Elementares Grundprinzip von Demokratie:
-> politische Gleichheit
• ≠ soziale Gleichheit
• meint, dass alle Mitglieder eines Gemeinwesens das gleiche Recht & die gleichen Möglichkeiten zur Partizipation von Entscheidungen des Gemeinwesens haben
• daraus leitete er 5 Idealstandards ab
• Dahl vertritt offenkundig einen prozessualen Demokratiebegriff
• er definiert ideale Standards für einen demokratischen Prozess
• d.h., in Dahls Denkweise kann ein demokratischer Prozess diesen Standards niemals vollkommen, sondern stets nur mehr oder weniger entsprechen
• gemessen an diesen 5 Idealstandards sind Demokratien also immer unvollkommen
• in diesem Sinne sind Demokratien graduelle Phänomene, weil sie dem normativen Standard immer mehr oder weniger entsprechen werden
—>alle real existierenden Demokratien weisen also gewisse Defekte auf
• ihre jeweiligen Abweichungen von der Norm können aber größer oder kleiner sein
—> vermutlich unterscheiden sich real existierende Demokratien also in ihrem Demokratiegehalt
-Bei direkter Demokratie handelt es sich um eine Form der Willensbildung, Konfliktregelung und Entscheidungsfindung, bei der die Entscheidungsbetroffenen unter Umgehung von Repräsentanten Sach- oder Personalentscheidungen treffen
- Bei den Sachentscheidungen sind Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bundes- und Landesebene sowie Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auf kommunaler Ebene zu nennen,
- bei den Personalentscheidungen die Direktwahlmöglichkeiten des Bürgermeisters oder Landrates auf kommunaler Ebene.
Effective Participation
Equality in voting (Wahlfreiheit)
bezieht sich auf 2 Aspekte:
• alle Mitglieder des Gemeinwesens müssen die gleiche & effektive
Möglichkeit haben zu wählen
• jede bei einer Wahl abgegebene Stimme muss gleich viel zählen
-> Zählwertgleichheit
Enlightened understanding
Enlightened understanding • „aufgeklärtes Verständnis“
• alle Mitglieder des Gemeinwesens müssen die gleichen & effektiven
Möglichkeiten haben, über relevante alternative Politiken & deren Konsequenzen Kenntnisse zu erlangen
• Dahl hebt damit die große Bedeutung politisch kundiger Bürger*innen für die Demokratie hervor
Final control over the agenda
• Mitentscheiden, welche Angelegenheiten wie auf der politischen Agenda platziert werden
Inclusion of adults
• unverträglich mit jeder Art von politischer Diskriminierung, wie sie
auch immer begründet sein mag
• problematisch & immer wieder Gegenstand kritischer Diskussion ist
aber die Festlegung ab welchem Alter jemand zu als Erwachsener
zählt & welche Begründung für diese Festlegung herangezogen
werden soll
jedes dieser Kriterien ist nach Dahl nötig, damit die Mitglieder eines Gemeinwesens politisch gleich sind
• er argumentiert zudem, dass den Mitgliedern eines Gemeinwesens bestimmte Rechte eingeräumt
werden, um sich diesen Standards annähern zu können
—>Standards zur Messung der Performanz (Leistungsfähigkeit) von Demokratien
Frage: Wie lassen sich Idealstandards & daran geknüpfte Rechte der Bürger*innen im Flächenstaat umsetzen?
Antwort: Notwendige Institutionen für Demokratie im Flächenstaat
• in früheren Arbeiten waren es 8, in jüngeren Publikationen sind es 6:
1. Elected officials (gewählte Repräsentanten)
2. Free, fair , and frequent elections ( freie, faire, regelmäßige Wahlen)
3. Freedom of expression (Meinungsfreiheit)
4. Access to alternative sources of information (Informationsfreiheit)
5. Associational autonomy (Assoziationsfreiheit)*
6. Inclusive citizenshipn(inklusive Bürgerschaft)**
-> minimalen Erfordernisse für ein demokratisch regiertes Land
-> nicht neuer Typ eines politischen Systems, sondern auch ein neuer Typ einer Volksregierung
• diese Institutionen repräsentativer Demokratie sind historisch einzigartig & kennzeichnen den modernen Typus einer großflächigen Demokratie (Polyarchie)
*Zur Ausübung dieser verschiedenen Rechte benötigen die Bürger das Recht, relativ unabhängige
Assoziationen und Organisationen zu bilden und in diesen partizipieren zu können; dies schließt
unabhängige politische Parteien und Interessengruppen ein.
