Sachrecht
Das zur Entscheidung in der Sache berufene Privatrecht.
Sachnorm bezeichnet eine Rechtsvorschrift, die materielle Rechtsfragen regelt, d.h. in der Sache selbst entscheidet (im Gegensatz zur Kollisionsnorm).
Statut
Das für einen bestimmten Rechtsbereich anwendbare Sachrecht.
Bsp.: Scheidungsstatut (= das auf die Scheidung anwendbare Recht)
Kollisionsnorm
Vorschrift (des IPR), welche die anwendbare Rechtsordnung bestimmt.
—> Kollisionsnormen „do not themselves decide cases“!
Was ist die Rechtsfolge einer Sachnorm?
Sachentscheidung auf materiell-rechtlicher Ebene
Was ist die Rechtsfolge einer Kollisionsnorm?
Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung
—> Noch keine Sachentscheidung!
Anknüpfungsgegenstand
0 Verweisungsbegriff
Tattbestandsmerkmal, das bestimmt, was inhaltlich anzuknüpfen ist.
—> Angrenzung des Tatbestands der Kollisionsnorm
Anknüpfungsmoment
= Anknüpfungspunkt
Tatbestandsmerkmal, dessen Aufgabe es ist, auf eine bestimmte staatliche Rechtsordnung hinzuführen.
—> räumliche Zuordnung
Was sind selbstständige Kollisionsnormen? Nenne ein paar Beispiele.
Selstbständige Kollisionsnormen sind Hauptnormen.
Sie bestimmen unmittelbar das anwendbare Rechte (d.h. i.d.R. ohne Hinzuziehung weiterer Kollisionsnormen.
z.B..:
Art. 13 I EGBGB
Art. 19 I 1 EGBGB
Art. 21 I EuErbVO
u.v.m.
Was sind unselbstständige Kollisionsnormen? Nenne ein paar Beispiele.
Unselbstständige Kollisionsnormen sind Hilfsnormen.
Sie sind eine Ergänzung, wenn selbstständige Normen im Einzelfall nicht ausreichen, um das anwendbare Recht zu bestimmen.
z.B.:
Art. 4-6 EGBGB
Ungeschriebene Hilfsnormen, z.B. zu Qualifikation, Anpassung, Vorfrage
Was sind einseitige Kollisionsnormen?
Einseitige Kollisionsnormen bestimmen ausschließlich die Reichweite des am Gerichtsort geltenden Rechts, d.h. berufen nur eine (die inländische) Rechtsordnung.
Historisch: EGBGB von 1900 als System einseitiger Kollisionsnormen
Heute nur noch für bestimmte Spezialfragen (z.B. Art. 7 II EGBGB)
Zudem: “selbstbegrenzte Sachnormen” (lois d
´application immédiate)
Was sind allseitige Kollisionsnormen?
Allseitige Kollisionsnormen bestimmen die anwendbare Rechtsordnung ungeachtet ihrer Herkunft (unter identischen Tatbestandsvoraussetzungen), d.h. berufen potenziell jede existierende Rechtsordnung.
Seit Reform des EGBGB absolute Regel!
Dominieren auch in EU-Verordnungen und Staatsverträgen —> lois uniforme
Problemfälle beim Gewöhnlichen Aufenthalt
Austauschstudenten
regelmäßig keine Änderung des gew. Aufenthaltes, d.h. bleibt i.d.R. im Heimatland
Entwicklungshelfer und Mitarbeiter im AUsland
“Mallorca”-Rentner und “Demenztourismus”
Änderung des gew. Aufenthalts durchaus möglich!
“Digital Nomades”/ “Jetsetter”
lex fori
deutsches Recht
lex cause
Das Recht, das auf die jeweilige Sachfrage Anwendung findet.
Was versteht man unter domicile of origin/of choice?
domicile of origin: domicile der sorgeberechtigten Eltern zum Zeitpunkt der Geburt.
domicile of choice: Tatsächlicher Lebensmittelpunlt an einem Ort, mit dauerhaftem Bleibewillen (animus semper manendi)
—> setzt Freiwilligkeit voraus!
Achtung: Domizil <——> domicile!!!
Was ist eine wandelbare Anknüpfung?
Eine wandelbare Anknüpfung ist eine Anknüpfung zum jeweiligen Zeitpunkt der Beurteilung.
Das anzuwendende Recht kann sich ändern: sog. Statutenwechsel
Bspw.: Unterhaltspflicht nach dem Recht des jeweiligen gew. Aufenthalts des Berechtigten, Art. 15 EuUntVO i.V.m. Art. 3
zum Teil explizit ausgeschlossen, bspw. Art. 26 II EuErbVO
Was ist eine unwandelbare Anknüpfung?
Das Anknüpfungsmoment wird auf einen bestimmten Zeitpunkt fixiert.
Eine spätere Änderung ist irrelevant, das anzuwendende Recht steht (kollisionsrechtlich) fest.
