Welche Klassifikationen von Stressbewältigungsansätzen gibt es?
Mikro- und Makroanalytisch
dispositionelle und aktuelle
Ansätze
Mikro- bzw. makroanalytische Stressbewältigungstheorien
… beziehen sich auf Grad der Differenziertheit bei Konzeption und Erfassung der Stressbewältigung
mikroanalytische Ansätze:
spezifische/ konkrete Bewältigungsstrategien (z.B. Planung, Humor, Unterstützung mobilisieren…)
makroanalytische Ansätze:
weniger verhaltensnahe/ abstraktere/ umfassendere Stressbewältigungskonstrukte
(z.B. Repression und Sensitization, Krohne)
stellen hierarchische Struktur dar und sind ineinander überführbar
(mikroanalytische Ansätze eher aktuelle Stressbewältigungstheorien und makroanalytische Ansätze eher dispositionelle)
Dispositionelle und aktuelle Stressbewäligungstheorien
(state or trait - Ansätze)
Dispositionelle Ansätze
… identifizieren stabile Stressbwältigungsneigungen bei Personen
—> Persönlichkeitsmerkmale, die in Stresssituationen in Form charakteristischer Handlungen konsistent beobachtet werden können (z.B. Repression-Sensitization)
Aktuelle Ansätze
Bewältigung von Stress hängt maßgeblich von den subjektiv wahrgenommenen Charakteristiken der Situation ab (weniger von stabilen Persönlichkeitseigenschaften).
—> “state coping”, instabil, veränderlich, situationsangepasst
(Beispiel emotionsorientierte und problemorientierte Bewältigung nach Lazarus und Folkman)
Repression - Sensitization: Grundannahmen
klassischer makroanalytisch-dispositioneller Ansatz
Byrne (1961): Stressbewältigung als unidimensionales-bipolares Persönlichkeitsmerkmal
Represser:
Vermeidung/Leugnung der Stressquelle,
keine Verbalisierung der Angst,
denken nicht über weiteren Verlauf der Situation nach
Sensitizer:
Wenden sich der Stressquelle vermehrt zu, Verbalisierung der Angst (Stressor wird beobachtet, nicht aus dem Auge gelassen)
negative affektive Komponenten
Repression - Sensitization: empirische Befunde
Grundsätzlich: Sensitizer geben höhere subjektive Ängstlichkeit/Depression/Belastung an als Represser
Aber auch öfter: Represser weisen höhere Anstiege physiologischer Stressindikatoren auf (Herzrate, Kortisol…)
—> Diskrepanzhypothese
Repression - Sensitization: Kritik
Byrne nimmt an, dass Personen im mittleren Wertebreich der R-S-Skala die beste Anpassung aufweisen sollten
Aber: Empirie weist eher auf linearen Zusammenhang zwischen Repression-Sensitization und emotionaler Anpassung hin
—> also: hohe Korrelationen von Sensitization und dispositioneller Ängstlichkeit
(Sensitization konfundiert mit negativer Affektivität)
Modell der Angstbewältigungsmodi (Krohne, 1996)
Weiterentwicklung des Repression-Sensitization-Modells
2 unabhängige Dimensionen:
Vigilanz:
Verstärktes Aufsuchen und Verarbeiten bedrohungsbezogener Information, d.h.
Hinwendung zur Stressquelle mit dem Ziel,
subjektive Unsicherheit zu reduzieren
—> unsicherheitsmotiviert (in mehrdeutigen Situationen)
Kognitive Vermeidung:
Abwendung von bedrohungsrelevanten Hinweisreizen:
Organismus wird gegen erregungsinduzierende Reize abgeschirmt
—> arousal-motiviert (in emotionel erregenden Situationen)
Typische Angstbewältigungsstrategien im ABI (AngstBewältigungsInventar)
Vigilante Bewältigungsstrategien:
Antizipieren von negativen Ereignissen
Informationssuche
Vergleich mit anderen (sozialer Vergleich, meist aufwärts)
Kognitiv vermeidende Bewältigungsstrategien
Ablenkung
Verleugnung
Bagatellisierung
Modell der Angstbewältigungsmodi - Sensitizer
hohe Ausprägung auf Vigilanz, niedrige auf kognitiver Vermeidung
hohe Unsicherheitsintoleranz
niedrige Erregungsintoleranz
Aufmerksamkeit gerichtet auf gefahrenrelevante Information in der Stresssituation
konsistente Überwachung - auch wenn Situation an sich kontrollierbar —> wenig situationsgemäße Anpassung
Modell der Angstbewältigungsmodi - Represser
hohe Ausprägung auf kognitiver Vermeidung, geringe auf Vigilanz
niedrige Unsicherheitsintoleranz (Unsicherheit/Verpassen ist nicht so wichtig)
hohe Erregungsintoleranz
in aversiven Situationen Abwenden von der Stressquelle (Emotionalitsregulation)
akzeptieren dabei ein gesteigertes Maß an Unsicherheit bezüglich der Entwicklung des Stressors
Represser ignorieren aversive Charakteristika der Situation
Modell der Angstbewältigungsmodi - Hochängstliche
hohe Ausprägung auf Vigilanz und auf kognitiver Vermeidung
sowohl hohe Intoleranz gegenüber Unsicherheit als auch Erregung
Stresssituationen: Sowohl immer mit Gefahr beschäftigt, negativ überrascht zu werden, als auch mit der Wahrscheinlichkeit, von starken Emotionen überwältigt zu werden.