**Keinem Erwachsenen, der seinen ständigen Wohnsitz in diesem Land hat und seinen Gesetzen
unterliegt, können die Rechte verweigert werden, die auch anderen zur Verfügung stehen und die
für die fünf oben genannten politischen Institutionen notwendig sind. Dazu gehören das Wahlrecht
... [und] das Recht, für ein Wahlamt zu kandidieren....
diesen neuen Typus einer Volksregierung nennt Dahl „Polyarchie“
• Dahl definiert also keinen Idealtypus einer Demokratie, sondern einen Realtypus von Demokratie
• durch Existenz der 6 genannten Institutionen gekennzeichnet
• damit unterscheiden sie sich aber auch von den repräsentativen Demokratien des 19. Jhd. mit ihrem eingeschränkten Wahlrecht
• auch verschieden von den antiken Stadtstaaten-Demokratien & Republiken, denen zentrale Charakteristika der Polyarchie wie die politischen Parteien oder das Recht auf politische Organisationsfreiheit fehlten
• unterscheidet sich auch von kleinen Gemeinwesen mit Versammlungsdemokratie
Wie viel An- & Auslagerung verträgt der Demokratiebegriff?
• Demokratiebegriff ist toleranter gegenüber Anlagerung & weniger tolerant gegenüber Auslagerung
• wenn wir z.B. unsere Demokratiedefinition um liberale Merkmale der Macht- & Herrschaftsbegrenzung durch Verfassungs- & Rechtsstaatlichkeit ergänzen oder auch um
den Aspekt der Sozialstaatlichkeit erweitern, dann macht das unsere Demokratiedefinition sicherlich komplexer, aber nicht notwendigerweise unwahr
• viel anfälliger ist der Demokratiebegriff aber gegenüber der Auslagerung seiner Kernelemente
=> normativer Mindestgehalt von Demokratie: Kongruenz von Entscheidungskompetenz
& Entscheidungsbetroffenheit
• Demokratie muss im Mindesten die dauerhafte & regelmäßige Möglichkeit garantieren,
dass sich die Menschen an der Herstellung von Entscheidungen, denen sie unterworfen sind, direkt oder indirekt beteiligen, entweder indem sie diese Entscheidungen selbst treffen oder indem sie darauf effektiv Einfluss nehmen
—>mit dieser Festlegung auf einen normativen Kerngehalt der Demokratie gehen auch
zwei wichtige Einschränkungen einher:
• wenn wir festlegen, was Demokratie wenigstens sein soll, sagen wir nichts darüber aus, was Demokratie darüberhinaus sein soll
• wir legen damit außerdem nicht fest, was eine wirkliche Demokratie ist, denn Sollen ≠ Sein
• tatsächlich finden wir in der Wirklichkeit ganz unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Idee der Demokratie in einem Regierungssystem übersetzt wird
• deshalb finden wir in der realen Welt auch nicht die eine, wahre Demokratie, sondern ganz unterschiedliche Formen von demokratischen Regierungsweisen
Demokratie
Autoritäres polit. System
Totalitäres polit. System
Herrschaftslegitimation
Volkssouveränität
Mentalitäten
geschlossene Weltanschauung
Herrschaftszugang
offen
eingeschränkt
geschlossen
Herrschaftsmonopol
demokratisch legitimierte Institutionen
Führer, Oligarchien; über Mentalitäten “legitimiert” u. mittels Repression abgesichert
weltanschaulich legitimierte u. durch Repression abgesicherte Führer
Herrschaftsstruktur
pluralistisch
semi-pluralistisch
monistisch
Herrschaftsanspruch
eng begrenzt
umfangreich
unbegrenzt
Herrschaftsweise
rechtsstaatlich
rechtsstaatlich bis nicht rechtsstaatlich; repressiv
nicht rechtsstaatlich, systematisch repressiv, terroristisch
• W. Merkel hat vorgeschlagen, als Hauptunterscheidungsmerkmal demokratischer,
