Definition Psychotherapie
Ausübung von Psychotherapie im Sinne dieses Gesetzes ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert
Ziele der Psychotherapieforschung
Entwicklung, Evaluation und Optimierung therapeutischer Interventionen
Identifikation von Prozessen und psychologischen Mechanismen, die der Wirksamkeit zugrunde liegen
Leitfaden für die Planung möglichst erfolgsversprechender Interventionen für die Behandlungspraxis
Was ist der Vorteil von Psychotherapie gegenüber medikamentöser Behandlung?
geringere Rückfallraten und Abbruchraten
ökonomischer
Was versteht man unter dem Dodo Bird Verdict?
zahlreiche Psychotherapiestudien zeigen, dass verschiedene Psychotherapieformate vergleichbare Effektivität aufweisen
Welche Therpeutenmerkmale haben kein Effekt auf den Behandlungserfolg?
Psychotherapeut*innen werden mit der Zeit nicht effektiver (eher etwas schlechter) (Goldberg et al. (2016))
Kein Unterschied von Ausbildungskandidat*innen zu erfahrenen Therapeut*innen (Öst, Karlstedt & Widén (2012))
Kein Einfluss von Alter, Geschlecht, Selbsteinschätzung, Berufsart (Anderson, Ogles, Patterson, Lambert & Vermeersch (2009))
Wo liegt die Notwendigkeit weiterer Psychotherapieforschung bei solchen eindeutigen Erfolgsnachweisen
-Psychotherapieforschung wird dringend gebraucht, weil wir bisher nicht alle erreichen.
- Schätzungen: ca. 40% aller Personen mit psychischen Problemen nehmen keine Behandlung wahr („treatment gap“; Corrigan, 2014)
- Assoziierte Variablen: geringer SÖS, Angehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, höheres Alter, männliches Geschlecht, Angst vor Stigmatisierung, Scham bzgl. der eigenen Probleme
-Psychotherapieforschung wird dringend gebraucht, zur Vermeidung von Therapieabbrüchen („Early Termination“)
- mittlere Drop-Out Rate von 19,7%
- Klient*innenmerkmale als Prädiktoren für Therapieabbrüche? o Diagnose: Persönlichkeitsstörung, Psychopathie und Essstörung: höhere Abbruchrate
-Therapieerwartungen: viele Klient*innen erwarten, dass Therapie „schneller“ wirkt
→ unrealistische Erwartungen: Drop-Out-Risiko erhöht ▪ Psychoedukation über durchschnittliche Therapiezeiträume bzw. Dauer bis zur Wirksamkeit einer Psychotherapie reduziert signifikant Drop-Out Raten (d=0.55) ▪ Kleine Intervention mit großer Wirkung
Was ist eine Dismanteling Studie
In einer Dismantling-Studie wird das Treatment untersucht, indem einzelne Komponenten der Therapie entfernt werden und die Effektivität nach dem Entfernen erneut bestimmt wird. Auf diese Weise kann bestimmt werden, wie groß der Einfluss der entfernten Komponente für den gesamten Therapieerfolg war.
Beispiel für eine Dismanteling Studie
Exposition mit/ohne kognitiver Therapie für Patient*innen mit Panikstörung und Agoraphobie
Welche drei Arten von Wirksamkeitsforschung gibt es?
Grundorientierte Wirksamkeitsforschung (“efficacy”)
Anwendungsorientierte Wirksamkeitsforschung (“effectiveness”)
Effizienorientierte Wirksamkeitsforschung (“cost effectiveness oder effiency)
Was ist die grundorientierte Wirksamkeitsforschung
Klinische Wirksamkeit einer standardisierten Intervention unter optimalen Bedingungen
- Fokus: Maximierung der internen Validität
- Zentrale Frage: Sind die potenziellen Verbesserungen auf die spezifische Intervention oder auf andere Einflüsse (z.B. Placebo-Effekte, systematische Ausgangsunterschiede zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe) zurückführbar?
