Nierenerkrankung
Schematische Darstellung
Erkrankungen die primär oder sekundär die Glomeruli und/oder die tubulo interstitiellen Nierenstrukturen betreffen
Glomerulonephritiden
Definition und Einteilung
Immunvermittelten Erkrankungen, die eine intraglomeruläre Inflammation und eine zelluläre Proliferation verursachen
= Schädigung des glomerulären Filters
Primäre GN
= Erkrankungen der Glomeruli ohne Zeichen einer Systemerkrankung
Sekundäre GN
= Renale Beteiligung bei verschiedenen Systemerkrankungen
Glomerulonephritis
Klinisches Bild
Nephrotisches Syndrom
= Schädigung der Podozyten
Nephrititsches Syndrom
= Entzündliche Schädigung der Endothelzellen oder GBM
Pathologische Befunde
→ Pathologische Urinbefunde: Hämaturie, Proteinurie, Zylinder, Leukozyturie
Nephrotisches vs. Nephritisches Syndrom
→ Protein
va. Proteinurie, Hypalbuminämie
→ Dysmorphe Erys, Akanthozyten, Zylinder, Protein
Außerdem: GFR ↓ und Ödeme
zugrunde liegende Erkrankungen
Nicht immer klar zu unterscheiden!
Rapid progressive GN (RPGN)
Definition
= aggressive Verlaufsform einer GN
Rascher Nierenfunktionsverlust innerhalb von Wochen/Monaten
Nephritisches Sediment („aktives Sediment“)
Histologie: extrakapilläre Proliferation mit Halbmondbildung
Einteilung nach Couser
Typ I: RPGN durch Anti-GBM-AK mit glomerulär linearen IgG-Ablagerungen
→„Goodpasture Syndrom“
Typ II: RPGN mit immunhistologischem Nachweis von Immunkomplexen
→ (post-) infektöse GN, Lupusnephritis
Typ III: RPGN ohne immunhistologische glomeruläre Befunde (pauci-immune GN)
→ Antikörper-(ANCA)- assoziierten Glomerulonephritis
Nierenbiopsie nötig zur abschließenden Klassifikation
Diagnostik
Labor: Protein? Erythrozyten?
ANA/dsNDA (Lupus?), pANCA, cANCA, GBM-AK, Komplement C3/C4 (postinfektiöse GN?), Hepatitis B/C-Serologie
Sonographie
Nierenbiopsie
Indikation: unklare akute Nierenschädigung
Auffäliger Urinbefund
Therapeutisch Konsequenz zu Erwarten
Nutzen: Diagnose Sicherung, Aussage über renal Prognose
Durchführung: Sonographisch gesteuert unter Lokalanästhesie
IgA Nephropathie
Häufigste primäre GN weltweit
Synonym: M. Berger
Ablagerung von toxischen Immunkomplexen im Mesangium
Klinik ist variabel
Ätiologie: Idiopathisch und exogene Faktoren
(Ernährung, Glutenempfindlichkeit, Infektionen u.a.)
Epidemiologie
Vorwiegend jüngere Patienten
M > W meist Männer zwischen 20. - 40. LJ
in 90 % d.F. sporadisch; eine familiäre Genese ist selten
Rezidivierende Makrohämaturie 0 - 50% (oft 1 - 3 Tage nach resp. Infekt)
Persistierende glom. Mikrohämaturie ± Proteinurie 30 - 40%
Nephrotisches Syndrom 5%
RPGN 5%
ca. 50 % der Patienten entwickeln innerhalb von 20 - 25 Jahren eine terminale Niereninsuffizienz
Pathogenese
Nur teilweise aufgeklärt
Autoimmunerkrankung
Ablagerung von unter-galaktolysiertem IgA1 im Mesangium
Proliferation und Aktivierung Mesangialzellen
Therapie
Basistherapie:
RR Einstellung mit ACE-I/ Sartanen/ SGLT2-I (RR = Blutdruck)
Salzarmer Ernährung
Nikotinkarenz
Gewichtsreduktion/-normalisierung
Immunsuppressive Therapie bei Risikokonstellation
Ätiologie
30 % durch Systemerkrankungen
Diabetes mellitus
Amyloidose
Lupusnephritis Klasse V
Paraproteinämien
(Malignome, Medikamente, Infektionen)
70 % durch primäre Glomerulonephritiden
Definition und Labor
Schädigung der Podozyten (Glomerulärer Filter)
→ Erhöhte Permeabilität der Kapillaren für Plasmaeiweiße
Proteinurie > 3,5 g/d
Albuminurie
Hypalbuminämie und Hyperlipoproteinämie
Ödeme
Hyperkoagulabilität → Thrombosen und Thromboembolien
Schematischer Verlauf (Pathogenese)
Underfill-Hypothese: Proteinurie → Hypalbuminämie → Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems → Natrium- und Wasserretention → Ödeme
Overfill-Hypothese: Primärer tubulärer Defekt mit Natrium- und Wasserretention → Ödeme
Klinik
Leitsymptome
Klinik der ursächlichen Erkrankung
evtl. erworbener IgG-Mangel mit Infektanfälligkeit
Fortgeschrittenes Stadium → Symptome einer Niereninsuffizienz
evtl. Hypertonie
Gehäufte thromboembolische Komplikationen
Urs: Veränderung von Gerinnungsfaktoren durch den renalen Proteinverlust, gestörte Thrombozytenfunktion u.a.
