist häufig von untergeordneter Bedeutung oder fehlt klinisch.
Bei den seltenen nicht-dystrophen Myotonien hingegen ist die Myotonie das Leitsymptom.
Die Diagnostik umfasst sowohl den Nachweis der myotonen Reaktion (klinisch und im EMG) als auch die Bestätigung mittels molekulargenetischer Diagnostik.
Eine kausale Therapie existiert für keine der Erkrankungen.
Im Vordergrund stehen die bedarfsgerechte Versorgung mit Hilfsmitteln und Physiotherapie.
Selten ist die myotone Symptomatik derart ausgeprägt, dass sie behandelt werden muss.
Bei den myotonen Dystrophien ist häufig eine Behandlung von Begleiterkrankungen (u.a. Katarakt, Herzrhythmusstörungen und Diabetes mellitus) notwendig.
Periodische Lähmung : Abstract ?
(Adynamia episodica hereditaria Gamstorp, Dyskaliämische Lähmung, Hyperkaliämische Lähmung, Hypokaliämische Lähmung, Normokaliämische Lähmung, Paroxysmale Lähmung)
Diese Erkrankungen sind durch periodische Lähmungen (proximal, symmetrisch und schlaff) mit gleichzeitiger Veränderung des Kaliumspiegels (Hypo- oder Hyperkaliämie, extrem selten auch Normokaliämie) gekennzeichnet.
Ihnen liegt eine Störung der Membranpermeabilität zugrunde, weswegen sie von symptomatischen, dyskaliämischen Lähmungen zu unterscheiden sind.
Progressive Muskeldystrophien : Abstract ?
Bei den progressiven Muskeldystrophien handelt es sich um eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen es durch Mutationen in muskulären Proteinen zu einem fortschreitenden, aber unterschiedlich stark ausgeprägtem Verfall vor allem der Skelettmuskulatur kommt.
Bei der häufigsten und schwerwiegendsten Form (Typ Duchenne) ist das Protein Dystrophin (fast) komplett funktionslos.
Die Krankheit wird X-chromosomal-rezessiv vererbt und manifestiert sich vor dem 5. Lebensjahr zunächst mit einer Schwäche der Beckengürtelmuskulatur.
Die Schwäche breitet sich zunehmend aus und es kommt ebenfalls zu einer dilatativen Kardiomyopathie, die verlaufsentscheidend ist.
Die Krankheit ist unheilbar und die Patienten versterben vor dem 25. Lebensjahr.
Typ Duchenne = Häufigste Muskeldystrophie!
Eine kurative Therapie ist bei Muskeldystrophien nicht möglich!
Stiff-Person-Syndrom : Abstract ?
(Stiff-Man-Syndrom)
Das Stiff-Person-Syndrom geht mit einer generellen Tonuserhöhung der Skelettmuskulatur v.a. des Rückens und des Halses einher, die durch Reize ausgelöst bzw. verschlimmert werden kann und sich in plötzlichen Krämpfen bis hin zur kompletten Steifigkeit der betroffenen Muskeln äußert.
Es kann spontan oder paraneoplastisch im Rahmen eines Bronchial- oder Mamma-Ca auftreten.
Ursache sind Antikörper, die häufig gegen die Glutamat-Decarboxylase (ist für die Synthese von GABA verantwortlich) oder gegen Amphiphysin (Auftreten in paraneoplastischen Fällen) gerichtet sind.
Therapeutisch wird sowohl eine Verstärkung des GABAergen Systems, als auch Immunsuppression angestrebt.
Gegebenenfalls muss eine zugrundeliegende onkologische Erkrankung behandelt werden.
Dystonie : Abstract ?
Dystonien gehören zu den extrapyramidalen Bewegungsstörungen und zeichnen sich durch prolongierte und insbesondere unwillkürliche Kontraktionen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen aus.
Diese treten häufig fokal begrenzt im Gesichts- und Halsbereich (z.B. Torticollis spasmodicus) oder an Hand und Fuß, seltener aber auch generalisiert (z.B. Torsionsdystonie) auf.
Die Ursachen sind vielfältig:
genetisch oder metabolisch bedingt, medikamentös induziert oder posttraumatisch.
Fokale Dystonien können gut mit regelmäßigen Botulinumtoxin-Injektionen in den betreffenden Muskel behandelt werden, Antipsychotika-induzierte akute Dystonien (Frühdyskinesien) hingegen sehr erfolgreich mit Biperiden.
