Was ist klinische Kinder- und Jugendpsychologie?
Definition:
*▪ „Die Klinische Kinder- und Jugendpsychologie stellt jene Teildisziplin
der Psychologie dar, die sich mit
▪ psychischen Störungen,
▪ den psychosozialen Aspekten körperlicher Erkrankungen und
▪ Risikoverhaltensweisen im Entwicklungsverlauf von Kindern und Jugendlichen beschäftigt.“
Petermann, 2013
Schnittstelle zwischen Klinischer Psychologie und Entwicklungspsychologie
Warum ist Klinische KiJU-Psychologie relevant? (5)
1) Häufigkeit psychischer Störungen im KiJu-Alter: ▪ 13.4 % der Kinder und Jugendlichen weisen mindestens eine
psychische Störung auf (Punktprävalenz; Polanczyk et al., 2015)
2) Erstmanifestation psychischer Störungen häufig in Kindheit
und Jugend!
3) Chronizität: Störungen bleiben meistens bis ins
Erwachsenalter bestehen
4) Psychische Störungen im KiJu-Alter stellen Entwicklungsrisiko
für psychische Störungen im Erwachsenalter dar
5) Frühe Diagnostik und Interventionen können chronische
Verläufe verhindern (Prävention!)
Besonderheiten der klinischen KiJU-Psychologie (2)?
Was ist besonders wichtig zu wissen?
1) Alterspanne mit den größten Entwicklungsschritten
Entwicklungsabhängigkeit der Symptomatik
(Depressionen können sich sehr unterschiedlich zeigen je nach Alter z.B. 6 Jähriger oder 15 Jähriger)
Entwicklungsangepasstheit der Intervention
Zusätzliche Störungsbilder: ICD-10: F8 Entwicklungsstörung
2) Eltern und Umfeld
Besonders berücksichtigen für Diagnostik und Behandlung
-> Multiaxiale Diagnostik
-> Rechtliche Rahmenbedinungen bei Behandlung bedenken
Wichtig:
Kenntnis der normalen und abweichenden Entwicklung
(Entwicklungspathologie)
Was versteht man unter Entwicklungspathologie ?
Welche Beispiele für Entwicklungsaufgaben gibt es?
Beschäftigung mit Ätiologie/Pathogenese und Verlauf psychischer Störungen vom frühen Kindes-bis zum Erwachsenenalter
-> Vergleich mit “normaler” Entwicklung notwendig
Z.B. Konzept der Entwicklungsaufgaben
Beispiele für Entwicklungsaufgaben:
Kindergartenalter: Sprachentwicklung, Selbstständigkeit
Grundschulalter: Lesen/Schreiben/Rechnen - angemessenes Sozialverhalten
Jugendalter: Identitätsentwicklung, Ablösung von den Eltern
Entwicklungsaufgaben bauen aufeinander auf
Wodurch entstehen Entwicklungsaufgaben? (3)
1) Biologische Reifung
körperliche Entwicklung
(körperliche Erscheinung im Jugendalter)
2) Kultureller Druck
gesellschaftliche Erwartung
3) Individuelle Zielsetzung
Wünsche & Werte z.B. langfristige Hobbys
-> es entsteht häufig, ein Netz an möglichen Risikofaktoren in der Entwicklung
Was ist mit Prävention gemeint ?
Prävention im Kindes- und Jugendalter mit hohem Stellenwert
Hohe Prävalenz psychischer Störungen
Hohe Inzidenzraten (Vulnerabilität während Entwicklung)
Störungen in Entwicklungsphasen können enormen langfristigen Schaden anrichten
-> Intervention, bevor eine Störung entsteht !
Welche Präventions Formen nach Calpan gibt es? (3)
1) Primärprävention
Verhinderung der Entstehtung einer Störung
2) Sekundärprävention
möglichst frühe Diagnostik und Behandlung einer Störung
3) Tertiärprävention
Verhinderung einer Symptomverschlimmerung und sekundärer
Komorbidität
Was ist Komorbidität ?
Gleichzeitiges Vorkommen von zwei oder mehr verschiedenen Erkrankungen bei einer Patient/in
Nach welchen 3 Kriterien spricht man von einer Entwicklungsabweichung?
1) in schwerwiegender Form und für längeren Zeitraum vorherrschen
2) in verschiedenen Situationen und Beziehungen auftreten
3) Bewältigung weiterer Entwicklungsaufgaben gefährden
Was sind Folgen von Entwicklungsabweichungen ? (2)
Folgen von Entwicklungsabweichungen:
1) Beeinträchtigungen in sozialen Beziehungen, Freizeit, schulischen Leistungen
2) Beeinträchtigungen führen zu weiteren Problemen (z.B. Stress) und bremsen
Entwicklung auch in anderen Bereichen
→ Risiko für psychische Störungen
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Was ist die Hauptaussage dieses Modells?
