Brechts nicht-aristotelische Dramatik
gerichtet gegen einfühlendes Illusionstheater
Wirkungsästhetik: NICHT-IDENTIFIKATION soll gesellschaftliche Veränderung ermöglichen
Zuschauer soll nicht in "Kunst" Welt entführt werden, sondern in reale Welt eingeführt werden, mit wachen Sinnen
Möglichkeit anstelle Furcht vor Schicksal Wissensbegierde zu setzen?
Möglichkeit anstelle Mitleid -> Hilfsbereitschaft? als Basis neuen Kunstgenusses
Brechts Verfremdung, Verfremdungseffekte
anstelle Einfühlung, Verfremdung: Charakter/Vorgang wird Selbstverständliches, Bekanntes, Einleuchtendes genommen, über ihn Staunen/Neugierde erzeugt
Schauspieler muss alles unterlassen, was er gelernt hat, um Einfühlung herbeizuführen, Prosa, entspannt auf der Bühne
Auseinanderklaffen Schauspieler und Rolle
Selbsteinführung der Figur
epische Einleitung szenischer Präsentation
Unterbrechung szenischer Präsentation durch narrative Mittel
Pantomimen
Songs
Illusionsstörende bühnentechnische Inszenierung
Brechts episches Theater
Episches Theater (auch didaktisches/analytisches): 1920er Bertolt Brecht, Erwin Piscator – Leben des Galilei – Gegenteil zum klassischen aristotelischen Theater —> verbindet Epik, Dramatik
- kein Mitgefühl der Zuschauer
- Distanz
- kritisches Denken
o durch Verfremdungseffekt keine Identifikation mit Figuren: Elemente aus Epik: Lieder/direkte Ansprache, Kommentar, Zeitsprung —> Fiktionssignal!
- appelliert an Vernunft der Zuschauer: Veränderung der Gesellschaft —> politisch motiviert
- Zuschauer nehmen andere Rolle ein: Beobachter mit Distanz zum Geschehen
o Motivation zum politischen Denken, Handeln des Bürgertums
o Mensch kann sich, die Welt verändern
—> Brechts Reaktion auf den Wandel der Welt: Verstädterung, Industrialisierung —> mehr Konflikte – aufzeigen, zum kritischen Denken, Handeln anregen
Leben des Galilei Basics
episches Stück – 1939 im Exil verfasst, 9.9.1943 in Zürich uraufgeführt – 13 Szenen, später wurde 14. hinzugefügt – Exilliteratur!!!
Inhaltlich: große gesellschaftliche Themen: Krieg, wirtschaftliche Probleme, soziale Missstände unterer Bevölkerungsschichten —> Bezüge zu Leben/Alltag Zuschauer
- Mensch als veränderliches Wesen
- Figuren sind wissbegierig
- Wollen sich nicht Bestimmung ergeben —> nehmen Schicksal selbst in die Hand, gestalten aktiv mit
Offene Form —> keine Akte! Szenen stehen für sich allein —> keine Spannung am Ende/zu Höhepunkten, sondern Bezug einzelner Szenen zueinander
Handlung über 33 Jahre - 15 Bilder= Lebensstationen
Episches Theater - Inhalt/Aufbau
- ergeben sich nicht Bestimmung —> nehmen Schicksal selbst in die Hand, gestalten aktiv mit
- Kein Fokus auf Individuum —> ganze Welt
Handlung: nicht linear, zielgerichtet —> Vor-, Rückblenden, Ortswechsel, parallele Handlungsstränge
Offenes Ende
- Offene Form —> keine Akte! Szenen stehen für sich allein —> keine Spannung am Ende/zu Höhepunkten, sondern Bezug einzelner Szenen zueinander
Epische Elemente: Erzähler mit auf Bühne, kommentiert Geschehen, kennt Gedanken – Schauspieler identifizieren sich nicht mit Rolle, zeigen nur Figur/Handlungen, bewerten Handlungen
