Was ist ein Interview?
Definition:
Das Interview ist das in der praktischen Arbeit von Psychologinnen und Psychologen am häufigsten eingesetzte Instrument zur Datenerhebung
=> Diagnostische Routinetätigkeit
Ziel:
Erhebung von Informationen mittels Gespräch
Beispiele:
Feststellung der Eignung/Passung von BewerberInnen (Vorstellungs- bzw. Eignungsgespräch)
Was ist ein diagnostisches Interview?
„Diagnostisches Interview ist der Oberbegriff für alle Methoden zur Erhebung diagnostisch relevanter Informationen mittels Gespräch. Mit Begriffen wie Anamnese, Exploration, Einstellungsgespräch oder Auswahlgespräch kann der Verwendungszweck oder die Zielsetzung eines diagnostischen Interviews näher bestimmt werden. Diagnostische Interviews unterscheiden sich durch den Grad ihrer Standardisierung.“
Was sind die Vorteile von Diagnostischen Interviews?
Flexibilität
Direkte und gegenseitige Interaktion
Informationserhebung über Tests hinaus
Beziehungsaufbau möglich
Differenzierte Erfassung der Erlebenswelt des Befragten
Hohe Akzeptanz bei Befragten
Was ist ein unstandardisiertes Interview?
Keine festgelegten Fragen und Antwortskalen -> maximale Freiheit des Interviewers in Durchführung und Auswertung
Vorteile:
Ermöglicht Herausarbeitung einer Fragestellung (z.B. im Erstgespräch)
Möglichkeit zum direkten persönlichen Austausch
Hohe Akzeptanz bei Interviewten
Nachteile:
Eingeschränkte Durchführungs- und Auswertungsobjektivität
Starker Interviewereinfluss auf Inhalte und Bewertung
Urteilsfehler
Eigendynamik des Gesprächsverlaufs, schlechte Vergleichbarkeit
Durch geringe Objektivität auch ein- geschränkte Reliabilität und Validität
Was ist ein standardisiertes Interview?
Vorgabe von Inhalt (ggf. auch Wortlaut) und Zeitpunkt der Fragen
Evtl. auch detaillierte Vorgabe der Antwortalternativen (ähnelt Fragebogen)
hohe Vergleichbarkeit der Ergebnisse
weitgehende Unabhängigkeit vom Interviewer (Objektivität)
Keine oder geringe Flexibilität
Bewerber bzw. Patienten fühlen sich evtl. nicht ernst genommen
Ggf. muss Interview erstellt werden -> hoher Zeitaufwand
Was ist ein halbstandardisertes Interview?
Versuch, die Nachteile von standardisierten und unstandardisierten Interviews zu vermeiden und ihre Vorteile zu kombinieren
LeitfadenbasierteInterviews
Anzusprechende Themen werden festgelegt - Inhalte stehen fest mit eher offenen und indirekten Fragetypen
Genaue Formulierung und Reihenfolge der Fragen wird dem Interviewer überlassen
Flexibilität durch sich ergebende ergänzende Fragen
(Geringere Vergleichbarkeit der erhobenen Informationen als bei standardisierten Interviews)
Was ist der Nutzen des Interviewleitfadens?
Entlastung für den Interviewer während des Interviews
Überblick behalten (z. B. welche Fragen noch offen?)
Geklärte Fragen abhaken
Fragen bereits grob vorformuliert
Kapazität für Verhaltensbeobachtungen
Erleichtert die Auswertung des Interviews
Vorlage für Notizen während des Interviews
Evtl. direkte Verwertung der Antworten (Ankreuzen)
Sinnvolle Struktur für den Bericht
Woran lässt sich die Güte strukturierter klinischer Interviews festmachen?
Objektivität und Reliabilität:
Durchführungs-und Auswertungsobjektivität steigt und fällt mit dem Grad der Standardisierung
Diagnostiker*innenübereinstimmung schwankt in Abhängigkeit der Störungen
Validität:
ist schwer zu beurteilen, da externe Kriterien fehlen
die Interviews gelten in der klinischen Praxis als die beste verfügbare Methode zur Diagnosefindung und stellen also das erste in Betracht kommende Kriterium dar
Expert*innenübereinstimmung auch als Konvergente Validität zu deuten
=> Am besten viele unabhängige Einschätzungen einholen!
Wozu dienen biografische und situative Fragen im Multimodalen Interview?
Biografiebezogene Fragen:
sind vergangenheitsbezogen
beziehen sich auf konkretes, beobachtbares (typisches) Verhalten
orientieren sich am potentiellen Erfahrungshintergrund der Kandidaten
erfassen Verhaltensweisen, die Rückschlüsse auf Eigenschaften erlauben, die für die Tätigkeit relevant sind
Bsp:
Situative Fragen:
sind zukunftsbezogen und möglichst realistisch
beziehen sich auf intendiertes/ hypothetisches Verhalten
sind nicht offensichtlich, d.h. sie erlauben verschiedene Verhaltensweisen, die mehr oder weniger geeignet sind
geben eine Vorschau auf zukünftige Anforderungen
FAZIT:
Das Diagnostische Interview
sehr beliebte diagnostische Methode (Vorteile: Flexibilität, Interaktion, Individualität...)
Diagnostische Qualität hängt vom Grad der Standardisierung/ Strukturierung ab
Einfluss irrelevanter Faktoren (wie Kleidungsstil, Händedruck, Impression Management) auf Entscheidung nimmt mit Standardisierung ab
Teilstrukturierte Interviews vereinen Anspruch an Flexibilität mit Anspruch an Objektivität, Reliabilität und Validität
Leitfäden entlasten Interviewer, erleichtern Auswertung und Berichtlegung und geben Raum für Verhaltensbeobachtungen während des Interviews
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