die Art & Weise, wie wir regiert werden, die Funktionstüchtigkeit des politischen Systems in dem wir leben, seine Widerstandskraft unter Stress & die Chancen für seine Überlebensfähigkeit stehen in einem engen Zusammenhang mit den politischen Über-
zeugungen, Einstellungen & Wertorientierungen der Bürger*innen -> davon waren schon Herodot, Platon & Aristoteles & später auch Montesquieu & Tocqueville überzeugt
Montesquieu: zentrale Annahme: Art der Regierungsform in enger Wechselbeziehung zu den Überzeugungen, politischen Einstellungen & Verhaltensweisen der Bevölkerung
—>autoritäre Regierungsformen sind dementsprechend wahrscheinlich, wenn die
Menschen ein geringes Selbstbewusst haben, misstrauisch sind & nach einem starken Führer streben, der die Mitbürger*innen, denen man misstraut, unter Kontrolle bringt
—>Demokratie kann nicht effektiv funktionieren, wenn die Bevölkerung die Möglichkeit
demokratischer Institutionen weder nutzt noch zu schätzen weiß
• allerdings haben wir es weder mit einem deterministischen noch mit einem unveränder-
baren Zusammenhang zwischen Regierungsform & Bevölkerungseinstellungen zu tun
-> Beleg dafür sind die Poltischen Revolutionen in der jüngeren Geschichte der
Menschheit, z.B. Französische Revolution (1789), Amerikanische Revolution
seit Ära der Revolution wurde offenkundig: ein Regime kann auf Dauer nur überleben,
wenn es von der Masse der Bevölkerung getragen wird -> fehlt dem Regime Legitimität,
kann es sein Überleben nur durch Zwangsübung sichern
—> Aristoteles: „Es ist die Hauptaufgabe einer Staatsverfassung darauf zu achten, dass
die Menge die die Verfassung will, mächtiger ist als die, die sie nicht will.“
• die politischen Einstellungen & Überzeugungen der Menschen sind also hochrelevant—> beeinflussen nicht nur die Art & Weise einer Regierungsform, sondern auch die Überlebensfähigkeit eines politischen Systems
-politische Einstellungen sind wie die „dunkle Materie“ der Politik -> sind für uns nicht
direkt beobachtbar
• trotzdem glauben wir, dass davon große Wirkungen für das politische Verhalten der Menschen ausgehen können
• Synonyme für Begriff der Einstellung: Attitüden bzw. attitudes, Orientierung
-keine generelle Einigkeit über den Bedeutungsgehalt des Konzepts
-weitgehend akzeptiert sind immerhin einige zentrale Eigenschaften von Einstellungen:
• nur indirekt beobachtbar
• theoretische bzw. gedankliche Konstrukte (Prädispositionen)
• Ergebnis individueller Lebenserfahrungen -> Sozialisation
• objektbezogen (nicht nur Objekte der Gegenwart)
• beeinflussen Wahrnehmung von Umweltreizen & Auswahl der Reaktion darauf
—>angenehme Reize sind in diesem Zusammenhang solche, die mit den vorhandenen Einstellungen übereinstimmen
—>Umweltreize, die mit unseren Einstellungen in Konflikt geraten, lösen dagegen psychologische Stress bei uns aus
-bislang noch keine eindeutigen empirischen Belege dafür, dass sich unsere Einstellungen tatsächlich auf unser Verhalten auswirken -> für diesen Mangel an Eindeutigkeit gibt es verschiedene Gründe:
• es können gleichzeitig mehrere & teils widersprüchliche Einstellungen aktiviert
werden
• sozialer Kontext spielt eine Rolle: soziale Zwänge können dazu veranlassen, in einer bestimmten Situation gegen die eigene Überzeugung zu handeln
• manche Forscher*innen bezweifeln die kausale Richtung, wonach unsere Einstellungen eine Wirkung für unsere Verhalten haben -> zentrale These: Oft erfinden wir Menschen erst unsere Attitüden, & zwar in dem Moment, in dem ein Problem aktuell wird & wir uns auf unser früheres Verhalten beziehen -> dann sind unsere Einstellungen nicht Ursache, sondern Folge unseres Verhalten
-eine besonders einflussreiche Definition von Einstellungen stammt dabei von William
McGuire aus dem Jahr 1985:
• „responses that locate objects of thought on dimensions of judgement“ -> Einstellungen sind gedankliche Antworten, die bestimmte Objekte des Denkens auf bestimmte Bewertungsdimensionen platzieren
Politische Ziele - Strategien -
Instrumente
• Ziele: bevorzugte politische Endzustände bzw. die gewünschte
Ordnung eines politischen Systems
• z.B. Wohlfahrt
• Strategien: Mittel, um diese Zielvorstellungen zu realisieren
• z.B. Wirtschaftswachstum
• Instrumente: beschreiben die konkreten Maßnahmen, die um
Rahmen von politischen Strategien ergriffen werden, um die
politischen Ziele zu erreichen
• z.B. Steuerentlastung für Großunternehmer
Politische Akteure
• konkrete politische Akteure, z.B. Politiker*innen
• Gruppen von Akteuren, z.B. Politiker*innen als Gesamtheit
Politische Fakten (auch Issues)
• Positions-Issues: anzustrebendes Ziel ist umstritten ->
Menschen entweder dafür oder dagegen
• z.B. Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens,
Ausstieg aus der Kohleenergie
• Valenz-Issues: Einigkeit im Ziel -> umstritten sind Strategien &
Instrument um dieses Ziel zu erreichen
• z.B. Umweltschutz, Verbesserung digitaler Infrastruktur,
Stärkung der inneren Sicherheit
• stammt ursprünglich aus der Sozialpsychologie
• laut Rattinger ist es heute die bekannteste Beschreibung der inneren Struktur einzelner
Attitüden & auch weit über die Grenzen seiner Ursprungsdisziplin außerordentlich ein-
flussreich
• Einstellungen werden danach in 3 Komponenten unterteilt, die der antiken Dreiteilung menschlichen Handelns entsprechen:
• Einstellungskonsistenz nicht selbstverständlich
• immer wieder werden auch ambivalente, widersprüchliche & dissonante Einstellungen festgestellt
• mitunter sind wir Menschen auch ziemlich erfinderisch darin, solche Dissonanzen in
unserem Kopf einfach auszuschalten -> z.B. neigen wir dazu, unliebsame Informationen einfach auszublenden oder umzuinterpretieren, manchmal sind Erklärungen auch komplett erfunden
Einstellungskomponente
Antike Aufteilung
Objektbezug
kognitiv
Denken
Zuweisung von Eigenschaften
affektiv
Fühlen
Gefühle gegenüber dem Objekt
konativ
Verhalten
Verhaltensintentionen
Relativ neu: Salienz
Persönliche Wichtigkeit
-Salienz:
Komponente ist deshalb so interessant, weil immer wieder ein empirischer Zusammenhang zwischen der Salience & der Intensität von Affekten nachgewiesen werden konnte
-Analytische Unterscheidung in:
—>Subjektive Bedeutung der Einstellung:
• wiederholt Zusammenhang zur In-
tensität gefühlsbasierter Einstellungskomponente festgestellt worden z.B. Einstellung zur Aufnahme von Flüchtlingen
—>Objektive Betroffenheit:
• persönliche Wichtigkeit & Affekte
können sehr viel stärker auseinan-
derfallen , z.B. Einstellung zur Rentenreform
—>Einführung der Salienz-Komponente hat sich für die Forschung in verschiedener Hinsicht als wertvoll erwiesen, u.a. können damit auch Nicht-Einstellungen, sog. „non-attitudes“, identifiziert werden
• Nicht-Einstellungen entstehen durch nicht kognitiv fundierte Antworten auf Einstellungsfragen -> völlig zufällige Antworten, die Unwissenheit, Desinteresse & Indifferenz kaschieren sollen
• offensichtlich ist also nicht jede vermeintlich gemessene Einstellung tatsächlich eine
Einstellung
in der Forschung besteht weitgehend Konsens darüber, darunter diejenigen Prozesse zu verstehen, die Menschen in die politische Kultur eines Landes einführen
• Def.: Politische Sozialisation beschreibt die Prozesse, in denen sich eine Person ein Set
von Einstellungen, Kognitionen, Werten & Gefühlen gegenüber dem gegebenen politischen System aneignet
• politische Sozialisation bezeichnet also auch die spezifische Art & Weise, in der die politischen Werte & Überzeugungen eines Menschen geformt & die politische Kultur eines Landes von einer Generation zu nächsten weitergegeben wird