Leben des Galilei - Kurzzusammenfassung
Bild 1-3: Padua, lehrt Andrea heliozentrisches Weltbild= Sonne Mittelpunkt Universum statt geozentrisches Weltbild – Ludovico Marsili, neuer Schüler, berichtet von holländischer Erfindung des Fernrohrs —> Galilei baut auch eins, gibt es als seine Erfindung aus, beweist heliozentrisches Weltbild, Schwindel fliegt auf —> Ärger
Bild 4-6: Florenzreise mit Virginia, Andrea, trifft Gelehrte, möchte ihnen Fernrohr/Weltbild vorstellen, sie weigern sich, durch Fernrohr zu sehen, in Florenz bricht Pest aus, Virginia reist ab, um sich nicht anzustecken – Andrea bleibt, will weiterforschen —> Reise in Vatikan, wird von Geistlichen ausgelacht
Bild 7-9: Virginia, Ludovico sind verlobt, reisen mit Galilei nach Rom, begegnen Kardinal Barberini, der sich mit Galilei über heliozentrisches Weltbild unterhält, dann aber beginnt, mit ihm zu streiten —> Galilei: Ruf eines Ketzers —> Bestrafung: darf wissenschaftliche Ergebnisse nicht veröffentlichen – diskutiert mit Mönch Frage, ob Wissenschaft, Glaube sich gegenseitig ausschließen —> Zeitsprung 8 Jahre: Galilei hat Weltbildforschung aufgegeben, sich anderen Bereichen der Wissenschaft widmet – als er erfährt, dass es neuen Papst geben soll, will er Glück erneut versuchen, aber neuer Papst: Barberini, den Galilei hofft, überzeugen zu können
Bild 10-12: nach 10 Jahren Forschung —> erneuter Versuch, Öffentlichkeit Erkenntnisse vorzustellen – inzwischen ist Galilei fast vollständig erblindet, Virginia soll ihn daher nach Florenz zum Großherzog begleiten, aber wird von Inquisition nach Rom gebracht —> versucht Papst Barberini vom heliozentrischen Weltbild zu überzeugen – Inquisitor überredet Papst, Galilei in Kerker zu werfen, da wissenschaftliche Arbeit Kirche verspotte
Bild 13-15: Im Kerker soll er gefoltert werden, aber aus Angst widerruft er alle seine Aussagen —> kommt frei, aber Schüler/Anhänger enttäuscht – nur Andrea hält zu ihm – trotz ständiger Überwachung durch Inquisition, gelingt es Galilei, Kopie seiner Ergebnisse anzufertigen, Original von Kirche beschlagnahmt —> Manuskript in Italien nicht sicher —> Andrea schmuggelt Buch in Ausland, wo er selbst weiter forschen möchte
Interpretationsansatz
Motiv des Sehens: wahrnehmen + erkennen, verstehen - Bsp. erblinden, Fernrohr (Augen vor Wahrheit/Erkenntnis verschließen)
Vereinbarkeit Wissenschaft, Glaube: Galilei geht von Ergänzung, Erneuerung aus, nicht Widerspruch —> neues Weltbild als Gefahr, Machtverlust - Papst im Zwiespalt: Interesse, aber Vertreter der Kirche
EXILLITERATUR: 1943 Uraufführung - NS 2. WK - Parallelen Galileis Schicksal, damalige Situation in D: Verfolgung, Flucht
Bild 1 - Galileis Begeisterung für verbotenes heliozentrisches Weltbild
Galilei, Andrea, Frau Sarti, Ludovico Marsili unterhalten sich im Studierzimmer des Galilei über die Wissenschaft —> Galilei erklärt Andrea das Weltbild des Kopernikus
Ziel, Beweise für die wahre Existenz dieses Weltbildes zu finden
man sich nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse verlassen, sondern sich selbst der Forschung und Entdeckung hingeben sollte.