Dystonien kommen am häufigsten lokal begrenzt vor; davon sind die akuten Verläufe meist iatrogen durch Einnahme von Antipsychotika zu erklären!
Antipsychotika-induzierte akute Dystonien (Frühdyskinesien) lassen sich neben einer Anpassung der auslösenden Medikation i.d.R. gut durch die Gabe von Biperiden beheben.
Hereditäre spastische Paraplegie : Abstract ?
(Spastische Spinalparalyse, Erb-Charcot-Krankheit, von-Strümpell-Krankheit)
Die Hereditäre Spastische Paraplegie ist eine nicht-entzündliche, neurodegenerative Erkrankung mit Untergang der Pyramidenbahn und des Gyrus praecentralis.
Es kommt zu spastischen Paresen, Hohlfußbildung, Dysarthrie und kognitiven Störungen.
Die Erkrankung wird meist autosomal-dominant vererbt und kann nicht kurativ behandelt werden, weist aber in den meisten Fällen nur einen langsam progredienten Verlauf auf.
Friedreich-Ataxie : Abstract ?
(Morbus Friedreich)
Die Friedreich-Ataxie ist die häufigste hereditäre Ataxie.
Ursache ist meist eine autosomal-rezessiv vererbte Trinukleotidrepeatexpansion auf Chromosom 9.
Leitsymptom der Erkrankung ist die progrediente Ataxie infolge einer Hinterstrangdegeneration.
Die weiteren Symptome umfassen u.a. einen gestörten Lage- und Vibrationssinn, Dysarthrie und eine Störung der Okulomotorik.
Häufig besteht eine Kardiomyopathie, gelegentlich auch ein Diabetes mellitus.
Orthopädische Probleme wie eine Skoliose oder Hohlfüße („Friedreich-Fuß“) gehören zum klinischen Bild.
Die Verdachtsdiagnose wird molekulargenetisch bestätigt.
Die Friedreich-Ataxie ist nicht kausal behandelbar.
Die Therapie umfasst symptomatische Maßnahmen wie Physiotherapie und Hilfsmittelversorgung sowie internistische und orthopädische Maßnahmen.
Ein individueller Heilversuch mit Riluzol kann erwogen werden.
Die Erkrankung verläuft progredient und führt in der Regel zu Rollstuhlpflichtigkeit und vorzeitigem Tod, häufig als Folge der Kardiomyopathie.
Zervikale Myelopathie : Abstract ?
Bei der zervikalen Myelopathie kommt es zu einer Einengung des zervikalen Rückenmarks mit entsprechenden Ausfallerscheinungen.
Ursache sind häufig degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, aber auch Traumata, Blutungen oder Entzündungen können zu einer Einengung des Spinalkanals und damit zur Kompression des Myelons führen.
Die akute zervikale Myelopathie mit Blasen- und Mastdarmstörung ist ein Notfall und sollte umgehend chirurgisch dekomprimiert werden!
Degenerative Spinalkanalstenose : Abstract ?
Im Laufe des Lebens kommt es bei allen Menschen zu degenerativen knöchernen Anbauten (z.B. Spondylophyten) an der Wirbelsäule, zur Arthrose der Facettengelenke und zur Degeneration der Zwischenwirbelscheiben.
Eine Einengung des Spinalkanals und der Zwischenwirbellöcher (Foramina intervertebralia) ist die Folge, was hauptsächlich an der Lendenwirbelsäule symptomatisch wird.
Leitsymptom sind belastungsabhängige Kreuzschmerzen mit Ausstrahlungen in die Beine.
Durch längeres Gehen kann der Schmerz ausgelöst werden oder zunehmen, so dass der Patient zum Stehenbleiben gezwungen wird (Claudicatio intermittens spinalis).
Da das Nachvornebeugen Entlastung bringt, sind folglich auch Belastungen bei gebeugtem Rücken (z.B. Rad fahren) ohne Probleme möglich.
Die Diagnose wird mittels MRT gestellt.
Therapeutisch stehen zunächst konservative Maßnahmen wie schmerzlindernde Medikamente und physiotherapeutische, stabilisierende Übungen im Mittelpunkt.
Bei stark progredienten Schmerzen und neurologischen Ausfällen muss durch eine Operation dem komprimierten Rückenmark bzw. Spinalnerv (bspw. durch Entfernung eines Teils des Wirbelbogens oder durch Abtragung der knöchernen Anbauten) Platz geschaffen werden.
