Lernziele
- Symptome
- Epidemiologie/Verlauf
- Diagnostik
- Ätiologie (Biologische Modelle/Psychologische Theorien)
- Behandlung (wenn thematisiert)
Verschiedene Begrifflichkeiten
Symptome (drei symptomcluster)
Diagnosekriterien Aufmerksamkeitsstörung
Diagnosekriterien Hyperaktivität
Diagnosekriterien Impulsivität
Klassifikation ICD 10 (wann welche Art)
Klassifikation DSM 5 (wann welche Art)
-> Diagnose ADHS gibt es nur im DSM 5 (nicht im ICD 10, später aber im ICD 11)
Die Symptome müssen …?
Problematische Situationen können sein
Problematische Situationen können sein:
Hausaufgaben
Spiel mit anderen
Mahlzeiten
Waschen/Baden
Aufträge erledigen
Zubettgehen
Eltern sind beschäftigt
Besuch kommt
Besuch bei anderen
In der Öffentlichkeit sein …
Hyperkinetische Störungen sind…?
Hyperkinetische Störungen sind:
… häufig
… stabil
… Risikofaktor für weitere Störungen
… herausfordernd zu behandeln
Ein ressourcenorientierter Blick
Diagnostik Ablauf
Prinzipen der Diagnostik
Was ist dort besonders wichtig
-> wichtig: Multimodal aufbauen (viele Quellen einbeziehen wie Eltern, Lehrer:innen, …)
Diagnostik - Fragebogen zu Stärken und Schwächen (Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ, Goddman, 1997)
25 Items (5 pro Subskala)
Für Eltern oder Lehrer*innen
Subskalen:
1. Emotionale Probleme
2. Hyperaktivität/Unaufmerksamkeit
3. Probleme mit Gleichaltrigen
4. Verhaltensauffälligkeiten
5. Prosoziales Verhalten
Typische zeignisausschnitte
Typische Zeugnistextausschnitte:
Er war oft unruhig, so dass viele kleine Fehler entstanden. Er erledigte seine schriftlichen Arbeiten zügig, aber nicht immer genau genug.
Sein Arbeitstempo war häufig zu gering, da er sich immer wieder ablenken ließ und seine Arbeitsmittel wenig sinnvoll einsetzte.
Häusliche Aufgaben erledigte er noch nicht immer zuverlässig.
Er überlegte tlw. nicht gründlich genug, bevor er Antworten gab.
Nicht immer wartet er auf eine Aufforderung zum Sprechen.
Er muss lernen, Meinungsverschiedenheiten ruhig auszutragen.
Er muss akzeptieren, dass sein Schwatzen seine Mitschüler vom Lernen abhält.
Hausaufgaben fertigte er oft nicht an und müsste sich grade hierbei bemühen, sorgfältiger und ordentlicher zu arbeiten.
Diagnostisches Interview
Diagnostisches Interview:
Ermöglicht sowohl dimensionale als auch kategoriale Diagnostik nach ICD-10 und DSM-5
Fremdbeurteilung: Kinder und Jugendliche von 4 - 18 Jahren
Selbstbeurteilung: 11 – 18 Jahren
Bestehend aus:
Diagnose-Checklisten
Interview-Leitfäden
Selbstbeurteilungsbögen
Fremdbeurteilungsbögen
-> das ist die altersgerechte Konzentrationsspanne
-> zum Vergleich für die Diagnose
Diagnostik - Neuropsychologische Auffälligkeiten: Beeinträchtigungen in 4 exekutiven Funktionen
Diagnostik - Neuropsychologische Auffälligkeiten: Beeinträchtigungen in 4 exekutiven Funktionen:
im (nonverbalen) Arbeitsgedächtnis (z.B. Antizipation von Verhaltenskonsequenzen und zeitliche Organisation von Verhalten)
in der Selbstregulation von Affekten, der Motivation und der Aufmerksamkeit
in der Internalisierung und Automation von Sprache (z.B. durch Selbstinstruktionen oder bei der Problemlösung)/ Analyse und Entwicklung von Handlungssequenzen
Ablehnung gegen Belohnungsverzögerung
Differentialgiagnostik
Differenzialdiagnostik
Altersgemäße Verhaltensweisen bei aktiven Kindern
Durch Medikamente oder neurologische Störungen bedingte Symptomatik
Hyperkinetische Symptome bei Intelligenzminderung
Hyperkinetische Symptome bei schulischer Überforderung/Unterforderung
Hyperkinetische Symptome als Folge chaotischer psychosozialer Bedingungen
Oppositionelle Verhaltensweisen
Psychomotorische Erregung und Konzentrationsstörungen bei affektiven Störungen und Angststörungen
Autismus-Spektrum-Störungen
Wird ADHS überdiagnostiziert?
