V6 - Stress und Stressbewältigung II

Lernziele für heute:

• Sie kennen Ansätze der reaktionsorientierten Stresstheorien

• Sie kennen die Annahmen der kognitiv-transaktionalen Stresstheorie von Lazarus und Folkman

• Sie kenne die Annahmen der Theorie der Ressourcenerhaltung von Hobfoll

• Sie können Kritikpunkte an diesen Theorien aufzeigen

• Sie kennen Formen der Stressbewältigung

Reaktionsorientierte Stresstheorien

Stress als Reaktion

• Stress als (körperliches) Reaktionsmuster auf belastende Eriegnisse

• Begriff aus der Materialkunde

-> Übertragung auf bio-physiologisch orientierten Disziplinen, z.B. Medizin, Biologie oder Psychophysiologie

Homöostase-Konzept (reaktionsorientierte Stresstheorie)

Homöostase:

• Anpassungsleistung des Organismus an eine Gefahrensituation („Ist-Wert“) und Wiederherstellung des Ausgangszustandes („Soll-Wert“)

• Grundannahme: Es gibt einen physiologischen Kennwert („Soll-Wert“), der in tolerablen Grenzen aufrecht zu erhalten ist.

  
  

• Stressaktivität als Disposition, d.h. individuelle Bereitschaft, auf Stress zu reagieren

  • „Menschen, die stressreaktiv sind, neigen schon unter „normalen“ Belastungen dazu, z.B. Angespanntheit, Nervosität und Unruhe zu reagieren“

-> Genetisch bedingtes Merkmal

Stress: Generelles Adaptions-Syndrom (Syle)

• Stress als „spezifische physiologische Veränderungen, die durch belastende Reize (Stressoren) oder Situationen ausgelöst werden“

• -> „unspezifisches Syndrom“: spezifische Reaktion auf unspezifische Stressoren (also eigentlich: unspezifische Reaktion)

• -> Generelles Adaptations-Syndrom (Seyle)

• -> 3 Phasen

Kritik an Selyes Theorie

• Für Menschen ist physiologische Stressreaktion nicht so unspezifisch und homogen wie von Selye angenommen -> empirisch widerlegt

• Bedeutsame Kortisolanstiege bei Menschen vorwiegend in unkontrollierbaren und soziale evaluativen Situationen beobachtet, nicht per se bei allen Stressoren

Allostase-Konzept

Allostase:

• Langfristige Anpassungsleistung des Organismus bei dauerhafter Gefahrensituation („Ist-Zustand“) durch Veränderung des Ausgangszustandes („Soll-Wert“)

• Grundannahme: Akuter Stress ist an sich nicht gefährlich, bei akutem Stress wird Immunfunktion erhöht und es wird die Bildung von gefahrenrelevanten Gedächtnisinhalten gefördert

• Aber: Hält Stress an oder schlägt Stressregulation fehl sind negative gesundheitliche Konsequenzen die Folge: Dauerhafte Gefährdung (z.B. chronischer Stress) bedingt Verschiebungen physiologischer Kennwerte („Soll-Werte“) und ihrer Toleranzbereiche

Allostasis & Allostatische Belastung

Allostasis: Veränderung zugunsten der Stabilität

• Aktive Reaktion biologischer Vermittler, die den Organismus zum „Gleichgewicht“ zurückführen sollen

• Physiologische „Bewältigung“ von Stress

  
  

Allostatische Belastung: Physiologische Kosten, die dem Körper durch Exposition mit dauerhaften und wiederholtem stresshaften Anforderungen entstehen

• Organismus leidet an Folgen seiner aktiven Anpassung

• Gefahr der „Abnutzungserscheinungen“

  • Das funktionale Anpassen an die Umwelt ist auf Dauer schädigend für den Körper

• Allostatische Systeme ermöglichen adäquate Anpassungsreaktion an Vielzahl von Veränderungen in der sozialen und physischen Welt

• Sichern damit kurzfristig das Funktionieren des Organismus

• Langfristig können körperliche Reaktionen auf Stress schädlich sein und Krankheitsprozesse fördern  

Wie kann der allostatic load entstehen?

-> Nach McEwen werden 4 Entstehungsbedingungen diskutiert

• An sich funktionaler Stress, aber in einer Häufigkeit die dann doch dysfunktional ist

• Keine richtigen Erholungsphasen

Kritik an der Theorie der Allostatischen Belastung

• Auch hier Fokus auf physiologische Erklärung von Stress

• Selten explizite Berücksichtigung subjektiver Bewertungsmechanismen

• Schwierigkeiten bei der Operationalisierung von Allostatic Load  

Psycho-Biologisches-Konzept (reaktionsorientierte Stresstheorie)

• Parasympathikus (rechts) -> zuständig für Entspannung

  • Prozess dauert viel länger

• Sympathikus (links) -> verantwortlich dafür, dass Körper in Alarmbereitschaft versetzt wird

Amygdala: Emotionale Bewertung von Situationen

• Beteiligt an der Furchtkonditionierung

• Wiedererkennen von Gefahrensituationen

• Widerstandsphase geht langanhaltend mit chronischem Stress einher

Transaktionales Stressmodell (relationale Stresstheorien)

Wichtige Aspekte zum Thema Stress

• Stress ist ein Wechselspiel zwischen Person und Umwelt

• Stress hängt vor allem von der Art der Einschätzung einer Situation ab (innere und äußere Anforderungen und Bewältigungsmöglichkeiten)

• Stress ist immer subjektiv und sieht für jeden Menschen anders aus

• V.a. tägliche Widrigkeiten sind für die Partnerschaft und den Beruf besonders schädlich