Periphere Nervenläsionen : Abstract ?
Die Durchtrennung eines peripheren Nerven führt zum Ausfall seiner Funktion distal des verletzten Nervenabschnitts.
Je nach Qualität des Nerven ist eine Anästhesie des versorgten Hautareals oder ein Funktionsausfall der durch den Nerven innervierten Muskeln mit Atrophie die Folge.
Partielle Nervenläsionen können aber auch als brennende Schmerzen oder Allodynie imponieren.
„C3, 4, 5 keep the diaphragm alive.“
Nervus-radialis-Lähmung : Abstract ?
Der Nervus radialis ist ein Nerv des peripheren Nervensystems, der dem Plexus brachialis entspringt und die Segmente C5 bis Th1 beinhaltet.
Bei einer Verletzung des Nerven in Axilla oder auf Höhe des Humerusschaftes beispielsweise im Rahmen von Oberarmfrakturen ist die sogenannte Fallhand die Folge.
Wird hingegen der Nerv mit seinem Ramus profundus im Verlauf am Unterarm geschädigt, bleibt die Extension der Hand erhalten und es fällt lediglich die Streckfunktion der Finger aus (keine typische Fallhand).
Nervus-ulnaris-Lähmung : Abstract ?
Der Nervus ulnaris ist ein Nerv des peripheren Nervensystems, der dem Plexus brachialis entspringt und die Segmente C8 bis Th1 beinhaltet.
Er ist besonders durch seinen oberflächlichen Verlauf am medialen Ellenbogen durch Traumata oder chronische Druckschädigung gefährdet.
Zum klinischen Bild der Nervus-ulnaris-Lähmung gehört die Krallenhand.
Die Läsion des N. ulnaris ist die häufigste periphere Nervenlähmung.
Sowohl eine proximale als auch distale Schädigung des Nervus ulnaris führen zu einer Krallenhand!
Nervus-medianus-Lähmung : Abstract ?
Der Nervus medianus ist ein Nerv des peripheren Nervensystems, der dem Plexus brachialis entspringt und die Segmente C6 bis Th1 beinhaltet.
Proximale Schädigungen sind beispielsweise nach Ellenbogenfrakturen möglich und führen bei Faustschluss zur sogenannten Schwurhand.
Viel häufiger sind jedoch distale Läsionen im Karpaltunnel ohne Schwurhand.
Beim Karpaltunnelsyndrom imponieren zunächst nächtliche Schmerzen und Parästhesien im Innervationsgebiet des Nerven (volare Hand und Finger I-III).
Das Karpaltunnelsyndrom wird in einem eigenen Kapitel ausführlich dargestellt.
Eine proximale Läsion des Nervus medianus führt zur Schwurhand, eine distale Läsion nicht!
Neuralgische Schulteramyotrophie : Abstract ?
Die neuralgische Schulteramyotrophie ist eine meist einseitige, wahrscheinlich entzündliche oder immunologische Lähmung des Plexus brachialis.
Sie beginnt akut mit heftigsten, typischerweise nächtlichen Schulterschmerzen.
In den folgenden Stunden bis Tagen entwickeln sich Lähmungserscheinungen und Atrophie der Schulter-Arm-Muskulatur.
Therapeutisch werden akut Glucocorticoide sowie analgetische Medikamente verabreicht.
Es wird so schnell wie möglich begonnen, die Schulter passiv und aktiv zu bewegen, um eine Einsteifung des Schultergelenks zu verhindern.
Periphere Fazialisparese : Abstract ?
Eine periphere Fazialisparese tritt meist idiopathisch auf, kann aber auch zahlreiche andere Ursachen haben.
Neben erregerbedingter Genese kann sie z.B. auch traumatisch oder iatrogen verursacht sein.
Die Gesichtsmuskulatur ist ipsilateral in unterschiedlichem Ausmaß gelähmt.
Bei einer vollständigen Lähmung hängt der Mundwinkel, die Stirn kann nicht gerunzelt und das Auge nicht geschlossen werden.
Die idiopathische Fazialisparese wird für einige Tage mit Prednisolon behandelt.
Kann das Auge nicht geschlossen werden, ist ein Schutz der Hornhaut mit Salbe notwendig.
Die Prognose ist relativ gut.
