Was sind Antikoagulantien?
Indirekte Antikoagulantien
Direkte Antikoagulantien
Indirekte und direkte Hemmer der plasmatischen Gerinnung
Typische Vertreter der indirekten Antikoagulantien, also solcher, die einen Kofaktor zur Entfaltung der antikoagulatorischen Wirkung benötigen oder die Synthese der Gerinnungsfaktoren hemmen, sind zum einen die Heparine und zum anderen die oral einzunehmenden Vitamin-K- Antagonisten wie das Phenprocoumon und das Warfarin.
Vitamin K Antagonisten
Bei den Vitamin-K-Antagonisten handelt es sich um Cumarinderivate, die durch Inhibition der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X sowie der Proteine C, S und Z wirken.
(1972)
Die Wirkung von den peroral applizierten Vitamin-K-Antagonisten im therapeutischen Bereich setzt erst nach Verbrauch der vorhandenen Gerinnungsfaktoren, also nach 48-72 Stunden bei einer langen Halbwertszeit von ungefähr 160 Stunden ein. Aufgrund der hohen inter- und intraindividuellen Variabilität wird mittels des International Normalisierten Ratio (INR) – einer internationalen Normierung des Quickwertes - bei den Cumarinen der individuelle Zustand des Patienten anschließend überwacht, wobei der jeweilige therapeutische INR je nach Indikation zwischen 2 und 3,5 liegen sollte.
Im Notfall stehen zur Antagonisierung bevorzugt Prothrombinkonzentrate (PPSB) und alternativ gefrorenes Frischplasma (FFP) zur Verfügung. Eine Antagonisierung mit Vitamin K ist für den Notfall ungeeignet.
Heparine - Nicht orale Antikoagulation
Wirkung
Unfraktionierte Heparine sind Antithrombin III-abhängige Thrombininhibitoren, die i.v. oder s.c. gegeben werden, während die fraktionierten, niedermolekularen Heparine den Faktor Xa bei s.c.-Gabe hemmen.
Heparine werden vor allem im stationären Bereich eingesetzt, haben einen schnellen Wirkbeginn und eine Halbwertszeit von 5-7 Stunden. Eine Überprüfung der Wirkung ist über verschiedene Laborparameter (unfraktioniert: partielle Thromboplastinzeit (PTT), niedermolekular: Anti-Xa- Aktivität) möglich; eine Antagonisierung mit Protamin ist verfügbar.
UFH= unfraktioniertes Heparin
NMH= Fraktioniertes Heparin bzw.Niedermolekulares Heparin
Direkte Orale Antikoagulantien (NOAK, DOAK)
Direkte orale Antikoagulantien („Neue Orale Antikoagulantien“ (NOAK), gelegentlich auch „Direkte Orale Antikoagulantien“ (DOAK)) interagieren mit einzelnen Gerinnungsfaktoren. Hier sind direkte Thrombininhibitoren wie das Dabigatran sowie Faktor Xa- Inhibitoren wie das Rivaroxaban, Apixaban und das Edoxaban als Wirkstoffe von aktueller klinischer Relevanz.
Genauso wie bei den anderen NOAKs ist eine Messung der gerinnungshemmenden Wirkung nur durch spezialisierte Labortests, die nicht zu der klinischen Routine gehören, erfassbar. Daher ist das Monitoring schwierig; die verlängerte Blutungszeit kann nicht allein durch die Laborwerte vollständig dargestellt werden. Daher ist vor dem geplanten zahnärztlich-chirurgischen Eingriff vor allem die klinische Einschätzung der individuellen Blutungsneigung des Patienten („Blutungsanamnese“) wichtig. Dies könnte beispielsweise im Rahmen der präoperativen Zahnreinigung erfolgen.
Thrombozytenaggregationshemmer
wirken über eine, durch verschiedene Mechanismen induzierte, Funktionshemmung der Thrombozyten und sind daher von den Antikoagulantien abzugrenzen. Der am längsten in Gebrauch befindliche Wirkstoff aus dieser Gruppe ist die Acetylsalicylsäure (ASS). ASS entfaltet seine gerinnungshemmende Wirkung bereits in geringen Dosen über eine irreversible Hemmung der Cyclooxygenase-1 (COX-1), verhindert so die Thromboxan A2- Bildung und hat eine mit der Überlebenszeit der Thrombozyten (8-11 Tage) analoge Wirkdauer.