autoritärer & totalitärer Regime „politische Macht“ zu verwenden
• dieses Merkmal muss unterfüttert bzw. präzisiert werden -> 6 Kriterien
-bei Merkels Kriterien geht es um graduelle Unterschiede, für die Forschung ist das eine
große Herausforderung, denn quantifizierende, auf klaren operationalen Regeln basierende Studien stoßen an hier an ihre Grenzen
• tatsächlich legt Merkels Vorschlag nahe, vornehmlich auf qualitative Forschungsmethoden zurückzugreifen, dabei spielt die Deutungs- & Interpretationskompetenz der
Forscher*innen & damit die Erfahrung der Expert*innen eine große Rolle
• spielt in der Demokratieforschung heute eine sehr wichtige Rolle
• Aspekt wird immer wieder bemüht, um die neu wachsende Offenheit vieler Menschen für autoritäre Alternativen zu erklären
• eine empirisch gut abgesicherte Annahme lautet: Die Überlebensfähigkeit von Demokratien hängt wesentlich von ihrer ökonomischen Entwicklung ab
• diese Annahme wurde ursprünglich von Seymour Martin Lipset formuliert
• in seinem berühmten 1959 publizierten Buch „Political Man“ arbeitet Lipset in Anknüpfung an die früheren Modernisierungstheorien der 1950er Jahre folgende Hauptthese heraus: „the more well-to-do a nation, the greater the chances that it will sustain
democracy“
• danach überlebt eine Demokratie in einem Land wahrscheinlich dann, wenn der Stand der sozioökonomischen Entwicklung relativ hoch & die Sozialstruktur eines Landes relativ offen ist
Lipset sieht Überlebensfähigkeit einer Demokratie sich an zwei weitere Faktoren
geknüpft:
Effectiveness
• = Maß, in dem die grundlegenden Funktion des politischen Systems in einer Weise erfüllt werden, die den Erwartungen der Bevölkerungsmehrheit & mächtiger Interessengruppen entspricht
—>bestimmt demnach das politische Leistungsprofil, also die Performanz eines Regierungssystems
Legitimacy
• = Fähigkeit des politischen Systems, bei Regierten die Überzeugung hervorzurufen & aufrechtzuerhalten, dass die existierenden politischen Institutionen die für die Gesellschaft am meisten angemessenen sind
• bemisst sich also daran, wie es in einem politischen System gelingt, vorhandene gesellschaftliche Strukturkonflikte zu bewältigen
• steht in engem Zusammenhang zur Performanz einer Demokratie & ihrem Vermögen politische Probleme zu lösen
Kernprinzipien von Demokratie sind normativ gleichrangig, d.h., bisher gibt es keine
theoretisch überzeugende Begründung dafür, demokratische Prinzipien wie Partizipation, Freiheit, Gleichheit & Verantwortlichkeit in eine Reihenfolge zu bringen -> keine Begründung, warum das eine Prinzip wichtiger sein soll als das andere
• Grundprinzipien liberaler Demokratien sind nicht nur gleich wichtig, sondern stehen
auch in einem trade-off zueinander, d.h. nicht alle wünschenswerten Demokratie-
prinzipien können gleichzeitig maximiert werden -> Maximierung eines Prinzips geht
notwendigerweise zu Lasten anderer Prinzipien
—>daher muss jede Gesellschaft, die sich demokratisch regieren will, festlegen:
• welche Art von Demokratie sie sein möchte
• welche Demokratieprinzipen sie auf welche Weise kombinieren will
• welches Prinzip Vorrang vor anderen haben soll
• darauf folgt:
• jedes gegebene demokratische politische System hat die Idee der Demokratie selektiv & auf eine ganz spezielle Art & Weise implementiert
Parlamentarismus = Repräsentativsystem, in dem das Parlament eine signifikante Rolle
spielt
