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VL Befunde und Theorien

LD
von Livia D.

Vor- und Nachteile der General Personality and cognitive social learning Theory of criminal conduct

Vorteile:

  • Allgemein? --> Ja, versucht möglichst viele Ebenen/ Faktoren aufzunehmen um die Varianz in kriminellen Verhalten bestmöglich abdecken zu können

  • Rational? 

    • Ja, für die meisten Faktoren gibt es empirische Bestätigung (v.a. kriminelle Vorgeschichte und prokriminelle Einstellungen und prokriminelle Peers- Theorie weißt auch keinen internen Widerspruch auf 

    • Die lerntheoretische Wirkung hat empirische Fundierung (Konditionierung, Lernen am Modell, operante Konditionierung); aber es wurde nicht getestet inwiefern die central 8 die Lerngeschichte beeinflussen 

    • Modell erinnert an Biopsychosoziale Modelle --> mehr Risikofaktoren = höhere Wahrscheinlichkeit für straffälliges Verhalten 

  • Einfach? --> Tendenziell kommt die Theorie mit wenigen Annahmen aus, nämlich eine Wechselwirkung zwischen Kontext-, Risikofaktor und situativen Gegebenheiten, die in WW zueinander stehen und einer subjektiven Kosten-Nutzen Abwägung, die von Lernerfahrungen geprägt ist, aber die "Annahmen" sind tendenziell eher deskriptiv als explikativ (siehe Nachteile)

  • Dynamik der Faktoren ermöglicht Abbildung eines Risikoverlaufs und Ansatzpunkte für die Behandlung 


  • Nachteile

    • Empirische Befunde erklären können? Eher nein, Modell ist eher deskriptiv als explikativ 

      • Die Theorie gibt keine Spezifikationen  oder Vorgaben  zu WW und Gewichtung der einzelnen Faktoren

      • Ebenfalls keine Erklärung, wie die Lerngeschichte die Faktoren und dann letztendlich die Entscheidung beeinflusst 

      • Die AutorInnen äußern sich kaum zu den Kontextvariablen, sie werden angeführt wie Gesetzmäßigkeit --> durchaus kritisch zu hinterfragen, auch wenn die Kontextfaktoren eher als Carrier-Variablen verstanden werden können  (und genau für die Mechanismen hinter diesen Carrier Variablen bräuchte es eigentlich eine Erklärung, die hier jedoch nicht gegeben ist)

    • Auch wenn die Kosten-Nutzen-Abwägung subjektiv zu verstehen ist, ist es fraglich ob der Mensch auch eine subjektive Kosten-Nutzen-Abwägung vor jeder Entscheidung trifft/ vor jeder Handlung

    • Tautologie: Prokriminelle Einstellungen, ist wenn straffälliges Verhalten als positiv gewertet wird, d.h. prokriminelle Einstellungen sind eng daran gekoppelt, dass sich Personen schonmal straffällig verhalten haben --> Erklärungswert der Variable so nicht groß 


Theorien auf Individualebene

  • General Strain Theory (Agnew)

    • Im Unterschied zu Mertons Anomietheorie, sieht Agnew neben der gesellschaftlichen Ziel-Mittel-Diskrepanz zusätzlich 3 Typen sozialer Belastung (strain) für einzelne Akteure:

      • Nicht erreichen von angestrebten Zielen 

      • Wegfall von positiven Impulsen 

      • Vorhandensein von schädlichen Impulsen 

    • Die Gründe dafür, dass nur manche Menschen mit kriminellen Verhaltensweisen auf die Belastung reagieren, sieht er in unterschiedlichen Bewältigungsfähigkeiten --> Straffälliges Verhalten als eine Art Coping-Mechanismus als Reaktion auf Stressoren 

  • General Theory of Crime (Hirschi)

    • Individuelle Differenzen in straffälligem Verhalten durch Unterschiede in Selbstkontrolle erklärt

    • Selbstkontrolle= Die Fähigkeit die gesamten Konsequenzen/ Kosten deiner Handlung einer Handlung zu berücksichtigen 

  • Differential Association Theory (Cullen)