• politische Sozialisationsprozesse sind darauf angelegt, bei den Menschen im Wesent-
lichen 4 Dinge zu erreichen:
• Übernahme politischer Werte & Normen
• Aneignung politischer Kenntnisse
• Herausbildung & Formung politischer Einstellungen
• Erwerb politischer Handlungskompetenzen
Harold D. Lasswell hat den Vorstellungsinhalt des Begriffs politische Sozialisation auf den Punkt gebracht: danach gibt politische Sozialisation eine Antwort auf die Frage
„Who learns what from whom under which conditions and with what effect?“
• „who“: in der Sozialforschung geht es v.a. darum, Beginn & Ende der Sozialisationsphase zu definieren, außerdem soll geklärt werden, welcher Lebensabschnitt für die politische Sozialisation eines Menschen am wichtigsten ist
• „what“: zielt darauf ab, die Inhalte der politischen Sozialisation zu vermitteln
• „from whom“: dreht sich um die Sozialisationsagenten, dazu zählen in frühen
Lebensphasen die Familie, später auch die Schule, Peer Groups & Massenmedien & soziale Netzwerke
-under which conditions“: Sozialforschung interessiert sich dafür, wie gesellschaftliche Bedingungen die politische Sozialisation von Individuen beeinflussen
• „effect“: Sozialforschung will herausfinden, welche Wirkungen die politische Sozialisation der Menschen hat -> dabei geht es zum einen um die Wirkung auf das gegebene politische System (makro-analytische Zusammenhänge) & zum anderen geht es
aber auch um Effekte, die politische Sozialisationsprozesse für das Individuum haben
(analytische Mikroebene)
Worauf zielt politische Sozialisation ab?
• Loyalität zum politischen System schaffen
• Zusammengehörigkeitsgefühl stärken
• Verständnis für politische Rollen & Strukturen entwickeln
• Fähigkeit zur Übernahme politischer Rollen erwerben, z.B. als Wähler*innen
Funktionen politischer Sozialisation
• Bedeutung politischer Sozialisation resultiert also daraus, dass sie bestimmte Funktionen erfüllt
• aus Sicht der Gesellschaft: politische Sozialisationsprozesse schaffen ein gewisses
Maß an Kontinuität & Stabilität
• aus Sicht des Individuums: politische Sozialisationsprozesse ermöglichen die Anpassung der menschlichen Psyche an die vorhandene gesellschaftliche Realität
• H. Rattinger weist darauf hin, dass politische Sozialisation dabei gleichzeitig
suppressiv & emanzipatorisch wirkt:
• suppressiv: setzt den Rahmen für die gesellschaftlich akzeptierten Denk- & Ver-
haltensweisen, schränkt damit aber auch bestimmte Handlungsweisen ein
• emanzipatorisch: ermöglicht dem Individuum, seiner Isolation zu entkommen, denn
sie schafft die Grundlagen für soziale Interaktion & Kommunikation
bis heute ist allerdings umstritten, ob sich politische Sozialisation sinnvoll von allgemeinen Sozialisationsprozessen abgrenzen lässt, denn in der Forschung konnte nachgewiesen werden, dass viele Sozialisationserfahrungen, die nicht genuin politisch sind, die politischen Orientierungen & Überzeugungen der Menschen trotzdem nachhaltig
beeinflussen können
• um den möglichen Einfluss allgemeiner Sozialisationsprozesse auch analytisch Rechnung zu tragen, wird in der Forschung zwischen latenter & manifester Sozialisation unterschieden
• Unterscheidung hebt nicht nur auf den Sozialisationsinhalt, sondern auch auf den
Sozialisationsagenten ab
• latente Sozialisation: erfasst die Aneignung von Orientierungen & Verhaltensdispositionen gegenüber sozialen Phänomenen -> werden aber erst durch die Übertragung auf politische Objekte politisch relevant
Bsp: latenter Sozialisationsinhalt und manifeste Sozialisationsagent: Lernen von Toleranz durch Sozialkundelehrer
latenter Sozialisationsinhalt und latenter Sozialisationsagent: Lernen über gewalt und Intolerannz durch TV-Konsum
• manifeste Sozialisation: Prozesse, in denen explizit politische Informationen, Werte &
Gefühle vermittelt werden
