Megaloblastäre Anämie
Definition und Formen
Anämien mit erhöhtem Erythrozytenvolumen (MCV > 98 fl)
idR. durch Mangel an Vitamin B12 (Cobalamin) und/oder Folsäure ausgelöst
Vitamin B12 Mangel
Folsäure Mangel
Vitamin B12 Mangelanämie
Epidemiologie
Inzidenz 5-10 Fälle/100 000 Einwohner/Jahr
Verhältnis ♂:♀ = 3:2
Altersgipfel 60. Lj
B12 Stoffwechsel
B12 Funktion
Kofaktor für die Bildung von Succinyl-CoA, Methionin, Tetrahydrofolsäure
Bei Vitamin B12 Mangel:
Störung der DNA-Synthese und des Fettsäurestoffwechsels
Verzögerte Reifung des Zellkerns, normale zytoplasm.Entwicklung
Ineffektive Myelopoese, große Zellen, gestörte Kern/Plasma-Relation
Ätiologie
Mangelhafte Zufuhr bei streng vegetarischer Kost
Mangel an Intrinsic factor
Zustand nach Magenresektion
Perniziöse Anämie (Auto AK Bildung gegen Pahetalzellen und intrinsic factor)
Malabsorptionssyndrom
Maldigestion bei HP-Gastritis, Pankreasinsuffizienz
Vermehrter Verbrauch
Erhöhter Bedarf (Hämolyse, Schwangerschaft)
Medikamente
Selten genetisch
Diagnostik und Labor
Differenzialblutbild: hyperchrome, makrozytäre Erythrozyten, hypersegmentiert
Granulozyten (>5 Segmente, >5% der Segmentkernigen)
ggf. Trizytopenie
MCV ↑, MCH ↑, Retikulozyten ↓
Bilirubin ↑, LDH ↑ (>2000 U/l), Haptoglobin ↓
durch intramedulläre Hämolyse
Vitamin B12-Spiegel (Norm: 200-900 pg/ml), Folsäurespiegel
Bei unklarem Cobalaminspiegel:
Bestimmung von Homocystein und Methylmalonsäure
(beide bei Vitamin B12-Mangel erhöht)
Bestimmung von Anti-Intrinsic-Factor- und Anti-Parietalzell-Antikörpern
Bei unklarem Befund: Vitamin B12-Absorptionstest (Schilling-Test)
Gastroskopie inklusive Biopsie
Symptome
Anämiesymptome
Gastrointestinale Symptome:
Typ A Gastritis
Trophische Haut-/Schleimhautveränderungen:
Hunter‘sche Glossitis etc.
Reversible Sterilität (Gonadendysfunktion)
Vitiligo bei perniziöser Anämie
Neurologische Symptome: funikuläre Myelose
Symmetrische Schädigung von Hintersträngen, Pyramidenbahn und peripheren Nerven:
→ beinbetonte motorische Störungen
→ Gangunsicherheit, Ataxie, spastische Paresen → Sehstörungen
→ psychische Veränderungen (Verwirrtheit, Demenz)
Differentialdiagnose
Alkoholismus
Lebererkrankungen, schwere Hypothyreose
Retikulozytose, Myelodysplasie, Paraproteinämie
Zytostatikatherapie (Antimetaboliten, Antrazykline etc.)
Weitere Medikamente z.B. Trimethoprim
Schwangere, Neugeborene
HIV-Infektion
Therapie
Folsäure Funktion
Kofaktor für die Thymidylatsynthese (C1-Transfer) → DNA-Synthese
Bei Folsäuremangel
Störung der DNA-Synthese
Verzögerte Reifung des Zellkerns bei normaler zytoplasmatischer Entwicklung
Ineffektive Myelopoese, große Zellen mit gestörter Kern/Plasma-Relation
Folsäure Stoffwechsel
Folsäure Mangelanämie
Mangelnde Aufnahme: Ernährungsstörungen z.B. Anorexia, Alkoholiker
Malabsorption
Erhöhter Folsäurebedarf:
z.B. Schwangerschaft, chronische hämolytische Anämie, chronische entzündliche oder maligne Erkrankungen, schnelles Wachstum, exfoliative Dermatitis, Hyperalimentation
Folsäureverlust: Hämodialyse
Medikamente:
Methotrexat, Trimethoprim, Pyrimethamin, Phenytoin, Triamteren, Metformin, Valproinsäure
Folsäure Mangelsymptome:
Erhöhte Inzidenz von Neuralrohrdefekten (Spina bifida, Anenzephalie) bei Mangel in der Schwangerschaft
Der Folsäuremangel führt beim Erwachsenen nicht zu neurologischen oder psychiatrischen Symptomen!
Bilirubin ↑, LDH ↑↑, Haptoglobin ↓ durch intramedulläre Hämolyse
Folsäurespiegel (Norm: 6-20 ng/ml), Vitamin B12-Spiegel
Homocystein und Methylmalonsäure normwertig
Ösophago-Gastro-Duodenoskopie: Ausschluss Zöliakie
CAVE: Bestimmung des Folsäurespiegels vor der 1. Mahlzeit; schon eine einmalige folsäurehaltige Mahlzeit kann den Serumspiegel normalisieren
Folsäure 5mg täglich p.o. bis zur Normalisierung des Hämoglobinwertes.
Bei Mahlabsorption 2mg/d i.v.
Präemptiv z.B. unter Therapie mit Methotrexat
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