• macht sich v.a. daran fest, dass dem Parlament die Aufgaben der Gesetzgebung, der Haushaltsentscheidung & der Regierungskontrolle unterliegt
• Parlamentarismus lässt sich auf 2 Grundformen zurückführen:
• Präsidentielles Regierungssystem
• Parlamentarisches Regierungssystem
—>in diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Missverständnissen:
• auch ein präsidentielles Regierungssystem ist eine Grundform des Parlamentarismus, in dem die Parlamente laut Definition eine wichtige Rolle einnehmen
• amerikanischer Kongress zählt bspw. zu den mächtigsten Parlamenten der Welt
• auch ein präsidentielles Regierungssystem ist in Steffanis Sinne also eine parlamentarische Demokratie
• parlamentarisches Regierungssystem ≠ parlamentarische Demokratie
Merkmal
Parlamentarisches RS
Präsidentielles RS
Abberufbarkeit der Regierung
durch das Parlament
ja
nein
Möglichkeit der Parlamentsauf-
lösung durch Regierung
Beziehung Regierungschef*in -
Staatsoberhaupt
doppelte Exekutive
geschlossene Exekutive
Kompatibilität Mandat - Minister-
amt
Möglichkeit exekutiver Steuerung
des Parlaments
eher groß
eher gering
Systematische Opposition
ja, neuer Dualismus“*
Beispiele
UK, Deutschland
USA, Zypern
*Aktionseinheit von Regierung & parlamentarischer Mehrheit steht
parlamentarische Opposition gegenüber
• typisch für diesen Demokratietypus ist, dass Regierungschef*in bzw. Premier doppelt
legitimiert wird: durch Parlament & Präsident*in
• Regierungschef*in bzw. Premier steht also zwischen beiden Akteuren & kann auch
von beiden aus jeweils unterschiedlichen Gründen gestürzt werden
• Herbert Döring bezeichnete semi-präsidentielles RS als „Chamäleon“, weil es „je nach
dem Kontext der Kräfteverhältnisse seine Farbe verändern kann“
• Terminus „semi-präsidentielles RS“ geht auf den französischen PoWissenschaftler
Maurice Duverger zurück -> publizierte dazu 1978 eine ausführliche, französisch- sprachige Monogamie, die aber erst 2 Jahre später auf Englisch breite Rezension fand
• Duverger bezeichnet ein demokratisches politisches System als semi-präsidentielles
RS, wenn die Verfassung 3 Elemente miteinander kombiniert:
• Präsident*in wird direkt vom Volk gewhählt
• Präsident*in verfügt über beachtliche Kompetenzen, die über vornehmlich repräsen-
tative Funktionen weit hinausgehen
-Regierung benötigt, wie im parlamentarisches RS, das Vertrauen der Parlamentsmehrheit
• umstritten, ob semi-präsidentielles RS einen eigenständigen Typus bilden
• es konnte sich auch noch kein einheitlicher Kriterienkatalog für diesen Regierungssystem-Typus durchsetzen
• um ein demokratisches politisches System als semi-präsidentielles RS zu typologisieren hat sich dennoch folgende Konvention herauskristallisiert: es wird immer dann von einem solchen RS gesprochen, wenn ein*e direkt gewählte*r Präsident*in den/die
vom Vertrauen des Parlaments abhängige*n Premierminister*in auch ohne Zustimmung
der Volksvertretung aus dem Amt entlassen darf
• Vorschlag geht auf Gerhard Lehmbruch zurück
• ursprünglich verwendete Lehmbruch als Gegenüber der Konkurrenzdemokratie den
Begriff Proporzdemokratie, erst später hat er diesem Begriff durch den schweizerischen Terminus „Konkordanzdemokratie“ ersetzt
• zentraler Unterschied: Art der Konfliktregelung
—>Konkurrenzdemokratie: Konflikte über den politischen Wettbewerb & die Anwendung
der Mehrheitsregel geregelt
—>Konkordanzdemokratie: Konfliktregelung setzt auf Aushandlungsprozesse &