Eine weitere Szene spielt mit seinem Schüler Ludovico Marsili - berichtet von der Entdeckung des Fernrohrs, das aus Holland stammt —> Galilei fertigt einen Nachbau, vermittelt seinem Schüler, er Fernohr entdeckt
Bild 2 - Galilei macht plagiiertes Fernrohr zu Geld
Galilei, der Kurator in Venedig
Galilei stellt diesem seine Erfindung vor —> verschweigt, dass es nicht seine Idee ist
Kurator begeistert - kein Interesse an Herkunft
erkennt Nutzen Fernrohr für Wissenschaft, belohnt Galilei mit Verdopplung des Gehalts
Bild 3 - Galileis Betrug fällt auf
Galilei, Sagredo (Freund) befinden sich im Gelehrtenzimmer in Padua —> gemeinsame Forschung, um kopernikanisches Weltbild zu beweisen
Schiff aus Holland trifft ein —> Betrug fällt auf
Kurator erfährt es, ist verärgert wegen des Geldes
Galilei möchte nach Florenz, Sagredo ist nicht überzeugt
Bild 4 - heliozentrisches Weltbild des Kopernikus vs. Geozentrisches Weltbild des Ptolemäus
Galilei, Andrea, Cosmo, Großherzog von Florenz, Gelehrte in Florenz
Cosmo, Andrea Disput über Existenz der Weltbilder
Andrea gibt Galilei recht
Gelehrte treten hinzu, Diskussion über Fernrohr - sie möchten es nicht ausprobieren, verlassen den Raum wieder
Bild 5 - Galilei will Geistlichkeit in Rom überzeugen
Galileo Galilei, Andrea, Frau Sarti und Virginia in Florenz.
Die Stadt wird von der Pest heimgesucht.
Auch Frau Sarti erkrankt. Daraufhin werden Andrea und Virginia aus der Stadt gebracht, um einer Ansteckung zu entgehen.
Andrea verlässt jedoch die Kutsche und kehrt wieder zurück —> möchte Galilei bei der Erarbeitung des Weltbildes des Kopernikus unterstützen.
Galilei sammelt Argumente, um die Geistlichen von der Existenz des Weltbildes zu überzeugen.
Andrea beteiligt sich an den Erklärungen.
Galilei zieht es nach Rom —>weitere Forschungen anstellen und die entsprechenden Erfolge erzielen
Bild 6 Bestätigung heliozentrischen Weltbilds
Galilei, Pater Clavius in Rom
Galilei plant, seine Erkenntnisse im Vatikan zu präsentieren
Idee wird ausgelacht, verspottet
dann meldet sich ein Astronom zu Wort, der Erkenntnisse bestätigt —> Galilei fühlt sich als Sieger
Bild 7 - Disput mit Kardinälen in Rom
Galilei, Virginia, Ludovico und die Kardinäle Bellarmin und Barberini in Rom
Ball veranstaltet —> trifft Galilei auf die Kardinäle und beginnt eine interessante Unterhaltung.
Virginia tanzt mit Galileis Schüler Ludovico Marsili —> Virginia mit ihm verlobt.
Die Unterhaltung Galileis mit den Kardinälen artet in einem Disput aus. Obwohl Galilei verschiedene Beweise für die Existenz des Weltbildes des Kopernikus gesammelt hat, dürfen diese nicht offiziell präsentiert werden.
Kopernikus wurde aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit von der Inquisition als Ketzer verdammt —> seine Lehren dürfen von niemandem angenommen und verbreitet werden
Wer sich nicht daran hält, muss damit rechnen, mit Folter für sein Vergehen bestraft zu werden
Bild 8 - Konflikt Wissenschaft, Kirche
Galilei, kleiner Mönch in Rom - hitzig verlaufende Diskussion über die Diskrepanz zwischen Kirche, Wissenschaft
Galilei zeigt zusammen mit ihm Gegensätze auf, erörtert Ansichten der Kirche, Wissenschaftler, die sich in vielen Bereichen voneinander unterscheiden
kleiner Mönch nicht überzeugt —> Zweifel an allen Theorien in Bezug auf Astronoie, verschiedene Weltbilder - kritisiert auch fehlende freie Meinungsäußerung
Bild 9 - 8 Jahre später schöpft er neue Hoffnung für seine Idee
Galilei, Andrea, Federzoni, Virginia, Lorenzo, kleiner Mönch in Florenz
Galilei hat Forschung an Weltbildern aufgegeben, sich anderen Wissenschaften gewidmet
Tochter: Hochzeitsvorbereitungen
Männer erforschen gemeinsam kleine Eisstücke, um Erfahrungen über Aggregatzustände von Wasser zu sammeln
