Negative Effekte psychotherapeutischer Interventionen
Am häufigsten berichtet wurden:
Negative Veränderungen der Gedanken- und Gefühlswelt
Partnerschaftsprobleme
Angst vor Stigmatisierung
Schwierigkeiten mit Versicherungen
Die Prävalenzraten von Nebenwirkungen liegen bei 1-22%.
Warum sollten Nebenwirkungen in der Psychotherapie berücksichtigt werden?
Patienten haben das Recht, vor Einleitung der Psychotherapie über Therapierisiken informiert zu werden
Die Erkenntnis von Therapierisiken ist erforderlich, um diesen entgegenwirken zu können
Risiken können eine Kontraindikation für eine Therapieform darstellen
Vereinbarung von Vorstellung der Psychotherapie mit tatsächlichem Therapiegeschehen hat günstige Auswirkungen auf die Abbruchraten und das Therapieergebnis
Unterschiedliche Sichtweisen in der Literatur über Nebenwirkungen: 1.
Nebenwirkungen von Psychotherapie werden mit Therapiemisserfolgen gleichgesetzt
Foa und Emmelkamp unterscheiden zwischen Misserfolgen im Vorfeld der Therapie (z.B. aufgrund mangelnden Zugangs), Therapieablehnern, Abbrüchen, Non-Respondern, Rückfällen und Verschlechterungen
Zustandsverschlechterungen - wenngleich kurzfristige und vorübergehende - bezeichnen sie als Nebenwirkungen im engeren Sinn
Diese Gleichsetzung von Nebenwirkungen mit Therapiemisserfolgen ist jedoch problematisch.
Unterschiedliche Sichtweisen in der Literatur über Nebenwirkungen: 2.
Nebenwirkungen werden mit Fehlanwendungen von Therapie gleichgesetzt
Wampold klassifiziert negative Therapieeffekte nach:
falschen Therapien (misapplied)
fehlerhaft angewandten Therapien, die sich durch mangelnde Fokussierung, Empathiemangel, Grenzverletzungen etc. auszeichnen (mistakes)
Ausbeutung und Missbrauch von Patienten (malpractice)
die Wiederholung problematischer Beziehungen aufgrund von nicht berücksichtigten bzw. nicht reparierbaren Brüchen in der therapeutischen Allianz (unrepaired).
Auch dieser Ansatz ist problematisch.
Ein weiteres Problem: Nebenwirkungen werden in der Literatur regelhaft auf den Krankheitsstatus eingeengt diskutiert
-> Worin können Nebenwirkungen auch sichtbar werden?
Nebenwirkungen können auch sichtbar werden in:
dem Aufbau von Fähigkeiten zur Lebensbewältigung
der Bewältigung akuter oder chronischer Lebensprobleme
der Besserung der sozialen Anpassung
-> Bei Nebenwirkungen von Psychotherapie handelt es sich also um ein multidimensionales Problem
Arten von Nebenwirkungen (!)
unerwünschte Ereignisse (unwanted events)
negative Therapiewirkungen (Treatment emergent reaction)
Nebenwirkungen
Kunstfehlerfolgen
Schädigungen durch unethisches Verhalten
therapeutische Risiken
Kontraindikationen
Unerwünschte Ereignisse (unwanted events):
körperliche oder psychische Symptome der Patient:Innen
negative Entwicklungen in der Partnerschaft, im Beruf oder im sonstigen Leben
Ereignisse, die aus Sicht des Patienten, des Behandlers oder der Umwelt vermieden werden sollen
Negative Therapiewirkungen (Treatment emergent reaction):
Alle unerwünschten Ereignisse, die in kausalem Zusammenhang zur Therapie stehen
Nebenwirkungen und Kunstfehlerfolgen
• Nebenwirkungen:
Negative Therapiefolgen, die bei korrekt durchgeführter Behandlung auftreten
• Kunstfehlerfolgen:
Negative Therapiefolgen, die nach unprofessionell ausgeübten Therapien auftreten
Therapeutische Risiken und Kontraindikationen
Therapeutische Risiken: Alle bekannten und absehbaren Nebenwirkungen
Über diese sind Patienten vorab zu informieren
Kontraindikationen: Rahmenbedingungen, die zur Entstehung ernsthafter negativer Therapiewirkungen führen
Es müssen vier Kriterien erfüllt sein, um von Nebenwirkungen einer Psychotherapie sprechen zu können.
Sie sind:
1. unerwünscht
2. in der Regel unvermeidlich, wenn nicht sogar intendiert
3. therapiebedingt
4. Folge einer ordnungsgemäß durchgeführten Psychotherapie
Arten von Therapeutischem Fehlverhalten
Unzureichende Aufklärung über Vorgehen und Kosten
Nicht fachkundige Durchführung der Psychotherapie
Ausnutzen des therapeutischen Machtgefälles
Missachtung des Abstinenzgebotes
Sexueller Missbrauch
Sonstiges Fehlverhalten
Mangelnde Aufklärung über Art der Behandlung, mögliche Risiken und Alternativen
Mangelnde Informationen über praktische Aspekte der Behandlung, z.B. Ausfallhonorare
Fehler bei der Behandlung und Diagnostik
Keine oder unregelmäßige Teilnahme an Fortbildungen und Supervisionen
Nicht hinreichende Kontrolle und Überwachung des Therapieverlaufes
-> Allerdings muss nicht zwangsläufig ein Behandlungsfehler vorliegen, wenn die Therapie nicht zu den angestrebten Verbesserungen führt.