- Nachteile: strenge Kontrolle von Störvariablen führt oft zur artifiziellen Homogenisierung (künstliche und homogene Gruppe nicht anwendbar auf reelle Situationen)
Was ist die anwendungsorientierte Wirksamkeitsforschung?
Versorgungspraktische Wirksamkeit einer psychotherapeutischen Intervention
- Fokus: Maximierung der externen Validität (z.B. realitätsnahe Stichproben mit Patient*innen, die auch Komorbiditäten aufweisen)
- Zentrale Frage: Sind die therapeutischen Maßnahmen unter den Bedingungen der Regelversorgung effektiv?
- Nachteile: Schlussfolgerung der Wirkung einer bestimmten Psychotherapiemethode weniger valide
Was ist die effizienorientierte Wirksamkeitsforschung?
Untersuchung der klinischen und versorgungspraktischen Wirksamkeit einer Intervention unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses
- Kontrastierung der Interventionseffekte auf (direkte/indirekte) Krankheitskosten vs. Kosten, die durch die Intervention entstehen
Was sind RCTs , was ist ihr Ziel und was ist der Nachteil?
- Zufällige Zuweisung aller Proband*innen zur Interventions- oder einer/mehreren zeitgleich stattfinden Kontrollgruppe(n)
- Ziel: Kontrolle systematischer Ausgangsunterschiede zwischen den Gruppen
- RCTs als Spezialfall des Experiments: Variation des angenommenen Kausalfaktor unter Konstanthaltung sämtlicher anderer Bedingungen
- Nachteile der Maximierung der internen Validität: künstliche Homogenisierung der Stichproben in RCTs, die so in der Versorgungspraxis selten vorkommen (z.B. Patient*innen mit ausschließlich Panikstörung) und realitätsferne, streng manualisierte Interventionen
Sind RCTs wirklich besser?
Studie von Ioannidis (2005): Analyse aller Therapiestudien, die zwischen 1990-2003 in Top-Zeitschriften veröffentlicht und jeweils über 1000x zitiert wurden
- Ergebnis: RCTs liefern verlässlichere Informationen über die Wirksamkeit von Interventionen verglichen mit nicht-randomisierten Studien
- RCTs: in 9 von 39 Studien mussten die Ergebnisse in Nachfolgestudien revidiert werden
- Non-RCTs: in 5 von 6 qualitativ hochwertigen Gruppenvergleichsstudien Revision erforderlich
Was ist das Problem an folgendem RTC Design:
Unerfahrener Forscher S. überlässt den spinnenängstlichen Patienten selbst die Wahl, ob sie in die Therapiegruppe (Reizkonfrontation) oder Kontrollgruppe (Entspannungstraining) möchten (= Selbstselektion)
Therapiegruppe zeigt nach der Behandlung eine klinisch relevante und statistisch signifikante Symptomreduktion verglichen mit Kontrollgruppe
Wegen Selektionsbias: spinnenängstliche Patienten, die sich freiwillig für die Exposition entschieden haben, dürften höhere Bereitschaft gehabt haben an ihrer Angst zu arbeiten bzw. ein höherer Leidensdruck/ geringeres Belastungsniveau zu Therapiebeginn
Studie zur Überprüfung der Effektivität einer achtsamkeitsbasierten Gruppenpsychotherapie zur Behandlung von Depression (MBCT) - Unerfahrene Forscherin T. verzichtet auf die Kontrollgruppe, alle depressiven Patienten müssen in die Experimentalgruppe (MBCT) - MBCT führ zu einer klinisch relevanten und statistisch signifikanten Depressionsreduktion: Ist diese Schlussfolgerung zulässig?
Nicht unbedingt: aufgrund fehlender Kontrollgruppe kann mit einem reinen Prä-PostDesign kein strenger Kausalschluss gezogen werden (Spontanremission, vielleicht lag die Urlaubszeit zwischen den Messzeitpunkten und sorgte für Symptombesserung)
Was ist CONSORT?
