Was ist Ikterus?
Welche Formen gibt es?
Ikterus (von altgriech. íkterus = „Gelbsucht“): Durch Bilirubinablagerung verursachte Gelbfärbung von Haut/Schleimhautund Skleren
Sklerenikterus: Bei Serumbilirubinwerten >2 mg/dL
Hautikterus: Bei Serumbilirubinwerten >3 mg/dL
Pseudoikterus: Farbstoffablagerungen, z.B. durch wiederholten, übermäßigen Karottengenuss
Ätiologie Ikterus
Ikterus ist ein Leitsymptom, das Ausdruck vieler verschiedener Erkrankungen sein kann, bei denen es zu einer äußerlich sichtbaren Bilirubinerhöhung im Blut kommt.
Zur Einteilung der Ursachen eines Ikterus gibt es verschiedene Ansätze, wobei klassischerweise nach dem Ort der ursächlichen Störung in prä-, intra- und posthepatische Formen unterteilt wird. Bei einem prähepatischen Ikterus kommt es also zu einem Bilirubin-Anstieg, dessen Ursache „vor der Leber“ liegt (bspw. Hämolyse), wohingegen die Ursache beim intra- und posthepatischen Ikterus „in“ bzw. „hinter der Leber“ liegt – dabei handelt es sich immer um eine obstruktive oder nicht-obstruktive Cholestase (Pathophysiologische Bezeichnung für jede Störung der Gallenbildung bzw. -sekretion) .
Die Ursache dieser Hyperbilirubinämie kann prähepatisch (vermehrter Anfall von Bilirubin), intrahepatisch (verminderte Gallenbildung oder -sekretion) oder posthepatisch (gestauter Gallenabfluss) sein.
Prähepatischer Ikterus
Hämolyse (u.a. Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase-Mangel, Sphärozytose, M. haemolyticus neonatorum)
Ineffektive Erythropoese
Intra-/posthepatischer Ikterus
Cholestatische Erkrankungen
Nicht-obstruktive Cholestase (stets intrahepatisch)
Hepatitis (z.B. viral, autoimmun, (alkohol‑)toxisch)
Leberzirrhose
Stauungsleber
Primär biliäre Cholangitis
Zystische Fibrose
Angeborene Störungen mit Cholestase (hereditäre Cholestasen wie bspw. intrahepatische Schwangerschaftscholestase, Alagille-Syndrom, progressive familiäre intrahepatische Cholestase )
Hyperbilirubinämie-Syndrome (z.B. M. Meulengracht)
Als Folge einer länger anhaltenden mechanisch-obstruktiven Cholestase (→ Gallenstau in der Leber bei intra-/extrahepatischer Abflussbehinderung → Leberschädigung → Störung der intrahepatischen Gallenbildung bzw. -sekretion → Nicht-obstruktive Cholestase)
Mechanisch-obstruktive Cholestase
Intrahepatisch
Lebertumoren (z.B. hepatozelluläres Karzinom, Cholangiokarzinom, Metastasen)
Intrahepatische Gallensteine oder Cholangitis
Primär sklerosierende Cholangitis
Extrahepatisch (bzw. "posthepatisch")
Choledocholithiasis, Mirizzi-Syndrom
Entzündliche Prozesse (primär sklerosierende Cholangitis , chronische Pankreatitis, Choledochuszysten, Abszesse)
Fehlbildungen der Gallenwege
Tumoren (Pankreaskarzinom, Cholangiokarzinom, Gallenblasenkarzinom)
Gallengangsstrikturen (postoperativ, entzündlich)
Ikterusformen
Diagnostik Ikterus
Anamnese: Medikamente, Toxine, frühere Hepatitis, Alkoholabusus
symptome: Entfärbte (acholische) Stühle, Dunkler Urin, Pruritus (juckreiz), Ggf. Fettmalabsorption (Steatorrhö, Gewichtsverlust)
Klinische Zeichen der Leberzirrhose:
Laborchemie Ikterus
Cholestaseparameter
Alkalische Phosphatase (AP)↑
γ-Glutamyl-Transferase (γGT)↑
Bilirubin↑(indirektes und direktes Bilirubin)
Transaminasen (AST, ALT)
De-Ritis-Quotient: AST/ALT → Erlaubt die Einschätzung der Schwere einer Leberzellschädigung
Merkspruch: „AST > ALT bei Schwerer Leberzellschädigung (Quotient >1). ALT > AST bei Leichter Leberzellschädigung (Quotient <1)“
B-Symptomatik
Bei Vorhandensein von ≥1 der Symptome spricht man bereits von B-Symptomatik . Die Symptomatik sollte nicht anderweitig erklärbar sein, als durch die Erkrankung selbst.
