Psychodynamische Theorien- Vertreter und Menschenbild
Freuds Theorien und deren Bedeutung für die Persönlichkeitspsychologie
Dynamisches Modell (Trieblehre)
Topographisches Modell (Topische Lehre)
Strukturmodell (Instanzenlehre)
Entwicklungsmodell (Psychosexuelle Entwicklungsphasen der Persönlichkeit)
Kritik und Weiterwirken
Die menschliche Psyche als Energiesystem
alle psychischen Prozesse (Gedanken, Gefühle) erfordern und verbrauchen Energie
Energie wird durch biologisch verankerte Triebe bereitgestellt (angeborene
Unterschiede in der Triebstärke als Erklärung für Persönlichkeitsunterschiede)
Triebspannung verlangt nach Entladung, bzw. sofortiger Befriedigung
Entladung von Triebspannung wird als lustvoll empfunden, Aufstauung als unangenehm
Jedes Verhalten ist motiviert (bzw. determiniert) durch das Streben nach Triebbefriedigung und dem damit verbundenen Lustgewinn
Möglichkeiten der Triebbefriedigung
Verhaltensweisen, über die eine Befriedigung des Triebes (anhand von Objekten) möglich ist
Naheliegend: Objekte, die direkte Triebbefriedigung erlauben (i. Falle d. Sexualtriebs > Sexualpartner)
Menschen können Triebbefriedigung aufschieben oder modifizieren (z.B. Zuneigung als modifizierte Form der Befriedigung des Sexualtriebes)
—> Im Unterschied zum Tier ist der Mensch in der Lage, Triebbefriedigung aufzuschieben oder zu modifizieren.
Zugänge zum Unbewussten
Techniken zum Bewusstmachen unbewusster Ängste, Konflikte und Wünsche
Traumdeutung als via regia (Königsweg) zum Unbewussten
freie Assoziationen (spontan, frei fließende Gedanken)
Fehlleistungen (z.B. Versprecher)
—> werden als Therapiemethoden psychischer Störungen, aber auch als Forschungsmethoden verwendet, um das Unbewusste besser zu verstehen
Strukturmodell der Psyche (Instanzenlehre)
Strukturmodell (Instanzenlehre) ES
ES (dt. Begriffsherkunft verm. v. F. Nitzsche „Also sprach Zarathustra“, 1883)
Sitz der Triebe, „Ort der rohen, ungehemmten Triebenergie“
Quelle allen Verlangens, aller Impulse und aller mentalen Energie
Ursprung im ES: sämtliche Selbsterhaltungstriebe (Nahrung, Wärme,
Sicherheit, Sexualtriebe) sowie aggressive Triebe (z.B. Streben n. Dominanz)
ES handelt ausschließlich nach Lustprinzip und Primärprozess-Denken
bei Neugeborenen nur ES vorhanden (!)
ES-Triebe werden im Laufe der Entwicklung sozialisiert B
—> BEISPIEL: Triebe des ES und die Werbung: „500 Euro Sofortkredit“, Kaufen Sie jetzt, zahlen Sie später“
Strukturmodell (Instanzenlehre) ICH
ICH
entwickelt sich nach dem ES (libidinöse Energie aus ES heraus verlagert)
Exekutive der Persönlichkeit (der planende, denkende Teil des Seelischen)
folgt Realitätsprinzip, vernünftig/lösungsorientiert (Sekundärprozessdenken)
Mediator zwischen Kind und Außenwelt:
Kind versucht Bedürfnisse/Triebe zu befriedigen, aber Realität wird einbezogen
vermittelt zwischen impulsiven Wünschen des ES und der Realität, muss dabei jedoch den moralischen Forderungen des ÜBER-ICH gerecht werden
Strukturmodell (Instanzenlehre) ÜBER-ICH
ÜBER-ICH
Sitz der internalisierten Werte, Normen & Gebote (durch Eltern und andere Sozialisationsinstanzen interindividuelle Unterschiede)
2 Komponenten: Ich-Ideal (Gebote) und Gewissen (Verbote)
hilft Entscheidungen in Bezug auf Richtig und Falsch zu treffen
handelt nach dem Moralprinzip: bestraft unmoralisches Verhalten mit Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen und „Gewissensbissen“