Internationale Richtlinien: Hochwertige klinische Studien entsprechen den Qualitäts- und Publikationsstandards der CONSORT-Kriterien
Nenne die CONSORT Kriterien
- Kontrollgruppe
- Randomisierte Zuteilung und Beschreibung der Randomisierungsprozedur
- Adäquate statistische Power (mit großer Stichprobe)
- Reliable diagnostische und Messinstrumente (Reliabilität: Messinstrument muss so gut sein, dass Ergebnis repliziert werden kann)
- Multidimensionale und multimodale Erfolgserfassung bei Definition eines primären Outcomes (verschiedene Outcomes erheben und berichten, mehrere Messinstrumente und Facetten)
- Diagnostik psychischer Störungen mit strukturiertem Interview und durch blinde Rater
- Durchführung der Therapie mit Treatment-Manual und Überprüfung der Behandlungstreue
- Spezifizierung des Ausmaßes des Trainings der Therapeut*innen/ Behandler*innen
- Prospektive Studie mit adäquaten Follow-Ups (vorausschauend: erst Bildung einer Hypothese und danach die Untersuchung)
- Angabe der Drop-Out-Raten und ihrer statistischen Handhabung; ggf. ITT-Analysen (intention-to-treat: in die Analyse werden auch drop-outs miteinbezogen)
- Effektstärken; ggf. korrigiert entsprechend ITT-Analysen
- Genaue Angabe der Sponsoren; Registrierung bei Studienbeginn in öffentlichen Datenbanken; Ethikvotum
- Stichprobenbeschreibung und Verteilung der Ausfälle im Verlauf einer randomisierten Studie
Consort Flussdiagramm
Welche Kontrollgruppen gibt es?
Inaktive Kontrollgruppe:
- No-treatment-KG: kontrolliert Spontanremission und den naturalistischen Verlauf des Störungsbildes
- Wait-list-KG: erhält Behandlung nach abgeschlossener Behandlung in Interventionsgruppe → kontrolliert zusätzlich Erwartungseffekte (Placebo-Effekt)
Aktive Kontrollgruppe: Placebo-Kontrollgruppen oder Standardbehandlung
- Psychologische Placebo-KG: erhält alle unspezifischen Inhalte einer Intervention, jedoch nicht die spezifischen Wirkvariablen → kontrolliert zusätzlich Effekte von Aufmerksamkeitszuwendung
- Treatment-as-usual-KG (oder “Standard Medical Care”): Optimierung der Patient*innenversorgung durch Vergleich der neuen Intervention mit Maßnahmen der Routineversorgung bzw. dem aktuell effektivsten Verfahren (Goldstandard)
- Aktive KGs in Dismantling-Studien: Identifikation relevanter Wirkmechanismen, in denen der angenommene Wirkfaktor systematisch variiert wird (z.B. VT mit und ohne kognitive Techniken)
Vergleichmöglichkeiten experimentelle und Kontrollbehandlung
- Überlegenheit („superiority trial“): d.h. eine experimentelle Behandlung ist besser als eine Kontrollbehandlung
- Nicht-Unterlegenheit / Äquivalenz („non-inferiority trial“): d.h. eine experimentelle Behandlung ist nicht relevant schlechter als eine Kontrollbedingung
- Äquivalenz („equivalence trial“): d.h. eine experimentelle Behandlung ist nicht relevant schlechter und nicht relevant besser als eine Kontrollbehandlung
Placebo Psychotherapie
Empfehlung: anstatt den Begriff des Placebos in der PT zu verwenden, besser von unspezifischen/ allgemeinen Wirkfaktoren sprechen
Kann ein Placebo Effekt durch Erwartungen zustande kommen?
Studie Southworth & Kirsch (1988) zu In-Vivo-Reizkonfrontation
- 2 Gruppen (geringe vs. hohe Erwartung) von Agoraphobiker*innen erhielten Instruktion sich so weit von zuhause fortzubewegen, bis sie Angst bekämen und dann umzudrehen (10-malige Wiederholung im Zeitraum von 2 Wochen)
- Induktion differentieller Erwartungen: „Beginn der Angstbehandlung“ (hohe Erwartung) vs. „Diagnostische Maßnahme zur genauen Erfassung der Angst“ (geringe Erwartung)
- Im Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe nahm in beiden Gruppen die Symptomatik (Angst) ab
- Aber: Effekte in der Gruppe mit der „therapeutischen Instruktion“ viel stärker ausgeprägt
Was ist das Ziel von Randomisierung?
