Buffl

2. VL Aussagepsychologische Gutachten

LD
von Livia D.

1. CBCA-Kriterien & 2. Theorie (Köhnken)

1. Criteria-Based Content Analysis 

  • 1. Allgemeine Merkmale 

    • Logische Konsistenz

    • Sprunghafte, nicht chronologische Darstellung 

    • Quantitativer Detailreichtum 

  • 2. Spezielle Inhalte 

    • Raum-zeitliche Verknüpfung = Handlungen fügen sich ein in Routine des Aussagenden 

    • Interaktionen 

    • Wiedergabe von Gesprächen 

    • Schilderung von Komplikationen im Handlungsverlauf --> denn nicht schemakonform 

  • 3. Individuelle Besonderheiten  

    • Ausgefallene Einzelheiten 

    • Nebensächliche Einzelheiten 

    • Phänomengemäße Schilderung unverstandener Handlungselemente 

      • z.B. Kinder beschreiben Samenerguss "weißes Pipi" 

    • Indirekt handlungsbezogene Schilderungen 

      • Details, die nichts mit Ereignis zu tun haben, aber mit dem Inhalt um den es geht (z.B. der Austausch über sexuelle Erfahrungen mit anderen Personen)

    • Schilderung psychischer Vorgänge

    • Psychische Vorgänge der TäterInnen 

  • 4. Motivationsbezogene Inhalte

    • Spontane Verbesserung der eigenen Aussage

    • Eingeständnis von Erinnerungslücken

    • Einwände gegen die Richtigkeit der eigenen Aussage

    • Selbstbelastungen 

    • Entlastung des Angeschuldigten 

  • 5. Deliktspezifische Inhalte = deliktspezifische Aussageelemente  (Inhalte, die typisch vor die Straftat sind)

- Induktive Entwicklung (aus Fallmaterial entwickelt und nicht aus empirischer Theorie) --> Theorie wurde nachher erst abgeleitet 

- Kein Anspruch auf Vollständigkeit 

- Vorliegen der Kriterien nicht aufsummieren & kein Cut-Off, sondern immer einzelfallspezifisch zu beurteilen 

2. Theorie (Köhnke) 

  • Kognitive Leistung (primäre Täuschung)

    • Falschaussagen erfordern hohe kognitive Leistung (Ausdenken auf Basis von Wissensstrukturen und kognitiven Schemata; gespeichert und wieder konstruiert werden; evtl. auch Erweiterung oder Veränderung auf Nachfrage nötig)

    • --> daher fehlen kognitive Ressourcen für Kriterien 1-3

  • Strategische Selbstpräsentation (sekundäre Täuschung) 

    • Falschaussagende Person will glaubhaft wirken 

    • Daher fehlen Kriterien der 4ten Kategorie 

  • Beide Aufgaben treffen nicht immer zu: Sehr leichte Falschaussagen, auch Wahrheitssagenden ist es wichtig geglaubt zu werden 


1. Was ist Aussagetüchtigkeit 4 punkte

2. Beurteilung der Aussagetüchtigkeit 

3. Einschränkung der Aussagetüchtigkeit 

1. Was ist Aussagetüchtigkeit

  • Adäquate Situationswahrnehmung

  • Speicherung über längeren Zeitraum 

  • Verbales Ausdrucksvermögen

  • Unterscheidungsfähigkeit zwischen tatsächlich stattgefundenen und anders generierten Vorstellungen 

2. Beurteilung Aussagetüchtigkeit 

  • Vor Hypothesentestung: Aussagetüchtigkeit als Voraussetzung   --> ist bei Besonderheiten der aussagenden Person zu prüfen (nicht routinemäßig, da unökonomisch) 

  • Entscheidend: Zeitpunkt 

    • Tatzeitpunkt

    • Befragungszeitpunkt 

  • Je nach Zeitpunkt, hat das Auswirkungen auf die Beurteilung

    • Erhaltene Aussagetüchtigkeit 

    • Vorübergehend aufgehobene Aussagetüchtigkeit

      • Während Befragungszeitpunkt

    • Dauerhaft aufgehobene Aussagetüchtigkeit

      • Während Zeitpunkt der Strafe z.B. in intoxikierten oder psychotischen Zustand 

3. Einschränkung Aussagetüchtigkeit 

  • Neben Fähigkeiten müssen auch Aufgabenanforderungen berücksichtigt werden (Interaktion von Fähigkeiten, Aufgabe und Erhebungssituation) 

  • Aussagetüchtigkeit kein Zeit überdauerndes konstantes Konstrukt, sondern immer nur bezogen auf einen Sachverhalt 

  • Eingeschränkt bei entwicklungsbedingten oder psychopathologische Einschränkungen:

    • -        Kinder unter 4 Jahren sind im Allgemeinen nicht aussagetüchtig. Sie brauchen oft Hinweisreize zum Erinnern, die man ja aufgrund von Suggestion nicht geben darf.

