Welche strukturellen Neuerungen des Schulsystems werden im „Hamburger Abkommen“ der Ministerpräsidenten der Länder von 1964 festgelegt?
Schaffung der Grund- und Hauptschule
Verlängerung der Schulpflicht auf 9 Jahre
Verwissenschaftlichung der Hauptschulbildung:
Schaffung der zweijährigen Fachoberschule zur Erlangung der Fachhochschulreife
Flexibilisierung der Sprachenfolge an Gymnasien: Ermöglichung verkürzter gymnasialer Aufbauformen zur Erlangung einer fachgebundenen Hochschulreife
Verringerung des Fächerspektrums der gymnasialen Oberstufe und Einführung von Wahlmöglichkeiten
→ Hamburger Abkommen legte die Grundlagen für das heutige Schulwesen und kann als erste Reform nach 1945 bezeichnet werden.
Welche Beziehungen werden zwischen Struktur- und Abschlussebene deutlich?
Die Dreigliedrigkeit des Deutschen Schulwesens drückt sich immer weniger auf der Ebene der sichtbaren Schulstruktur aus.
deutlich sichtbar auf der Ebene der Abschlüsse.
Wie lässt sich die institutionelle Entwicklung des Schulwesens seit dem 19. Jhdt. Beschreiben?
Zunehmende Pluralisierung der Wege, auf denen eine Studienberechtigung vergeben wird.
Abnahme der Differenzierung zwischen Haupt- und Realschulen
Abnahme der hierarchischen Differenzierung zwischen nichtakademischen (HS, RS, andere Typen) und akademischen (Gymnasium, Gesamtschule) Schularten durch Öffnung der Sekundarstufe II (Berufsfachschulen, Fachoberschulen, berufliche Gymnasien, Abendschulen)
KMK-Beschluss 2009: Gleichstellung von beruflicher Bildung und akademischer Bildung beim Zugang zur Universität → Aber: Ermöglichung hochschulinterner Zulassungsbeschränkungen (NC: 43% der Studiengänge)
→ zunehmende Erleichterung des Zugangs zu akademischer Bildung und Ausbildung: geht einher mit langfristiger Bildungsexpansion
Was ist unter Bildungsexpansion zu verstehen und welche gesellschaftlichen Veränderungen gehen damit einher?
Nenne 4 Merkmale von Bildungsexpansion
Veränderung der quantitativen Bedeutung unterschiedlicher Schulformen in der Sekundarstufe ‐> Zunahme des
Anteils von Schüler*innen auf Realschulen und Gymnasien
Zunahme des Anteils höher und hochqualifizierter Personen in der Bevölkerung (Hochschulreife, Studium)
Öffnung von Schularten: Abbau hierarchischer Differenzierung zwischen den Schularten
Verlängerung von Ausbildungszeiten für identische Schulkarrieren (Ausweitung Schulpflicht; Verlängerung
Berufsausbildung und Erhöhung allgemeinbildender Anteile
Nenne Begründugngen für die Bildungsexpanision. Weshalb wurde sie forciert?
steigende Anforderungen der Arbeitsmärkte an gut ausgebildeten Personen: Ausschöpfung von
Begabungsressourcen in allen gesellschaftlichen Gruppen
Demokratische Gesellschaften brauchen gebildete Menschen: Abbau von Barrieren beim Zugang zu höherer
Bildung -> um Bildung der Bevölkerung zu verbessern
Bildung als Mittel zum individuellen sozialen Aufstieg / Verbesserung der Lebenschancen des Einzelnen
Welche Folgen der Bildungsexpansion wurden erwartet?
kognitive Mobilisierung der Bevölkerung: Anhebung des Kompetenz- und Qualifikationsniveau
Abbau von Ungleichheiten beim Zugang zu weiterführender Bildung nach sozialer Herkunft, Region, Religion etc.
Verbesserung der Lebensbedingungen
Zunahme von demokratiekompatiblen Einstellungen und Verhaltensweisen
Welche Veränderungen des Bildungssystems gehen mit der Bildungsexpansion einher?