Bei erregerbedingten Fazialisparesen wird antibiotisch (bei Neuroborreliose) oder antiviral (bei Zoster oticus) behandelt.
Die periphere Fazialisparese ist von der zentralen Fazialisparese abzugrenzen.
Bei der zentralen Form bleibt das Stirnrunzeln sowie der Lidschluss aufgrund der motorischen Innervation beider Großhirnhemisphären erhalten, die mimische Muskulatur fällt kontralateral aus.
Die Kaumuskulatur ist von einer Fazialisparese nicht betroffen, sie wird durch den N. trigeminus innerviert!
Die idiopathische periphere Fazialisparese ist eine Ausschlussdiagnose!
Polyneuropathie : Abstract ?
(PNP)
Unter Polyneuropathien (PNP) versteht man Erkrankungen des peripheren Nervensystems, bei denen mehrere Nerven und/oder Nervenwurzeln unterschiedlicher Qualitäten durch eine systemische Störung geschädigt werden.
Der Begriff „Polyneuropathie“ bezeichnet keine einheitliche Diagnose.
Es handelt sich vielmehr um eine Gruppe klinisch ähnlicher Syndrome mit pathobiologischen Gemeinsamkeiten.
Die möglichen Ursachen sind sehr vielfältig.
Klinisch äußern sich die meisten Polyneuropathien mit langsam progredienten, distal an den Extremitäten (i.d.R. zuerst an den unteren Extremitäten) beginnenden, symmetrischen, sensiblen und im Verlauf auch motorischen Defiziten.
Es existieren allerdings zahlreiche Ausnahmen von diesem häufigsten Muster.
Zur kausalen Therapie muss die zugrunde liegende Pathologie erkannt und, wenn möglich, behandelt werden.
Die symptomatische Therapie erfordert in vielen Fällen eine Physiotherapie und/oder ggf. neuropathische Schmerztherapie
Störungen des Vibrationsempfindens, der Temperaturwahrnehmung und herabgesetzte Eigenreflexe (insb. Achillessehnenreflex) gehen insb. bei diabetischer Polyneuropathie den weiteren möglichen Symptomen häufig voraus!
Polyneuropathien sind häufig, sodass polyneuropathische Symptome nicht selten mit anderen neurologischen Symptomen vermischt sind; zur Unterscheidung ist eine möglichst genaue Kenntnis der neurologischen Vorgeschichte sehr wichtig!
Zentral-motorische Symptome (z.B. Tonussteigerung, Halbseitensymptome, Reflexsteigerung) sollten nicht vorhanden bzw. als eindeutig vorbestehend bekannt sein!
Die (sensitive) Messung der sensiblen Nervenleitgeschwindigkeit sollte an der unteren Extremität an N. suralis und N. fibularis superficialis, an der oberen Extremität an N. medianus und N. ulnaris erfolgen. Diese Nerven sind der Messung leicht zugänglich und i.d.R. früh betroffen (insb. N. suralis und N. fibularis superficialis)!
Bei einem akut aufgetretenen und rasch-progredienten polyneuropathischen Syndrom muss ein mögliches Guillain-Barré-Syndrom immer vorrangig bedacht bzw ausgeschlossen werden! (Siehe auch: Guillain-Barré-Syndrom - Diagnostik)
Eine Manifestation der Polyneuropathie nach Beendigung der Exposition mit organischen Lösungsmitteln spricht eher gegen einen ursächlichen Zusammenhang!
Die (Un‑)Wirksamkeit eines Wirkstoffes sollte erst nach 2–4 Wochen beurteilt werden! Völlige Schmerzfreiheit lässt sich in vielen Fällen nicht mehr erreichen, Ziel ist daher mindestens eine Schmerzlinderung auf ein tolerables Niveau.
Auslassversuche einer wirksamen medikamentösen Schmerztherapie sollten frühestens nach mehreren Monaten anhaltender und ausreichender Befundstabilität vorgenommen werden, wenn zudem die Therapie der Grunderkrankung optimiert wurde (z.B. unter optimaler Blutzuckereinstellung bei diabetischer Polyneuropathie)!
Guillain-Barré-Syndrom : Abstract ?
(Akute inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie, AIDP)
Beim Guillain-Barré-Syndrom (GBS) handelt es sich um eine akute entzündliche, autoimmun vermittelte und in aller Regel demyelinisierende Polyneuroradikulopathie.
