Vor- und Nachteile der General Personality and cognitive social learning Theory of criminal conduct
Vorteile:
Allgemein? --> Ja, versucht möglichst viele Ebenen/ Faktoren aufzunehmen um die Varianz in kriminellen Verhalten bestmöglich abdecken zu können
Rational?
Ja, für die meisten Faktoren gibt es empirische Bestätigung (v.a. kriminelle Vorgeschichte und prokriminelle Einstellungen und prokriminelle Peers- Theorie weißt auch keinen internen Widerspruch auf
Die lerntheoretische Wirkung hat empirische Fundierung (Konditionierung, Lernen am Modell, operante Konditionierung); aber es wurde nicht getestet inwiefern die central 8 die Lerngeschichte beeinflussen
Modell erinnert an Biopsychosoziale Modelle --> mehr Risikofaktoren = höhere Wahrscheinlichkeit für straffälliges Verhalten
Einfach? --> Tendenziell kommt die Theorie mit wenigen Annahmen aus, nämlich eine Wechselwirkung zwischen Kontext-, Risikofaktor und situativen Gegebenheiten, die in WW zueinander stehen und einer subjektiven Kosten-Nutzen Abwägung, die von Lernerfahrungen geprägt ist, aber die "Annahmen" sind tendenziell eher deskriptiv als explikativ (siehe Nachteile)
Dynamik der Faktoren ermöglicht Abbildung eines Risikoverlaufs und Ansatzpunkte für die Behandlung
Nachteile
Empirische Befunde erklären können? Eher nein, Modell ist eher deskriptiv als explikativ
Die Theorie gibt keine Spezifikationen oder Vorgaben zu WW und Gewichtung der einzelnen Faktoren
Ebenfalls keine Erklärung, wie die Lerngeschichte die Faktoren und dann letztendlich die Entscheidung beeinflusst
Die AutorInnen äußern sich kaum zu den Kontextvariablen, sie werden angeführt wie Gesetzmäßigkeit --> durchaus kritisch zu hinterfragen, auch wenn die Kontextfaktoren eher als Carrier-Variablen verstanden werden können (und genau für die Mechanismen hinter diesen Carrier Variablen bräuchte es eigentlich eine Erklärung, die hier jedoch nicht gegeben ist)
Auch wenn die Kosten-Nutzen-Abwägung subjektiv zu verstehen ist, ist es fraglich ob der Mensch auch eine subjektive Kosten-Nutzen-Abwägung vor jeder Entscheidung trifft/ vor jeder Handlung
Tautologie: Prokriminelle Einstellungen, ist wenn straffälliges Verhalten als positiv gewertet wird, d.h. prokriminelle Einstellungen sind eng daran gekoppelt, dass sich Personen schonmal straffällig verhalten haben --> Erklärungswert der Variable so nicht groß
Theorien auf Individualebene
General Strain Theory (Agnew)
Im Unterschied zu Mertons Anomietheorie, sieht Agnew neben der gesellschaftlichen Ziel-Mittel-Diskrepanz zusätzlich 3 Typen sozialer Belastung (strain) für einzelne Akteure:
Nicht erreichen von angestrebten Zielen
Wegfall von positiven Impulsen
Vorhandensein von schädlichen Impulsen
Die Gründe dafür, dass nur manche Menschen mit kriminellen Verhaltensweisen auf die Belastung reagieren, sieht er in unterschiedlichen Bewältigungsfähigkeiten --> Straffälliges Verhalten als eine Art Coping-Mechanismus als Reaktion auf Stressoren
General Theory of Crime (Hirschi)
Individuelle Differenzen in straffälligem Verhalten durch Unterschiede in Selbstkontrolle erklärt
Selbstkontrolle= Die Fähigkeit die gesamten Konsequenzen/ Kosten deiner Handlung einer Handlung zu berücksichtigen
Differential Association Theory (Cullen)
Prokriminelle Peers fördern die Entwicklung prokrimineller Einstellungen
--> Problem: Kriminalität ein heterogenes Konstrukt, sodass man erwarten kann, dass sie durch einzelne Risikofaktoren multikausal erklärt werden kann --> man braucht komplexeren Ansatz um die Entwicklung von Kriminalität zu verstehen
General Personality and Cognitive Social Learning Theory of Criminal Conduct
(Bonta & Andrews)
Berücksichtig eine Vielzahl von biopsychosozialen Faktoren, die im Wechsel zueinander stehen und in ihrer Interaktion die Varianz erklären sollen
Das Modell umfasst:
Kontextvariablen
· Herkunftsfamilie, Fähigkeiten, Temperament, Werte
· Nachbarschaft, Unterstützung für Kriminalität
· Geschlecht
· Alter
· Ethnie
· --> vor dem Kontext kommt es zu einem Wechselspiel der versch., Risikofaktoren, welches in der Theorie jedoch nicht näher spezifiziert ist
8 versch. Risikofaktoren (nehmen alle einen separaten Einfluss auf das Outcome) --> alle Risikofaktoren werden dimensional verstanden (günstige & ungünstige Ausprägung) 7 sind dynamisch, ein Risikofaktor ist statisch.
