Was bedeutet Dissoziation?
Störung und/oder Unterbrechung der normalen Integration von Bewusstsein, Gedächtnis, Identität, Emotionen, Wahrnehmung oder Verhalten
Dissoziation = Mechanismus, der es ermöglicht, verschiedene mentale Prozesse und Inhalte voneinander getrennt zu halten.
Auftreten in/ nach extremen/ traumatischen Situationen
Funktionale Sichtweise: Dissoziationspotenzial erlaubt Individuen bei Lebensgefahr die Aufrechterhaltung eines Minimums an Handlungskontrolle, Selbstsicherheit und Identitätsgefühl
Nenne Beispiele für Klinisch relevante dissoziative Symptome.
Beispiele
Ein Mensch hat noch während eines traumatischen Ereignisses das Gefühl, sich in eine "agierende" und "beobachtende" Person zu spalten.
Ein Vergewaltigungsopfer hat noch nach Jahren psychogene Schmerzen im Unterleib, obwohl das auslösende Ereignis aufgrund einer traumatisch bedingten Amnesie nicht erinnerbar ist.
Was sind Dissoziative Störungen? Schaue auch die Fallbeispiele auf Folie 14+15 an.
Verlust der psychischen Integration des Erlebens und Handelns
Gestörte Erfahrung der Ganzheitlichkeit der eigenen Person
Selten als Einzelstörung, häufig eingebunden in komplexe Prozesse der Verarbeitung traumatischer Erfahrungen
Teil anderer Traumafolgestörungen und anderer psychischer Störungen
PTBS, Depression, Schizophrenie, Borderline-Persönlichkeitsstörung
Was sind Diagnostische Klassifikation nach ICD-10, ICD-11 und DSM-5? Was ist neu im ICD-11 und DSM-5?
Was ist die Dissoziative Amnesie? Nenne und beschreibe die Diagnostischen Kriterien nach DSM-5.
Unfähigkeit, sich an wichtige autobiografische Informationen zu erinnern, die in der Regel traumatischer oder belastender Natur sind, und die nicht als gewöhnliche Vergesslichkeit zu werten ist
Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Keine Folge von Substanzwirkung oder Krankheitsfaktor (z.B. Schädel- Hirn-Trauma oder neurologische Erkrankung)
Störungsbild nicht besser erklärt durch Dissoziative Identitätsstörung, Posttraumatische Belastungsstörung, Akute Belastungsstörung, Somatische Belastungsstörung oder Neurokognitive Störung
Bestimme ob: Mit dissoziativer Fugue
Nenne Verschiedene Arten der dissoziativen Amnesie.
Lokale Amnesie: vollständiger Gedächtnisverlust einer zeitlich eingrenzbaren Periode
Selektive Amnesie: umfasst nur bestimmte Ereignisse eines umgrenzten Zeitabschnittes
Generalisierte Amnesie: kompletter Gedächtnisverlust für die eigene Lebensgeschichte, auch der eigenen Identität (selten!)
Kontinuierliche / Andauernde Amnesie: ein noch fortbestehender anterograder Amnesieprozess (Unfähigkeit, neu aufgetretene Ereignisse kognitiv zu integrieren und zu erinnern).
Systematisierte Amnesie: Erinnerungsverlust von bestimmten Kategorien von Informationen (z.B. Erinnerungen an die eigene Familie oder an bestimmte Personen).
Nenne und beschreibe dianostische Kriterien der Depersonalisations-/ Derealisationsstörung nach DSM-5.