Konsensbildung
-Konflikte über Mehrheitsregel und politischen Wettbewerb geregelt
-galt in der Politikwiss. lange Zeit als die bessere Demokratie (Mehrheitsprinzip +Zweiparteiensystem = Effizienz und Stabilität: funktionstüchtige Opposition, politische Machtwechsel, Innovation)
-Tendenz zum Zweiparteiensystem
Vorteile (nach Manfred G. Schmidt):
> Hohe Persistenz
> Zügige Bildung stabiler Regierungen
> Offenhalten von Innovationschancen durch Machtwechsel
> Gleichheit der Abstimmungsberechtigten gewährleistet (Flaig 2013)
Nachteile (nach Manfred G. Schmidt):
> wenig Inklusion (Loser’s Consent-Problem)
> Mehrheiten können zur Mehrheitstyrannei werden
> problematisch in Ländern mit stabilen Gewinner-Verlierer-Konstellationen
—>In stark segmentierten Gesellschaften bringt die Implementation einer Konkurrenzdemokratie das Risiko mit sich, permanente Minderheiten zu schaffen
• das sind Minderheiten, die niemals die Chance haben, die politische Macht zu erringen
• potenzielle Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen können deshalb auch nicht
durch die Anwendung der Mehrheitsregel gelöst werden
• in sozial & kulturell stark zerklüfteten Gesellschaften lassen sich solche Mehrheiten
i.d.R. nicht ohne künstliche Maßnahmen herstellen & bleiben deshalb auch fragil
• selbst wenn sich eine sog. „natürliche“ Mehrheit zusammenfände, würde die Anwendung der Mehrheitsregel mit der Gefahr einhergehen, dass politische Entscheidungen von den unterlegenen Minderheitsgruppen als Produkt einer Fremdherrschaft & nicht mehr als das Ergebnis kollektiver Selbstbestimmung angesehen würden
Demokratieform institutionalisiert Verfahren, die zum einen die Mehrheitsregel verhindern & zum anderen eine politische Machtteilung zwischen den Bevölkerungsgruppen bevorzugen
• Idee der Machtteilung ist die zentrale theoretische Grundlage der Konkordanzdemokratie, auch als „konsoziative Demokratie“ bzw. „consociational democracy“ bezeichnet
• Grund: im unmittelbaren zeitlichen Umfeld der Veröffentlichung von Lehmbruch, publizierte Lijphart seine Arbeit zur „consociational democracy“ -> Charakteristika
sind mehr oder weniger identisch
•nicht nur als analytisches Konzept verwendete, sondern auch als Demokratiemodell in tief gespaltenen Gesellschaften empfohlen
• „power sharing“- Beteiligung gesellschaftlicher Bevölkerungssegmente an der Ausübung politischer
Macht
Merkmale Konkordanzdemokratien
1. übergroße Koalitionsregierungen sind typisch
• können formaler oder informaler Natur sein
2. durch institutionelle Vorkehrungen sollen Minderheiten geschützt werden
• eine Möglichkeit ist, Minderheiten Vetorechte bei bestimmten Sach- & Personalentscheidungen einzuräumen
• andere Möglichkeit besteht darin, für festgelegte Abstimmungsmaterien das Einstimmigkeitsprinzip festzulegen -> im Konfliktfall läuft das auch auf ein Vetorecht hinaus, denn bei Anwendung der Einstimmigkeitsregel kann jede*r eine Entscheidung verhindern
3. Proporz- & Paritätsregeln sind institutionalisiert
• solche Regeln kommen v.a. in allen Bereichen der politischen Repräsentation zumTragen
—>z.B. kann in einer Verfassung oder einem Wahlgesetz vorgeschrieben sein, wie viele
Abgeordnetenmandate einer Volksgruppe von vornherein & unabhängig vom Ausgang einer Wahl im Parlament zugestanden werden
• typisch auch eine proportionale oder paritätische Besetzung von Staatsämtern, von Ämtern in staatlich kontrollierten Wirtschaftssektoren, im öffentlichen Rundfunk & Fernsehen