Symptomtrias
Fieber: Wird dann als B-Symptomatik gewertet, wenn es nicht anderweitig als durch die Erkrankung erklärbar ist
Nachtschweiß: Übermäßiges Schwitzen in der Nacht, wodurch ein Wechsel der Nachtwäsche (Bekleidung) notwendig wird
Gewichtsverlust: Ungewollter Gewichtsverlust >10% des Körpergewichts in den letzten 6 Monaten
Cholelithiasis
Cholezystolithiasis
Choledocholithiasis
Cholezystitis
Cholangitis
Cholelithiasis = Gallensteine (unabhängig von der Lokalisation)
Cholezystolithiasis = Steine in der Gallenblase
Choledocholithiasis = Steine im Ductus choledochus
Cholezystitis = Entzündung der Gallenblase
Cholangitis = Entzündung der Gallenwege
Cholelithiasis:
Ursache
Steinarten
Risikofaktoren
Lösungsungleichgewicht der in der Gallenflüssigkeit enthaltenen Substanzen
Steinbildend: Cholesterin, Calciumcarbonat, Bilirubin
Lösend: Gallensäuren, Lecithin
Steinarten und -häufigkeiten
Cholesterinsteine und gemischte Steine (80%), hoher Cholesterinanteil, weich
Bilirubinstein (10%), sehr hart
Calciumcarbonatstein (10%)
6 x F-Regel
Fat (Adipositas)
Female (weiblich)
Fertile (Fruchtbarkeit, Schwangerschaft)
Forty (Alter >40 Jahre)
Fair (hellhäutig)
Family (Familienanamnese, genetische Prädisposition)
Bakterielle Entzündung (E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Anaerobier)
Akute kalkulöse Cholezystitis: 90% durch Steinbildung mit Stase, Obstruktion und/oder Mikrotraumen der Gallenblasenwand
Akalkulöse Cholezystitis (Stressgallenblase): Bei schwerer Krankheit, Operationen und Traumata
Aszendierende bakterielle Infektion: Durch aufsteigende Bakterien aus dem Duodenum, begünstigt durch Steine und/oder Strikturen
Obstruktionen, Strikturen, Stenosen (z.B. tumorbedingt) und/oder sonstige anatomische Prädispositionen
Endoskopische Interventionen (ERC/ERCP) und/oder Fremdmaterialien am Gallengang (ERC/ERCP mit Stenteinlage)
Resektionen an den Gallenwegen und Hepatikojejunostomien (häufig rezidivierende Episoden einer Cholangitis)
Allgemeinsymptome
Übelkeit, Erbrechen
Völlegefühl, Blähungen
Oberbauchschmerz: Rechtsseitig und/oder im Epigastrium (Bauchregion zwischen Rippenbogen und Bauchnabel)
Gallenkolik: Starke, kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch, ggf. Ausstrahlung in Epigastrium und Rücken
Schmerzprojektion: Rechte Schulterregion (Head-Zonen)
Triggerfaktoren
Reizmahlzeit: Oft nach fettreichen Mahlzeiten
Nächtliches Auftreten bei erhöhtem Vagotonus
Tendenziell eher Dauer- und Druckschmerz, Koliken (schmerzhafte Krämpfe im Bauch) möglich
Murphy-Zeichen bzw. akutes Abdomen (murphy: wenn der Patient bei der Palpation und Einatmung einen plötzlichen umschriebenen Druckschmerz verspürt)
Systemische Infektionszeichen, insb. Fieber
Schmerzen tendenziell stark und kolikartig; Druckschmerz eher diffus und schwierig punktuell zu lokalisieren
Ggf. gürtelförmige Ausstrahlung als Hinweis auf eine biliäre Pankreatitis (durch Gallensteine ausgelöste Bauchspeicheldrüsenentzündung)
Ikterus bei extrahepatischer Cholestase
Heller Stuhl, dunkler („rostroter“) Urin
Pruritus bei längerem Bestehen
Charcot-Trias II
Rechtsseitiger Oberbauchschmerz
Ikterus
(Hohes) Fieber
Biliäre Sepsis: Häufig starke Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, ggf. klinische Zeichen der Sepsis
Therapie
Nahrungskarenz
Spasmolytika (z.B. Butylscopolamin)
Analgetika (z.B. Metamizol)
Neben den allgemeinen Maßnahmen sind je nach zugrunde liegender Pathologie unterschiedliche therapeutische Maßnahmen empfohlen.