Bsp: manifester Sozialisationsinhalt und latenter Sozialisationsagent: Lernen über Korruptheit von Politerkn in TV-Serie
manifester Sozialisationsinhalt und manifester Sozialisationsagent: Lernen über Bundestag im Sozialkundeunterricht
in der Forschung besteht nach wie vor kein Konsens darüber, wie politische Sozialisationsphasen bei den Menschen verlaufen, v.a., wann sie abgeschlossen sind
• bereits Mitte der 1970er Jahre hat Robert Weissberg diesbezüglich 3 konkurrierende
Modelle unterschieden
Primacy-Modell
postuliert, dass die Kindheit zwischen etwa dem 5. & 10. Lebensjahr die wichtigste & nachhaltigste Sozialisationsphase ist
• Kennzeichen dieser Phase ist eine starke Orientierung an der eigenen Gruppe -> diese
Gruppe kann eng definiert (z.B. eigene Familie) oder weiter gefasst sein (z.B. die eigene
Nation)
• eng verknüpft: Kristallisationsthese: behauptet das Primat frühkindlicher Erziehung
—>d.h.: in der ersten Phase politischer Sozialisation im frühen Kindesalter entwickelndie Menschen ihre grundlegenden Orientierungen gegenüber Staat & Nation & erste Bindungen an soziale Gruppen & politische Parteien
• zwar fehlt den meisten dieser Orientierungen noch eine kognitive Fundierung, weil sie vornehmlich emotional gefärbt sind, aber gerade deshalb, so das Argument der Vertreter dieser These, sind diese politische Orientierungen beständiger als später erworbene politische Einstellungen & beeinflussen, deshalb die späteren Wahrnehmungen von Politik nachhaltig
Intermediate-Modell
sieht wichtigste Sozialisationsphase des Menschen in seiner späten Kindheit & Jugend
etwa zwischen dem 10. & 18. Lebensjahr
• geht von folgender Annahme aus: in diesem Lebensabschnitt erwerben wir zum einen unsere grundlegenden politischen Kenntnisse, die wir für das Verständnis von Politik & unser eigenes politisches Verhalten benötigen, zum anderen entwickeln wir in dieser Lebensphase die Fähigkeit politische Prozesse, Strukturen & Rollen differenziert zu erkennen & zu bewerten -> dabei ist entscheidend, dass die unstrukturierten Orientierungen der frühen Kindheit in dieser Lebensphase ihre kognitive Fundierung bekommen
• Modell geht dementsprechend davon aus, dass unsere politische Sozialisation etwa um das 18. Lebensjahr herum abgeschlossen ist, weil sich bis dahin unsere politische Identität weitesgehend entwickelt hat
• spätere Änderungen unserer politischen Einstellungen sind dann nur noch bei ganz
spezifischen Problemen oder aber bei ganz neu auftretenden Fragen zu erwarten
Recency-Modell
politische Sozialstation nach diesem Modell niemals abgeschlossen -> postuliert eine lebenslange Sozialisation
• dabei wird allerdings angenommen, dass für unsere politische Einstellungen & Verhaltensweisen solche politischen Sozialisationserfahrungen am einflussreichsten sind, die am wenigsten weit zurückliegen -> d.h., politische Einstellungen können sich unter dem Eindruck aktueller Erfahrungen ändern
• Annahme, dass frühe Sozialisationsphasen in unserem Leben für uns prägend sind, wird also weitgehend verneint
• stattdessen werden unsere Einstellungen durch lebenszyklische Veränderungen fortwährend korrigiert (z.B. Beginn eines Studiums, Gründung einer Familie, Beförderung)
-> kann unsere bisherigen Einstellungen modifizieren & manchmal sogar vollkommen
die politische Kulturforschung sucht u.a. empirische Belege für die Annahme zu finden, dass die politischen Orientierungen der Bevölkerung in einem Land mit der gegebenen Herrschaftsform in diesem Land in einer engen Wechselbeziehung stehen
Relevanz politischer Einstellungen für die Politische-Kultur-Forschung
• für die politische Kulturforschung sind die individuellen politischen Einstellungen
unverzichtbar
• die Bedeutung politischer Einstellungen in diesem Zweig der Forschung folgt aus einer