Statisch: Kriminelle Vorgeschichte
· Die Intensität der strafrechtlichen Vorgeschichte (wie früh wurde eine Person straffällig, wie oft, welche Variablität haben die Straftaten gezeigt). Intensität ist nicht gleichzusetzen mit Schwere der Straftaten
Dynamisch:
· Prokriminelle Einstellung:
Einstellungen, Werte, Überzeugungen, Rationalisierungen und Gedanken.
· Prokriminelle Bekannte:
Kontakt zu Leuten mit prokrimineller Einstellung und den fehlenden Kontakt zur prosozialen Menschen
· Antisoziale Persönlichkeitsmuster:
In alltäglicher Sprache: Impulsiv auf Lustmaximierung ausgerichtet und aggressive, rücksichtslose Tendenzen.
· Familie/ Ehe:
Ursprungsfamilie, eigene Partnerschaften/familiäre Strukturen, welche Erwartungen gibt es, welche Regeln, gibt es Überwachung?
· Schule/Arbeit
Leistungsfähigkeit, Commitment, Zufriedenheit die resultiert
· Substanz Missbrauch
· Freizeit/ Erholung
Vermehrt prosozial gestaltet oder prokriminell
Die Faktoren stehen in Wechselwirkung mit der konkreten Situation und erklären Varianz in der Frage, wer straffällig wird und wer nicht?
Wenn sich eine Gelegenheit für einen Delikt ergibt und viele Risikofaktoren vorliegen ist das Begehen einer Straftat erhöht.
Auch Lernmechanismen haben einen Einfluss auf die Auftretenswahrscheinlichkeit, man geht davon aus, dass kriminelles Verhalten erlernt wird, wenn der Nutzen höher ist als die Kosten. Wann und wie oft die Belohnungen und Kosten auftreten, hat einen starken Effekt auf das Verhalten (=die Dichte der Kosten und Belohnungen)
Wahrscheinlich hat die Lerngeschichte Einfluss auf die Entwicklung/ Ausprägung von Risikofaktoren und die Risikofaktoren, haben dann je nach Ausprägung einen unterschiedlichen Einfluss auf die Handlungswahl in Wechselwirkung mit der Situation
Theorien kriminellen Verhaltens
Wie muss eine Theorie sein?
Ansatzpunkt zur Erklärung?
Beispieltheorien Meso-/ Makroebene + Einschränkungen
Allgemeingültig = Heterogenität der Kriminalität erklären
Einfach = mit möglichst wenig Annahmen auskommen + empirisch überprüfbar sein
Rational = Interne und externe Konsistenz
Empirisch Befunde erklären können
Ansatzpunkte zur Erklärung kriminellen Verhaltens
Makroebene = Bedingungen, die mit den meisten Personen geteilt werden (z.B. Kultur)
Mesoebene = Bedingungen, die mit weniger Personen geteilt werden (z.B. Nachbarschaft)
Mikroebene & Individualebene = Bedingungen, die mit wenigen Personen geteilt werden (z.B. Familie), bzw. individuelle Bedingungen
Beispieltheorien
Makro-Level
Strain-Theorie (Merton)
Anomie= Fehlende Balance zwischen Mittel und Bedürfnissen führt dazu, dass Normen an Akzeptanz & Gültigkeit verlieren
Kulturen & Gesellschaften geben Erfolgsziele vor, die von bestimmten Mitgliedern nicht erreicht werden können --> Druckgefühl (strain) --> Innovative (kriminelles) Verhalten wird gezeigt (Ziele so auf alternative Weise gelöst)
Beispiel: Anstieg Jugendkriminalität in Ostdeutschland nach der Wende
Pro/ Kontra:
Pro: Kann Konjunkturen/ Trends der Kriminalität erklären
Kontra: Erklärt nicht wieso sich Menschen den gesellschaftlichen Trends anschließen und wieso auch Leute straffällig werden, die das sich nicht anschließen
Da es schwer ist gesellschaftliche geltende Mittel und Ziele auf einer Makroebene zu messen & so direkte Belege für die Theorie zu finden, überprüft man oft auf Individualebene (Studie Ortmann: Jugendstrafgefangene mit angestrebten Ziel neigen eher zu deviantem Verhalten, wenn sie nicht die Mittel zum Erreichen des Ziels haben)
General-Strain-Theorie: Formalisierung auf individueller Ebene, Personen sind versch. Stressoren u. Belastungen ausgesetzt -> werden eher straffällig um Druck zu entkommen -> Straffälliges Verhalten als eine Art Coping-Mechanismus, um negative Gefühle zu bewältigen