    • Prokriminelle Peers fördern die Entwicklung prokrimineller Einstellungen 

--> Problem: Kriminalität ein heterogenes Konstrukt, sodass man erwarten kann, dass sie durch einzelne Risikofaktoren multikausal erklärt werden kann --> man braucht komplexeren Ansatz um die Entwicklung von Kriminalität zu verstehen 


General Personality and Cognitive Social Learning Theory of Criminal Conduct

(Bonta & Andrews)

 

Berücksichtig eine Vielzahl von biopsychosozialen Faktoren, die im Wechsel zueinander stehen und in ihrer Interaktion die Varianz erklären sollen

 

Das Modell umfasst:

Kontextvariablen

·       Herkunftsfamilie, Fähigkeiten, Temperament, Werte

·       Nachbarschaft, Unterstützung für Kriminalität

·       Geschlecht

·       Alter

·       Ethnie

·       --> vor dem Kontext kommt es zu einem Wechselspiel der versch., Risikofaktoren, welches in der Theorie jedoch nicht näher spezifiziert ist

 

8 versch. Risikofaktoren (nehmen alle einen separaten Einfluss auf das Outcome) --> alle Risikofaktoren werden dimensional verstanden (günstige & ungünstige Ausprägung) 7 sind dynamisch, ein Risikofaktor ist statisch.

 

Statisch: Kriminelle Vorgeschichte

·       Die Intensität der strafrechtlichen Vorgeschichte (wie früh wurde eine Person straffällig, wie oft, welche Variablität haben die Straftaten gezeigt). Intensität ist nicht gleichzusetzen mit Schwere der Straftaten

 

Dynamisch:

·       Prokriminelle Einstellung:

Einstellungen, Werte, Überzeugungen, Rationalisierungen und Gedanken.

 

·       Prokriminelle Bekannte:

Kontakt zu Leuten mit prokrimineller Einstellung und den fehlenden Kontakt zur prosozialen Menschen

 

·       Antisoziale Persönlichkeitsmuster:

In alltäglicher Sprache: Impulsiv auf Lustmaximierung ausgerichtet und aggressive, rücksichtslose Tendenzen.

 

·       Familie/ Ehe:

Ursprungsfamilie, eigene Partnerschaften/familiäre Strukturen, welche Erwartungen gibt es, welche Regeln, gibt es Überwachung?

 

·       Schule/Arbeit

Leistungsfähigkeit, Commitment, Zufriedenheit die resultiert

 

·       Substanz Missbrauch

 

·       Freizeit/ Erholung

Vermehrt prosozial gestaltet oder prokriminell

 

  • Die Faktoren stehen in Wechselwirkung mit der konkreten Situation und erklären Varianz in der Frage, wer straffällig wird und wer nicht?

  • Wenn sich eine Gelegenheit für einen Delikt ergibt und viele Risikofaktoren vorliegen ist das Begehen einer Straftat erhöht.

  • Auch Lernmechanismen haben einen Einfluss auf die Auftretenswahrscheinlichkeit, man geht davon aus, dass kriminelles Verhalten erlernt wird, wenn der Nutzen höher ist als die Kosten. Wann und wie oft die Belohnungen und Kosten auftreten, hat einen starken Effekt auf das Verhalten (=die Dichte der Kosten und Belohnungen)

  • Wahrscheinlich hat die Lerngeschichte Einfluss auf die Entwicklung/ Ausprägung von Risikofaktoren und die Risikofaktoren, haben dann je nach Ausprägung einen unterschiedlichen Einfluss auf die Handlungswahl in Wechselwirkung mit der Situation


Theorien kriminellen Verhaltens 

Wie muss eine Theorie sein?

Ansatzpunkt zur Erklärung?

Beispieltheorien Meso-/ Makroebene + Einschränkungen

Wie muss eine Theorie sein?