erfahren, dass Papst im Sterben liegt —> Kardinal Barberini neuer Papst
Galilei erfreut, Hoffnung, seine Forschungsansätze über Weltbild wieder aufnehmen, vervollkommnen zu können —> nimmt letzte Forschungsansätze wieder auf, beschäftigt sich intensiv mit Sonnenflecken
Bild 10 - Fasnacht in Florenz
kein Gespräch/keine Diskussionen, an denen Galilei direkt teilnimmt
Menschen feiern, tanzen, verkleiden sich —> viele als Galilei verkleidet —> verehren ihn, seine Theorien
Erkenntnisse in Form von Figuren dargestellt
Bild 11 - Galilei will Großherzog von Lehre überzeugen, gerät ins Visier - 10 Jahre später
Galilei, Virginia, Großherzog, Vanni, Eisengießer in Florenz
Sehkraft hat stark nachgelassen, fast erblindet
erbittet Audienz bei Großherzog, von Virginia begleitet - hat seine Erkenntnise aufgeschrieben, möchte ihm Werk vorstellen
Eisengießer Vanni beschwört ihn, Florenz zu verlassen, möchte ihn von Vorhaben abbringen —> fürchtet Konsequenzen
Galilei lässt sich nicht abbringen —> Visier der Inquisition
Bild 12 - Galileis Werk verboten von Papst
Papst Urban VIII= Kardinal Barberini, Inquisitor in Rom
Inquisitor spricht bei Papst vor, möchte erreichen, dass Lehren des Galilei verboten werden, weil sie auf die Menschen schlechten Einfluss ausüben
Papst ist Galileis Erkenntnissen grds. zugetan —> lässt sich dennoch von Inquisitor überzeugen, dass die Kirche in dem Buch angezweifelt wird —> Zorn, Verbot
Bild 13 - Galilei im Kerker
Galilei, Andrea in Rom
Galilei im Kerker —> muss um freizukommen, seine Lehre widerrufen
23 Tage im Kerker, in gesundheitlich schlechter Verfassung
hat seine Schüler getäuscht, die von ihm erwartet haben, dass er das Weltbild verteidigt —> enttäuscht durch seine Revokation
Bild 14 - Andrea soll Lehre außer Landes bringen
in der Nähe von Florenz
Versöhnungsbesuch Andreas bei Galilei
von Inquisitoren überwacht
kann Forschung nur vorsichtig nachgehen
offenbart Andrea, eine Abschrift verfasst zu haben —> kein Original mehr, von Inquisition einbehalten
Andrea soll Abschrift nach Holland bringen, dort eigene Forschungen anstreben
Bild 15 - Galielis Erkenntnisse in Holland
Andrea, ein Junge in der Nähe der holländischen Grenze
Grenzkontrolle unproblematisch
im Dialog mit dem Jungen legt Andrea dar, dass Ziele beharrlich verfolgt werden sollten, um Geheimnisse zu entschlüsseln, die Wissenschaft voranzutreiben
nochmal nachlesen
https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/leben-des-galilei/6744
zweite/dritte Fassung
zweite Fassung 1944-1947: Fokus auf Verantwortung der Wissenschaft, vorletztes Bild des Stücks vor dem Hintergrund der Atombombenabwürfe verändert —> in ursprünglicher Fassung v.a. Darstellung Umgang mit Macht (der Kirche) —> 2. Fassung: Wert, Verwertbarkeit von Wissen, politische/gesellschaftliche Bedingungen von Wissenschaft als zentraler Aspekt des Stückes)
dritte Fassung 1955/56: viele thematische, szenische Veränderungen aus amerikanischer Fassung übernommen, aber Rückgängigmachung verschiedener Streichungen aus 2. Fassung (Pest-, Schlussszene, Figuren Dogen, Mucius, Cosmos wieder eingeführt, Eisengießer Matti= Vanni – an einigen Stellen werden Handlungsmotive verändert: Galilei will in Landessprache veröffentlichen, statt in Latein, dadurch revolutionäre Reaktion erhofft – Vorkehrungen für seine Flucht vor Inquisition, kann so Angebot Eisengießer ablehnen —> auch negative Tendenzen aus amerikanischer Fassung verstärkt (Galileis Genusssucht, Rücksichtslosigkeit, Unterwürfigkeit, Interesse an Physik, Technik) —> Gegensatz in Wissenschaftsauffassungen verdeutlicht – Uraufführung 1955 Köln, 1957 Berlin)
Zuletzt geändertvor 2 Jahren