Ziel: Minimierung systematischer Verzerrungen, Differenzierung von spezifischen Interventionseffekten und konfundierender Variablen (Therapieerwartungen, Spontanremission, Aufmerksamkeitszuwendung von Therapeuten usw.)
Randomisierungstypen
- Individualisierte Randomisierung: Patient*innen werden zufällig einer/mehrerer Interventions- oder einer/mehreren zeitgleich stattfinden Kontrollgruppe(n) zugewiesen
o Jeder Patient hat dieselbe Chance „aktives Treatment“ zu erhalten
o Keine Garantie für Vergleichbarkeit über Bedingungen (Vorsicht bei kleinen Stichprobengrößen)
o Ermöglicht bei großen Stichproben auch die Kontrolle unbekannter Einflussvariablen
- Gruppen- oder Cluster Randomisierung: zufällige Zuteilung von Gruppen von Patient*innen zu den verschiedenen Interventionsbedingungen
- Stratifizierung („geschichtete“ Zufallsstichprobe): bei der Randomisierung wird dafür gesorgt, dass bestimmte Eigenschaften von Patienten in allen Gruppen in einem bestimmten Verhältnis vertreten sind (z.B. weibliches Geschlecht in beiden Interventionsbedingungen zu jeweils 50%, Remissionsgrad, usw.)
- Optimal: Randomisierung durch technisches Personal, computergestützte Zuweisung
Definition Power/Teststärke
- Fähigkeit eines Tests, einen tatsächlich vorhandenen Effekt festzustellen
- Wahrscheinlichkeit, dass ein Test richtigerweise die Nullhypothese verwirft
- Fähigkeit eines Tests, den beta-Fehler (Entscheidung für die Nullhypothese bei Gültigkeit der Alternativhypothese) zu vermeiden
Komponenten die die Power eines Testes beeinflussen
1. Stichprobengröße
2. Effektstärke
3. Alpha-Fehler (Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis durch Zufall zustande gekommen ist)
4. Messfehler (Präzision, mit der die Daten gemessen werden) 5. Bei Testung mehrerer Gruppen: gleiche Gruppengrößen (bei gleicher Varianz) → Voraussetzung für ANOVA und Regressionsanalysen
Ist statistische Signifikanz = klinische Signifikanz
Statistische Signifikanz (p<.05) ist nicht gleichzusetzen mit klinisch relevanter Verbesserung bzw. vom Patienten subjektiv wahrgenommener bedeutsamer Verbesserung
o z.B. Reduktion der Häufigkeit eines Tötungsgedankens (Zwang) einer Mutter ggü. ihrem Kind 40x/Tag auf 15x/Tag ggf. statistisch signifikant, aber für Patienten weiter hoch belastend
- Signifikanz bei Gruppenvergleichen hängt von Stichprobengröße ab
o z.B. kann ein kleiner, statistisch nicht signifikanter Effekt einer Präventionsstudie mit Reduktion der Inzidenzrate mit hohen ökonomischen Vorteilen verbunden sein
Lösungsideen für das Signifikanzproblem
Einsatz kritischer Effektstärken (z.B. Richtlinien des NICE zur Depressionsbehandlung: Cohens‘ d > 0.5 als klinisch bedeutsamer Effekt)
- Cut-off Werte für Erfolgsmaße (z.B. 3-Punktereduktion auf der Hamilton-Rating-Skala bzw. Cut-off, ab denen der Wert eines Patienten diesen als „gesund“ klassifiziert)
- Goldstandard: Unterschiedstestung bzgl. der Symptomreduktion während der Behandlungs- bzw. Kontrollphase (z.B. mithilfe hierarchisch linearer Modelle) in Kombination mit einem Test über die Ungleichverteilung von Response/ Remission
Was sind primäre und was sekundäre Outcomes?
