Grobaufbau des Vestibularorgans
· Bei Säugetieren je links und rechts ein Vestibularorgan
· Liegen in Knochen der Felsenbeine
· Knöchernes Labyrinth: verwickelt geformte Hohlräume
o Gefüllt mit Perilymphe (Flüssigkeit)
· Häuternes Labyrinth: liegt in knöchernem Labyrinth
o Gefüllt mit Endolympthe (Flüssigkeit)
o Enthält Statolithenorgan, Bogengängen & Cochlea
· Statholitenorgan in 2 sackartige Gebilde gegliedert
o Utriculus: Sinneszellen liegen in Macula utriculi
o Sacculus : Sinneszellen liegen in Macule sacculi
· Drei Bogengänge
o Mit Utriculus in Verbindung, dort zu Ampullen geweitet
o In jeder Ampulle ist eine Crista ampullaris (enthält Sinneszellen der Bogengänge, sitzt auf Capula auf
· Cupula: zungenartiges Gebilde
o Steht in der Ampulle quer zu Richtung des Bogengangs
o Bis zur Decke der Ampulle
Die Haarzellen des Vestibularorgans
· Zwei Arten von Sinneszellen in Vestibularorgan (Typ 1 & Typ 2)
o An Oberseite Härchen/Zilien
o Jede Zelle 1 großes Kinozilium & 60-100 kleinere Stereozilien
o Zilienbüschel ragt in gallertartige Schicht rein
o Sekundäre Sinneszellen (keine eigenen Nervenfortsätze, über bipolare afferente Nerven des Nervus vestilularis angekoppelt
· Drei Arten von Verbindungen zwischen Nervenfaser & Sinneszelle
o Kelchartige Verbindung, versorgt Typ 1
§ Mittlerer Bereich der vestibulären Rezeptorfläche
o Knopfartige Verbindung, versorgt Typ 2
§ Aufgespalten, versorgen mehrere Haarzellen
§ Liegt in Peripherie
o Dimorphe Verbindung, versorgt beide Typen
§ Über gesamten Bereich der Rezeptorfläche verteilt
· Haarzellen außerdem Kontakt zu efferenten Nervenfasern (Regulation der Empfindlichkeit der Zelle)
Arbeitsweise der Haarzellen
· In Ruhelage: hohe & regelmäßige Ruheaktivität
· Verschiebung der Gallertschicht (wegen Translationsbeschleunigung parallel zum Sinnesepithel)
· Je nach Richtung der Verschiebung wird Aktivität der Haarzelle erhöht/verringert
· Abscherung: durch Auslenkung der Zilien bewirkte Verschiebung
o In Richtung von Kinozilium: Depolarisation, Erhöhung der Antwortfrequenz
o In andere Richtung: Hyperpolarisation, Senkung der Antwortfrequenz
· An Sinneszelle wirkender Reiz: Ausmaß & Richtung der Abscherung des Zilienbündels
Die Arbeitsweise des Statolithenorgans
· Drei Schichten
o Sinnesepithel: enthält Haarzellen
o Gallertschicht
o Statholitenmembran
· Bei Translation des Kopfes:
o Ausgelöst durch Translationsbeschleunigung auf Körper/Kopf, Kopfbewegung
o Verschiebung der Statholitenmembran gegenüber dem Sinnesepithel
(Statolithenmembran höhere spezifische Dichte)
o Bewirkt Abscherung der Zilien der Haarzellen & Änderung der neuronalen Antwort
· Waagerechte Lage des Utriculus wenn Kopf 30° nach unten gesenkt
o Deshalb die Kopfstellung bei Steuerung der Fortbewegung, Blick auf Boden 2-3 m vor einem
· Sinnesflächen des Utriculus & Sacculus gebogen
· Haarzellen nicht gleichmäßig angeordnet, Verteilung der Hauptansprechrichtung
o Stritola: teilt Sinnesepithel in 2 Bereiche, Ansprechrichtung Haarzellen gegenläufig
o Utriculus: Abscherung Haarzellen in Richtung Striola -> Aktivierungssteigerung
o Sacculus: Abscherung Haarzellen in Richtung Striola -> Verminderung
· Scherkraft: Kraft, deren Wirkungsrichtung parallel zu einer Fläche liegt
Die Arbeitsweise des Bogengangorgans
· Sinneszellen der Bogengangorgane sprechen auf Rotationsbewegung an
o Sprechen wegen mechanischer Eigenschaften nicht auf Beschleunigung an
· Bogengänge flüssigkeitsgefüllt
· Cupula: liegt in Ampullen quer zur Richtung des Bogengangs
· Christa ampullaris: Erhebung in Ampulle, auf der Cupula sitzt
· Aufbau der Bogengänge
o Röhrchen ca 0,6mm Durchmesser
o Halbkreis, Durchmesser ca 6mm
o In rechtem Winkel zueinander, 2 vertikal & einer waagerecht
o Haarzellen auf Oberfläche der Christa, Zilien reichen in gallertartige Masse der Cupula
· Bei Rotation: Endolymphe in Bogengängen bewegt sich
o Abbiegung der Cupula & Abscherung der Zilien
· Bogengangsystem signalisiert Rotationsgeschwindigekeit
· Besonders für Steuerung der Blickbewegung wichtig
Das zentrale vestibuläre System
· Nervus vestibularis: afferente & efferente Nervenfasern (zusammenfassen für Utriculus, Sacculus, Bogengänge)
· Zieht zum Hirnstamm in die Vestibulariskerne (dort auch sensumotorische Afferenz)
· Von dort ausgehend Bahnen zu versch. Hirnarealen
(Kerne der Augenmuskeln, Kleinhirn, Formatio reticularis, Thalamus, Cortex)
· Vestibulärer Cortex
o Bestimmung der subjektiven Lotrechten, bewusstes Erleben von Schwindel, Seekrankheit etc
o Integration von vestibulären, visuellen & somatosensorischen Informationen