      -        4-6 Jahre: Kurze Narrationen möglich, Fähigkeit, ohne Hilfestellung Dritter über Erlebnisse zu berichten, nimmt zu (aber: Beachtung der Aufgabenanforderungen); Unterscheidung zwischen Fantasie und Wirklichkeit (dennoch: „Als-ob“ Szenarien in der Befragung vermeiden)

      -        Ab 6-7 Jahren: Berichte von Kindern nähern sich in ihrer Organisation und Logik denen von Erwachsenen, d.h. ohne Vorliegen von Entwicklungsverzögerungen ist in diesem Alter i.d.R. von einer vorhandenen Aussagetüchtigkeit auszugehen.

       

      Psychopathologische Einschränkungen:

      -        Beeinflussung durch psychotrope Substanten/Substanzabhängigkeit -> nicht per se, es kann immer sein, dass das Erleben trotzdem so „normal“ ist, dass von Aussagetüchtigkeit ausgegangen werden kann

      -        Schizophrenien

      -        Persönlichkeitsstörungen (v.a. Borderline), nur bei akuten psychotischen Symptomen.


Erlebnisbezug vs. Suggestion 

1. Was sind Aussagen, die auf suggestiven Prozessen beruhen?

2. Wie entstehen suggestive Aussagen 

     - Bei Kindern 

     - Bei Jugendlichen/ Erwachsenen

3. Prüfung der Suggestionshypothese

1. Was sind Aussagen, die auf suggestiven Prozessen beruhen? 

  • Aussagen ohne Erlebnisbezug, Personen gehen aber davon aus die Wahrheit zu sagen (nicht-intentional)

  • Kontamination (Erlebnisbezug mit Falschinformationen) bis Pseudoerinnerung (Kein Erlebnisbezug)

2. Wie entstehen suggestive Aussagen 

  • Spezifische Mangelsituation (Mangel an Erinnerung, Mangel an Klarheit) --> Mangel soll durch Inhalt der suggestiven Aussage behoben werden (z.B. für psychisches Leid wird Erklärung gesucht) 

  • Plausibilität für zwischenzeitliches vermeintliches Nichterinnern (z.B. ich habe Kindheitstraume verdrängt)

  • Generierung mentaler Vorstellungen 

  • Quellenverwechslungsfehler --> durch intensive mentales Auseinandersetzen und vorstellen, kann es zu Ausbildung falscher Erinnerungen kommen 

  • Fremdsuggestive Prozesse bei Kindern 

    • Verdachtsbildung aufgrund einseitiger Interpretation unspezifischer Verhaltensweisen (Bettnässen, Schlafprobleme) 

    • Suggestive Befragung

    • Konfirmatorischer Beurteilungsprozess -> Info die eigener Annahme entspricht wird bestärkt u. andere Info wird ignoriert oder umbewertet (z.B. “Kind spricht nicht von Missbrauch, weil es sich nicht traut”)

  • Fremdsuggestion & Autosuggestion bei Jugendlichen/ Erwachsenen 

    • Psychisches Leiden als Ausgangspunkt der Verdachtsbildung, werden als Folge eines Traumas interpretiert 

    • häufig Induktion von Pseudoerinnerungen im Rahmen von Therapie und Beratung

    • Auch Autosuggestion möglich (durch intensives Beschäftigen ohne Einfluss von Außen) 

3. Prüfung der Suggestionshypothese 

  • Kein Qualitätsunterschied zwischen erlebnisbasierten & suggestiven Aussagen

    • keine primäre Täuschungsaufgabe, weil Personen wirklich mentale Repräsentationen als vermeintliche Erinnerung schildern 