Primäre Outcomes: spezifisch, z.B. bei Depression Reduktion der konkreten depressiven Symptomatik
Sekundäre Outcomes: global, z.B. bei Depression Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität
-> Grundsatz: Messung von Therapieerfolg über verschiedene Ebenen und Methoden (direkte/ indirekte Veränderungsmessung über Fragebögen, Verhaltensbeobachtungen, strukturierte klinische Interviews, Tests ...) und Datenquellen (z.B. Patient*in, Therapeut*in)
Was versteht man unter psychotherapeutischer Prozessforschung?
- Dient der Identifikation von Wirkmechanismen („mechanisms of change“)
- Wissenserweiterung relevanter Prozesse zur Optimierung der Effekte psychotherapeutischer Interventionen
- Mediatoranalysen, Latent-Change-Models
Mediatoren und Moderatoren in der psychotherapeutischen Prozessforschung
Relevante Messebenen
-Symptomatik
- aufrechterhaltenden Mechanismen und Prozesse, die als relevant für Veränderungen gelten und erfasst werden könne
z.B. Patienten müssen Vermeidungsverhalten reduzieren, um Angststörungen zu überwinden: geeignete Outcome-Variable wäre Vermeidungsverhalten
- Krankheitsfolgen: bei gleicher Schwere der klinischen Symptomatik können die Krankheitsfolgen (z.B. Lebensqualität, Behandlungskosten) höchst unterschiedlich sein, z.B. Psychotherapie bei chronischer Schmerzsymptomatik verbessert oft primär Mobilität, Lebensqualität und Akzeptanz
- Nebenwirkungen: einige Patient*innen in psychotherapeutischer Behandlung erfahren Verschlechterung ihrer Symptome (z.B. durch Problemaktualisierung) oder bekommen zusätzliche Probleme in ihrem Leben (z.B. Beziehungsprobleme)
- Kostenperspektive: zunehmender Legitimationsdruck der Psychotherapie (z.B. ggü. Krankenkassen) erfordert ökonomische Erwägungen
o Kosten-Effektivität, d.h. das Verhältnis von aufgewendeten Ressourcen zum Therapieerfolg
o Kosten-Nutzen-Analysen
o Voraussetzung: Stabilität des Behandlungserfolgs und daraus resultierende Einsparungen (z.B. durch weniger Arztbesuche, Krankheitstage)
Auswahlkriterien für Outcome Maße
- Zufriedenstellende psychometrische Kennwerte (Klassiker: Validität und Reliabilität)
- Sensitivität und Spezifizität: geeignetes maß muss „änderungssensitiv“ sein, d.h. imstande durch Intervention verursachte Veränderungen zu identifizieren
- Klinische Nützlichkeit („clinical utility“): ideale Maße für die Praxis sind eher kurz, nicht teuer, praktisch einsetzbar und für Therapeut*innen einfach anzuwenden, auszuwerten und zu interpretieren
Wies können die Ergebnisse von Studien oft nicht miteinander verglichen werden?
- Verbreitung eines spezifischen Instrumentes: direkte Vergleichbarkeit von Ergebnissen verschiedener Studien davon abhängig (z.B. SCL-90-R oft verwendet, obwohl es sich u.a. wegen der hohen Skaleninterkorrelationen nicht um ein sehr gutes Instrument handelt)
- Problem: seit Beginn der Psychotherapieforschung „multidimensionales Chaos“
- in 163 Studien (3-Jahreszeitraum, Journal ofConsulting andClinical Psychology): 435 Maße (davon 371 nur einmal verwendet!) →eingeschränkte Vergleichbarkeit
- gleicher Name nicht immer gleiches Instrument (z.B. 17-und 21-Item Versionen der Hamilton Rating ScaleforDepression HRSD als Fremdbeurteilungsinstrument für Depression
- Direkte Therapeutenurteile überschätzen Therapieerfolg!
