Lernziele
- Symptome
- Epidemiologie/Verlauf
- Ätiologie (Biologische Modelle/Psychologische Theorien)
Was ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und was ist Trauma?
• Folgereaktion auf traumatisches Ereignis, das von Person selbst erlebt oder an fremder Person beobachtet wurde
• Oftmals:
○ Erleben von Gefühl der Hilflosigkeit
○ Erschütterung des Selbst- u. Weltverständnisses
Trauma
• belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (WHO)
• Merkmale:
○ Plötzliches und unerwartetes Auftreten
○ Entsetzen (emotionale und kognitive Reaktionen)
○ Subjektiv erlebter Kontrollverlust
○ Infragestellung des bisherigen Wertesystems
• Störungsbilder in Folge einer Traumatisierung
○ Akute Belastungsstörung
○ Anpassungsstörung
○ Anhaltende Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung
○ Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Typ I und Typ II Trauma
-> Verursachung unterscheidet man in Unfall oder durch andere Menschen
-> akzidentell ist demnach zufällig und interpersonell nicht
• „Einfache“ PTBS (Typ-I-Trauma): (einmaliges Trauma) im Erwachsenenalter
• „Komplexe“ PTBS (Typ-II-Trauma): infolge schwerer, anhaltender Traumatisierungen (z.B. Misshandlungen oder sexueller Missbrauch, physische und/oder emotionale Vernachlässigung in der Kindheit, existenzbedrohende Lebensereignisse)
Symptome (ICD10)
• Intrusionen („Wiedererleben“ des Traumas durch Flashbacks, Bilder, Alpträume)
• Erinnerungslücken
• Vermeidung traumaassoziierter Reize
• Emotionale Taubheit („numbing“)
• Erhöhtes psychophysiologisches Erregungsniveau (“Hyperarousal“)
Angststörungen DSM-5
• Zwangstörungen und PTBS werden nicht mehr unter Angststörungen gefasst, sondern in eigenen Kapiteln
• Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wird gemeinsam mit Akuter Belastungsstörung, reak1ver Bindungsstörung, Beziehungsstörung mit Enthemmung und Anpassungsstörungen in einem neuen Kapitel unter Trauma- and belastungsbezogene Störungen aufgeführt
Diagnostik
• Ausführliche standardisierte Erfassung der PTBS-Symptomatik (z.B. SKID, DIPS, CAPS, IES)
• Klärung inwieweit diese durch traumatisches Ereignis ausgelöst wurden
• Differentialdiagnostisch: Abgrenzung von
○ Andauernder Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung
○ Angststörungen
○ Affektiven Störungen
○ Akuten Belastungsreaktionen (ICD-10: vorübergehende Reaktion eines psychisch gesunden Menschen auf außergewöhnliche Belastung; Symptome treten unmittelbar infolge des Ereignisses auf und gehen innerhalb von Tagen oder Stunden zurück)
Epidemiologie
• Lebenszeitprävalenz: 1% - 7%
• Frauen etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer (10.4% vs. 5%)
• PTBS-Häufigkeit ist abhängig von Art des Traumas
○ Häufigste Auslöser: physische Angriffe, v.a. sexueller Art (Prävalenzraten von ca. 50%)
○ Deutlich seltener: Verkehrsunfallopfer, schwere Organerkrankungen (Prävalenzrate ca. 10%)
• Im Mittel entwickeln ca. 25% aller mit traumatischem Ereignis konfrontierten Personen eine PTBS
Verlauf
PTBS mit spätem Beginn:
▪ 17% bei Kriegsveteranen (1-20 Jahre später) (Horesh et al., 2011)
▪ 10% neue PTBS bei Holocaust- Überlebenden 50- 60 Jahre nach Trauma (Yehuda et al., 2009)
▪ 38% bei Kriegstraumata (Andrews et al., 2007)
▪ 15% bei zivilen Traumata (> 6 Monate nach Trauma) (Andrews et al., 2007)
▪ Negative Lebensereignisse, Depression und Alkoholmissbrauch gehen PTBS zeitlich voraus (Horesh et al., 2011)
Zeit zwischen Trauma und PTBS:
▪ sehr selten ohne PTBS- spezifische Symptome
▪ Häufig ausgelöst durch Stressoren