Zu den neueren oral zu applizierenden Thrombozytenaggregationshemmern gehören die irreversiblen Hemmer der Adenosidiphosphat (ADP)-Rezeptoren wie Clopidogrel und Prasugel. Bei Clopidogrel werden ungefähr eine Stunde nach Einnahme maximale Plasmaspiegel erreicht, die Halbwertszeit beträgt ungefähr 6 Stunden. Allerdings dauert der gewünschte Wirkeintritt von Clopidogrel in der üblichen Dosis mehrere Tage, kann aber durch die Gabe einer initialen Aufsättigungsdosis auf wenige Stunden verkürzt werden [9, 10]. Ticlopidin kann als Vorläufersubstanz von Clopidogrel verstanden werden, wobei die Plasmahalbwertszeit bei 1-2 h liegt. Aufgrund der im Vergleich zu Clopidogrel erhöhten Nebenwirkungen ist die Substanz therapeutisch in den Hintergrund getreten und wird nicht mehr angewandt. Prasugel hat ein dem Clopidogrel ähnliches Wirkprofil. Mit Ticagrelor liegt ein reversibler ADP-Hemmer vor, der in Kombination mit ASS zur Dualtherapie zugelassen ist. Aufgrund des anderen Mechanismus der Thrombozytenaggregationshemmer ist eine Substitution durch Heparin, wie bei den Cumarinen, nicht möglich.
ASS
Wirkung: Thrombozytenaggregationshemmend, antipyretisch, antiphlogistisch und analgetisch
Indikationen
Niedrig dosiert (75–325 mg/Tag): Thrombozytenaggregationshemmung
Hoch dosiert (1–3 g/Tag): Symptomatische Therapie leichter bis mittelschwerer Schmerzen, Fiebersenkung bei grippalen Infekten
Wirkmechanismus
ASS hemmt die Aktivität der Cyclooxygenasen 1 und 2 (COX 1 und COX 2) irreversibel , dadurch kommt es:
COX-1-vermittelt zur Hemmung der Thromboxan-Synthese (TXA2) in den Thrombozyten → Thrombozytenaggregation↓
COX-2-vermittelt zur Hemmung der Prostazyklin-Synthese im Endothel → Antipyretische und analgetische Wirkung
Wirkungseintritt innerhalb von Minuten
Wirkung auf die Thrombozytenaggregation
Thrombozytenaggregationshemmung bereits durch niedrige Dosierungen
Höhere Dosierungen notwendig für analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung
Irreversible COX-Hemmung führt zu einem relativen Überwiegen der Thromboxan-Hemmung gegenüber der Prostaglandin-Hemmung
Wirkdauer
Thrombozytenaggregationshemmung: 7–11 Tage
Analgetische, antipyretische und antiphlogistische Wirkung: Ca. 6–8 h
Blutungsrisiko
Heute nicht mehr als gravierend angesehen
Präoperativ muss ASS bei Eingriffen mit niedrigem bis moderatem Blutungsrisiko i.d.R. nicht abgesetzt werden
Bridging
Die Wirkung von Vitamin-K-Antagonisten hält über mehrere Tage an. Im Falle eines hohen Blutungsrisikos bei Operationen und Interventionen kann man deshalb erwägen, sie auf Heparin umzustellen (bevorzugt NMH). Dieses Vorgehen wird als „Bridging“ bezeichnet.
Ziel: Antikoagulatorische Wirkung besser steuern, Blutungs- und thromboembolische Komplikationen vermeiden
Durchführung
Cumaringabe unter engmaschigen Kontrollen des Quick-/INR-Wertes unterbrechen
Bei INR <2,0: Patient erhält (niedermolekulares) Heparin in therapeutischer Dosis
Aussetzen der Heparine direkt präoperativ
Wiederansetzen der Heparine direkt postoperativ
Wiedereinstellung auf Phenprocoumon: Überlappend Heparin verabreichen, bis Ziel-Quick-/INR-Wert erreicht ist
CAVE: Das Wiedereinstellen auf Vitamin-K-Antagonisten hat zunächst einen gerinnungsfördernden Effekt – daher muss überlappend weiter heparinisiert werden, bis der INR-Zielbereich erreicht ist!
Zuletzt geändertvor 2 Jahren