    • Keine sekundäre Täuschung, da keine Täuschungsabsicht besteht 

  • Zur Prüfung der Suggestion muss daher genaue Rekonstruktion der Aussageenstehung, - und Entwicklung gemacht werden 

    • Hinweise: 

      • Bei Person selbst oder relevantem Umfeld lag die Annahme vor der Aussage vor, dass nicht bewusste Erfahrungen vorliegen müssen 

      • (Therapeutische) Unterstützung sich an nicht Zugängliches zu erinnern 

      • Erinnerungen werden im Laufe der Zeit immer mehr 

      • Erinnerungen der ersten beiden Lebensjahre 

    • Mögliche Ergebnisse:

      • Keine suggestiven Einflüsse --> Zurückweisung der Suggestionshypothese

      • Gravierende suggestive Einflüsse --> Keine Zurückweisung möglich (bedeutet nicht, dass Suggestion zutrifft) 


Erlebnisbezug vs. erfunden

1. Aussagequalitäten 

2. Qualitäts-Kompetenz-Vergleich 

3. Motiv für Falschaussage

4. Beurteilung des Erlebnisbezugs

1. Aussagequalitäten 

  • Aussageimmanente Qualität (Anwendung CBCA-Kriterien)

  • Aussagenübergreifende Qualität (Konstanz der Aussage)

    • Konstanz bzgl. versch. Aussagezeitpunkte

    • Konstanz als Mindestanforderung 

      • denn auch erfundene (v.a. leichte) Aussagen können übereinstimmend berichtet werden 

      • Nur dann relevant, wenn besonders hoch (sowohl erwartet konstante als auch erwartet inkonstante Inhalte werden erinnert) oder niedrig 

        • Erwartete Konstanzen Beispiel: Örtlichkeit des Geschehen, handlungsrelevante Gegenstände, Beteiligte Handlungspartner 

        • Erwartete Inkonstanzen: Chronologische Reihenfolge, Häufigkeitsangaben, Kleidung, eigene frühere Aussagen, Wetterverhältnisse, Wortlaut von Gesprächen 

2. Qualitäts-Kompetenz-Vergleich 

  • Aussagenimmanente und aussagenübergreifende Qualität wird auf Basis personeller und situativer Aspekte bewertet

    • Personell: 

      • Autobiografische Gedächtnisleistung

      • Intellektuelle & verbale Fähigkeiten 

      • Täuschungsfähigkeiten

      • Wissen & Vorerfahrung 

      • Aussagebereitschaft 

    • Situativ

      • Komplexität der Situation 

      • Art der Befragung

      • Intervall zwischen Ereignis & Befragung & zwischen 2 Befragungen 

    • Anforderung an Qualität steigt mit personalen und situativen Voraussetzungen 

3. Motiv für Falschaussage

  • Motiv kann eigene (von sich ablenken, Aufmerksamkeit) oder beschuldigte Person betreffen 

  • Interindividuelle Unterschied zur Durchsetzung der eigenen Interessen (Schädigung Dritter in Kauf nehmen) 

  • Analyse der Beziehung & Konsequenzen für aussagende und beschuldigte Person (Rachemotiv)

  • Motiv kann auch bei erlebnisbasierten Aussagen vorliegen --> Motiv allein kein Indikator für Falschaussage 

4. Beurteilung des Erlebnisbezugs

  • 1. Aussagetüchtigkeit (bei Zweifel) prüfen 

  • 2. Prüfung Suggestionshypothese

  • 3. Erlebnisbasiert o. erfunden anhand der Aussagequalitäten 

  • Mögliche Fallkonstellationen 

    • Kein Täuschungswissen oder Fähigkeit vorhanden (z.B. Kinder) --> Erlebnisbezug

    • Alle Voraussetzungen sind erfüllt (Täuschungswissen, Täuschungsfähigkeit, Motiv) --> Falschbezichtigungshypothese nur bei hoher Qualität und Konstanz zurückzuweisen 

    • Täuschungswissen + Fähigkeit vorhanden, aber kein Motiv 

      • Hohe Qualität & Konstanz --> Zurückweisung 

      • gravierende Konstanzmängel --> keine Zurückweisung 

      • niedrige Qualität, keine Konstanzmängel --> Darlegung: Qualität nicht ausreichend, daher keine Zurückweisung möglich, aber auch kein Hinweis auf Motiv & keine Konstanzmängel 



Author

Livia D.

Informationen

Zuletzt geändert