A. Das Vorliegen andauernder oder wiederkehrender Erfahrungen der Depersonalisation, Derealisation oder von beidem:
Depersonalisation: Erfahrungen der Unwirklichkeit, des Losgelöstseins oder Sich-Erlebens als außenstehender Beobachter bezüglich eigener Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen, des Körpers oder Handlungen
Derealisation: Erfahrungen der Unwirklichkeit oder des Losgelöstseins bezüglich der Umgebung
Intakte Realitätsprüfung während Depersonalisations-/Derealisationserfahrung
Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in
sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
Keine Folge von Substanzwirkung oder Krankheitsfaktor (z.B. Schädel-Hirn-Trauma oder neurologische Erkrankung)
Störungsbild nicht besser erklärt durch andere psychische Störung (z.B. Schizophrenie, Depression, Panikstörung, Posttraumatische Belastungsstörung, Akute Belastungsstörung)
Erläutere die Dissoziative Identitätsstörung.
Vorhandensein von zwei oder mehr unterscheidbaren Persönlichkeitszuständen
Verändertes Bewusstsein des eigenen Selbst: Gefühl, depersonalisierter Beobachter ihrer „eigenen“ Sprache und Handlung zu werden, auch Wahrnehmung von Stimmen oderunabhängige Gedankenströme, die nicht kontrollierbar sind
Verändertes Bewusstsein des eigenen Handelns: starke Affekte, Impulse, Sprache und Handlungen, die nicht als eigene erkannt oder kontrolliert werden können, als ich-dyston und verwirrend erlebt
z.B.Körper kann sich unterschiedlich anfühlen (wieder eines Kindes oder anderen Geschlechts)
Bruch der Identität wird meist nicht offen gezeigt
Teils sind Bewusstseinsbrüche und Amnesien nicht vollständig bewusst
Nenne und beschreibe Diagnostische Kriterien der Dissoziativen Identitätsstörung nach DSM-5.
A: Störung der Identität, gekennzeichnet durch zwei oder mehr unterscheidbare Persönlichkeitszustände (in einigen Kulturen auch als das Erleben von Besessenheit beschrieben)Deutliche Diskontinuität des Bewusstseins des eigenen Selbst und des Bewusstseins des eigenen Handelns, begleitet von damit verbundenen Veränderungen des Affekts, des Verhaltens, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung, des Denkens und/oder sensorisch-motorischer Funktionen Merkmale und Symptome können von anderen beobachtet oder von der Person selbst berichtet werden
B: Wiederkehrende Lücken bei der Erinnerung alltäglicher Ereignisse, wichtiger persönlicher Informationen und/oder traumatischer Ereignisse, nicht als gewöhnliche Vergesslichkeit zu werten
C: Symptome verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen
D: Kein normaler Bestandteil breit akzeptierter kultureller oder religiöser Praktiken
E: Keine Folge von Substanzwirkung oder Krankheitsfaktor
Klassifiziere die Dissoziativen Störungen nach ICD-11. Was ist neu?
Beschreibe die DIagnostik und Differenzieldiagnostik.
PTBS: Im Rahmen der PTBS Amnesien, Depersonalisierungs- / Derealisationserleben möglich Komorbide Diagnose einer Dissoz. Stö. bei umfassender Symptomatik
Neurokognitive Störungen: Gedächtnisverlust (im Gegensatz zu dissoziativer Amnesie) in Verbindung mit kognitiven, sprachlichen, affektiven, Aufmerksamkeits- oder Verhaltensstörungen
Substanzkonsumstörungen: amnestische Episoden nur im Kontext von Intoxikationen • Oft schwierig, da auch bei dissoziativer Amnesie Alkoholkonsum
Psychotische Störungen: gerade bei DIS schwierige Differenzialdiagnose, da auch Auftreten von Stimmen und Halluzinationen.
Bei DIS: Symptome durch alternierende Identitäten verursacht, keine wahnhaften Erklärungen und formalen Denkstörungen
Borderline-Persönlichkeitsstörung: häufig dissoziative Symptome und Instabilität des Selbstbildes->Komorbide Diagnose möglich
Dissoziative Identitätsstörung als komplexe Traumafolgestörung: Mit welchen Störungen überschneidet sich die kPTBS?