Meso-Level: Subkulturansatz(z.B. Cohen oder Mafia)
In benachteiligten Gebieten entwickeln sich eigene Moral- und Wertesysteme --> straffälliges Verhalten mit Blick auf die Regeln der Subkultur dann konformes Verhalten
erklärt kriminelles Verhalten von Subkulturen
Kontra: Erklärt auch hier nicht welche Person sich Subkulturen anschließen und welche nicht
-> Überschätzung, da ausgegangen wird dass jede benachteiligte Person sich einer Subkultur anschließt und warum manche nicht-benachteiligten straffällig werden
Durch Kritik entwickelten sich die Neutralisierungstechniken (Sykes, Matza)
Entgegen der Subkulturen geht die Neutralisierungsthese von einer Internalisierung gesellschaftlicher Normen aus. Diese werden im Zuge der Tat jedoch durch Neutralisierungstechniken verändert, geschwächt o. verdreht.
= Rechtfertigungen der Kriminellen für ihre begangenen Taten (z.B. Ablehnung von Verantwortung, Verdammung der Verdammte, Ablehnung des Opfers, Verneinung des Unrechts, usw.)
keine eigentliche Kriminalitätstheorie, sondern sie beschreiben das rationalisierende Verhalten nach der begangenen Tat
Limitation von Theorien auf der Makro- & Mesoebene
Eignen sich zur Beschreibung von Trends/ Konjunkturen, aber erklären nicht, welche Personen, sich gesellschaftlichen Trends (nicht) anschließen
Rückschluss auf Individualebene, birgt Gefahr des ökologischen Fehlschlusses (Zusammehang auf Makro-/Mesoebene liegt nicht auf Individualebene vor)
Ökologischer Fehlschluss= Auf Basis von Aggregatdaten, die Merkmale eines Kollektivs abbilden, wird unzulässigerweise auf Individualebene geschlossen
Bsp.: Angenommen, in einem Wahlkreis sind 30 % Katholiken (1: Makro) und 30 % Wähler einer konservativen Partei (4: Makro), während in einem anderen Wahlkreis 50 % Katholiken und 50 % Wähler einer konservativen Partei sind. Der postulierte Fehlschluss lautet: Katholiken wählen konservative Parteien. Das muss aber nicht sein, denn im Extremfall könnte sogar kein einziger Wähler einer konservativen Partei Katholik sein. Zu überprüfen wäre: (2: Mikro) Einzelne Menschen sind Katholiken. → (3: Mikro) Genau diese Menschen wählen eine konservative Partei.
Zentrale Befunde zur Kriminalität
Age-Crime Curve
Kriminalität hat die größte Prävalenz in der Jugend (Anfang mit 10, Peak mit 16-19) , danach Abnahme
Den Verlauf der Kurve findet man über versch. Kulturen und Zeitpunkte hinweg
Stabilität antisozialen/devianten Verhaltens
Personen, die früh auffällig waren, sind mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch später antisozial/kriminell
Dominanz geringfügiger Delikte
Nicht mal 15% aller Delikte sind gegen das Leben (Gewalttaten, Sexualtaten, Freiheit- und Raubdelikte)
Über 50% sind Betrugs- oder Diebstahldelikte (2007)
Verteilung zeigt sich auch im Dunkelfeld
Mehr Männer als Straftäter
Bei fast allen Delikten mehr Männer, v.a. Gewaltstraftaten (5x häufiger Körperverletzung als Frauen)
Ladendiebstahlt gleich häufig
Viele Taten kommen auf wenige TäterInnen (Intensivtäter)
Auch, wenn meisten Menschen mind. 1x im Leben straffällig werden ist ein kleiner Anteil für ein Großteil der registrierten Taten verantwortlich
Studie Farrington: Ca. 50-60% der Delikte werden von 6-10% der TäterInnen begangen
Migration und Soziale Schicht
Unteres soziales Milieu und Migrationshintergrund haben höhere Kriminalitätslast
--> Alles sog. Carrier-Variablen (Variablen, die eine Vielzahl psychologischer Merkmale bündeln (z.B. Rollenverständnis, Sozialisationsprozess)) --> Sind also selbst keine Erklärung, sondern Befunde, die in Theorien zur Erklärung der Kriminalität erklärt werden sollten
SchlechtOK
Wie kann man die Kriminalitätswirklichkeit abbilden?