fluktuierendes Bewältigungsverhalten
Modell der Angstbewältigungsmodi - Nicht-defensive
Nichtdefensivität
niedrige Ausprägung auf Vigilanz und auf kognitiver Vermeigung
geringe Intoleranzen gegenüber Erregung wie auch gegenüber Unsicherheit
situationsbezogene instrumentelle Bewältigung
können sich an besondere Erfordernisse der Stresssituationen anpassen und sind fähig, einzelne Strategien lange genug anzuwenden, um letztlich über deren Effektivität entscheiden zu können
Erfassung der Angstbewältigungsmodi
Angstbewältigungsinventar (ABI)
= Stimulus-Response-Inventar
8 hypothetische Stresssituationen, die selbstwertrelefante oder physisch bedrohliche Aspekte enthalten
zu jeder Situation je 6 kognitiv-vermeidende und vigilante Strategien angegeben, die von Proband*innen mir “stimmt” oder “stimmt nicht” beantwortet werden.
Angstbewältigungsmodi - Empirische Befunde
In vielen empirischen Studien überprüft. z.B.:
OP-Vorbereitung:
korrelative und matched-mismatched bei Prä-OP-Interventionen
—> eher inkonsistente Befundlage
Kognition:
experimentell im Labor
z.B. Gedächtnisleistungen bei furchterregenden Stimuli
eher konsistentere Befundlage für KOV und VIG-Dimensionen aber nicht immer Unterschiede zwischen allen 4 Modi
“Aktuelle Stressbewältigung” - “state coping” - Annahme
Bewältigung von Stress hängt maßgeblich von den subjektiv wahrgenommenen Charakteristiken der Situation ab, weniger von stabilen Persönlichkeitseigenschaften
Stressbewältigung (Coping) in der kognitiv-transaktionalen Stresstheorie (Lazarus&Folkman)
“Der Prozess der Handhabung jener externen und internen Anforderungen, die vom Individuum als die eigenen Ressourcen beanspruchend oder übersteigend bewertet werden".
Coping
ändert den Stress verursachenden Umstand/ erhöht Ressourcen (problemorientierte Bewältigung) ODER
reguliert die emotionale Reaktion auf Stressor (emotionsorientierte Bewältigung)
Bewältigungsverhalten stark Situationsabhängig, variabel, flexibel und eingebettet in einen Prozess, in dessen Verlauf Personen Strategien mehr oder weniger stark einsetzen oder auch wechseln können.
es gibt keine an sich adaptiven und maladaptiven Bewältigungsformen
wann welche Form angewendet wird und Erfolg hat, hängt ab von subjektiv wahrgenommenen Situationsparametern (z.B. Kontrolle)
—> Goodness-of-Fit Hypothese
Stressbewältigung (Coping) in der kognitiv-transaktionalen Stresstheorie (Lazarus&Folkman) - Problemorientiertes Coping
Ziel, Anforderungen der Situation zu reduzieren oder Bewältigungsressourcen zu verbessern
Meist genutzt, wenn man den Eindruck hat, Situation ändern zu können (nur Tendenz!)
Beispiel: Planful Problem-Solving - Analyse der Situation um zu einer Lösung zu kommen, danach Ausführen der Aktion, um Problem anzugehen
Stressbewältigung (Coping) in der kognitiv-transaktionalen Stresstheorie (Lazarus&Folkman) - emotionsorientiertes Coping
Ziel: Emotionale Raktion kontrollieren
behavioral (Drogen, Alkohol, soziale Unterstützung, Ablenkung) — nicht immer adaptiv…
kognitiv (Änderung der Bedeutung des Stressors
Oft genutzt wenn man …
den Stressor nicht ändern kann (z.B. Verwitwung)
wenn man nicht die Ressourcen hat, mit dem Stressor umzugehen
Beispiel: Positive Umdeutung
Ways of Coping Questionnaire (Folkman & Lazarus)
COPE und Brief COPE (Carver et al.)
mikroanalytische Verfahren zur Messung von Stressbewältigung
misst auch Bewältigungsstrategien, die von Autoren a priori als dysfunktional eingestuft werden
ursprünglich dispositionell, mittlerweile aber auch “aktuell” unf situationsspezifisch
Generelle Kritik an der Stressbewältigungsforschung (Weber, 1997)
weder für Erfassung verschiedener Stressoren noch für Erfassung der Bewältigung konnte man sich bislang auf Taxonomie einigen
Wirksamkeit von Bewältigung: Was soll Bewältigung leisten? Erhöhtes Wohlbefinden? Bessere Leistung? Kriterien oft global und nicht angemessen durchdacht.
soziale Kontrolle wird nicht adäquat berücksichtigt. Soziale Normen bestimmen Verhalten
Problem Operationalisierung: Items zur Messung von Bewältigungsstrategien sind oft mit Outcomes (meist Wohlbefinden) konfundiert
—> “Ich habe offen gezeigt, wie schlecht ich mich fühle” (Brief-COPE Item)
Zuletzt geändertvor 2 Jahren