Beispiel:

• Je nachdem welche Emotionen mit dem Stress einher gehen, sind bestimmte Bewältigungsstrategien zielführend oder auch nicht

• Die Emotionen sind einem manchmal selbst nicht bewusst und werden selten mit kommuniziert

• Emotionen bieten Handlungsmöglichkeiten

-> Unterschiedliche Stressoren bedingen unterschiedliche Reaktionsweisen

• Transaktion: Person & Umwelt

• Stress: Ungleichgewicht wahrgenommener Anforderungen in der kognitiven Bewertung („appraisal“) und Bewältigungsmöglichkeiten („coping“)

• Kognitive Bewertung -> Psycho-biologischer Prozess

• Primäre Bewertung: Stress ja / nein

• Wenn Ressourcen vorhanden, dann aktive Bewältigung

  
  

Bewältigung (Coping)

• Prozess, die Diskrepanz zwischen Anforderung und Ressourcen zu managen

• Anhaltender Prozess der Wahrnehmung und Bewertung der Situation (appraisal and reappraisal) (not static)

• Ändert den Stress verursachenden Umstand (problemorientierte Bewältigung) oder reguliert die emotionale Reaktion darauf (emotionsorientierte Bewältigung)

Transaktionales Stressmodell – Kritik

Verdienste

• Zentrales Kernmodell, auf das viele andere Konzepte und Theorien zugreifen

• Hat viel Forschung stimuliert (findet in Intervention Anwendung)

  
  

Herausforderungen

• Hauptkritikpunkt: Bewertungsprozess zu stark konfundiert

  • Lazarus und Folkman sagen selbst, dass Primär- und Sekundärbewertung ohne einander nicht funktionieren (lassen sich nicht so trennen)

• Bislang kein strenger experimenteller Test der Theorie (wg. Komplexität, Dynamik)

• Starke Betonung der subjektiven Perspektive von Individuen bei der Definition von Stress und Vernachlässigung des Einflusses objektiver Bedingungsfaktoren

  • Schwerpunkt auf subjektiver Sichtweise: unmöglich, Stressor von der emotionalen Reaktion darauf zu trennen

  • Evtl. bleiben Bewältigungsvorgänge (z.B. kognitive Bewältigungsstrategien) unbemerkt, wenn Bewältigung erfolgreich

Theorie der Ressourcenerhaltung

Grundidee:

• Menschen, das zu bekomme, zu bewahren und zu beschützen, was sie wertschätzen

  
  

„Stress“ entsteht bei drohendem oder tatsächlichen Verlust von Ressourcen von Ressourcen bzw. wenn nach einer Ressourceninvestition kein adäquater Gewinne eintritt (Fehlinvestition)

Ressourcen

• Sind direkt oder indirekt zum Überleben notwendig

• Dienen zur Beschaffung weiterer Ressourcen

• Übereinstimmend wertgeschätzt und als wichtig für Menschen generell wie auch für die eigene Person angesehen

Ressourcenkategorien (Hobfoll)

• Objektressourcen können eine Grundlage für Bewältigungsverhalten bilden: physikalische Objekte, Haus oder Wohnung, Auto, Kleider, etc.

• Bedingungsressourcen sind Ressourcen, die für Personen selbst einen gewissen Wert darstellen oder die dabei helfen, eben solche Ressourcen zu erhalten oder zu beschützen: sichere Arbeitsstelle, glückliche Ehe, usw.

• Personale Ressourcen: Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Charakteristiken einer Person

• Energie Ressourcen erlangen ihren Wert dadurch, dass ihr Besitz es erlaubt, andere Ressourcen zu bekommen: Zeit, Geld und Wissen etc.

2 zentrale Prinzipien:

• 1. Der Verlust von Ressourcen ist schwerwiegender als der Gewinn von Ressourcen

• 2. Ressourcen dienen dazu, sich vor Verlust zu schützen, tatsächlichen Verlust zu minimieren, sich von ihm zu erholen und neue Ressourcen erwerben zu können

-> Personen, die viele Ressourcen besitzen, sind im Vergleich zu „ressourcenarmen“ Personen weniger anfällig für Verlust von Ressourcen und eher in der Lage, neue Ressourcen hinzuzugewinnen

Theorie der Ressourcenerhaltung – Kritik

Verdienste

• Moderne Alternative zu Lazarus und Folkmans transaktionalem Stressmodel

Herausforderungen

• Hauptkritikpunkt: Ressourcenverlust selbst schon Ergebnis subjektiver Bewertungsprozesse

Stressbewältigung

• = Gesamtheit aller Bemühungen und Anstrengungen einer Person, die sich in einer wichtigen und auch überfordernden sowie belastenden Situation befindet, in der sie nicht über entsprechende Anpassungsmöglichkeiten verfügt

  • Stressbewältigung als absichtsvoller Prozess (vs. automatische Reaktion)

• Man unterscheidet unterschiedliche Strategien der Stressbewältigung, die entweder beim Stressor, dem individuellen Stressverstärker oder bei der Stressreaktion ansetzen

Stressbewältigung – Anwendungsbeispiele

Modulation ausgewählter Elemente empirisch überprüfbar

Stressbewältigungsprogramme

• Das integrierte Stressbewältigungsprogramm (ISB)

• Stressimpfungstraining

• Stressbewältigung

• Rational-Emotive-Therapie (RET)

• Gelassen bei der Arbeit

• Optimistisch den Stress meistern

• Der erfolgreiche Umgang mit alltäglichen Belastungen

• Verhaltenstraining zur Stressbewältigung

• Paarlife