Überblick über §§ 823 ff. BGB
Deliktische Haftung (= Haftung für Schäden aus unerlaubten Handlungen) lässt sich nach dem Erfordernis des Verschuldens in drei Gruppen gliedern:
§ 7 StVG – Haftung des Halters
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
(3) Benutzt jemand das Kraftfahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters, so ist er anstelle des Halters zum Ersatz des Schadens verpflichtet; daneben bleibt der Halter zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeugs durch sein Verschulden ermöglicht worden ist. Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Benutzer vom Fahrzeughalter für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt ist oder wenn ihm das Kraftfahrzeug vom Halter überlassen worden ist.
Aufbauschema § 823 I BGB
Verletzungshandlung und -erfolg
I. Tatbestandsmäßigkeit (objektiv zurechenbare Rechtsgutsverletzung)
Verletzungshandlung
= nur willentlich steuerbares menschliches Verhalten (z.B. nicht im Schlaf)
→ möglich in Form von Handeln („aktives Tun“) oder Unterlassen
→ Unterlassen setzt eine Pflicht zum Handeln voraus (sog. Garantenstellung, z.B. aus Gesetz, Vertrag, Verkehrssicherungspflicht)
Rechtsgutsverletzung (Verletzungserfolg)
= Eingriff in die in § 823 I BGB genannten Rechte, Rechtsgüter oder sonstigen Rechte (s. dazu Exkurs unten)
→ Sonderfall: Eigentumsverletzung durch Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit (Fleet-Fall, Parkfälle)
Exkurs: Sonstige Rechte iSv § 823 I BGB
Prüfungspunkt:
I.2 (Rechtsgutsverletzung)
Voraussetzung:
Das Recht gewährt dem Inhaber eine ausschließliche, von jedermann zu beachtende Rechtsposition (Ausschluss- und Nutzungsbefugnis)
-> Nur absolute Rechte
Beispiele: Berechtigter (!) Besitz, Anwartschaftsrecht, Patent-/ Urheberrechte; etc.
Nicht (!) das „Vermögen“ als solches
Beachte sog. „Rahmenrechte:
sog. „eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb“ (str.) – Bsp.: „Sportsoldaten“
Allgemeines Persönlichkeitsrecht („APR“), Art. 1 I, 2 I GG – Oliver Kahn
Haftungsbegründende Kausalität
I.3. Haftungsbegründende Kausalität
= Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Verletzungserfolg
Die Handlung muss adäquat kausal für die Rechtsgutsverletzung sein:
3 Stufen:
- Äquivalenz (sog. „conditio sine qua non“-Formel)
- Adäquanz (allgemeine Lebenserfahrung)
- Objektive Zurechenbarkeit (z.B. sozialadäquates Verhalten, Schutzzweck der Norm)
Problem: Sog. „mittelbare Schäden“ (verursacht durch das Dazwischentreten Dritter oder durch eigenverantwortliches Verhalten des Geschädigten)
Bei Unterlassen: sog. „Quasi-Kausalität“
-> “Hätte ein pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Verletzungserfolges mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfallen lassen?“
Rechtswidrigkeit
II. Rechtswidrigkeit
Indizwirkung der Tatbestandsmäßigkeit (sog. „Lehre vom Erfolgsunrecht“)
aber: Rechtswidrigkeit ist positiv festzustellen bei mittelbaren Schäden sowie der Verletzung sog. Rahmenrechte
Rechtfertigung möglich: Rechtfertigungsgründe
- Notwehr / Nothilfe, § 227 BGB
- Rechtfertigender Notstand, §§ 228, 904 BGB
- Rechtfertigende Einwilligung (des Geschädigten im Vorfeld)
Merksatz: „Der Tatbestand indiziert die Rechtswidrigkeit, es sei denn, es liegt ein Rechtfertigungsgrund vor.“
Verschulden und Schaden
III. Verschulden
Deliktsfähigkeit, §§ 827, 828 BGB → Beachte Altersstufen: 7, 10 (Straßenverkehr), 18 Jahre, § 828 BGB
Schuldform
→ Vorsatz und (jede) Fahrlässigkeit (§ 276 II BGB)
-> Beachte: Im Deliktsrecht ist keine Zurechnung fremden Verschuldens über § 278 BGB möglich!
IV. Schaden („Differenzhypothese“)
§§ 249 ff. BGB
-> Haftungsausfüllende Kausalität
= Kausalität zwischen Verletzungserfolg und Schaden (3 Stufen, s.o.)
Sonderfall I: Verletzungen beim Sport
Unterscheide:
(Individualsport / Mannschaftssport) bzw. Parallelsport / mit Gegnerbezug
→ Berücksichtigung sportspezifischer Besonderheiten / Eigenarten
Wichtig vor allem bei sog. „Kampfspielen“ bzw. Kampfsportarten:
—> gegeneinander ausgetragene „Kontaktspiele", bei denen es zu körperlichen Berührungen kommt, die unter Einsatz von Kraft und Geschicklichkeit geführt werden und die wegen des der Sportart eigenen kämpferischen Elementes (z.B. „Kampf um den Ball“) nicht selten zu unvermeidbaren Verletzungen führen
→ Fußball, Handball, Basketball, Hockey, Eishockey, Rugby, Polo etc.
→ mittlerweile Ausdehnung auf sämtliche sportlichen Wettkämpfe mit erheblichem Gefahrenpotential (z.B. Kampfsport (dort sogar Einwilligung denkbar), Radrennen, Skicross, Motorsport etc.)
Besonderheiten bzgl. RWK und Verschulden
Rechtswidrigkeit (RWK)
Indizwirkung des Tatbestands (–); erforderlich ist ein Verstoß gegen bestimmte (sportspezifische) Verhaltenspflichten / Verkehrspflichten Rechtswidrigkeit (RWK)
-> Sport-/Spielregeln sind maßgeblicher Ausgangspunkt, müssen im Einzelfall konkretisiert / ergänzt werden (z.B. allg. Fairnessgebot)
Verschulden: Sorgfaltsmaßstab richtet sich ebenfalls nach dem Regelwerk → „sportgerechte Interpretation“ des Fahrlässigkeitsbegriffs
Sonderfall II: Produzentenhaftung
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