der wichtigsten Vermutungen der politischen Kulturforschung:
—>die politische Kultur eines Landes beeinflusst die politische Struktur in diesem Land
(politische Struktur bezieht sich hier auf das politische System)
-Almond & Verba (Verfasser der Civic-Culture-Studie) grenzten ihr Konzept der politischen Kultur auf bestimmte politische Orientierungen ein, speziell auf die politischen Einstellungen von Menschen
• politische Kultur meint hier also die individuellen Einstellungen & Wertorientierung der
Menschen in einem Land
•Mechanismus, der die politischen Einstellungen der Menschen in einem Land mit der Stabilität des politischen Systems in diesem Land in Verbindung bringt an das Handeln der Menschen geknüpft
—>d.h., die politischen Überzeugungen der Menschen übersetzen sich in ein
bestimmtes politisches Verhalten
• wenn ihre Einstellungen die Menschen zu einem systemkonformen Handeln bewegen, kann die Stabilität eines politischen Systems befördert werden
• Stabilität eines politischen Systems kann in Gefahr geraten, wenn die Menschen aufgrund ihrer Einstellungen zu einem systemkritischen oder systemfeindlichen
Handeln veranlasst werden
Kernfragen der politischen Kulturforschung:
• Welche Überzeugungen & Fähigkeiten müssen Bürger*innen haben, damit demokratische Institutionen aufrecht erhalten werden & überleben können?
• Wie entstehen & entwickeln sich diese Überzeugungen & Fähigkeiten & können sie
erlernt werden?
• generelle Annahme: moralische & kognitive Anforderungen an Bürger*innen in Demo-
kratien anspruchsvoller als in Autokratien
Die Kernidee der PK-Forschung in der Tradition von „Civic Culture“
• „Civic Culture“-Studie von Gabriel Almond & Sidney Verba 1963 publiziert
• Almond & Verba wollten mehr über die subjektiven Bedingungen von Politik erfahren
• Hauptinteresse: Stabilität einer politischen Ordnung im Allgemeinen & einer Demokratie im Besonderen
zentrale Überlegung von Almond & Verba: die Stabilität einer politischen Ordnung resultiert aus der Interaktion zwischen den institutionellen Bedingungen (Struktur) in einem
Land & dem Wert- & Einstellungssystem der Bevölkerung (Kultur) in diesem Land
• Grundannahme der PK-Forschung: geht auf Kongruenzpostulat von Harry Eckstein
zurück -—>wenn politische Struktur & politische Kultur in einem Land kongruent zueinander sind, dann ist die Stabilität des politischen Systems wahrscheinlicher
-Almond & Verba bezeichnen ausbalancierten Mix der drei Idealtypen politischer Kultur als Civic Culture -> in diesem Typus sehen sie die optimale politisch-kulturelle Unterfütterung einer stabilen & leistungs-
fähigen demokratischen Regierungsform
-ihre Studie war bahnbrechend für die damalige Zeit & gehört auch heute zum Kanon
der modernen politischen Kulturforschung -> auch heute noch knüpfen alle einstel-
lungsbasierten Untersuchungen zur politischen Kultur an diese Studie an
Stabilität ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit politischen Systemen nicht ausschließlich positive, also zumindest ambivalente Assoziationen wecken kann
• Existieren keine gesellschaftlichen oder politischen Krisen, ist Stabilität normativ durchaus positiv assoziiert
• Stabilität eines politischen Systems in Bezug auf Veränderung, Dynamik & Weiterentwicklung lässt sich auch mit dem Begriff Stagnation in Verbindung bringen -> das wäre für ein politisches System problematisch
• Kongruenzpostulat meint hier vielmehr Stabilität im Sinne der Überlebensfähigkeit von
politischen Systemen
• in PoWi hat sich diesbezüglich der Begriff der Persistenz weitgehend durchgesetzt
• Kongruenzpostulat lässt sich dementsprechend also so formulieren: Persistenz eines
politischen Systems ist wahrscheinlicher, wenn politische Struktur & politische Kultur
in einem Land kongruent sind