Diese ist typischerweise gekennzeichnet durch aufsteigende, symmetrische schlaffe Lähmungen, es kommen allerdings zahlreiche Manifestations- und Verlaufsformen vor.
Die Symptome treten meist etwa zwei Wochen nach Infektionen des Gastrointestinaltrakts oder der Atemwege auf, was zur Hypothese einer durch kreuzreaktive Antikörper vermittelten autoimmunologischen Genese der Erkrankung geführt hat, auch wenn diese nicht in jedem individuellen Erkrankungsfall bestätigt werden kann.
Das Krankheitsmaximum wird innerhalb von Tagen bis zu vier Wochen erreicht.
Gefürchtet sind dabei insb. schnelle Verläufe, akut einsetzende autonome Komplikationen und die thorakale Polyneuroradikulopathie mit Lähmung der Atemmuskulatur, da sie rasch zu intensivpflichtigen Notfällen führen können.
Diagnostisch wegweisend sind eine starke Eiweißerhöhung ohne Zellvermehrung im Liquor sowie Demyelinisierungszeichen in der Elektroneurografie (ENG).
Therapeutisch kommen intravenöse Immunglobuline (IVIG) oder die Plasmapherese gegen die auslösenden Autoantikörper zum Einsatz.
Meistens entwickeln sich die Symptome in umgekehrter Reihenfolge unter Therapie wieder zurück und die Krankheit heilt folgenlos aus, auch wenn in schweren Fällen Defektzustände bestehen bleiben können.
Aufgrund der Gefahr einer raschen Symptomprogredienz mit möglicher Landry-Paralyse und damit verbundener Notwendigkeit zur invasiven Beatmung ist immer eine intensive Überwachung erforderlich, idealerweise auf der Intensivstation!
Der Verlauf der demyelinisierenden Polyneuroradikulopathie ist zu Beginn meist von symmetrischen schlaffen Lähmungen gekennzeichnet, die von distal nach proximal aufsteigen. Je nach betroffenen Nervenfasern kann das klinische Bild jedoch vielfältig sein, u.a. mit Hirnnervenausfällen oder autonomen Störungen.
Die Blutuntersuchung kann auch bei bestehendem GBS unauffällig sein! Sie dient in Zusammenschau mit anderen Untersuchungsbefunden zur Untermauerung der Diagnose und zur Abgrenzung von Differenzialdiagnosen.
Glucocorticoide sind beim GBS nicht wirksam und können für die Symptomverbesserung sogar hinderlich sein!
Da sich bei einem GBS rasch eine respiratorische Insuffizienz oder relevante Herzrhythmusstörungen entwickeln können, sollten Betroffene immer in Kliniken behandelt werden, die eine sofortige intensivmedizinische Versorgung gewährleisten können!
Vitamin-B12-Mangel : Abstract ?
(Cobalamin-Mangel)
Der Vitamin-B12-Mangel ist eine weit verbreitete Hypovitaminose.
Zu seinen vielfältigen Ursachen zählen mangelnde Zufuhr (Mangelernährung) oder Aufnahme (insb. bei perniziöser Anämie) sowie der relative Mangel durch einen erhöhten Bedarf (bspw. in der Schwangerschaft).
Klinisch kann er lange Zeit asymptomatisch bleiben oder durch zunächst unspezifische neuropsychiatrische Symptome auffallen.
Klinisch richtungsweisend sind die Manifestationen als megaloblastäre Anämie, Hunter-Glossitis und funikuläre Myelose.
Diagnostisch auffallend ist die makrozytäre, hyperchrome Anämie durch die gestörte Erythropoese. Ein Ausgleich des Mangels sollte mittels Vitamin-B12-Präparaten erfolgen.
Da Kinder einen erhöhten Vitamin-B12-Bedarf aufweisen, sollte unbedingt auf eine ausreichende Versorgung geachtet werden!
Bei einer veganen Ernährung sollten mit Vitamin-B12-angereicherte Lebensmittel verwendet oder Vitamin B12 substituiert werden. Zudem sind regelmäßige Spiegelkontrollen wichtig.
Neurologische bzw. psychiatrische Symptome können schon vor Manifestation einer Anämie auftreten!
Bei unklarem Befund des Vitamin-B12-Serumspiegels bestätigt eine erhöhte Methylmalonsäure in Kombination mit erniedrigtem Holo-Transcobalamin den manifesten Vitamin-B12-Mangel!
Zuletzt geändertvor 2 Jahren