4. ausgewählten Volksgruppen wird oft eine begrenzte Autonomie & Eigenständigkeit
gewährt -> föderaler Staatsaufbau für diese Demokratieform deshalb typisch
Bsp. für Konkordanzdemokratien
• Schweiz
• Luxemburg
• auch EU wird immer wieder als solche charakterisiert
• Ansatz verbindet sich ebenfalls mit Arend Lijphart
Mehrheitsdemokratie
Konsensusdemokratie
• politische Macht bei Mehrheit konzentriert ->
exklusiv ausgerichtet
• kompetitiv, denn der Wettbewerb um die
politische Mehrheit steht hier im Vordergrund
• wenn eine politische Mehrheit die Regierungs-
macht gewonnen hat, hat sie vergleichsweise
große politische Gestaltungsspielräume
• Inklusiv & verhandlungsorientiert ausgerichtet
• Ziel ist es, politische Macht zu teilen, zu verteilen & zu begrenzen
• politische Handlungsspielraum der Mehrheit ist
begrenzt, weil Minderheiten gesicherte Chancen
auf Machtteilnahme eingeräumt bekommen
—>Lijpharts zentrale These: Konsensdemokratie ist der Mehrheitsdemokratie überlegen, Lijphart nennt u.a. folgende Aspekte, die seine Schlussfolgerung untermauern sollen:
—>danach ist die Konsensusdemokratie der Mehrheitsdemokratie überlegen, weil mehr Frauen in den Parlamenten vertreten sind & eine größere politische Gleichheit herrscht
• Wahlbeteiligung in Konsensdemokratien fällt regelmäßig höher aus
• Bevölkerung ist mit der Demokratie in ihrem Land zufriedener als die Bürger*innen in Mehrheitsdemokratien
• Nähe zwischen der Regierungspolitik einerseits & den Präferenzen der Wählerschaft andererseits in Konsensdemokratien größer ist als in Mehrheitsdemokratien
• Konsensdemokratien bieten mehr Wohlfahrtsstaat, einen besseren Umweltschutz & weniger Kriminalität & sie zeigen ein größeres Engagement für die Entwicklungshilfe
• Unterschiede der Länder sind keine Frage von entweder-oder: Unterschiede bilden
vielmehr ein Kontinuum von mehr oder weniger, dabei markieren Mehrheits- & Konsensdemokratie jeweils die idealtypischen Pole
• reine oder fast reine Mehrheits- oder Konsensdemokratie sind selten
• viele Demokratien sind Mischtypen:
—>auch Deutschland, das sich weder eindeutig als eine Mehrheits- noch eindeutig als eine Konsensdemokratie einordnen lässt
• im deutschen politischen System finden sich vers. konsensdemokratische Institutionen, z.B. das Bundesverfassungsgericht & die hohen Hürden für eine Verfassungsänderung
• mehrheitsdemokratische Merkmale zeigen sich in Deutschland z.B. in einem stark
unitarisch geprägten Föderalismus & in der herausgehobenen Stelle des/der Bundeskanzler*in
-Lijphart fand durch statistische Analysen heraus, dass sich die 10 zentralen Strukturmerkmale in 2 Dimensionen mit jeweils 5 Merkmalen bündeln:
• Exekutivem-Parteien-Dimension
• Föderalismus-Unitarismus-Dimension: zuweilen dafür kritisiert worden, weil diese Dimension z.B. mit der Zentralbank oder den Hürden für Verfassungsänderungen nicht exklusiv auf die Staatsorganisation abhebt
Exekutiven-Parteien-Dimension
Exekutivmacht
Ein-Parteien-Kabinette
Mehrparteien-Koalitionen
Beziehung Exekutive-Legislative
Dominanz der Exekutive
Balance zw. Exekutive u. Legislative
Parteiensystem
Zweiparteiensystem
Mehrparteiensystem
Wahlsystem
Mehrheitswahlsystem
Verhältniswahlsystem
Verbändesystem
korporatistisch
Föderalismus-Unitarismus-Dimension
Staatlichkeit
unitarisch und zentralistissch