-> Fremdbeurteilungsinstrumente (HRSD) ausgefüllt von Therapeuten führten zu sign. höheren positiven Therapieeffekten (△g= .20) verglichen mit Selbstbeurteilungsmaßen der Patienten
-Multifaktorielle Evaluation mit verschiedenen Quellen wünschenswert
-> 3-Jahreszeitraum JCCP: 30% aller Studien basieren lediglich auf Selbstbericht von Patienten, 5% aller Maße waren unstandardisiert(keine psychometrischen Gütekriterien vorhanden)
Evaluation der Risiken und Nebenwirkungen
- Festlegung der Variablen und Grenzwerte
- Unbedenklichkeit einer Intervention: unerwünschte Ereignisse, Risiken, Nebenwirkungen oder sogar Therapieschäden müssen operationalisiert und erfasst werden
- in Psychotherapieforschung bislang kaum systematisch Aufmerksamkeit geschenkt
- Inzidenz unerwünschter Ereignisse meist niedrig: Teststärken-Problematik (große Stichproben erforderlich, um seltene Ereignisse zu entdecken)
- Minimale Anforderung: Dokumentation und Berichterstattung über Inzidenz unerwünschter Ereignisse, sowie Gründe für Therapieabbrüche
Welche Arten von Metaanalysen gibt es?
- „Klassische“ Metaanalyse
- Statistische Aggregation von Primär-Untersuchungen zu Metadaten (gepoolte Effektstärken)
- Netzwerk-Metaanalyse
- Gruppenvergleiche möglich, auch wenn kein direkter Vergleich in Einzelstudien
- Individual Patient Data (IPD) Meta-Analysis
- Statt aggregierter Daten (MW, SD) werden Rohdaten ausgewertet
Methodische Probleme von Metaanalysen
Garbagein -garbageout
- Wenn Einzelstudien von geringer Qualität –so auch das Ergebnis einer MA
Birnen und Äpfel (Selektionsbias)
- Einzelstudien sehr verschieden, kein „gemeinsamer Nenner“ möglich?
- Stat. Heterogenität berechnen (I2)
File drawer problem(Publikationsbias)
- Positive/Signifikante Studienergebnisse werden eher veröffentlicht
Dropout-Raten
- Effektstärke wird nicht in Beziehung zu Dropout gesetzt
Was ist der Allegiance Effekt in der Psychotherapie
- Reviews: Therapieergebnisse mit bis zu r= .85 mit der Präferenz der UntersucherInnen für„ihr“ Verfahren korreliert (Luborskyet al., 1999)
- Empfehlung: „gesunde Skepsis“ ggü. Ergebnissen von lediglich einer Arbeitsgruppe bzw. einer homogenen Forschergemeinschaft, ohne weitere Replikationen
Typische Probleme in Evaluationsstudien mit mehreren Messzeitpunkten
Dropout
- Abbruch aus Unzufriedenheit mit der Behandlung, verschlechternde (oder sich verbessernde!) Symptomatik mit erforderlicher stationärerEinweisung, Umzug der Probanden…
- Differenzierung: kompletter Dropout vs. Interventions-Dropout (= Pat., die noch bereit sind an der Diagnostik der Studie teilzunehmen, obwohl sie die Intervention beendet haben)
Fehlende Werte (engl. „MissingValues, Missings“)
- auch bei Pat., die vollständigan der Intervention sowie an allen Assessments teilgenommen haben (z.B. weil in einigen Fragebögeneine Reihe von Fragen nicht beantwortet)
Risiko systematischer Selektionseffekte
- bei geringen Rücklaufratenzum Katamnesezeitpunkt: Gefahr der Überschätzung der Effektivität einer Intervention, da z.B. Patienten, die substanziell von der Intervention profitiert haben, eher zur Teilnahme an der Katamnese motiviert sind
Analyststrategien für den Umgang mit Drop Outs
Intention-to-treat-(ITT-) Analyse
Alle Teilnehmer die man vorher beabsichtigte (intention) zu behandeln (totreat), werden nachher ausgewertet (unabhängig davon, ob die Behandlung auch tatsächlich in der geplanten Form (per protocol) durchgeführt wurde)
Per-Protokoll-Analyse/ Completer-Analyse
Datenanalyse mit denjenigen Teilnehmern, die sich prüfplankonform verhalten haben (z.B. alle Therapiesitzungen und Messungen durchlaufen haben)
UMGANG MIT MISSING VALUES
Fallweiser Ausschluss:
Ausschluss von Patienten, wenn auch nur ein fürdie Analyse relevanter Wert fehlt (Folge: erhebliche Reduktion der Stichprobe; verfügbareDaten werden ungenügend genutzt)
Last Observation Carried Forward (LOCF):
fehlende Werte werden durch den letzten (zeitlich vorausgehenden) real beobachteten Wert des Teilnehmers ersetzt (Folge: Bei einfachem Prä-Post-Vergleich Unterschätzung der wahren Effekte).
