6.5 Soziales Lernen

• Jede operante Handlung oder Reaktion kann durch das Beobachten und Nachahmen anderer Personen in unserem Umfeld erlernt werden

• Daher bezeichnet man das Beobachtungslernen – oder Lernen am Modell – auch als soziales Lernen

Beim Menschen ist diese Fähigkeit bereits ab dem zwölften Tag nach der Geburt vorhanden

Soziales Lernen ist eine besondere Lernform, da hier die Möglichkeit besteht, wichtige Inhalte zu lernen, ohne zuvor eine Erfahrung, die zu diesem Lernprozess oder der Verhaltensanpassung führt, selbst gemacht zu haben

Soziales Lernen kann auf unterschiedlichen Mechanismen beruhen, die nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden sind

Die bedeutendsten dieser Mechanismen sind:

• Beobachtungskonditionierung (innerhalb einer Art),

• Imitationslernen (zwischen verschiedenen Arten) und

• Unterrichten

• Wenn ein Individuum beobachtet, dass eine bestimmte Handlung oder Verhaltensweise für einen Artgenossen mit einer Konsequenz verbunden ist, kann es durch Beobachtungskonditionierung aus dieser Beobachtung lernen und das entsprechende Verhalten je nach Art der Konsequenz übernehmen oder vermeiden

• Lernen ist also bei beiden Konsequenzen – Belohnung oder Bestrafung – möglich

• Ein Beispiel hierfür ist, wenn ein Kind beobachtet, dass seine älteren Geschwister bestraft werden, weil sie im Wohnzimmer Fußball gespielt haben, und das Kind im Folgenden das Kicken im Wohnzimmer unterlässt, ohne je speziell von den Eltern darauf hingewiesen worden zu sein

• Imitation bezeichnet dagegen in der klassischen Verhaltensforschung (Ethologie) das Kopieren einer neuen Verhaltensweise, die nicht zum artspezifischen Repertoire gehört

• Ein Beispiel wäre ein Schimpanse in Gefangenschaft, der ein Verhalten seines Tierpflegers imitiert

• Beide Mechanismen des sozialen Lernens basieren auf Beobachtung von Handlungen oder Verhaltensweisen, die zu Konsequenzen führen

• Bei aktivem Unterrichten ändert dagegen ein „Lehrer“ sein Verhalten in der Anwesenheit eines „Schülers“

• Das begünstigt beim Schüler den Erwerb einer Verhaltensweise oder von Wissen, ohne dass der Lehrer selbst einen unmittelbaren Vorteil oder eine Konsequenz durch dieses Verhalten erfährt

• Banduras Theorie beruht vor allem auf seinen Beobachtungen anhand des berühmten „Bobo-Doll-Experiments“

• Für das Experiment wurden Kinder in eine Beobachtungs- und eine Kontrollgruppe unterteilt

• Die Beobachtungsgruppe war wiederum in drei Gruppen aufgeteilt

  1. Die erste Gruppe konnte beobachten, wie eine erwachsene Frau aggressiv auf die Aufblaspuppe einschlug und diese verbal beschimpfte

  2. Die zweite Gruppe sah das gleiche Verhalten, allerdings nur über eine Filmaufnahme

  3. Die dritte Gruppe sah das aggressive Verhalten gegenüber der Puppe lediglich als Zeichentrickfilm. Im Anschluss an die Beobachtungsphase wurde bei allen Kindern zunächst Frust aufgebaut, indem sie in einem anderen Raum nur kurz mit einer Vielzahl von Spielmöglichkeiten spielen durften, bevor es ihnen verboten wurde

• Sie kamen daraufhin zurück in den ersten Raum, in dem sich neben normalem Spielzeug auch eine „Bobo-Doll“ befand

• Hier zeigte sich, dass bei denjenigen Kindern, die zuvor aggressives Verhalten gegenüber der Puppe beobachtet hatten – egal in welcher Form –, die Wahrscheinlichkeit höher war, dass die Kinder sich nun ebenfalls aggressiv gegenüber der Puppe benahmen, im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein aggressives Verhalten, sondern lediglich die Frau beim Spielen mit Spielzeug beobachtet hatte

• Bandura schloss aus dieser Studie, dass die Kinder alleine durch Beobachten ein neues Verhalten gelernt hatten und dieses auch bereitwillig anwendeten, sobald sich die Gelegenheit dazu bot

• Beim Menschen lassen sich Nachahmungseffekte oftmals auch dann beobachten, wenn sie ohne Konsequenzen auftreten und auch nicht gezielt unterrichtet wurden

• Besonders eindrücklich zeigt sich das bei Kindern

• Der Lernprozess im sozialen Kontext wird in der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura beschrieben

• Banduras Theorie beruht vor allem auf seinen Beobachtungen anhand des berühmten „Bobo-Doll-Experiments“

• Ein wichtiger Aspekt in der Theorie von Bandura ist die sogenannte Selbstwirksamkeit

• Die Selbstwirksamkeit bezieht sich dabei auf die Überzeugung, einer bestimmten Situation gewachsen zu sein und diese bewältigen zu können

• Man spricht auch von Kompetenzerwartung, da es hierbei um die eigene Erwartung geht, eine bestimmte Handlung, die zu einem bestimmten Ziel führt, ausführen zu können

Die Selbstwirksamkeit bezieht sich dabei auf die Überzeugung, einer bestimmten Situation gewachsen zu sein und diese bewältigen zu können

Man spricht auch von Kompetenzerwartung, da es hierbei um die eigene Erwartung geht, eine bestimmte Handlung, die zu einem bestimmten Ziel führt, ausführen zu können

• Die Befunde von Bandura beeinflussten auch die Entwicklung weiterer Theorien zum sozialen Lernen, wie beispielsweise die Skript-Theorie von Huesmann

• Diese Theorie bezieht sich darauf, dass aggressives Verhalten möglicherweise als Folge von sozialen Beobachtungen (z. B. Darstellung von Gewalt in den Medien) erklärt werden kann

• Entsprechend dieser Theorie lernt man durch die Beobachtungen von anderen, wie man sich in bestimmten Situationen verhalten kann – man lernt also gewissermaßen ein Verhaltensskript in einem gegebenen Kontext

• Der Lernprozess ist umso erfolgreicher, je stärker die eigene Situation dem ursprünglichen Lernkontext entspricht

• Bei aggressivem Verhalten spielen allerdings auch gesellschaftliche Normen eine wichtige Rolle, da diese das Verhalten hemmen können