Studie zu Diagnosegewohnheiten in Deutschland:
Psychologische und ärztliche Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen erhielten Fallvignetten mit voll ausgeprägtem oder nur teilweise erfülltem ADHS-Störungsbildern, jeweils in Variante “Leon” und “Lea”
Ergebnis I: Mehr falsch-positive als falsch-negative Fehldiagnosen (zu oft ADHS diagnostiziert)
Ergebnis II: Überdiagnose von ADHS v.a. bei Jungen („Leon“) mit nicht vollständig erfülltem Symptombild; dann auch deutlich häufiger medikamentöse Behandlung empfohlen -> Geschlecht Bias
Epidemiologie
Geschlechterverteilung
Häufigkeit
Mehr prävalenz?
In Deutschland werden die drei hyperkinetischen Kernsymptome im Urteil von Eltern bei 3 % bis 10 % aller Kinder im Alter von 4–10 Jahren als deutlich ausgeprägt eingeschätzt
Prävalenz (Kinder im Schulalter): 5 – 9.3 % (nach DSM-5) und 1 – 3.4% (nach ICD-10)
Prävalenzen vermindern sich mit ansteigendem Alter
Bei Jungen 2- bis 3-mal höhere Raten
International sind die Prävalenzraten vergleichbar
-> warum mehr Diagnosen bei Kindern (v.a. Jungen), die im Juli-Dezember geboren wurden
-> Zusammenhang zwischen Geburtsmonat und Schizophrenie wurde schon bewiesen
-> hier eher nicht der Fall
-> Studie aus der USA
-> Kinder werden alle aus den gleichen Jahr eingeschult
-> Kinder am Ende des Jahres sind noch enorm jünger
-> aktiver als ältere Kinder
Komorbidität
Im Kindes- und Jugendalter sind hyperkinetische Störungen ohne Komorbidität eher die Ausnahme!
Bei bis zu 2/3 aller Kinder werden komorbide Störungen diagnostiziert.
Oppositionelle Störung des Sozialverhaltens: bis zu 50%
Störung des Sozialverhaltens (ohne oppositionelle Verhaltensstörung): 30 – 50%
Affektive Störungen: 15 – 20%
Angststörungen: 20 – 25%
Lernstörungen : 10 – 25%
Tic- sowie Sprech- und Sprachstörungen werden ebenfalls gehäuft beobachtet
Geschlechtseffekte: Komorbide aggressive Verhaltensstörungen treten bei Jungen häufiger auf als bei Mädchen
Weitere komorbide Probleme und Belastungen
Wiederholen eine Schulklasse
schlechtere Schulnoten
geringere Leistungen in Sprach-, Lese-, Rechtschreib- und Rechentests
Beziehungen zu Eltern und Lehrer*innen sind häufig extrem belastet
Häufig sind Eltern-Kind- sowie die Lehrer*innen-Kind-Beziehungen durch ein hohes Maß an negativen, bestrafenden und kontrollierenden Interaktionen gekennzeichnet
Verlauf
Kindergarten und Vorschulalter
Grundschulalter
Jugendalter
Erwachsenenalter
Kindergarten- und Vorschulalter
Häufig Auffälligkeiten bereits im Alter von 3 Jahren (Überaktivität, geringe Aufmerksamkeitsspanne…)
Vorschul- zum Grundschulalter: relativ hohe Stabilität der Symptomatik -> die Kinder, bei denen Diagnose gestellt wird zeigten bereits mit 3 Jahren ausgeprägtere Hyperaktivität, Aufmerksamkeitsstörung und Aggressivität; auch Rückstände in der motorischen und sprachlichen Entwicklung sind häufig
Durch Schuleintritt steigern sich Probleme (Anforderungen Unterricht)
Leistungsprobleme treten auf
Probleme mit Gleichaltrigen treten auf
beginnende dissoziale Probleme (Lügen, Stehlen), Wutausbrüche
Stabilität der Störung: 60 – 70%
Meist Verminderung der Hyperaktivität
Entwicklung dissozialer Störungen des Sozialverhaltens bei ca. 40% § Klassenwiederholungen, Sonderbeschulungen, Schulverweise, Schulabbrüche -> häufig niedriger Schulabschluss
häufig noch beeinträchtigende Symptome
Häufig schlechtere soziale Einbindung, niedrigerer Beschäftigungsstatus, schlechteres psychisches Wohlbefinden
Höheres Risiko für Alkohol- und Drogenmissbrauch, Antisoziale Persönlichkeitsstörung
Einmal ADHS immer ADHS?