föderalistisch und dezentralistisch
Kammersystem
eine Kammer
Zwei-Kammer-System
Verfassung
flexibel, Änderungen mit einfachen Mehrheiten
rigide, Änderungen mit erhöhter qualifizierter Mehrheit
Verfassungsgerichtsbarkeit
nein, Legislative hat letztes Wort
ja, Gesetze unterliegen richterlicher Kontrolle durch VerfG
Zentralbank
abhängig von Exekutive
unanhängige Zentralbank
• immer wieder kommt es zur Verwechslung von Konkordanzdemokratie einerseits &
Konsensdemokratie andererseits -> zwischen beiden Demokratietypenn existieren tatsächlich Überschneidungen
• Gemeinsamkeit: in beiden Fällen handelt es sich um nicht majoritäre Formen der Demokratie -> werden daher auch immer wieder unter dem Begriff „Verhandlungsdemokratie“ zusammengefasst
• 3 wichtige Unterschiede:
Unterschiede
Konkordanzdemokratie
Kernvariablen
• Verhalten von Akteuren
Institutionen / Verhalten von
Akteuren
Machtteilung
• ist vorgeschrieben
• segmentierte Autonomie wird
vorausgesetzt
• wird angestrebt
begünstigt
Merkmalsfokus
• Modus politischer Konflikt-
regelung
• Form der politischen Ent-
scheidungsfindung
Ansatz wurde Anfang der 1990er Jahre von Ellen Immergut in die Fachdebatte eingebracht & etwas später von André Kaiser aufgegriffen & weiterentwickelt
• Grundidee des Ansatzes gar nicht so neu: ihr Kern ist bereits in der „checks and balances“ der amerikanischen Gründerväter zu finden
•zentrale These: Demokratien lassen sich danach unterscheiden, ob viele oder wenige Vetopunkte im politischen System verankert sind-> dafür wird auf die Unterscheidung von Mehrheits- & Verhandlungsdemokratien zurückgegriffen
• Mehrheitsdemokratien sind dabei durch ein Minimum an Vetopunkten gekennzeichnet
• Verhandlungsdemokratien sind durch ein Maximum an Vetopunkten charakterisiert
• Immergut definierte Vetopunkte als Punkte strategischer Unsicherheit, durch die Entscheidungen umgestürzt oder zumindest modifiziert werden können
• anders als in der Vetospieler-Theorie sind Vetopunkte aber nicht auf die parlamentarische Arena reduziert
• in Deutschland können solche Vetopunkte z.B. nicht nur im Bundesrat, bei den Koalitionspartnern oder dem Bundesverfassungsgericht identifiziert werden, sondern auch in der grundgesetzlich verankerten Tarifautonomie
• Ansatz der Vetopunkte geht von folgender Annahme aus: Akteure, die Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wollen, werden danach streben, Vetopunkte zu
etablieren
• zentrale These des Ansatzes: Je mehr Vetopunkte in einer Demokratie existieren, desto schwieriger ist nicht nur ein Politikwandel, sondern auch eine Änderung der gegebenen
institutionellen Struktur
• Tsebelis von einer wichtigen Frage umgetrieben: Warum sind in manchen Demokratien Reformen so viel schwieriger durchzusetzen als in anderen Demokratien?
• seine Theorie hat das Ziel, Policy-Stabilität zu erklären -> führte dafür den Begriff der Vetospieler ein
• Vetospieler sind individuelle oder kollektive Akteure, deren Zustimmung für eine Veränderung des legislativen Status quo notwenig ist
• vor diesem Hintergrund formulierte Tsebelis seine wichtigste Hypothese, die er auch einem empirischen Test unterzogen hat
—> Hypothese: Je mehr Vetospieler es in einer Demokratie gibt, je größer ihr ideologischer Abstand zueinander & je stärker die ideologische Kohäsion der kollektive Vetospieler ausgeprägt ist, desto schwieriger bzw. unwahrscheinlicher ist ein Politik-
wandel.