  • Allgemeingültig = Heterogenität der Kriminalität erklären 

  • Einfach = mit möglichst wenig Annahmen auskommen + empirisch überprüfbar sein

  • Rational = Interne und externe Konsistenz 

  • Empirisch Befunde erklären können 

Ansatzpunkte zur Erklärung kriminellen Verhaltens

  • Makroebene = Bedingungen, die mit den meisten Personen geteilt werden (z.B. Kultur)

  • Mesoebene = Bedingungen, die mit weniger Personen geteilt werden (z.B. Nachbarschaft)

  • Mikroebene & Individualebene = Bedingungen, die mit wenigen Personen geteilt werden (z.B. Familie), bzw. individuelle Bedingungen 

Beispieltheorien

  • Makro-Level

    • Strain-Theorie (Merton)

      • Anomie= Fehlende Balance zwischen Mittel und Bedürfnissen führt dazu, dass Normen an Akzeptanz & Gültigkeit verlieren

      • Kulturen & Gesellschaften geben Erfolgsziele vor, die von bestimmten Mitgliedern nicht erreicht werden können --> Druckgefühl (strain) --> Innovative (kriminelles) Verhalten wird gezeigt (Ziele so auf alternative Weise gelöst) 

      • Beispiel: Anstieg Jugendkriminalität in Ostdeutschland nach der Wende

      • Pro/ Kontra:

        • Pro: Kann Konjunkturen/ Trends der Kriminalität erklären

        • Kontra: Erklärt nicht wieso sich Menschen den gesellschaftlichen Trends anschließen und wieso auch Leute straffällig werden, die das sich nicht anschließen 

      • Da es schwer ist gesellschaftliche geltende Mittel und Ziele auf einer Makroebene zu messen & so direkte Belege für die Theorie zu finden, überprüft man oft auf Individualebene (Studie Ortmann: Jugendstrafgefangene mit angestrebten Ziel neigen eher zu deviantem Verhalten, wenn sie nicht die Mittel zum Erreichen des Ziels haben)

      • General-Strain-Theorie: Formalisierung auf individueller Ebene, Personen sind versch. Stressoren u. Belastungen ausgesetzt -> werden eher straffällig um Druck zu entkommen -> Straffälliges Verhalten als eine Art Coping-Mechanismus, um negative Gefühle zu bewältigen

  • Meso-Level: Subkulturansatz(z.B. Cohen oder Mafia) 

    • In benachteiligten Gebieten entwickeln sich eigene Moral- und Wertesysteme --> straffälliges Verhalten mit Blick auf die Regeln der Subkultur dann konformes Verhalten 

    • erklärt kriminelles Verhalten von Subkulturen 

    • Kontra: Erklärt auch hier nicht welche Person sich Subkulturen anschließen und welche nicht 

    • -> Überschätzung, da ausgegangen wird dass jede benachteiligte Person sich einer Subkultur anschließt und warum manche nicht-benachteiligten straffällig werden

    • Durch Kritik entwickelten sich die Neutralisierungstechniken (Sykes, Matza)

      • Entgegen der Subkulturen geht die Neutralisierungsthese von einer Internalisierung gesellschaftlicher Normen aus. Diese werden im Zuge der Tat jedoch durch Neutralisierungstechniken verändert, geschwächt o. verdreht. 

      • = Rechtfertigungen der Kriminellen für ihre begangenen Taten (z.B. Ablehnung von Verantwortung, Verdammung der Verdammte, Ablehnung des Opfers, Verneinung des Unrechts, usw.)

      • keine eigentliche Kriminalitätstheorie, sondern sie beschreiben das rationalisierende Verhalten nach der begangenen Tat

  • Limitation von Theorien auf der Makro- & Mesoebene

    • Eignen sich zur Beschreibung von Trends/ Konjunkturen, aber erklären nicht, welche Personen, sich gesellschaftlichen Trends (nicht) anschließen 

    • Rückschluss auf Individualebene, birgt Gefahr des ökologischen Fehlschlusses (Zusammehang auf Makro-/Mesoebene liegt nicht auf Individualebene vor)

      • Ökologischer Fehlschluss= Auf Basis von Aggregatdaten, die Merkmale eines Kollektivs abbilden, wird unzulässigerweise auf Individualebene geschlossen 

      • Bsp.:  Angenommen, in einem Wahlkreis sind 30 % Katholiken (1: Makro) und 30 % Wähler einer konservativen Partei (4: Makro), während in einem anderen Wahlkreis 50 % Katholiken und 50 % Wähler einer konservativen Partei sind. Der postulierte Fehlschluss lautet: Katholiken wählen konservative Parteien. Das muss aber nicht sein, denn im Extremfall könnte sogar kein einziger Wähler einer konservativen Partei Katholik sein. Zu überprüfen wäre: (2: Mikro) Einzelne Menschen sind Katholiken. → (3: Mikro) Genau diese Menschen wählen eine konservative Partei.