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell gibt Aufschluss über die Verletzlichkeit eines Menschen und die damit zusammenhängende Anfälligkeit an einer psychischen Krankheit zu erkranken.
Wozu dienen Multitaxiale Klassifikationssysteme ?
-> Was ist der Vorteil?
-> möglichst vollständige Beschreibung des Störungsbildes einer Person
-> mittels unterschiedlicher Beschreibungsdimensionen.
Gibt es für:
ICD-10
DSM
MAS („Multiaxiale Klassifikationsschema für
psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters“)
Basiert auf dem ICD-10
Übersicht Störungsbilder im KiJu-Alter nach ICD-10
In welche 2 Obergruppen werden die Störungen unterschieden?
1) Entwicklungsstörungen F8
2) Verhaltens- und emotionale Störungen F9
In welche 2 Kategorien werden Entwicklungsstörungen aufgeteilt?
1) tiefgreifend (z.B. Autismus)
Mangel an Kompetenz - die für den Erwerb spezifischer kognitiver, sprachlicher, motorischer Fähigkeiten notwendif sind
Emotionale und metakognitive Fähigkeiten betroffen (z.B. Soziale Beziehungen)
nonverbale Ausdrucksfähigkeit
2) umschrieben (z.B. Motorik/Sprache/Lernen)
Leistungsbeeinträchtigungen beziehen sich hier auf die Fähigkeiten und Fertigkeiten
Wie verläuft nach dem MAS die Diagnosestellung im Kindes-und Jugendalter?
Erfolgt auf 6 Achsen:
Erklärung zu manchen Achen (andere sind selbsterklärend)
1.Achse: Psychische Störungen nach ICD-10
4.Achse: Körperliche Symptomatik (zum Zeitpunkt der psychischen Störung vorhanden)
möglicherweise für den Umgang und besseres Verständnis der psychischen Störung relevant
Achse: abnorme psychosoziale Umstände
abweichendes Verhalten oder Behinderung in Familie usw.
Achse: Bezieht sich auf den Funktionszustand des/der Patient*in zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung
▪ Erfassung der psychischen, sozialen und beruflichen/schulischen
Leistungsfähigkeit zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung
▪ Beurteilung auf einer Skala von 0 bis 8:
− 0 Herausragende soziale Funktionen
− 4 Ernsthafte soziale Beeinträchtigung in ein oder zwei Bereichen
− 8 Tiefe und durchgängige soziale Beeinträchtigung
Diagnostik im Säuglings- und Kleinkindalter
Zero to Three
▪ DC 0-3 wurde entwickelt um Entwicklungsauffälligkeiten und psychischen
Störungen, die typischerweise in den ersten drei Lebensjahren auftreten,
festzustellen
▪ 2017 wurde das DC 0-5 publiziert (Zero To Three 2017)
→ Ausdehnung des Altersbereichs auf 0-5 Jahre
▪ Multiaxiales Klassifikationssystem
▪ um der Bedeutung des Kontextes im Baby- und Kleinkindalter angemessen
Rechnung zu tragen
▪ Besteht aus 5 Achsen
Welche 5 Achsen des Zero to Three?
Herausforderungen der Diagnostik im Kindes-und Jugendalter? (6)
1) Abgrenzung von entwicklungsphasentypischen Phänomenen
▪ Beurteilung der klinischen Relevanz von Symptomen im Kontext
verschiedener Entwicklungsphasen
2) Integration der Berichte von Kind, Eltern oder anderer Bezugspersonen
▪ Problemverhalten wird unterschiedlich wahrgenommen
3) Situationsspezifität von Problemverhalten
▪ Problemverhalten kommt häufig nicht generell vor, sondern nur in
bestimmten Situationen
4) Fehlerquellen diagnostischer Verfahren
▪ Einsatz von strukturierten Interviews, Checklisten und Fragebögen ist erst ab
einem gewissen Alter möglich
▪ Angaben von Fragebögen können nicht näher exploriert werden
▪ Verhaltensbeobachtung: Diskrepanz zwischen dem beobachten Verhalten in
der diagnostischen Situation und natürlichen Situationen
5) Schlechte Compliance
▪ Verweigerung der Mitarbeit des Kindes/Jugendlichen (z.T. auch der Eltern)
führt zu erheblichen Erschwernissen bei Diagnostik
6) „Weiß-nicht“-Antworten
▪ Kinder neigen dazu „Weiß-nicht“-Antworten zu geben
Benennen Sie die beiden Hauptkategorien (F8 und F9), in die Störungen
im Kindes- und Jugendalter im Klassifikationssystem ICD-10 unterteilt
werden.
F8: Entwicklungsstörungen
F9: Emotionale Störungen und Störungen des Verhaltens mit Beginn im
Kindes- und Jugendalter
Zuletzt geändertvor 2 Jahren