Asymptomatische Cholezystolithiasis (Zufallsbefund)
I.d.R. keine Indikation zur Cholezystektomie!
Ausnahme-Indikationen bei asymptomatischer Cholezystolithiasis
Chronische Cholezystitisformen mit Ausbildung einer Porzellangallenblase bzw. Schrumpfgallenblase
Gallenblasenpolypen ≥1 cm Durchmesser
Gallensteine >3 cm Durchmesser
Symptomatische Cholezystolithiasis
Frühzeitige, elektive Cholezystektomie
In der Schwangerschaft: Frühzeitige elektive Cholezystektomie empfohlen
ERC-Indikation bei Cholezystolithiasis: Nicht generell indiziert, Indikationsstellung abhängig von der Wahrscheinlichkeit einer simultanen Choledocholithiasis bei Cholezystolithiasis
Bei hoher Wahrscheinlichkeit: ERC
Bei mittlerer Wahrscheinlichkeit: MRCP oder Endosonografie der Gallenwege
Bei niedriger Wahrscheinlichkeit: Keine Intervention und keine Bildgebung erforderlich
Medikamentöse Litholyse: Nur in Einzelfällen empfohlen
Bei symptomatischer Cholezystolithiasis und simultaner Choledocholithiasis
Endoskopische Intervention
Cholezystektomie innerhalb von 72 h
Cholezystitis und Cholangitis
Unkomplizierte akute Cholezystitis: Frühzeitige Cholezystektomie binnen 24 h
Komplizierte akute Cholezystitis oder Cholangitis : Sofortige antibiotische Therapie und rasche Intervention durch Cholezystektomie (Cholezystitis) bzw. ERC (Cholangitis infolge einer Choledocholithiasis)
Keine Risikofaktoren: Ceftriaxon + Metronidazol
Risiko für MRE: Piperacillin + Tazobactam
Sonderfall: Hohes Operationsrisiko / Begleiterkrankungen
Interventionszeitpunkt individuell festlegen
Rein konservatives Vorgehen nur in Ausnahmefällen
Antibiotische Therapie: Bei begleitender Cholangitis
Primär endoskopische Intervention: ERCP (ERC, Endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikografie, ERCP) zur Darstellung und Extraktion von Gallensteinen (Diagnostik und Therapie in einer Sitzung!)
Vorgehen
Kontrastmitteldarstellung der Gallenwege und/oder Pankreasgänge nach endoskopischem Aufsuchen und Sondieren der Papilla duodeni major
Röntgen-Durchleuchtung mit Lokalisation pathologischer Prozesse: Gangkonkremente zeigen sich als Kontrastmittelaussparung
Endoskopische Papillotomie
Steinextraktion: Häufig papilläre Ballondilatation oder Dormia-Körbchen
Komplikationen: Durchschnittliche Gesamtkomplikationsrate 10%
1% Perforation, insb. nach Papillotomie
3% Blutung, insb. nach Papillotomie
3% Cholangitis durch bakterielle Infektion
5% Post-ERC(P)-Pankreatitis: Postinterventionelle Schmerzen mit gleichzeitiger Pankreasenzymerhöhung (Lipase, Amylase), insb. bei Darstellung des Ductus pancreaticus bzw. schwieriger Intervention mit intraduktalen Druckschwankungen
Bei asymptomatischer Choledocholithiasis (Zufallsbefund): Individuelle Entscheidung zur endoskopischen Intervention
Bei symptomatischer Choledocholithiasis und gleichzeitig vorliegender Cholezystolithiasis
Cholezystektomie
Kontraindikationen
Absolut: Gallenblasenkarzinom -> Bei einem Gallenblasenkarzinom ist i.d.R. eine erweiterte onkologische Resektion mit Lymphknotendissektion, ggf. auch Leberteilresektion erforderlich. Hierzu ist die Laparoskopie derzeit kein etabliertes Verfahren.