Zunehmende Erleichterung des Zugangs zu akademischer Bildung & Ausbildung; geht einher mit langfristiger Bildungsexpansion
Hochgebildete sich gleichzeitig Motor & Ergebnis dieser Gesellschaft
Lebenschancen & Statuszuweisungen werden wesentlich über Bildung vermittelt. Neue Spaltungen: Wissende & nichtwissende
Insgesamt Ausweitung, Niveauanhebung & ein jüngerer Zeit Tendenzen zur Vereinheitlichung schulischer Bildung
Warum sollte die Bildungsexpansion zu einer kognitiven Mobilisierung führen und ist eine kognitive Mobilisierung eingetreten?
Erkläre weshalb es problematisch ist, die Folgen der Bildungsexpansion für die kognitiven Fähigkeiten isoliert zu betrachten:
fand gleichzeitig mit massiven schulischen und gesellschaftlichen Veränderungen statt
Ursachen und Folgen gehen ineinander über:
besser gebildete Eltern
bessere Anregungsqualität für Kinder
bessere schulische Entwicklung der Kinder
mehr Kinder besuchen höhere Schulen
kognitive Mobilisierung eingetreten?
Kognitive Mobilisierung: kann vorsichtig bejaht werden
Größere Bildungszugang für die Bevölkerung, aber weiterhin bestehende Ungleichheiten und verstärkte Disparitäten an bestimmten Schwellenpunkten.
In welchem Zusammenhang stehen Bildungsexpansion und Arbeitsmarkt?
Bildungsexpansion wurde zunächst vom Staat angestoßen, um Nachfrage der Privatwirtschaft zu befriedigen und um Wohlfahrtsstaat auszubauen (Schubert & Engelage2006)
Ausbau des Bildungssystems -> Arbeitskräftebedarf des Bildungssystems
großer Teil der besser qualifizierten Arbeitskräfte wurde durch den öffentlichen Dienst absorbiert
Veränderung in der Arbeitsorganisation in der Privatwirtschaft und den Ablaufbedingungen: technischer
Fortschritt, Anhebung der Anforderungen
= „upgrading“ der Berufsstruktur: mehr Stellen für hoch und höchst qualifizierte Absolventen.
Welche theoretischen Überlegungen zur Wertigkeit von Bildungsabschlüssen im Zuge der Bildungsexpansion existieren
1) Bildung wird immer wichtiger für eine Positionierung auf dem Arbeitsmarkt (klassische Modernisierungs-und Industrialisierungstheorie)
2) Bildung verliert immer mehr an Wert = Bildungsinflation (postmoderne Modernisierungstheorie, z.B. Beck 1986)
Welche der theoretischen Überlegungen zur Wertigkeit von Bildungsabschlüssen im Zuge der Bildungsexpansion trifft zu/trifft nicht zu und warum?
1) Bildung wird immer wichtiger für eine Positionierung auf dem Arbeitsmarkt
Zunehmender Wettbewerb und Rationalisierungsdruck auf Unternehmen, wachsende Betriebsgrößen und zunehmende bürokratische Arbeitsorganisation, fortschreitende und immer schnellere wissenschaftliche und technologische Entwicklung von Produktionsprozessen
Nur die Unternehmen überleben, die sehr gut qualifizierte Arbeitnehmer einstellen und damit auch höhere Produktivität erzielen
-> keine Entwertung!
2) Bildung verliert immer mehr an Wert = Bildungsinflation
Angebot an hoch qualifizierten Positionen ist begrenzt
Wenn alle immer höhere Abschlüsse haben, muss immer noch mehr Bildung erreicht werden, um die Positionen zu
erreichen, die früher mit weniger Bildung erreicht wurden = inflationärer Zirkel.
Verdrängung von geringer qualifizierten Personen nach unten
Entkopplung von Bildungs- und Beschäftigungssystem. Fortschreitende Individualisierung, Lebensläufe immer weniger „klassisch“ strukturiert, Risiken werden individualisiert
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