Stelle die Prävalenzen der Dissoziativen Störungen vor.
• Insgesamt: Häufigkeit der Störungen ist schwer einschätzbar • Dissoziative Amnesie
• 12-Monats-Prävalenz: 1,8%
• Lebenszeitprävalenz: 7,5%
• Depersonalisations-/Derealisationsstörung
• Lebenszeitprävalenz: 2,5%
•
Dissoziative Identitätsstörung
• Lebenszeitprävalenz:1 %
• Inpsychiatrischen Settings bis zu 5%
• Große Prävalenzschwankungen, kulturelle Variabilität
Dissoziative Amnesie: Nenne und erkläre wichtige Punkte zur Entwicklung, Risikofaktoren, Verlauf.
Dauer vergessener Ereignisse: Minuten bis Jahrzehnte Generalisierte Amnesie: meist plötzlicher Beginn Wiedererinnerung (schrittweise) auch nach Jahren möglich
• Bei Wiedererinnern erhebliche Belastung, Suizidalität oder PTBS-Symptome möglich Einflussfaktoren für Verlauf:
• Herausnahme austraumatischen Umständen-> kann Wiedererinnerung fördern
Biographisch bei 90% multiple Formen interpersonellen körperliche und sexuellen Missbrauchs in Kindheit / Adoleszenz
Häufig selbstverletzendes und suizidales Verhalten, >70% Suizidversuche in Vorgeschichte
Auslöser für psychische Dekompensation und offensichtliche Identitätsveränderungen
• Herausnahme aus der traumatisierenden Situation
die Kinder der Person erreichen dasselbe Alter, indem die Person ursprünglich missbraucht oder traumatisiert wurde
Spätere traumatische Ereignisse scheinbar belangloser Art, wie kleinere Autounfälle
der Tod oder das Auftreten einer tödlichen Erkrankung bei den missbrauchenden Personen
Dissoziative Störungen: Nenne Risikofaktoren und beschreibe.
Gebe Hypothesen zur Ätiologie von dissoziativen Störungen.
Enger Zusammenhang mit subjektiv extrem belastenden Ereignissen und Traumatisierungen der unterschiedlichsten Art:
− Dissoziation als ein Weg, Situationen mit nicht entrinnbarem schweren Stress zu bewältigen (Protektionshypothese)
− Dissoziation ist oft begleitet von Analgesie und Gedächtnisstörung
Erkläre die Psychodynamische Perspektive von dissoziativen Störungen.
Was sind Behandlungsansätze?
• Psychotherapie
Methode der Wahl, cave: wenig systematische empirische Evidenz
Cochrane Review: Positive Wirksamkeitsbelege für Hypnose und KVT1
ZentraleAspekte:
Diagnosevermittlung
Copingstrategien für dissoziative Symptome
Verbesserung der Emotionsregulation
Traumafokussierte Therapie
• Pharmakotherapie
Cave: wenig empirische Belege
Systematischer Review (k = 5 Studien): positive Wirksamkeitsbelege für Paroxetin (SSRI) und Naloxon (Opioid-Blocker)2
Gebe ein Fazit zu Dissoziativen Störungen, was hast du darüber gelernt?
Dissoziative Störungen sind durch eine Störung / Unterbrechung der normalen Integration von Bewusstsein, Gedächtnis, Identität, Emotionen, Wahrnehmung oder Verhalten gekennzeichnet.
Insgesamt sind sie vermutlich eher selten und werden oft nicht erkannt.
Dissoziative Alltagsphänomene und Dissoziative Symptome bei anderen psychischen Störungen (z.B. Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, PTBS) sind häufig, was die Diagnose / Differenzialdiagnose erschwert.
Unser Wissen zur Ätiologie ist ad dato begrenzt.
Es gibt einige positive Wirksamkeitsbelege für Psychotherapie und Pharmakotherapie, es sind jedoch mehr gute Studien notwendig.
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