▪ Verlauf: bei ~ 30% unbehandelt völlige Remission innerhalb des ersten Jahres nach dem Trauma; bei etwa 50% chronischer Verlauf; Risiko für chronischen Verlauf umso höher, je schwerer die anfänglichen Symptome
▪ Prädisponierende Faktoren: geringe soziale Unterstützung, Familienanamnese einer psychischen Störung, nega1ve Kindheitserfahrungen, vorbestehende psychische Störungen, Persönlichkeitsvariablen
▪ Komorbidität: am häufigsten depressive Störungen und Substanzmissbrauch; Angststörungen in ~ 50% erst nach der PTBS; nach Beginn der PTBS erhöhtes Risiko für somatoforme Symptome
Ätiologie
-> Gehirn
-> Hippocampus reagiert sehr sensibel auf Stress
-> starke Amygdala-Aktivität
-> Amygdala-Aktivität ist bei Soldaten nach einem Kriegseinsatz erhöht
-> und die Beruhigung der Amygdala funktioniert nicht mehr so schnell wie vorher
• Verstärkte Amygdala-Reaktivität (erhöhtes Angstlernen)
• Präfrontales Defizit (verminderte Hemmung/ Löschung der Amygdala)
• Defizit der Hippocampusfunktion -> vermindertes explizites und Kontext-Lernen
-> dadurch fehlt die Differenzierung zwischen "hier ist es sicher" und "hier ist es nicht sicher"
-> Dysfunktionale Kognitionen
Dysfunktionale Kognitionen: Trauma erschüttert grundlegende kognitive Schemata und verändert sie in dysfunktionaler Weise
-> Vorher: Die Welt ist sicher und ich habe die Kontrolle über viele Dinge
-> Nachher: Die Welt ist gänzlich unsicher, das Böse kann jederzeit geschehen
Beispiele für typische dysfunktionale Kognitionen bei PTBS:
-> Verändertes Traumagedächtnis (Ehlers & Clark, 2000)
Verändertes Traumagedächtnis (Ehlers & Clark, 2000):
• Information kann im Zustand hoher autonomer Erregung wenig effektiv verarbeitet werden – die entsprechenden Gedächtnisnetzwerke sind desorganisiert
• Besonderheiten des Traumagedächtnisses:
○ Schwierigkeiten, willentlich vollständig zu erinnern (bruchstückhaft, ungeordnet, fehlende Details und Reihenfolge)
○ häufiges ungewolltes Wiedererleben (vornehmlich sensorische Eindrücke; Erleben, als würde es gerade geschehen; vielfältige Auslöser)
Aufrechterhaltende Faktoren:
• Vermeidender Bewältigungsstil
• Kognitive Veränderungen
• Sekundäre oder andauernde Stressoren wie
○ Verlust von Angehörigen / Freunden / sozialem Netz
○ Schmerzhafte medizinische Behandlungen
○ Körperliche Entstellungen
○ Umzug, Verlust vertrauter Umgebung
○ Belastende juristische Auseinandersetzungen
Persönliche Reifung: Betroffene wollen erlebte Erfahrungen und Einsichten für weiteres Leben nicht mehr missen
-> Dimensionen eines Reifungs- oder Wachstumsprozesses (Zoellner und Maercker, 2006):
• Beziehungen zu anderen (z. B. tieferes Verbundenheitsgefühl)
• Wertschätzung des Lebens (z. B. andere Prioritätensetzung)
• neue Möglichkeiten (z. B. stärkerer Veränderungswille)
• persönliche Stärken (z. B. Entwicklung eigener Bewältigungsmöglichkeiten)
• religiös-spirituelle Veränderungen (z. B. stärkerer Glaube)
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Vorgehen nach Massentrauma
• basale Bedürfnisse: Erste Hilfe, Sicherung, Essen
• tröstender menschlicher Kontakt, Beruhigung, Unterstützung
• Weiterreichen verfügbarer gesicherter Informationen
• Beratung, Training, technische Unterstützung von Organisationen, Hilfeleistenden
• Beurteilung von Bedarf/Bedürfnissen und Ressourcen
• Triage für Personen mit unkontrollierbaren Reaktionen
• Monitoring von Sicherheitszone und Erholungsumgebung
• Beobachtung und Nachkontrolle der Überlebenden, notwendige Triage
• nachgehende Betreuung, Sicherstellung des Informationsflusses
• Stärkung von Familie/Gemeinde in Widerstand und Erholung
• keine zusätzliche Schädigung: niedriges Niveau an Interferenzen, hohe Wahlmöglichkeiten
Debriefing zur Prävention von PTBS