Ersetzung durch Lagemaße:
Ersetzen von Missing Values mit den Mittelwerten oder Medianwerten der jeweiligen Interventionsgruppe oder Gesamtstichprobe
è (Folge: künstliche Reduktion der Varianz, Risiko der Verzerrungen von Daten)
Paarweiser Ausschluss:
statistische Verfahren, die auf Korrelationsmatrizen basieren (= relevante Zusammenhängekönnen z.T. trotz fehlender Werte über die jeweils paarweise kompletten Beziehungen zwischen Variablen geschätzt werden)
MissingValues Replacement-Verfahren:
Bei Zufallsverteilung von Missings(M(CAR) regressionsanalytische Schätzung fehlender anhand vorhandener Werte (selbe Variable zu anderen MZP oder andere Variablen, die mit dem Outcome assoziiert ist). Fehlerterm berücksichtigt, reduziert Varianzunterschätzung.
Multiple-Imputations-Verfahren:
Mithilfe vorhandener Daten werden überiterative Schätzprozeduren mehrere Schätzer für jeden fehlenden Wert berechnet. Fehlende Werte werden durch Schätzer ersetzt („imputiert“) und mehrere vollständige Datensätze(„Iterationen“) erzeugt. Statistische Auswertungen über mehrere vollständige Datenmatrizen, d.h. Verteilung relevanter Testwerte. Aus dieser Verteilung lässt sich dann (z.B. über Mittelung, siehe „Rubin‘sRules“) der beste Schätzer für den „wahren Wert“ ableiten
Mehrebenenanalyse(Hierarchisch Lineare Modelle):
Für jeden Patienten wird eine Steigung für den Verlauf der Werte auf dem Erfolgsindikator berechnet. Diese Steigungen können aggregiert und so zum Vergleich der Verläufe verschiedener Patienten-(bzw. Behandlungs-) Gruppen herangezogen werden.
è Vorteil: Multilevel-Analyse relativ unabhängig von der Anzahl der Messzeitpunkte (z.B. Session-Monitoring, ambulatorisches Assessment)
Warum präregistrieren?
- Beugt Verzerrungen (z.B. Publikationsbias, Selektionsbias) vor
- Trennbarkeit von explorativer und konfirmatorischer Forschung
- Sichtbarkeit von Forschungsvorhaben
- Bessere Planung und Vorbereitung: „Helpful reminder to futureself
Welche Möglichkeit gibt es zur Identifikation von Wirkmechanismen im Rahmen der Prozessforschung
Identifikation von Wirkmechanismen(„mechanisms of change“)
Herausforderung: Psychotherapie oft ein „Behandlungspaket“
- Evaluation konkreter therapeutischer Handlungen bzw. von „Mini-Interventionen“ im Rahmen experimenteller Designs
- Evaluation der postulierten zugrunde liegenden Wirkmechanismen mittels geeigneter experimenteller Paradigmen (= ändert sich das psychologische Konstrukt?)
- Dismanteling-Studien: Vergleich mehrerer Therapievarianten, die sich hinsichtlich eines angenommenen Wirkfaktors unterscheiden
- Prospektive Beobachtungsstudien →Videogestützte Prozessforschung: Rating Therapeutenverhalten und Effekt auf Patient (Outcome) aus Therapievideos
- Ausschluss bzw. stat. Kontrolle von Drittvariablen schwierig
Welche Datenquellen gibt es?