• Bestandserhaltung eines vorhandenen politischen Systems hängt auch von den Einstellungen der Bevölkerung ab
• politische Orientierungen der Bürger*innen spielen demnach eine große Rolle für die Überlebensfähigkeit des gegebenen politischen Systems
• Kongruenzbeziehung hat also 2 Seiten: die Seite der politischen Struktur & die der
politischen Kultur
—>diese Kongruenzbeziehung muss nicht immer & ausschließlich durch Veränderungen der politischen Kultur in Turbulenzen geraten -> genauso möglich
sind Veränderungen in der politischen Struktur
• PK-Forschung befasst sich mit subjektiven Voraussetzungen möglicher Stabilität
politischer Systeme
• subjektive Voraussetzungen: Gesamtheit der Werte, Glaubensüberzeugungen &
Einstellungen der Bürger*innen gegenüber der Politik oder gegenüber politischen Objekten
Almond & Verba sehen die politischen Einstellungen der Menschen als Ergebnis von
Sozialisationsprozessen & als Grundlage der politischen Kultur eines Landes an
-„The political culture of a nation is the particular distribution of patterns of orientation toward political objects among the members of the nation.“
• gemäß dieser Definition definieren Almond & Verba die Politische Kultur einer Nation als ein spezifisches Verteilungsmuster von Orientierungen der Mitglieder dieser Nation gegenüber politischen Objekten
-bei Untersuchung der politischen Kultur eines Landes kommt es darauf an herauszufinden, wie das vorhandene politische System in den Kognitionen, Gefühlen & Bewertungen ihrer Bevölkerung internalisiert, also verinnerlicht, ist
Differenzierung
—>Almond & Verba differenzieren politische Einstellungen in zweifacher Weise:
• Objekte der Orientierung
• Arten der Orientierung
Objekte der Orientierung
System allgemein z.B. Einstellungen zur Demokratie als Regierungsform
Input-Strukturen z.B. Einstellungen zu Parteien, Einflusschancen
Output-Strukturen z.B. Einstellungen zur Verwaltung, politische Maßnahmen
Ego (Selbstbild) z.B. politische Kompetenzen, Vertrauen in Dritte
Arten der Orientierung
• Differenzierung der Arten in:
• kognitive Einstellungen
• affektive Einstellungen
• evaluative, d.h. bewertende, Einstellungen
in Civic Culture-Studie:
- Objekte & Arten der Einstellungen in Beziehung zueinander gesetzt -> daraus ergibt sich eine 12-Felder-Tafel, die als analytisches Raster zur
Analyse der politischen Kultur in einem Land dient
• die einzelnen Zellen der Tabelle müssen mit empirischen Informationen gefüllt
werden -> auf diese Weise werden bestimmte Merkmalskombinationen sichtbar ->
Grundlage für eine empirisch fundierte Aussage über den Charakter oder den Typus
einer politischen Kultur in einem gegebenen Land
• ihre damaligen empirischen Befunde haben Almond & Verba vor dem Hintergrund dreier Idealtypen einer politischen Kultur interpretiert
• parochiale politische Kultur (parochial culture)
• Untertanenkultur (subject culture)
• partizipatorische politische Kultur (participant culture)
B2: Grundstrukturen der Politik WiSe 2021/2022
Drei Idealtypen Politischer Kultur
• ihre damaligen empirischen Befunde haben Almond & Verba vor dem Hintergrund
dreier Idealtypen einer politischen Kultur interpretiert
• Charakteristika der Idealtypen lassen sich in Tabelle veranschaulichen
• 0 = Einstellung zum jeweiligen Objekt fehlt
• 1 = Einstellung zum jeweiligen Objekt vorhanden
parochiale politische Kultur:
• von Almond & Verba in Stammes-, Dorf- & Feudalkulturen angesiedelt
• keine spezifischen politischen Rollen vorhanden
• Häuptlings- oder Schamanentum existieren als diffuse politisch-ökonomisch-religiöse Regeln
• das einzelne Individuum ist unpolitisch, nicht am politischen Handeln interessiert &
hat auch keine Erwartungen an das politische System
• Menschen wissen nur wenig über Politik & haben auch kaum affektive politische Bindungen entwickelt & wenn doch, dann sind diese nicht besonders tief verinnerlicht