-> unspezifische Gespräche mit den Betroffenen führen
-> stimmt jedoch nicht
-> lieber die Betroffenen beobachten und abwarten
Therapie
Indikatoren für ernsthafte psychologische Reaktionen nach einem Akuttrauma:
• anhaltender Disstress ohne Perioden von relativer Beruhigung
• schwere dissoziative Symptome trotz Rückkehr in gesicherten Raum
• intensive Traumaintrusionen, die angstvoll vermieden und als Qual erlebt werden
• extremer sozialer Rückzug
• unfähig über das Trauma nachzudenken, lediglich unwillkürliches emotionales Wiedererleben
• unkontrollierbare Angst, Ärger, pathologische Trauer
• ausgeprägte Schlafstörungen, Appetitverlust, Selbstvernachlässigung
• extreme kognitive Einbußen (Verwirrtheit, Konzentrationsstörungen, Urteilsstörung, Entscheidungsunfähigkeit, überwältigende Gefühle von Hilflosigkeit)
-> S3 Leitlinie zur Behandlung von PTBS
• dosierte Konfrontation mit dem auslösenden Ereignis mit dem Ziel der Durcharbeitung und Integration unter geschützten therapeutischen Bedingungen
• Voraussetzung: Ausreichende Stabilität, kein Täterkontakt mit Traumatisierungsrisiko
• Bearbeitung traumatisch fixierter Erinnerungen und sensorischer Fragmente ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung
• Mangelnde Affektoleranz, akuter Substanzkonsum, instabile psychosoziale und körperliche Situation, komorbide dissoziative Störung, unkontrolliert autoaggressives Verhalten sind als relative Kontraindikation zur Traumakonfrontation anzusehen
• Akute Psychose, schwerwiegende Störungen der Verhaltenskontrolle und akute Suizidalität sind als absolute Kontraindikation für ein traumabearbeitendes Vorgehen zu werten
-> Medikamente
-> Tetris
-> Drogen wie MDMA
-> Expositionstherapie in VR
-> TMS
-> Medikament Propranolol blockiert Noradrenalin
-> traumatische Erinnerungen werden dann überschrieben
-> Tetris spielen führt zu weniger Intrusionen
-> Erinnerungen werden durch Ablenkung gestört und wird nicht gefestigt
-> MDMA oder Exstacy geben
-> dann Psychotherapiesitzung
-> enorm wirksam, wird bald auch offiziell als Behandlungsmethode möglich sein
-> Reaktivierung der Erinnerungen lösen dann keine Angst mehr aus
-> Therapie: EMDR (Shapiro, 1995)
-> Wirksamkeit Psychotherapeutische Behandlungen
Therapie: EMDR (Shapiro, 1995)
• EMDR (= Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
• In sensu-Exposition des Traumas, bei der systematische sakkadische Augenbewegungen produziert sowie begleitende Aussagen zur Bewältigung gemacht werden
• traumatische Erinnerung wird reaktiviert und in Zustand temporärer Instabilität überführt; durch parallele Erhöhung der Arbeitsgedächtnislast (Augenbewegungen) erfolgt verminderte Wiederverarbeitung und Elaboration der betreffenden Gedächtnisspur (vgl. auch Rekonsolidierungstheorie)
• Fokus und Wichtig ist hier einfach die doppelte Aufgabenbelastung, wodurch Betroffene von ihren Erinnerungen abgelenkt werden
• Wirksamkeitsbelege in diversen Studien
Wirksamkeit Psychotherapeutische Behandlungen:
• Nach einer bis zum Ende durchgeführten Behandlung erfüllen 67% der Pat. nicht mehr Kriterien für PTBS (Bradley et al., 2005)
• Gute Wirksamkeitsbelege für
○ Expositionsverfahren (d=1.57)
○ KVT (d=1.65)
○ EMDR (d=1.43)
Pharmakotherapie
Pharmakotherapie:
• nicht als alleinige Therapie der PTBS einsetzen
• Können als zusätzliche Therapie bei PTBS aber wirksam u. für Unterstützung der Symptomkontrolle (kurzfristig) indiziert sein
• 60% Responserate, 30 % Remissionsrate; Effekt wird nur bei kontinuierlicher Gabe beibehalten; Nebenwirkungen (sexuelle Funktionsstörungen, Gewichtszunahme) (Cukor et al. 2010)
Zuletzt geändertvor 2 Jahren