Lernziele
- Symptome
- Epidemiologie/Verlauf
- Ätiologie (Biologische Modelle/Psychologische Theorien)
Angst
-> Bedeutung
-> Woher haben Menschen Angst
• „angust“ (althochdeutsch)
• „angustiae“ (lat.) = Enge, Enge der Brust
• „angere“ (lat.) = zuschnüren, beklemmen
• Phobos: griechische Gottheit mit der besonderen Fähigkeit, Feinde zu erschrecken
• Pan: griechischer Gott, jagte anderen Angst ein
-> Formen der Angst
• Angst als Primäremotion:
○ affektiv-kognitive, verhaltensbezogene und physiologische Komponenten
• Dispositionelle Ängstlichkeit:
○ Zeitlich relativ stabiles Persönlichkeitsmerkmal
• Pathologische Angst:
○ Angstreaktionen gehen in Bezug auf Häufigkeit, Intensität und/oder Dauer über das hinaus, was durch den Grad der Gefährdung gerechtfertigt ist
○ ausgeprägtes Vermeidungsverhalten
○ Angst und/oder angstbedingtes Vermeidungsverhalten führt zu bedeutsamen Leiden und/oder Beeinträchtigungen
Einteilung der Angststörungen
• Spontane Angst:
○ Anfallsartig -> Panikstörung
○ Durchgehend -> Generalisierte Angststörung
• Objekt- und situationsgebundene Angst:
○ Phobien
Angststörungen DSM-5
• Zwangsstörungen und PTBS werden nicht mehr unter Angststörungen gefasst, sondern in eigenen Kapiteln
• Zwangsstörungen werden gemeinsam mit körperdysmorpher Störung, Trichotillomanie, pathologischen Horten und Dermatillomanie in einem neuen Kapitel aufgeführt (Zwangsstörung und verwandte Störungen)
• Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird gemeinsam mit Akuter Belastungsstörung, reaktiver Bindungsstörung, Beziehungsstörung mit Enthemmung und Anpassungsstörungen in einem neuen Kapitel unter Trauma- and belastungsbezogene Störungen aufgeführt
Spezifische Phobien
= Angsterkrankungen, bei denen Betroffene unter extremer Furcht vor bestimmten Objekten oder Situationen leiden
• Dauerhafte, unangemessene und intensive Furcht und/ oder Vermeidung spezifischer Objekte oder Situationen
• Deutliche emotionale Belastung durch Symptome oder Vermeidungsverhalten
• Einsicht, dass die Symptome und das Vermeidungsverhalten übertrieben und unvernünftig sind
• Die Symptome sind auf die gefürchtete Situation oder Gedanken an diese beschränkt
-> deutliche Häufungen in Bezug auf bestimmte Klassen von Situationen und Objekten
-> Frage in der Klausur: Welche Typen gibt es ?
• Tiertypus
○ Bspw. Angst vor Spinnen, Schlangen oder Insekten
○ Oft werden besonders die abrupten Bewegungen der Tiere gefürchtet
• Umwelttypus
○ Angst vor Naturereignissen wie Gewitter oder Wasser
• Situationstypus
○ Furcht vor bestimmten Situationen wie Menschenmengen oder engen Räumen
○ z.T. Überschneidung mit Panikstörung mit Agoraphobie
• Blut-, Spritzen- und Verletzungstypus
○ Ausgeprägte Angst vor Arztbesuchen oder Spritzen
○ Besonders relevant ist dieser Typus, da z.T. wichtige Untersuchungen bzw. Behandlungen nicht wahrgenommen werden
○ Besonderheit: bis zu 75% der Betroffenen fallen in entsprechenden Situationen in Ohnmacht
• Anderer Typus
○ Sonstige Kategorien (Ersticken, Infektionen etc.)
