Sphärozytose
Definition und Vorkommen
Korpuskuläre hämolytische Anämie
Angeborener Membrandefekt der Erythrozyten
Häufigste hereditäre hämolytische Erkrankung in Deutschland
Prävalenz 0,02%
Erbgang: meist Autosomal dominant vererbt (70%)
Rezessive Formen (15%)
Neumutationen selten
Pathogenese
Membrandefekt der Erythrozyten
Genetische Veränderung von Bestandteilen der Erythrozytenmembran:
Ankyrin (Chromosom 8p)
β-Spektrin (Chromosom 14q, Bande 3)
seltener α-Spektrin oder
Protein 4.2R
→ Verlust von Membranlipiden → Störung der Membranstabilität,
Osmotische Resistenz ↓ Na+/H2O-Einstrom ↑
→ Kugelform der Erythrozyten, Überlebenszeit ↓
Sequestration in der Milz ↑
Symptome
Anämie, Ikterus bereits im Kindesalter
Rezidivierende hämolytische Krisen (insbesondere Infekt-getriggert)
Splenomegalie (50-95%)
Bilirubin-Gallensteine (20-60%)
Aplastische Krise
Kugelförmige Erythrozyten!
Diagnostik
Osmotische Resistenz ↓
AGLT-Test („Acidified Glycerol Lysis Time“)
EMA-Test (Durchflusszytometrie)
in Ausnahmefällen Ektazytometrie, Proteinanalyse, Genanalyse
Positive Familienanamnese
Therapie
Bei starker Anämie/hämolytischen Krisen (10-15%) → Splenektomie
möglichst erst nach dem 5. Lebensjahr
Jährliche Kontrolle des FerritinSerum: Ausschluss Eisenüberladung
Alle 3 Jahre Abdomensonographie: Kontrolle Gallenwege, Milzgröße
Kontrolle Vitamin B12-Spiegel, Folsäurespiegel (erhöhter Bedarf)
Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
Definition und Pathogenese
= seltene, erworbene und lebensbedrohliche Erkrankung, gekennzeichnet durch eine chronische intravasale Hämolyse und unkontrollierte Komplementaktivierung
Erworbener Membrandefekt der Erythrozyten
“PNH, Strübing-Marchiafava-Micheli-Syndrom“
Erkrankung der pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle
Mutationen im Phosphatidylinositol-Glykan Klasse A (PIG-A) Gen
→ Hemmung der Bildung des Menbrangriffskomplexes C5b-C9
Anamnese, Klinik
Differentialblutbild: Anämie, evtl. Thrombopenie/Leukopenie
Hämolyseparameter: Retikulozyten, LDH, indirektes und freies Bilirubin ↑, Haptoglobin ↓
Coombs test: negativ
Hämoglobinurie, Hämosiderinurie
evtl. Ferritin ↓
Symptome und Komplikationen
Klassische Trias: Intravaskulärer Hämolyse, Thrombembolien und Zytopenien
zytopenien durch Knochenmarkversagen
Chronische Hämolyse
Schwere Hämolytische Krisen
Anämiesymptome
NO-Depletion durch freies Hämoglobin → Dystonie der glatten Muskulatur
abdominelle Schmerzen, Schluckstörung, pulmonale Hypertonie, erektile Dysfunktion
Komplikationen: Thrombembolische Ereignisse
Kurrativ: Allogene Stammzelltransplantation
Supportiv: Transfusionen, antikoagulatorischer Therapie und konsequenter Infektbehandlung
Zulassung von Eculizumab (Soliris) 2007
Humanisierter, monoklonaler Antikörper
Inhibiert die terminale Komplementaktivierung (durch Inhibition der Spaltung von C5)
Wöchentliche Therapie über 5 Wochen, dann alle 2 Wochen
Hochsignifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens
Impfung gegen Meningokokken sowie Standby Antibiose mit Ciprofloxacin
Ansatz von Eculizumab
Inhibiert die terminale Komplementaktivierung Inhibition der Spaltung von C5)
Sichelzellkrankheit
Hämolytische korpuskuläre Anämie
Punktmutation (Glutamat → Valin) = Veränderte Hämoglobinmoleküle
Unter Sauerstoffmangel verändern die Erythrozyten ihre Form → Sichelzellen
Erbgang: Autosomal-rezessiver bzw. autosomal-kodominanter Erbgang
Häufigste Hämoglobinopathie, Vorkommen insbesondere im Mittelmeerraum, Afrika, Asien und USA, in Deutschland selten
HbS-Träger zeigen erhöhte Resistenz gegenüber Malariaplasmodien
Punktmutation im ß-Globinlokus (Chr 11) des Hämoglobinmoleküls an Position 6: ß6 Glu -> Val
HbS präzipitiert in deoxygeniertem Zustand
(Risikofaktoren: Sauerstoffmangel, Exsikkose, Fieber, erhöhte Serumosmolalität, Stase)
→ Erythrozyten sichelförmig, mit reduzierter Elastizität
→ Hämolyse, Störung der Mikrozirkulation, Kapillarinfarkte
Heterozygote Anlageträger (Hb AS): meist asymptomatisch
Homozygote Anlageträger (HbSS):
Hämolytische Anämie, bis zur hämolytischen Krise
Vasookklusive Krisen: Organinfarkte (insbes. Milz, ZNS, Nieren), Knocheninfarkte, paH
Abdominelle Schmerzen
Knochenschmerzen
Zerebrale Störungen
z.T. Fieber, Tachykardie, Leukozytose
Hepatosplenomegalie, funktionelle Asplenie aufgrund rez. Milzinfarkte
Vergrößerte Nieren, Ulzerationen an den Beinen, Retinopathie
Komplikationen
Akutes Thorax-Syndrom, hohe Mortalität im Erwachsenenalter
ZNS-Ereignisse (meist zerebrale Blutungen, seltener Infarkte)
Paralytischer Ileus durch Mesenterial-Infarkte (Girdle-Syndrom)
Osteoporose, Wachstumsstörungen durch rezidivierende Knocheninfarkte
Chronische Glomerulonephritis/-sklerose
Proliferative Retinopathie → Sehstörungen
„Pure red cell aplasia“/aplastische Krise bei Infekt durch Parvovirus B19
Gallensteine (Bilirubin↑), evtl. Eisenüberladung
Immundefizienz durch funktionelle Asplenie
→ Pneumokokken-Sepsis, Meningitis
Sichelzelltest:
Nachweis von Sichelzellen im Blutausstrich unter Luftabschluss
Hämoglobinelektrophorese oder HPLC
Nachweis der veränderten Hämoglobinmoleküle
Molekulargenetischer Nachweis von HbS und Globinmutation (PCR)
“Sichelzelltest“: Sichelform der Erythrozyten nach Zugabe von Natriumsulfid
Regelmäßig Abdomensonographie, ggf. MRT, Echokardiographie, Augenuntersuchung
Kurativ: Allogene Stammzelltransplantation vom HLA identen Familienspender
Supportiv/palliativ:
ausreichende Flüssigkeitssubstitution
Sauerstoffgabe
Konsequente Infektbehandlung
Schmerztherapie
Transfusionen, bei schweren Komplikationen Austauschtransfusion
Chelattherapie bei Eisenüberladung
Splenektomie (bei rez. Milzinfarkten, -ruptur, -einblutung)
Hydroxyharnstoff (Litalir), 15–30 mg/kg KG/d p.o.
→ Erhöhung der HbF-Konzentration und Prävention vasookklusiver Ereignisse
→ HbF-Spiegel >20% schützt vor häufigen Schmerzkrisen)
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