Eingehen einer privaten Beziehung zu den Patient:Innen, um daraus persönliche oder wirtschaftliche Vorteile zu ziehen oder Ausnutzen des therapeutischen Machtgefälles
Mit Patient:Innen private Unternehmungen machen, in einem Geschäftsverhältnis stehen oder sexuelle Angebote machen bzw. Handlungen durchführen
Fehlendes Aufzeigen der Grenzen der therapeutischen Beziehung
-> Das Abstinenzgebot gilt auch für Angehörige der Patient:Innen und über mindestens 1 Jahr über das Ende der Behandlung hinaus!
Sexueller Missbrauch in der Psychotherapie
Prävalenz: < 1%
Sexueller Missbrauch mehrheitlich in der Konstellation Therapeut-Patientin
Die Beschwerden, derentwegen die Behandlung aufgenommen wurde, können sich verstärken und zusätzlich kommen neue hinzu, z.B. Angstzustände, psychosomatische Beschwerden, Beziehungsstörungen
Nicht-Einhaltung der Schweigepflicht
Verweigerung der Einsicht in Behandlungsunterlagen
Wiederholte Störungen während der Therapiesitzungen
Unrealistische Hoffnungen auf Besserung machen
Patient:Innen und deren Angehörige nicht respektvoll behandeln
Ohne Einverständnis der Patient:Innen Therapiesitzungen aufzeichnen
Mögliche Nebenwirkungen eines umfangreichen diagnostischen Vorgehens
Überraschung, dass dieser Bereich Teil der Diagnostik ist
Schwierigkeiten, die Bedeutung dieser Rückmeldung einzuschätzen
Unmittelbar negative Folgen für die Patient:Innen, Sorgen
Langfristige negative Konsequenzen sind möglich
Wodurch wird eine angemessene Diagnostik bestimmt?
Entscheidend ist das Spannungsfeld zwischen dem Auftrag der Patient:innen und den Erfordernissen für eine Behandlung
Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechtes und des Rechtes auf Nicht-wissen der Patient:Innen
Diagnostik soll zielgerichtet sein und bedarf der Einwilligung der Patient:Innen
Gefahren der aktuellen diagnostischen Praxis
Soziale Konsequenzen
Angemessenheit von Lebenszeitdiagnosen
Selbststigmatisierung und Hilfesuchverhalten
Stigma-Coping
"Why-try-Effekt"
Rechtliche Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie
Private Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherung
Umfangreicher Fragenkatalog zur „gesundheitlichen Vergangenheit“
Angeben von psychischen Erkrankungen oder Behandlungen aus den letzten 3, 5 oder 10 Jahren
Werden aktuelle oder vergangene psychische Erkrankungen oder Psychotherapie deklariert, so können die folgenden Nachteile für den Versicherten auftreten:
entsprechende Leistungen der Versicherung werden vertraglich ausgeschlossen
Zuschläge zum Versicherungsbeitrag werden vereinbart
es wird überhaupt kein Vertrag angeboten
Karriere
Psychische Probleme von Arbeitskolleg:Innen gehören in Firmen zu den gern diskutierten Themen
Wenn bekannt ist, dass ein Mitarbeiter psychische Probleme hat, werden ihm vielleicht nicht mehr verantwortungsvolle Aufgaben zugetraut
Psychotherapie kann auch die Arbeitszeiten beeinträchtigen
Die Anonymität der Patient:Innen sollte aufrechterhalten werden
Ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist wichtig
Verbeamtung
Vor der Verbeamtung wird der Beamtenanwärter durch einen Amtsarzt klinisch untersucht und befragt
Kleinere Dinge, etwa eine Therapie zur Bewältigung von Prüfungsangst oder Trauerverarbeitung, eventuell „verziehen“
Schwerwiegendere psychische Störungen wie Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen können aber die (Lebenszeit-)Verbeamtung verhindern
Zivilrechtlich ärztliche Haftung für Behandlungsfehler
Die zivilrechtliche Haftung basiert auf folgenden Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):
▶ § 280 Abs. 1 BGB ist die Anspruchsgrundlage bei Verletzungvertraglicher (Neben-)Pflichten des Behandlungsvertrags (§§ 630a-h BGB),
▶ §§ 823 ff . BGB sind die Anspruchsgrundlagen für die deliktische Haftung
Eine fehlerhafte Behandlung kann kausal zu einem Primärschaden führen
Häufig werden auch weitere Schäden, sekundäre Schäden verursacht, z.B. Verdienstausfall, Pflegekosten oder erhöhte Haushaltsführungskosten
Behandlungsfehler: Fehler, die in einem Tun wie auch in einem Unterlassen liegen können
Diagnosefehler: sind im Grundsatz als Verletzung der Behandlungspflichten anzusehen
Therapiefehler: Fehler, die sich aus der konkreten Sorgfaltspflicht- verletzung im Rahmen einer bestimmten Therapie ergeben
Die Pflichtwidrigkeit bzw. die Rechtswidrigkeit wird dabei indiziert, wenn keine Rechtfertigungsgründe für das Handeln des Psychotherapeuten vorhanden sind (nicht indiziert bei Handeln unter Einwilligung des Patienten, aus Notwehr, Nothilfe oder Notstand)
Bei Schäden, die durch eine pflicht- bzw. rechtswidrige, schuldhafte falsche Behandlung entstanden sind, haben Patient:Innen Recht auf Schadensersatz, z.B. in Form von Zahlung eines Schmerzengeldes.
Besonderheiten der therapeutischen Haftung
Somatische Ursachen abklären
Indikation, Diagnose und eigene Fachkompetenz kritisch hinterfragen
Besondere Sorgfaltspflichten bestehen bei Diagnose und Prognose einer suizidalen Gefährdung der Patient:Innen
Akteneinsichtsrecht der Patient:Innen
Kennzeichnung von Mutmaßungen über die Patient:Innen oder über Dritte
Zuletzt geändertvor 2 Jahren