Relativ: Blutgerinnungsstörung, Mirizzi-Syndrom, intraperitoneale Verwachsungen nach Voroperationen
Durchführung
Rückenlage in Allgemeinanästhesie (Intubationsnarkose)
Anheben der Leber und Darstellung der Gallenblase
Präparation des Calot-Dreiecks : Anatomischer Raum gebildet durch Ductus hepaticus communis, Ductus cysticusund Leberrand, der die A. cystica beherbergt
Unterbindung des Ductus cysticus sowie der A. cystica mittels Clips
Ablösen der Gallenblase aus dem Gallenblasenbett
Siehe auch: Komplikationen der Cholezystektomie
Absolute Indikationen
Simultane Cholezystektomie bei größeren abdominellen Eingriffen
Gallenblasenkarzinom
Intoleranz eines Pneumoperitoneums
Relative Indikationen
Ausgeprägte intraabdominelle Adhäsionen
Blutgerinnungsstörung
Mirizzi-Syndrom
Zugangsweg: Rippenbogenrandschnitt rechts bzw. Erweiterung auf quere Oberbauchlaparotomie rechts
Potenzielle Vorteile: Möglichkeit der operativen Gallengangsrevision und Drainageneinlage
Nachteile: Wesentlich größere Narbe, größere Inzidenz von Narbenbrüchen
Komplikationen der Cholezystektomie
Verletzung des Ductus choledochus, eines Ductus hepaticus oder der A. hepatica (insb. versehentliches „Clippen“)
Galleleckage: Sekretion von Gallenflüssigkeit (Gallenfistel) in die Bauchhöhle
Blutung (insb. aus dem Leberbett, der A. cystica)
Postcholezystektomie-Syndrom
Belassene/verschobene Konkremente im Ductus choledochus: Oberbauchschmerzen, erhöhte Cholestaseparameter
Gallenblasenreste
Für allgemeine Informationen siehe auch: Allgemeine postoperative Komplikationen
Postcholezystektomie-Syndrom (PCS)
Definition: Anhaltende oder neu aufgetretene Oberbauchbeschwerden 3 Monate nach erfolgreicher Cholezystektomie
Epidemiologie: Bis zu 10% der Cholezystektomierten
Ätiologie : Adhäsionen, Ösophagitis/Gastritis, psychische Komponente
Klinisches Bild : Schmerzen, Übelkeit, Kolik, Diarrhö
Diagnostik Cholelithiasis…
Schmerzen: Erfragen der klinischen Zeichen und Details der Symptomatik
Auffälligkeiten von Stuhlgang oder Miktion: Insb. heller, acholischer Stuhl oder dunkler, rostroter Urin
Begleitsymptome: Etwa dyspeptische Beschwerden, Völlegefühl, Fieber, Übelkeit, Erbrechen
Inspektion, Auskultation, Perkussion
Murphy-Zeichen: Leitsymptom der Cholezystitis! Ein positives Murphy-Zeichen beschreibt den schmerzbedingten reflektorischen Abbruch der Inspiration während der rechte Oberbauch palpiert wird. -> gallenblasenregion wird in expiration medial der medioklavikularlinie palpiert. Beim einatmen wird die gallenblase nach kaudal gegen die Finger verschoben, schmerzen können auftreten
Druckschmerz über Epigastrium bzw. rechtem Oberbauch: Bei allen Formen der symptomatischen Cholelithiasis möglich
Abwehrspannung und Resistenzen: Hinweis auf eine Peritonitis (bei Cholezystitis oder Cholangitis), Hinweis auf komplizierten Verlauf und dringliche Therapieindikation!
Abdomensonografie ist Mittel der 1. Wahl
Beurteilung: Intra- und extrahepatische Gallenwege, Gallenblase und ggf. darstellbare Konkremente
Hohe Sensitivität und Spezifität: Cholezystolithiasis >95%, Cholezystitis >80%
Gallenblase auffällig
Wandverdickung >3 mm (postprandial >5 mm)
Dreischichtung der Wand , ggf. mit umgebender freier Flüssigkeit im Gallenblasenbett
Konkremente
Vergrößerung der Gallenblase (schmerzhafter Gallenblasenhydrops)
Allgemeine Parameter: Blutbild, Kreatinin, Natrium, Kalium, (Calcium, Phosphat)
Leberwerte und Cholestasezeichen: AST, ALT, GGT, AP, Bilirubin, Lipase
Hämolyseparameter: LDH
Entzündungszeichen: CRP, (PCT) erhöht, leukozytose
Gerinnungsstatus: Quick, PTT
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