Komplikationen
20 bis 35%: thromboembolische Komplikationen
Tiefe BVT, Lungenembolie, Nieren-VT
→ prophylaktische Antikoagulation ab Albumin < 20g/l
Selten akute Nierenschädigung → Hypovolämie, diuretische Therapie, NVT
Infektanfälligkeit
Diagnoseverschleppung → kardiologische, Gerinnungs-Diagnostik ohne Nierendiagnostik
Therapie der Grundkrankheit
bzw. Beseitigung toxischer Ursachen
Antivirale Therapie einer Hepatitis C
Symptomatische Therapie
Ödem Behandlung → Kochsalzrestriktion, Schleifendiuretika, Thiaziddiuretika
Proteinurie Reduktion → Blutdruckeinstellung (Zielwert < 120mmHg): ACE-I/Sartan
Reduzieren intraglomerulären Druck durch Vasodilatation
Hyperlipidämie → Statine
Therapeutische Antikoagulation bei Albumin < 20 g/l
Tubulointerstitielle Nierenerkrankung
Akute und/oder chronische Entzündung der Tubuli und des Interstitiums der Nieren
Primär = direkte Schädigung des Tubulointerstitiums
Sekundär = Folge einer Glomerulopathie oder renovaskulären Erkrankung
Die chronische interstitielle Fibrose ist die irreversible Endstrecke aller Nierenerkrankungen unabhängig von der renalen Grundkrankheit
Interstitium der Niere
Aufbau
Akute vs. chronische tubulointerstitielle Nephritis
Histologisches Bild
AKUT
Interstitielles Infiltrat (v.a. T-Zellen, Makrophagen, Eosinophile, Plasmazellen)
Interstitielles Ödem
Tubulitis
CHRONISCH
Interstitielles Infiltrat
Interstitielle Fibrose
Tubulusatrophie (weniger Zellen)
Akute tubulointerstitielle Nephritis (ATN)
Medikamentös: Antibiotika, NSAR, Diuretika, Allopurinol, Omeprazol
Infektiös
va. Hantavirus
Parainfektiös bei bakteriellen Erkrankungen
(Streptokokken, Staphylokokken, Legionellen u.a.)
Akute Nierenschädigung (oligurisch oder nicht-oligurisch)
Klinische und laborchemische Hinweise auf Hypersensitivitätsreaktion
Fieber, Exanthem, Arthralgien
Eosinophilie
Trias: Fieber + Exanthem + Eosinophilie
va. Medikamentös bedingte ATN zeigen in 30 % allergische Symptome
Häufige Komplikation: Akutes Nierenversagen
Diagnose
Diagnosefindung nicht einfach!
Beschwerden und Urinbefund unspezifisch
Latenz zwischen Medikamentenexposition und AIN möglich
AIN ist häufig bei Patienten mit akuter Nierenschädigung → 15 - 30%
Immer in DD einbeziehen
Medikamentenanamnese + Klinik/ Urinbefund
Nierenbiopsie: Lymphoplasmazelluläre Infiltrate im Interstitium der Nierenrinde
→ Suche nach autoimmuner und infektiöser Genese
Verdächtige Medikament absetzen
Steroide (keine randomisierten Studien, nur retrospektive Daten!)