Risikofaktoren für ungünstigen Verlauf sind…?
Aber was kann helfen?
Risikofaktoren für ungünstigen Verlauf sind:
Geringe Intelligenz
Aggressives und oppositionelles Verhalten im Kindesalter
Schlechte Beziehungen zu Gleichaltrigen
Emotionale Instabilität
Psychische Störungen bei den Eltern
… ABER: langfristige multimodale Behandlung kann den Verlauf der Störung günstig beeinflussen
Ätiologie
Ätiologie Genetik
-> psychische Störung mit der stärksten genetischen Komponente
Vermutete verringerte Verfügbarkeit von Dopamin im Präfrontalkortex, dem anterioren cingulären Kortex, den Basalganglien und dem Cerebellum (Volkow et al., 2009)
Bislang keine konvergierenden Ergebnisse zu veränderten Volumina oder funktioneller Aktivität (Samea et al., 2019)
Therapie
Multimodal mit drei Ansätzen - Welche sind das?
Medikamentöse Therapie
Wann
Was
Wirkung
Nebenwirkungen
Medikamentöse Therapie: Wann und was?
Bei Kindern ab dem Schulalter
Bei stark ausgeprägter situationsübergreifender hyperaktiver Symptomatik mit krisenhafter Zuspitzung (z.B. weitere Beschulung ist bedroht oder zunehmende soziale Isolation)
Am häufigsten eingesetzt: Methylphenidat (Ritalin, Medikinet, Equasym, Concerta); auch andere Amphetamin-Derivate
kurzwirksame Medikamente: Wirkeintritt nach ca. 30 Min,. bis zu 3-4 Stunden
langwirksame Medikamente: Wirkung bis zu 10 Stunden
Wirkung bei gesicherter Diagnose bei etwa 70 – 75 % der Kinder -> ABER: erneutes Auftreten von Symptomen nach Absetzen
Wirkung auf Kernsymptomatik (nur bei kontinuierlicher Einnahme)
Verbesserung der Aufmerksamkeit
Reduktion der motorischen Unruhe
Verbesserung der Impulskontrolle
Medikation schafft häufig erst die Voraussetzungen, damit andere Therapieangebote angenommen werden können
Medikation allein wirkt nicht bedeutsam auf schulische Leistungen, soziale und interpersonelle Fähigkeiten und Eltern-Kind-Interaktionen
Langfristige Einnahme von Psychostimulantien führt verglichen mit nicht-pharmakologisch behandelten Kindern mit HKS NICHT
zur Reduktion von antisozialer oder krimineller Verhaltensauffälligkeiten
verringertem Substanzkonsum
langfristig besserem akademischen Ergebnissen (Schulabschlüsse, -leistungen)
Mögliche Nebenwirkungen treten häufig vorübergehend auf:
Appetitverlust, Gewichtsabnahme
Schlafstörungen
Kopf und Bauchschmerzen
Schwindelgefühl, Übelkeit, Herzrasen
Tic-Symptome
Wachstumsstörungen
Blutbildveränderungen
Verstimmungszustände
Veränderungen in der Persönlichkeit
Patientenzentrierte Verfahren
Spieltrainings
Selbstinstruktions- und Aufmerksamkeitstrainings
Selbstmanagementverfahren
Neurofeedback
Eltern- und familienzentrierte Verfahren
Eltern-Trainings / Eltern-Kind-Therapie
Kindergarten- und Schulzentrierte Interventionen
Psychoedukation für Lehrer*innen, Kind-Lehrer*innen-Interaktion
Verfahren mit Beispielen
Multimodale Therapie mit THOP
Therapie mit Neurofeedback
-> durch Konzentration wird das Flugzeug durch das Kind geleitet
-> Aktivität in speziellen Hirnarealen wird gestärkt
Wirkung multimodaler Behandlung
Wirksamkeit multimodaler Behandlung
Überlegenheit der multimodalen Therapie (Pharmakotherapie + Verhaltenstherapie und Interventionen in der Familie / Schule) gegenüber einer reinen Pharmakotherapie
Langzeitverlauf einer multimodalen Therapie (Kölner KAMT-Studie) zeigt:
1.5 Jahre nach Therapieende eine Stabilisierung der Effekte
8.5 Jahre nach Therapieende weitere Verminderung der Verhaltensprobleme
Zuletzt geändertvor 2 Jahren