Wie kann man die Kriminalitätswirklichkeit abbilden?

  • Genaues Abbild nicht möglich, Personen die Straftaten begehen wollen ja nicht erfasst werden; Messmethoden weisen Lücken und Unsicherheiten auf

  • Messmethoden 

    • Polizeiliche Kriminalstatistik 

      • Umfasst alle versuchten o. vollendeten Straftaten, die bei der Polizei eingegangen sind

      • Informiert über Tat, Tatort, Merkmale TäterIn, Aufklärungsrate 

      • Wichtige Kennziffer: Tatverdächtigenbelastungszahl (z.B. für eine Altersgruppe)

        • = Zahl mit der die Verbreitung der Kriminalität beurteilt werden kann 

        • Zahl der TäterInnen/ 100.000 Einwohner des entsprechenden Bevölkerungsanteils ohne Kinder unter 8 Jahren 

      • Nachteile: es gehen nur die bekannten Fälle ein.

        • Dunkelfeld 

          • hängt ab von Kontrollverhalten der Polizei und Anzeigeverhalten (weniger Anzeigen v.a. bei Taten, die kein direktes Opfer haben wie z.B. Wirtschaftsdelikte, Rauschgifthandel)

        • --> daher Beurteilung der PKS immer in Kontext zu setzen: Muss nicht immer mehr straftaten geben, Anzeigeverhalten kann sich geändert haben oder Gesetzesänderungen (z.B.: Reform Sexualstrafrecht)

        • -> PKS alleine reicht nicht aus für realen Überblick


      Bevölkerungsbefragungen:

      • ermöglichen Blick ins (relative) Dunkelfeld 

      • anonyme Fragebögen oder (Telefon)Interviews 

      • Letzte große Bevölkerungsbefragung (Victimisierungssurvey) im Jahr 2012 & 2017, ansonsten selten in Deutschland oder nur lokal (nicht bevölkerungsrepräsentativ) 

      • Nachteile/ verzerrende Einflüsse:

        • Für Repräsentativität müssten alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden und zwar in dem Umfang, wie sie auch in der Bevölkerung vorkommen 

          • Kostspielig

          • Bestimmte Personenkreise sind nur schwer zu erreichen 

            • Ohne Wohnsitz, illegal in Deutschland lebende Personen, Personen, die in Instituationen leben wie Militär, Haft, Heim (--> weniger Zugang) 

            • Manche Gruppen haben weniger Bereitschaft an Befragungen teilzunehmen (z.B. Drogenabhängige) 

          • Telefonumfragen setzen voraus, dass alle Telefon haben; Briefumfragen gehen oft mit weniger Teilnahmebereitschaft einher (weniger Aussagekraft), Face-to-face Interviews können zu verzerrten Antworten fühlen wegen sozialer Erwünschbarkeit 

        • Teilnehmer können nur über das berichten, was sie auch selbst als Straftat empfunden haben

        • Auch hier Verzerrungen möglich (Scham bei Opern, Verschweigen von schweren Delikten bei TäterInnen)

    • Hell-Dunkelfeld-Relation (Vergleich PKS mit Bevölkerungsbefragung)

      • Wahrscheinlich nur 50% der Delikte werden offiziell registriert 

      • Relation abhängig von:

        • Deliktart, Entdeckungs- und Anzeigeverhalten 

        • Schwere Delikte (außer Vergewaltigung) werden häufiger angezeigt

        • Warenhausdiebstähle wahrscheinlich zu 90-95% unentdeckt

        • Wohnungseinbrüche oft angezeigt

        • Anzeigerate variiert über Region und Zeit

-> Generell sind Bevölkerungsbefragungen und Dunkelfeldumfragen sehr sinnvoll als Ergänzung zur PKS

Author

Livia D.

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