Genaues Abbild nicht möglich, Personen die Straftaten begehen wollen ja nicht erfasst werden; Messmethoden weisen Lücken und Unsicherheiten auf
Messmethoden
Polizeiliche Kriminalstatistik
Umfasst alle versuchten o. vollendeten Straftaten, die bei der Polizei eingegangen sind
Informiert über Tat, Tatort, Merkmale TäterIn, Aufklärungsrate
Wichtige Kennziffer: Tatverdächtigenbelastungszahl (z.B. für eine Altersgruppe)
= Zahl mit der die Verbreitung der Kriminalität beurteilt werden kann
Zahl der TäterInnen/ 100.000 Einwohner des entsprechenden Bevölkerungsanteils ohne Kinder unter 8 Jahren
Nachteile: es gehen nur die bekannten Fälle ein.
Dunkelfeld
hängt ab von Kontrollverhalten der Polizei und Anzeigeverhalten (weniger Anzeigen v.a. bei Taten, die kein direktes Opfer haben wie z.B. Wirtschaftsdelikte, Rauschgifthandel)
--> daher Beurteilung der PKS immer in Kontext zu setzen: Muss nicht immer mehr straftaten geben, Anzeigeverhalten kann sich geändert haben oder Gesetzesänderungen (z.B.: Reform Sexualstrafrecht)
-> PKS alleine reicht nicht aus für realen Überblick
Bevölkerungsbefragungen:
ermöglichen Blick ins (relative) Dunkelfeld
anonyme Fragebögen oder (Telefon)Interviews
Letzte große Bevölkerungsbefragung (Victimisierungssurvey) im Jahr 2012 & 2017, ansonsten selten in Deutschland oder nur lokal (nicht bevölkerungsrepräsentativ)
Nachteile/ verzerrende Einflüsse:
Für Repräsentativität müssten alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden und zwar in dem Umfang, wie sie auch in der Bevölkerung vorkommen
Kostspielig
Bestimmte Personenkreise sind nur schwer zu erreichen
Ohne Wohnsitz, illegal in Deutschland lebende Personen, Personen, die in Instituationen leben wie Militär, Haft, Heim (--> weniger Zugang)
Manche Gruppen haben weniger Bereitschaft an Befragungen teilzunehmen (z.B. Drogenabhängige)
Telefonumfragen setzen voraus, dass alle Telefon haben; Briefumfragen gehen oft mit weniger Teilnahmebereitschaft einher (weniger Aussagekraft), Face-to-face Interviews können zu verzerrten Antworten fühlen wegen sozialer Erwünschbarkeit
Teilnehmer können nur über das berichten, was sie auch selbst als Straftat empfunden haben
Auch hier Verzerrungen möglich (Scham bei Opern, Verschweigen von schweren Delikten bei TäterInnen)
Hell-Dunkelfeld-Relation (Vergleich PKS mit Bevölkerungsbefragung)
Wahrscheinlich nur 50% der Delikte werden offiziell registriert
Relation abhängig von:
Deliktart, Entdeckungs- und Anzeigeverhalten
Schwere Delikte (außer Vergewaltigung) werden häufiger angezeigt
Warenhausdiebstähle wahrscheinlich zu 90-95% unentdeckt
Wohnungseinbrüche oft angezeigt
Anzeigerate variiert über Region und Zeit
-> Generell sind Bevölkerungsbefragungen und Dunkelfeldumfragen sehr sinnvoll als Ergänzung zur PKS
Was ist Kriminalität
Formeller Kriminalitätsbegriff: Kriminelles Verhalten als Straftat
Objektive Tatbestandsmerkmale --> Verstoß gegen Gesetz
Subjektive Tatbestandmerkmale --> Absichtsvoll oder fahrlässige Handlung
Keine Rechtfertigung (z.B. Notwehr)
(Teilweise) Schuldfähigkeit
Kriminalität ein sehr heterogenes Konstrukt, umfasst große Bandbreite an Verhaltensweisen --> schwer Kriminalität zu erklären
Strafgesetze variieren über Zeit und Kulturen/ Staaten --> Operationalisierung des Kriminalität anhand des SGB relativ
Psychologisch ist auch deviantes, nicht strafrechtliches Verhalten relevant (z.B.: Vorläuferprobleme)
Zuletzt geändertvor 10 Monaten