Spezifische Phobien DSM-5
• A. Ausgeprägte Furcht oder Angst vor einem spezifischen Objekt oder einer spezifischen Situation
• B. Das phobische Objekt oder die phobische Situation ruft fast immer eine unmittelbare Angstreaktion hervor
• C. Das phobische Objekt oder die phobische Situation wird aktiv vermieden bzw . nur unter starker Angst ertragen
• D. Angst geht über das Ausmaß der tatsächlichen Gefahr durch das spezifische Objekt oder die spezifische Situation hinaus und ist im soziokulturellen Kontext unverhältnismäßig
• E. Angst oder Vermeidung ist anhaltend, typischerweise über 6 Monate oder länger
• F. Die Furcht, Angst oder Vermeidung verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
• G. Das Störungsbild kann nicht besser durch die Symptome einer anderen psychischen Störung erklärt werden.
Beachte: Kriterium, dass Betroffene erkennen müssen, dass die Ängste übertrieben oder unbegründet sind, wurde gestrichen.
Bestimme, ob: Tier Typ (z. B. Spinnen, Insekten, Hunde), Umwelt Typ (z. B. Höhen, Stürme, Wasser), Blut-Spritzen- und Verletzungstyp (z. B. Injektionsnadeln, invasive medizinische Verfahren), Situativer Typ (z. B. Flugzeuge, Fahrstühle, enge, geschlossene Räume), Anderer Typ (z. B. Situationen, die zu Ersticken oder Erbrechen führen könnten; bei Kindern z. B. laute Geräusche oder kostümierte Figuren)
-> Lebenszeit-Prävalenz
-> Einjahresprävalenz
-> Geschlechterverteilung
• Lebenszeit-Prävalenz 15%
• Einjahresprävalenz 7-9% (Raten abhängig von Definition des Schweregrades)
• Frauen doppelt so häufig betroffen als Männer
• Frauenanteil abhängig vom Typus:
○ bei Tier- und naturbezogener Phobie 75-90%,
○ bei Höhenphobie 55-70%,
○ bei situationsbezogener Phobie 75-90%,
○ bei Blut- bzw. Injektionsphobie 55-70%
-> häufig sind klinisch relevante Phobien auch allgemeine Dinge, die auch bei anderen eine Furcht auslösen
-> Komobidität
-> Onset abhängig vom Typus: situationsbezogene Phobie in Kindheit sowie Mitte der 20er Lj. (zweigipflige Verteilung), andere Typen meist in der Kindheit
Komorbidität:
-> häufig mit anderen Angststörungen, v.a. Panikstörung mit Agoraphobie/ sozialer Phobie; z.T. auch gemeinsames Auftreten mit PTBS, Zwangsstörung, affektiven Störungen, Sucht, Persönlichkeitsstörungen
-> oft gehen Menschen nicht nur wegen einer spezifisichen Phobie zur Therapie (sondern noch wegen anderen Erkrankungen)
-> Klassische Konditionierung
Klassische Konditionierung
-> kleiner Albert
-> hast jetzt Angst vor Ratten (obwohl diese erst nur neutral waren)
-> neutraler Stimulus wurde zum konditionierten Stimulus und löst eine konditionierte Reaktion aus (Angst)
-> Ängste sind erlernt
-> Zwei-Faktoren-Theorie (Mowrer, 1939)
-> neutrale Reize werden im Rahmen der klassischen Konditionierung mit Angst assoziiert
-> das führt zu einer Vermeidungsreaktion
-> Vermeidung führt über operante Konditionierung (negative Verstärkungsprozesse) dazu, dass die Vermeidung verstärkt wird
-> man vermeidet etwas -> man bekommt keine Angst mehr -> Belohnung/Verstärkung -> man vermeidet etwas weiter)
-> Three-Pathway-Modell und Erweiterungen (Rachman, 1977)
-> 3 Wege des Angsterwerbs:
• klassische bzw. operante Konditionierung
• Modelllernen
• Instruktionslernen (z. B. Ängste oder Warnungen der Eltern) / Semantisches Lernen (z.B. Berichte über Flugzeugabstürze)
• Vielleicht haben Betroffene auch nie Situationen erlebt, in denen sie ihre Angst bewältigen mussten und es ihnen gelang (dann würde die Angst durch die erfolgreiche Bewältigung weniger werden)
-> Vulnerabilitäts-Stress-Modell
○ Angeborene Prädisposition bzgl. Entwicklung von Angsterkrankungen (Familienstudien)
○ Temperamentsbezogene Risikofaktoren
○ Umweltbezogene Risikofaktoren
○ -> Wechselwirkung zwischen Prädisposition und Stresslevel kann zur Entstehung von Angsterkrankungen beitragen
-> Genetik
-> es gibt einen genetischen Einfluss für Angsterkrankungen
-> muss aber nicht die gleiche Angststörung sein
-> könnte durch Modellernen erklärt werden
-> Verhaltensinhibition ist ein starkes Risiko für die Angsterkrankung (nicht so stark bei spezifischen Phobien, bei anderen Phobien aber sehr stark)
-> um einen Faktor um 1,5 verstärkt
-> Wenn man die Entstehung von Ängsten durch Modellernen ausschließt, haben dann die Nachkommen trotzdem ein erhöhtes Risiko für Angsterkrankungen?