z.B. Cortisol
Kortikosteroidtherapie bis zur Normalisierung der Nierenfunktion
bei Ausbleiben von Besserung
Chronische tubulointerstitielle Nephritis (CTN)
Medikamentös/toxisch
Analgetika, Mesalazin (ANalgetika Nephropathie)
Cadmium, Lithium, Blei
Aristolochiasäure: Chinesische Kräuter-Nephropathie, Balkannephritis
Stoffwechselerkrankungen:
Hyperurikämie (Gichtnephropathie), Hyperkalzämie, Hyperoxalurie
Immunologisch:
Myelomniere (Cast-Nephropathie), Sjögren-Syndrom, Lupusnephritis
Polyzystische Nierenerkrankungen
Strahlennephritis
Hantavirus Nephritis
Hantavirus Infektion
Puumalavirus (Reservoir Rötelmaus)
Endemiegebiet Schwäbische Alb
Übertragung: Inhalation kontaminierter Aerosole/Staubpartikel
Saisonale Häufung (Frühjahr/Sommer)
Klinik: ua. Interstitielle Nephritis mit starker Proteinurie, Mikrohämaturie, Oligurie
ua. Ursache für ATN
Grippe-ähnliche Symptome (Fieber, Kopf/Glieder/Flankenschmerzen)
Selten: Durchfall, Konjunktivitis
Akute Nierenschädigung (bis zur Dialysepflicht)
Mikrohämaturie, Proteinurie (gelegentlich > 3,5 g/d)
Thrombopenie, selten Hämolyse
Diagnose, Therapie, Prognose
Diagnose: Nachweis spezifischer Antikörper
Therapie: Supportiv, selten Dialyse
Hantavirus ggf. Ribavirin
Prognose: günstig, Nierenschädigung heilt meist folgenlos aus
Letalität: < 1 %
Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)
Genetische Grundlage
Autosomal-dominant vererbbare Systemerkrankung
Prävalenz 1:1000, eine der häufigsten monogenetischen Erkrankungen
10 - 15 % keine positive Familienanamnese → de novo Mutationen
Obwohl der genetische Defekt in allen Zellen vorhanden ist kommt es nur in < 10 % der Tubuli zur Bildung von Zysten → 2nd Hit Hypothese
Mutationen:
Erhebliche Variabilität im Phänotyp trotz gleicher Mutation
PKD-1 Gen: Chromosom 16 (85 %)
PKD-2 Gen: Chromosom 4 (15 %)
ADPKD
= Autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD)
Multiple bilaterale Zystenbildung, ausgehend von tubulären Strukturen der Nieren
und massive Vergrößerung (auch Leber, Pankreas und Milz Zysten)
ca. 5 - 10 % aller dialysepflichtigen Patienten
Diagnose Stellung
Bei positiver Familienanamnese:
Nachweis von Zysten in Abhängigkeit vom Alter (Sono/MRT)
15 - 39 Jahre: ≥ 3 Nierenzysten insgesamt ■ 40-59Jahre:≥2Zysten/Niere
> 60 Jahre: ≥ 4 Zysten / Niere
Genetische Diagnostik:
Bei negativer Familienanamnese
Verwandte Lebendspender
Atypische Präsentation
i.R. genetischer Beratung bei Familienplanung
Klinische Manifestationen
Klinische Symptome meist zwischen 20. und 50. Lebensjahr
Flankenschmerzen
Zysteneinblutung (± Makrohämaturie)
Zysteninfektion
Urolithiasis (ca. 25 %)
Arterielle Hypertonie (meist vor Einschränkung der Nierenfunktion)
Mäßige Polyurie (Nykturie) durch Abnahme der Konzentrationsfähigkeit
Proteinurie < 1 g/d
Extrarenale Manifestationen
Zysten von Leber und Pankreas
Zerebrale Aneurysmen mit Gefahr der Ruptur
Kolondivertikulose
Hernienbildung
Herzklappendysfunktionen
Ungünstige prognostische Faktoren:
PKD-1 Mutation (führen ca. 15 Jahre vorher zu ESRD)
MännlichesGeschlecht
Arterielle Hypertonie
Junges Alter bei ED
Verlauf und Prognose
Mittlere Alter bei Auftreten dialysepflichtige Niereninsuffizienz
PKD-1 Mutation: 53 Jahre
PKD-2 Mutation: 69 Jahre
Wenn Einschränkung der Nierenfunktion auftritt →Abnahme GFR um 4 - 6 ml/min/Jahr
Nierenvolumen (TKV = total kidney volume) guter Marker für Progression der Erkrankung
Spezifische Therapie:
Tolvaptan (Vasopressin-Rezeptor Antagonist):
Vasopressin (ADH) an Zystenwachstum beteiligt
Patienten < 50 Jahren mit eGFR ≥ 45 ml/min/ 1,73m2 und hohem Risiko für raschen Progress 1,2
UAW: Polyurie (bis 7 Liter), Erhöhung Leberwerte
Allgemeine Therapie Strategien:
Therapie der Hypertonie mit Zielwerten < 110/75 mmHg (ACE-I, ARB)
Kochsalzrestriktion (< 2 g/d)
Hohe Trinkmenge: 3 Liter (unterdrückt Vasopressin Sekretion)
Nierentransplantation
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