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4.2 Erfassung von Leistung und Notengebung in der Schule

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von leonie H.

Welche Beurteilungsfehler gibt es?

Fundamentaler Attributionsfehler

Das Verhalten und Erleben einer Person wird auf deren Persönlichkeitsmerkmale zurückgeführt, während mögliche situationsspezifische Ursachen vernachlässigt werden.

Ein Schüler, der wiederholt zu spät zum Unterricht erscheint, wird von der Lehrkraft als disziplinlos beurteilt. Andere Gründe (z. B. die Eltern sind unorganisiert und bringen ihr Kind zu spät zur Schule) werden in der Beurteilung nicht berücksichtigt.

Halo-Effekt

Ein zentrales (charakteristisches) Merkmal einer Person „überstrahlt“ die Gesamtbewertung dieser Person.

Eine hübsche Schülerin, die stets gut gekleidet ist, wird von der Lehrkraft als fleißig, diszipliniert und intelligent bewertet.

Konsistenz-Effekt

Ausgehend von bisherigen Erfahrungen mit einer Person werden konsistente Informationen (Informationen, die mit den bisherigen Erfahrungen übereinstimmen) stärker berücksichtigt als inkonsistente.

Ein Schüler, der den Unterricht bereits einige Male gestört hat, wird vom Lehrer als Störenfried bewertet. Dabei „übersieht“ die Lehrkraft, dass der Schüler oft auch schon unauffällig am Unterrichtsgeschehen teilgenommen hat.

Reihenfolgeneffekte

Im Gesamturteil über die Leistung einer Person wird sich vor allem an den zuerst beobachteten (Primacy-Effekt) oder den zuletzt beobachteten (Recency-Effekt) Eigenschaften orientiert.

Bei der Beurteilung, ob ein Kind das Gymnasium als weiterführende Schule besuchen soll, orientiert sich eine Lehrkraft an den positiven Eindrücken, die der Schüler in den ersten beiden Klassen hinterlassen hat. Dass dieser Schüler leistungsmäßig zuletzt deutlich abgebaut hat, wird im Gesamturteil nicht berücksichtigt (Primacy-Effekt).

Rosenthal-Effekt

Der Rosenthal-Effekt beschreibt das Phänomen, wonach die Erwartungen, die an eine Person gerichtet sind, nachhaltig deren Verhalten beeinflussen und sich diese Person entsprechend der Erwartungen verhält.

So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass, wenn eine Lehrkraft die Information erhält, dass der Vater eines zu beurteilenden Schülers Redakteur einer großen Tageszeitung ist oder ein Schüler vermutlich über einen hohen Leistungsstand verfügt, ein geschriebener Aufsatz besser benotet wird als der eines durchschnittlichen Schülers

Welchen Gütekriterien sollte die Beurteilung von Schülern unterliegen?

Die Gütekriterien geben die Qualität eines wissenschaftlichen Instruments/Verfahrens an. Zu den Hauptgütekriterien zählen Objektivität, Reliabilität und Validität.

  • Objektivität: Unter Objektivität versteht man, dass die Durchführung, Auswertung und Interpretation einer schulischen Leistung oder eines Schülermerkmals unabhängig von der Person des Beurteilers ist. Beispiel für eine hohe Objektivität: Mehrere Lehrer beurteilen unabhängig voneinander einen Schüleraufsatz und kommen zu einem vergleichbaren Ergebnis (z. B. dieselbe Note).

  • Reliabilität: Die Reliabilität beschreibt die Zuverlässigkeit (oder Genauigkeit) eines Tests. Sehr häufig wird hierbei die Urteilskonstanz als Indikator herangezogen. Beispiel für eine hohe Reliabilität: Ein und derselbe Test wird bei einem Schüler erneut durchgeführt (ohne dass der Schüler zwischenzeitlich gelernt hat) und kommt zu einem vergleichbaren Ergebnis.

  • Validität: Die Validität beschreibt die Gültigkeit eines Tests (Misst der Test, was er zu messen vorgibt?). Während ein Thermometer ein valides Instrument zur Messung der Raumtemperatur darstellt, ist es gänzlich ungeeignet, die Raumlänge zu bestimmen. Beispiel für hohe Validität: Ein Mathetest beinhaltet lediglich Matheaufgaben, jedoch keine Fragen zum Allgemeinwissen der Schüler (z. B.: Wie viele Bundesländer hat Deutschland?). Vor allem die Gewährleistung der Validität stellt ein großes Problem im schulischen Kontext dar. So haben beispielsweise Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Störung auch mit Textaufgaben im Fach Mathematik Schwierigkeiten, sodass das Ergebnis des Mathetests keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Rechenfähigkeiten des Schülers erlaubt und damit nicht valide ist.

Auf welche 2 Arten kann die Bewertung von Schülerleistungen erfolgen?

Normorientierte Bewertung:

  • Bei einer normorientierten Bewertung wird die Leistung eines Schülers mit der Leistung einer Normgruppe verglichen (z. B. Schulklasse, Schulbezirk, Bundesland, Land usw.)

  • Die Note entspricht folglich einem Rangplatz, den der Schüler im Vergleich zu den anderen einnimmt

  • Problematisch ist hierbei, dass ein Schüler trotz intensiver Lernbemühungen eine schlechte Note erhalten kann, nämlich dann, wenn alle anderen Schüler auch gut oder sogar besser gelernt haben

  • Eine normorientierte Bewertung erfolgt beispielsweise im Rahmen von Schulleistungsvergleichen (z. B.: Welches Bundesland erzielt die besten Ergebnisse? Welchen Platz belegt Deutschland in der PISA-Studie?)

Kriteriumsbasierte Bewertung:

  • Bei einer kriteriumsbezogenen Bewertung wird das Testergebnis mit einem zuvor festgelegten Kriterium verglichen und die Note entsprechend des Erreichens oder Nichterreichens eines vorgegebenen Lernziels vergeben

  • Beispiele finden sich u. a. in der theoretischen Führerscheinprüfung, in der man zum erfolgreichen Bestehen nicht mehr als zehn Fehlerpunkte sammeln darf oder in einer Klausur im Studium, bei der man mindestens 50 % der möglichen Punkte erreichen muss, um das Modul zu bestehen

  • Im deutschen Schulsystem wird in aller Regel kriteriumsbezogen benotet

  • Als problematisch zu betrachten ist jedoch, dass Standards mitunter willkürlich festgelegt werden

  • Wenn beispielsweise ein Chirurg während seines Studiums in einer wichtigen Prüfung exakt 50 % der möglichen Punkte erhalten hat, könnte dies als bestanden bewertet werden

    Aber wer würde sich bei diesem Arzt ohne Sorgen unter das Messer legen?

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leonie H.

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