-> Können Kinder die Angstreaktion wieder verlernen?
-> nicht klausurrelevant
-> 3 Gruppen von Mäusen (2 Nachfolgegenerationen)
-> Eltern wurden klassisch konditioniert auf Gerüche
-> Wie reagieren die Kinder auf die Gerüche?
-> Reaktion der Kinder war anders
-> Kinder und Enkelkinder hatten auch Angst vor den Gerüchen
-> Sinneszellen im Gehirn für die Gerüche sind auch gewachsen
-> biologisch vermittelter Lernprozess (nicht sozial vermittelt)
Können Kinder die Angstreaktion wieder verlernen?
-> Ja, wenn Eltern die Angst auch wieder loswerden (also vor der Geburt der Kinder)
-> erfolgreiche Behandlung der Eltern hat auch einen Effekt auf die Nachkommen
-> Angst im Gehirn
-> Bedrohungskognition bei Phobikern stark ausgeprägt
-> Phobiker sind nicht davon überzeugt, dass ihnen nichts passiert
-> denken nicht, dass ihre Reaktion übersteigert ist
Therapie
Besonders aber ängstigte mich ein Schwindel, der mich jedes Mal befiel, wenn ich von der Höhe herunterblickte.... Ich erstieg ganz allein den höchsten Gipfel des Münsterturms und saß in dem sogenannten Hals, wohl eine Viertelstunde lang, bis ich es wagte, wieder heraus in die freie Luft zu treten, wo man auf einer Platte, die kaum eine Elle im Gevierte haben wird, ohne sich sonderlich anhalten zu können, stehend das unendliche Land vor sich sieht.... Dergleichen Angst und Qual wiederholte ich so oft, bis der Eindruck mir ganz gleichgültig war ... Goethe, 1811 -> hat Höhenagst überwunden, indem er oft auf dem Münster Dom geklettert ist und sich so an die Höhe gewöhnt hat
S3 Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen (Bandelow et al., 2014)
-> Behandlungsempfehlung
Behandlungsempfehlung: Konfrontationsverfahren
-> Unterschiede im konkreten Vorgehen bzgl. massiert oder graduiert bzw. in vivo (in der Realität) oder in sensu (in der Vorstellung)
Wenn möglich: massiert und in vivo!
-> 77 - 90% der Konfrontationstherapie sind effektiv
-> je kürzer die Therapie , desto besser
-> Expositionstherpaie (in VR)
-> Filmclips
-> Optogenetik
-> positive Filmclips (z.B. von Spiderman) zeigen zwischen Bildern der Phobie
-> Nervenzellen vom Gehirn manipulieren
-> Mäuse wurden trainiert, eine Umgebung zu fürchten
-> Nervenzellen, die für die Angst verantwortlich waren, wurden sichtbar gemacht und dann mit einem bestimmten Lichtstrahl beleuchtet
-> Aktivität der Nervenzellen wurde reduziert
-> Mäuse zeigten keine Angstreaktion mehr
Zuletzt geändertvor 2 Jahren