Klinischer Test der Funktion der Bogengangsorgane
· Wahrnehmungsaufgaben (Vertikalstellen Linie im Dunkeln)
· Motorische Aufgaben (Prüfung des Gleichgewichts beim Stehen/Gehen, Augen offen/geschlossen)
· Prüfung mittels unwillkürlich ablaufender Augenbewegung
o Nystagmus: Augenbewegung mit rhythmischer/schwingender Form
· Optokinetische Nystagmus: Auslösung durch visuelle Musterbewegung
o Person bei konstanter Geschwindigkeit um eigene Achse drehen, Blickmuster aus schnellen Phasen (neuen Fixationspunkt suchen) & langsamen Phasen (Kompensation der optischen Musterbewegung auf Retina)
· Vestibuläre Nystagmus: Auslösung durch Reizung der Bogengänge
o Person in dunklem Raum mit geneigtem Kopf unterschwellig beschleunigen, dann schnell abbremsen
o Postrotatorische Nystagmus bei plötzlichem Abbremsen, reizt Bogengänge
o Problem: linkes & rechtes Organ nicht getrennt prüfbar
· Kalorische Prüfung
o Proband auf 30° angehobenen Liege (Bogengänge senkrecht)
o 30s Spülung des äußeren Gehörgangs mit 30°/42° warmen Wasser
o Änderung des spezifischen Gewichts der Endolymphe in einem Bereich der Bogengänge, erzeugt Strömung & Abbiegen der Cupula
· Auch Stratolithenorgane kleinen Anteil an Nystagmus
Themen aktueller neurophysiologischer Untersuchungen des vestibulären Systems
· 2 Fragekomplexe:
o Wie werden afferente Signale aus Stratolithenorgan & Bogengangsorgan zusammengefasst, welche Information enthalten & weiterverarbeitet?
· Wie kann vestibuläres Signal auf körperstamm bezogen werden, obwohl es Kopfbewegung signalisiert?
· Wie wird Scherungskomponente, die durch lineare Translationsbeschleunigung entsteht, von Rotationsbeschleunigungen getrennt?
· Spezifische Filtereigenschaften der Neurone in Verarbeitungsstufen (Trennung von Stratolithenorgan & Bogengangsorgan?)
o Zentralnervöse Verarbeitung vestibulärer Signale, Interaktion der vestibulären Areale mit den anderen Sinnessystemen & Motorik
· Welche cortikale Areale befassen sich mit Verarbeitung vestibulärer Informationen?
· Wechselartige Zusammenarbeit untereinander & Verbindungen zu welchen Arealen sensorischer & motorischer Verarbeitung?
Die Aufgaben des vestibulären Systems
· Sinnesorgane des vestibulären Systems liefern Informationen über
o Stellung des Kopfes im Raum
o Kopfdrehung
o Auf Körper wirkende Translations- & Rotationsbeschleunigung
o Nutzung der Schwerkraftrichtung als Informationsquelle für Lageorientierung
· Information aus Statolithenorgan & Bogengangsorgan nicht ausreichend für Lageorientierung, relative Lage des Kopfes zum Körperstamm
o Verbindung & Verrechnung vestibulärer, aus dem propriozeptiven & motorischen System stammenden Signale, zudem Info aus Wahrnehmungssystemen (visuell, auditativ)
· Zweifache Beziehung vestibuläres System & andere Sinnessysteme
o Andere Basissysteme hilfreich für Bestimmung der Lageorientierung
o Bezugssystem als gemeinsame Grundlage für Abstimmung zwischen anderen Wahrnehmungssystemen
· Funktion der Verbindung des vestibulären Systems zu anderen Wahrnehmungssystemen & Motorik:
o Stabilisierung der Wahrnehmung mit Bezug auf Raumkoordinaten
o Aufrechterhaltung des Körpergleichgewichts
o Steuerung der kompensatorischen Augenbewegung
Stabilisierung der Wahrnehmung in Bezug auf die Raumkoordinierung
· Orientierung aller auf dem Boden lebenden Tieren an Schwerkraft/Beschaffenheit des Bodens
· Räumliche Richtung (rechts-links, oben-unten, vorne-hinten) in Wahrnehmung immer vorhanden
· Visuellen, auditiven, propriozeptiven, taktsichen & haptischen Informationen in dieses gemeinsame Bezugssystem eingeordnet
Aufrechterhaltung des Körpergleichgewichts
· Leistung, das Gleichgewicht beim Stehen/Fortbewegen & Änderung der Körperstellungen zu halten
· Durch vielfache Verbindungen zwischen vestibulären Signalen & Motorik möglich
o Schon in Vestibularkernen mit somatosensorische Signalen verknüpft
o Weiterleitung an Stufen, auf denen Muskelreflexe zum Halten des Gleichgewichts ausgelöst werden
o Außerdem an Cortex für aktive Steuerung der motorischen Bewegung
Steuerung der kompensatorischen Augenbewegung
· Abstimmung von Augenbewegung & Kopfbewegung beim aktiven Hin- & Herblicken
· Sakkadische Augenbewegung: schnelle Augenbewegung, die Blick auf Objekt von Interesse ausrichten (Fixationspunkt)
o Schneller als Kopfbewegung, Augen müssen sich also langsam wieder zurückbewegen, wenn Kopfbewegung sich Fixationspunkt annähert
o Für Steuerung der kompensatorischen Augenbewegungen Information über Kopfbewegung durch vestibuläres System benötogt
Zuletzt geändertvor 2 Jahren