• Vertreter des Ansatzes der Vetopunkte sehen aber eine Schwachstelle in der Theorie der Vetospieler: ihrer Auffassung nach legt die Theorie von Tsebelis nämlich nahe, dass die Vetospieler ihr Vetopotenzial ständig zum Einsatz bringen -> argumentieren, dass
dieses Vetopotenzial aber nicht notwendigerweise permanent genutzt wird & setzen
das Konzept der Vetopunkte dagegen
-der amerikanischen Gründerväter
• „Checks & balances“ = Vorstellung, politische Macht & Herrschaftsgewalt auf mehrere Institutionen zu verteilen; indem sich diese Institutionen gegenseitig kontrollieren & in Schach halten, soll die Konzentration politischer Macht & Herrschaftsgewalt bei einer einzigen Institution verhindert werden & so dem Machtmissbrauch vorgebeugt
werden
Anokratien = politische Systeme, die sich im Laufe von Regimewechselprozessen in
manchen Teilen der Welt herausgebildet haben
• diese politischen Systeme sind auf ihrem Weg von autokratischen politischen Systemen hin zu voll entwickelten Demokratien in einer Art Zwischenstadium steckengeblieben
• Anokratien werden auch als „hybride Regime“ bezeichnet, weil sie sowohl Merkmale
von Autokratien als auch Eigenschaften von Demokratien aufweisen
• normatives Partizipationsverständnis mit Bezug auf Platon & Aristoteles
• politische Partizipation wird hier als ein integraler Bestandteil des sozialen Lebens
eines Menschen angesehen
• in diesem Verständnis reicht Partizipation auch über die Enge Sphäre der Politik hinaus
-> politische Beteiligung der Bürger*innen wird als ein Akt der menschlichen Emanzi-
pation & der individuellen Selbstverwirklichung begriffen
• aus diesem Grund ist die umfassende politische Beteiligung möglichst vieler
Bürger*innen ein gesellschaftliches Ziel & ein Wert an sich
Vertreter*innen nehmen auch ideengeschichtliche Anleihen bei Jean-Jacques
Rousseau
• Philosoph sah wahre Volksherrschaft nur dann verwirklicht, wenn alle Mitglieder des
Gemeinwesens ihre Präferenzen zum Ausdruck bringen
• Freiheit war dementsprechend nur unter einer Bedingung gegeben: Wenn sich nie-
mand Entscheidungen unterwerfen muss, an deren Entstehungen er oder sie nicht
beteiligt war
• die mehr oder weniger permanente politische Beteiligung aller Bürger*innen in staat-
licher Herrschaftsausübung galt dementsprechend als unabdingbar
-Rousseau hielt die direkte Demokratie nur in kleinen Gemeinwesen mit einer eng
begrenzten Zahl an stimmberechtigten Bürger*innen für realisierbar -> die Demokratien der Gegenwart aber sind größtenteils Flächenstaaten mit einer
millionengroßen Bevölkerung
Kritik
-normativen Partizipationsauffassung wird vorgeworfen, das Ziel der Bürgerpartizipation
zu privilegieren & dabei andere wichtige Ziele in Demokratien zu vernachlässigen, z.B.
Effektivität, Effizienz, Fairness & Gerechtigkeit
—>Robert Dahl hat in seiner Demokratietheorie z.B. auf eine Zwangslage entwickelter
Demokratien hingewiesen: danach sind moderne Demokratien mit einem unauflösbaren
Dilemma zwischen Systemeffektivität & Bürgerbeteiligung konfrontiert
-weitere Kritik bezieht sich auf die drohende Überforderung des Staates & der Ge-
fährdung der Systemstabilität durch zu viel politische Partizipation der Bürger*innen
-weitere Kritik: Bild, das die normative Partizipationstheorie von den Bürger*innen malte,
war & ist viel zu optimistisch
• lehnt es ab, eine intensive & umfassende politische Partizipation der Bevölkerung zum
Gesellschaftsziel zu erklären
• stattdessen wird politische Partizipation instrumentell aufgepasst -> korrespondiert mit
Verständnis der repräsentativen Demokratie -> d.h., das Volk herrscht nicht selbst
• Politiker*innen herrschen mit der Zustimmung des Volkes
• Rolle der Bürger*innen ist hier mehr oder weniger auf den Wahlakt beschränkt
• dabei dienen Wahlen auch nicht der Durchsetzung von Interessen -> ihr Zweck
besteht vielmehr darin, eine Regierung hervorzubringen
• Demokratie wird demzufolge auch nicht als Ziel oder als Lebensform angesehen,
sondern als eine Methode zur Bestellung der Regierung durch Wahlen
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