2.3 Zirkadiane Rhythmen

• Körpertemperatur

• Endokrine Rhythmen

• Schmerzempfindlichkeit

• Reaktionszeit und Vigilanz

• Die meisten Säugetiere haben einen vergleichbaren Temperaturrhythmus, bei dem sich die Körpertemperatur im Laufe des Tages geringfügig verändert

• Es kommt dabei zu Schwankungen im Bereich von 0,8–1°C zwischen Maximalwerten am Tag und Minimaltemperaturen in der Nacht

• Nachmittags erreicht die Körpertemperatur normalerweise ihren Höchstwert

• In der Ruhephase während der Nacht sinkt sie dann kontinuierlich ab und steigt bereits vor dem Erwachen morgens (ab 5 bis 6 Uhr) wieder an

Der Rhythmus der Körpertemperatur beeinflusst dabei auch das Schlaf-Wach-Verhalten und insbesondere das Einschlafen, da die Einschlafbereitschaft mit dem Sinken der Körpertemperatur zunimmt

• Einer der wichtigsten endokrinen Rhythmen findet sich in der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-(HHN-)Achse mit den zirkadianen Rhythmen von Adrenocorticotropin (ACTH) und dem Glucocorticoid Kortisol

• Beide Hormone zeigen ein Sekretionshoch am Morgen, während ein Tiefpunkt mit minimaler Konzentration nachts etwa gegen Mitternacht erreicht wird

• Die Blutkonzentrationen schwanken dabei im Lauf eines Tages um den Faktor 10

• Die zirkadiane Rhythmik der HHN-Achse ist zwar recht robust, dennoch zeigt sich ein gewisser Einfluss von Faktoren wie Licht, Schlaf und Nahrungsaufnahme

Die HHN-Achse ist ein Hormonsystem, das durch Zellen des Hypothalamus gesteuert wird. Teilweise wird dieses System auch als HPA-Achse abgekürzt (von „Hypothalamus Pituitary Adrenal“-Achse).

• Wachstumshormone und das von der Epiphyse ausgeschüttete Hormon Melatonin

• Ihre Ausschüttung verläuft gegenläufig zur Kortisolkurve und erreicht ihr Maximum in den ersten drei Stunden des Tiefschlafes, einer Phase, die auch als Kernschlaf bezeichnet wird und während der viele Erholungsprozesse stattfinden, die u. a. auch das Immunsystem betreffen

• Melatonin ist auch an dem Einfluss des Licht-Dunkel-Zyklus auf die HHN-Achsenaktivität beteiligt

  • Tageslicht bewirkt bei Sehenden eine vollständige Hemmung der Melatoninausschüttung

  • mit Einsetzen der Dunkelheit kommt es dann zu einem raschen Anstieg von Melatoninkonzentrationen im Blut.

• Diese lichtabhängigen Konzentrationsänderungen zeigen sich nicht bei blinden Menschen

• Hier kommt es zu licht-/dunkelunabhängigen Schwankungen der Hormonkonzentration

• Zudem zeigt sich bei Blinden auch eine Abflachung des zirkadianen Verlaufs der HHN-Achsenaktivität, die durch eine orale Gabe von Melatonin vor dem Schlafengehen wieder normalisiert werden kann

• Auch die Schmerzregulation zeigt einen 24-Stunden-Rhythmus

• Die geringste Schmerzempfindlichkeit findet man beim Menschen nachmittags bis abends zwischen 12 und 18 Uhr

• Das höchste Schmerzempfinden (geringe Schmerzschwelle) ist dagegen zwischen 0 und 3 Uhr morgens zu beobachten

• Bei Nachttypen, den „Eulen“, also Menschen, die erst nach Mitternacht zu Bett gehen, steigt die Schmerzempfindlichkeit erst später an

• Es konnte gezeigt werden, dass Schmerzmittel (Analgetika) während der Nacht, also zum Zeitpunkt der erhöhten Schmerzempfindlichkeit, schlechter wirken als tagsüber

• Das gilt offenbar ebenfalls für Placebo

  • Gibt man Versuchspersonen eine als schmerzstillend bezeichnete, unwirksame Placebo-Tablette zwischen 12 und 20 Uhr, findet man bei den meisten Versuchspersonen eine deutliche Reduktion des Schmerzempfindens

  • Allerdings zeigt die gleiche Tablette keinerlei Wirkung, wenn sie zwischen 0 und 4 Uhr verabreicht wird

• Der Effekt wird vermutlich über das Spinalganglion (Ganglion spinale, auch Dorsalganglion) vermittelt

• Das Spinalganglion ist ein Nervenknoten (Ganglion), der innerhalb des Wirbelkanals liegt und an der Schmerzverarbeitung beteiligt ist

• In den Zellen des Spinalganglions werden wichtige „Uhr-Gene” rhythmisch abgelesen (z. B. Clock, Per1 und Per2), und der Rhythmus dieser Genexpression korreliert mit dem Rhythmus des Schmerzempfindens auf Verhaltensebene

• Bei gesunden Probanden zeigt sich erstaunlicherweise, dass die Leistung bei einfachen akustischen Reaktionszeitaufgaben Bestwerte um ca. 3 Uhr morgens erreicht

• Bei diesen einfachen Testaufgaben muss die Versuchsperson lediglich auf eine Taste drücken, sobald ein Ton ertönt

• Die Aktivität ist dabei reflexartig

• Hier verläuft die Leistungsfähigkeit genau gegensätzlich zur einfachen Reaktionszeit und die Fehlerhäufigkeit erreicht um 3 Uhr morgens ein Maximum

• Das zeigt sich beispielsweise anhand der Häufung von Unfällen im Straßenverkehr oder in der Industrie, die häufig zwischen 3 und 5 Uhr morgens passieren

• Prominente Beispiele sind…

  • die Explosion des Tschernobyl-Reaktors, die während einer Sicherheitsübung um 3 Uhr früh geschah (Warnlichter waren übersehen worden)

  • sowie ein Unfall in einem Kernkraftwerk bei Harrisburg in Pennsylvania, wo es um 4 Uhr morgens zu einer Überhitzung des Reaktors kam, die gerade noch kurz vor der Explosion gestoppt werden konnte (ein Notschalter war aus Versehen verdeckt gewesen)

Betrachtet man die berufliche Leistungsfähigkeit, so zeigt sich ein weiteres Zeitfenster mit erhöhter Fehlerhäufigkeit zwischen 14 und 15 Uhr nachmittags

Zusammenfassend kann man sagen, dass kognitive Fähigkeiten entsprechend der jeweiligen zugrunde liegenden informationsverarbeitenden Prozesse unterschiedlichen Schrittmachern folgen

Die ersten drei Stunden des Tiefschlafes, eine Phase, während der viele Erholungsprozesse stattfinden

Die zirkadiane Rhythmik der HHN-Achse ist zwar recht robust, dennoch zeigt sich ein gewisser Einfluss von Faktoren wie

• Licht

• Schlaf

• Nahrungsaufnahme