Ratio: Vertrauensschutz (Schutz wohlerworbener Rechte, Kontinuität)
Bspw.: Art. 24 EuErbVO, Art. 26 EuGüVO
Vorfragenproblem: Sollen (echte) Vorfragen „selbständig“ nach dem IPR der lex fori oder „unselbständig“ nach dem IPR der lex causae angeknüpft werden?
Unselbstständige Anknüpfung
Die Kollisionsnormen des Hauptstatuts werden auf die Vorfrage angewendet.
lex causae-Anknüpfung
Arg: internationaler Entscheidungseinklang
Vermittelnde Lösung
Je nachdem, ob im konkreten Fall das Interesse am internen oder am internationalen Entscheidungseinklang überwiegt.
Selbstständige Anknüpfung
Die Vorfrage ist nach dem Kollisionsrecht der lex fori zu beurteilen
lex fori-Anknüpfung
Arg: interner Entscheidungseinklang
Herrschende Meinung: Vorfragen sind grundsätzlich selbständig anzuknüpfen.
Eine Rechtsfrage soll nicht unterschiedlich beurteilt werden, nur weil sie einmal als Vorfrage, ein anderes Mal als Hauptfrage auftaucht.
Interesse am internen Entscheidungseinklang überwiegt; Vermeidung sachlich “hinkender” Rechtsverhältnisse
aber: keine schematischen Lösungen!
Ausnahmen von der selbstständigen Vorfragenanknüpfung
—> Im Bereich des staatsvertraglichen Kollisionsrechts und Einheitsrechts, sofern nicht:
ausdrückliche Mitregelung der Vorfragenanknüpfung (eher selten) oder
durch Auslegung ermittelte Anwendbarkeit des auf die Hauptfrage anwendbaren materiellen Rechts auch auf die Vorfrage
unselbständige Anknüpfung lege causae als Regel (mit dem Argument, dass selbständige Anknüpfung die intendierte Rechtsvereinheitlichung beeinträchtigen würde)? sehr str.
—> Im europäischen Kollisionsrecht?
Tendenziell selbständige Anknüpfung
Für unselbständige Anknüpfung sprechen hier aber die durchaus gewichtigen Gründe des europäischen Entscheidungseinklangs
—> Ausnahmen bei wertender Betrachtung
sofern dem Bedürfnis nach internationalem Entscheidungseinklang der Vorzug einzuräumen ist
Ordre public- Ergebniskontrolle am Maßstab des Art. 6 EGBGB
Offensichtkiche Unvereinbarkeit des konkreten Ergebnissen mit wesentlichen Grundsätzen des dt. Rechts (insb. Grundrechte)?
Keine “abstrakte Normenkontrolle” ausländischen Rechts!
PLUS
Ausreichender Inlandsbezug des konkreten Sachverhalts (ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal)
=
Nichtanwendung der ausländischen Norm
Problem der dépeçage
IPR kann einheitlichen Lebenssachverhalt „auseinanderreißen“ und verschiedene Aspekte unterschiedlichen Rechtsordnungen zuordnen (sog. dépeçage).
—> Ergebniskorrektur durch Anpassung (auch Angleichung genannt) erforderlich, wenn dies zu Lösungen führt, die nach keiner der beteiligten Rechtsordnungen richtig wären
Normenmangel
Normenhäufung
Was bedeutet Substitution? Nenne Beispiele und Kriterien.
Der Begriff „Substitution“ bezeichnet das Problem der Subsumierbarkeit ausländischer rechtlicher Phänomene unter das inländische Sachrecht.
—> Kann ein inländisches Tatbestandsmerkmal durch ein ausländisches ersetzt (substituiert) werden?
Beispiele:
Erbschein (§ 2366 BGB)
Verjährungshemmung durch Mahnbescheid (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB)
Güterstand i.S.d. § 1371 Abs. 1 BGB
Notarielle Beurkundung (§ 311b Abs. 1 S. 1 BGB)
Kriterien:
Ist das Tatbestandselement der jeweiligen Norm nach ihrem Sinn und Zweck überhaupt substituierbar oder verlangt die Norm zwingend eine „Inlandstatsache“?
Wenn substituierbar: Ist die Auslandstatsache mit der von der Sachnorm vorausgesetzten Tatsache gleichwertig?
Das fremde Rechtsinstitut muss nach Wirkung und Funktion im konkreten Fall dem zu substituierenden Rechtsinstitut der lex causae gleichwertig sein (nicht: völlig identisch).
Vorfragen sind…
—> in einer Kollisionsnorm der lex fori: Erstfragen (“kollisionsrechtliche Vorfrage)
stets (!) selbständige Anküpfung lege fori
eine lex causaee, nach der angeknüpft werden könnte, ist noch nicht festgestellt!
—> in einer ausländischen (mareriell-rechtlichen) Norm: (echte) Vorfrage
i.d.R. selbstständige Anküpfung lege fori
Ausnahmen aber insb. im staatsvertraglichen IPR und bei besonderer Bedeutung des int. Entscheidungseinklangs
Zuletzt geändertvor 2 Jahren