Subjektive Verfahren
Selbstbeurteilungsverfahren (Ratingsskalen, Tagebücher/ ambulatorisches Assessment)
Fremdbeurteilungsverfahren
Apparative Verfahren („objektive Diagnostik“)
Bildgebende Verfahren (z.B. fMRT, CT, PET)
Psychophysiologische Messungen, Biomarker
Implizite Verfahren (z.B. Reaktionszeiten)
Hand in Hand: subjektiv-verbale Ebene -objektiv beobachtbare Verhaltensweisen -begleitende physiologischen Veränderungen
PSYCHOPHYSIOLOGISCHE MESSUNGEN
Aktivierung (u.a. Emotionen, Erregung) und individuelle Reaktivität
Beispiel: Alarmreaktion
•↖︎Hirntätigkeit (z.B. Hippocampus)
•↖︎Kardiovaskulär-respiratorische Aktivität
•↖︎Hormonaktiviät(z.B. Cortisol, (Nor-)Adrenalin)
•↖︎Elektrodermale Aktivität
Implizite Verfahren
semantisches/affektives Priming
•ImplicitAssociationTest (IAT)
•Go-No-Go Task (GNAT
Nenne die Phasen von Evaluationsstudien
-> Die Auswahl des Studien-designs hängt neben der klinischen Fragestellung von der Phase ab, in der sich die Evaluation einer neuen Therapieform befindet.
Evidenzstufen Psychotherapieformen
Was ist der Beta Fehler und was ist der Alpha Fehler?
Alpha Fehler: Annahme der H1 obwohl die H0 gilt
Beta Fehler: Annahme H0 obwohl H1 gibt
Wie kann mit dem Allegiance Effekt umgegangen werden?
→Minimierung durch Multicenterstudien mit verschiedenen therapeut. Schwerpunkten
→Minimierung durch Verblindung:
- in Psychotherapiestudien oft nur begrenzt möglich (behandelnde/rTherapeut/in weiß immer, welche Behandlung er einsetzt ≠ Pharmastudie)
- optimal: Ergebnisbeurteilung von externen/verblindeten/unabhängigen Evaluatoren, denen der Behandlungsstatus des Pat. unbekannt ist
Was sind Latent Change Models?
Mit Latent Change Models werden Veränderungsprozesse untersucht. sowohl für allgemeine, mittlere Veränderungsverläufe als auch für interindividuelle Unterschiede beziehungsweise Abweichungen von den mittleren Veränderungen, sowie für Ursachen und Folgen dieser interindividuellen Unterschiede
Vor- und Nachtteile: Effektstärken als Mass für den Therapieerfolg
Vorteile:
Vergleichbarkeit unterschiedlicher Studien/ Disziplinen
Aggregation vieler Studien in einem Maß
Einfaches Erfolgsmaß (klein, Mittel oder gross)
Nachteile
Einzelne Verschlechterungen gehen im Effektmass unter
Außergewöhnliche Ereignisse wie suizid werden nicht berücksichtigt
Wie können Prozesssrudien durchgeführt werden?
Welche Prozesse und zugrundeliegenden Wirkmechanismen führen zum Erfolg?
o - Prospektive Beobachtungsstudien →Videogestützte Prozessforschung: Rating Therapeutenverhalten und Effekt auf Patient (Outcome) aus Therapievideos
o Evaluation konkreter therapeutischer Handlungen bzw. „Mini-Interventionen“ im Rahmen experimenteller Designs
o Dismantling-Studien: Vergleich mehrerer Therapievarianten, die sich bzgl. eines angenommenen Wirkfaktors unterscheiden
Mit welchem experimentellen Verfahren kann man den Veränderungsmechanismus “Aufmerksamkeitsverzerrung” untersuchen?
Emotional stroopp Test
Dot Probe Paradigma ( auch in Verbindung mit Eye Tracking oder Ereigniskorrelierten Potenzialen)
Wie kann man den Veränderungsmechanismus Belphnungsverarbeitung untersuchen?
FMRT oder via Neurofeedback
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