Untertanenkultur:
• Orientierungen gegenüber dem politischen System als Ganzes & den Output-Strukturen des politischen Systems vorhanden
• kaum politische Orientierungen
• Selbstbild ist unpolitisch, sodass politische Prozesse aus der Distanz wahrgenommen werden
partizipatorische politische Kultur:
• erfüllt das weit verbreitete Bild des mündigen Bürgers
• ausgeprägte Orientierungen gegenüber allen 4 politischen Einstellungsobjekten
• Almond & Verba argumentieren aber, dass eine partizipatorische politische Kultur die
Demokratie als Regierungsform vor große Probleme stellen würde
—>aus diesem Grund sehen sie in einer Mischung aller 3 Idealtypen die optimale politisch-
kulturelle Entsprechung der Demokratie -> um das politische System der Demokratie in seiner Leistungsfähigkeit nicht zu überfordern, benötige die politische Kultur einer
Demokratie auch die Bereitschaft, manche Entscheidungen freiwillig hinzunehmen, den
handelnden Eliten einen Handlungsspielraum zuzugestehen & Regeln nicht fortwährend
in Frage zu stellen
in Bezug auf die Frage, wie sich festlegen lässt, dass Struktur & Kultur inkongruent sind, sodass die Stabilität oder die Persistenz des politischen Systems in Gefahr gerät, bleiben Almond & Verba eher vage -> es gehört zu den schwersten Aufgaben, theoretisch plausible & empirisch robuste Schwellenwerte zu definieren
• verwenden daher ein eher weiches Kriterium: legen fest, das Inkongruenz von politischen Struktur & politischer Kultur vorliegt, wenn sich indifferente Bevölkerungseinstellungen gegenüber den politischen Objekten in negative Orientierungen ver-
wandeln
• verdeutlichen ihre Argumentation, indem sie 3 theoretisch denkbare Beziehungsstrukturen zwischen Bevölkerung & politischem System empirisch zu unterfüttern versuchen
• Zahlen stehen für kognitive, affektive & evaluative Einstellungen gegenüber dem jeweiligen politischen Objekt
• „+1“ = positive Einstellung
• „-1“ = negative Einstellung
• „0“ = indifferente Einstellung
Verbundenheit:
• Bürger*innen besitzen gegenüber allen politischen Objekten positive Orientierungen, die sowohl fundiert sind als auch positive Gefühle & eine positive Bewertung der Einstellungsobjekte auslösen
• Annahme: politisches System ist nicht in seinem Bestand gefährdet, also persistent
Apathie:
• unklare Aussicht auf Systemstabilität
• Bürger*innen besitzen Wissen über die politischen Objekte, aber sie haben weder positive noch negative Einstellungen gegenüber diesen Objekten
• In der Konsequenz dieser Indifferenz treten die Menschen weder für das politische
System ein noch dagegen -> kann sich unter ganz bestimmten Umständen jederzeit ändern, aber niemand kann vorhersagen, in welche Richtung es sich verändert
Entfremdung:
• Menschen verfügen zwar über ein bestimmtes Wissen über die Einstellungsobjekte,
haben diesen gegenüber aber eine affektive Abneigung & bewerten die Objekte auch
negativ
• diese explosive Mischung macht die Instabilität eines politischen Systems nach
Almond & Verba entsprechend sehr wahrscheinlich
• kritischer Einwand: Antisystemeinstellungen müssen nicht notwendigerweise mit
einem bestimmten politischen Wissen einhergehen -> Demagogen oder radikale
politische Kräfte setzen häufig auf das geringe politische Wissen der Menschen, um
mit eingängigen Parolen & unterkomplexen Aussagen Affekte zu mobilisieren
Gefühl politischer Kompetenz -> „political efficacy“
• 2 Dimensionen:
• „internal political efficacy“ = erfasst bei den Bürger*innen die Selbsteinschätzung
der eigenen politischen Kompetenzen
• „external political efficacy“ = bezieht sich auf Wahrnehmung der eigenen
politischen Einflusschancen & die wahrgenommene Durchlässigkeit der politischen
Strukturen
Zuletzt geändertvor 4 Monaten