agiert als Gegenspieler des ES, unterstützt ICH in Abwehr der ES-Impulse
Strukturmodell (Instanzenlehre) Angst
Entwicklungsmodell (Psychosexuelle Entwicklungsphasen)
Persönlichkeit wird zudem geformt durch Erfahrungen während der kindlichen Entwicklung
Freud unterscheidet 5 Stufen der Persönlichkeitsentwicklung (psychosexuelle Entwicklungsphasen), in denen sich die Libido bzw. sexuelle Triebbefriedigung des Kindes auf bevorzugte Körperregionen bezieht (erogene Zonen)
Frühe Stufen durch biologische, kaum aber durch soziale Faktoren bedingt
Wenn Triebbefriedigung in einer dieser Phasen zu kurz oder zu intensiv war, kommt es
zur Fixierung:
—> Beibehaltung der phasentypischen Befriedigungswünsche und Techniken, die noch im Erwachsenenalter den Charakter bestimmen
Orale Phase (bis 1. Lebensjahr)
Triebenergie bezieht sich auf Befriedigung des Nahrungstriebs, Erogene Zone: Mund, Lippen, Zunge (Saugen, Beißen, Kauen)
auch orale Stimulation wie Daumenlutschen regt die erogenen Zonen an (Lustgewinn)
„Lust an Aufnahme“, Erfahrung v. Abhängigkeit und Vertrauen: Basis für spätere zwischenmenschliche Beziehungen
Übermäßige oder unzureichende Stimulation: Fixierung auf orale Stimulation: Ausbildung eines oralen Charakters:
Oraler Charakter: Vorliebe für orale Ersatzbefriedigung (übermäßiger Nahrungsgenuss, Rauchen, Drogen etc.)
gewinnstrebend, fordernd, wissbegierig
—> angemessene orale Befriedigung führt zur Transferierung libidinöser Energie in den Aufbau der nächsten Entwicklungsphase
Anale Phase (1.-3. Lebensjahr)
Erogene Zone: Anus
Verlagerung von Aufmerksamkeit von oraler Stimulation auf Analbereich (neue erogene Zone)
Sensorischer Lustgewinn wird aus der Kontrolle der Darmentleerung gezogen (Ausscheiden u. Zurückhalten)
Zeitgleich beginnen die Eltern mit der Sauberkeitserziehung (kann mit Wünschen der Eltern konfligieren)
Bei Fixierung Ausbildung eines analen Charakters:
anal-retentiver Charakter: Geiz, Zwanghaftigkeit,
Ordnungsliebe
anal-expulsiver Charakter: Verschwendung, geringe Selbstkontrolle, destruktiv, unordentlich
Phallische Phase (3.-5. Lebensjahr)
Erogene Zone: Genitalien (Lust an Sexualität)
Erfahrung: Entdeckung der Andersartigkeit, Anziehung zum gegengeschlechtlichen Elternteil, Rivalität mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil (Ödipus-Komplex)
Zentrale Aufgabe des Kindes: Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichem Elternteil
Bei Fixierung Ausbildung eines phallischen Charakters
machohaftes Verhalten, Promiskuität beim Mann
kokett-naives Verhalten bei der Frau
Latenzphase (6.-12. Lebensjahr)
Ruhepause in der psychosexuellen Entwicklung
Sexualtrieb tritt zurück, bzw. wird subliminiert und auf den
Erwerb von Wissen u. geistige Entwicklung gelenkt
Identifikation mit gleichgeschlechtlichen Spielkameraden
Entwicklung der Abwehrmechanismen
Genitale Phase (Pubertät)
Erogene Zone: Genitalien
Durch Pubertät: Wiederentdeckung der Libido, dieser wird in reifere Form sexueller Bindung überführt
Verlangen richtet sich auf gegengeschlechtliche Gleichaltrige, Basis für erwachsene Sexualität
libidöse Triebmanifestationen wird durch echte Objektwahl abgelöst, z.B. sexuelle Beziehungen, Heirat, Familiengründung
Abwehrmechanismen
Zur Vorbeugung/Bewältigung von Ängsten setzt das ICH Abwehrmechanismen ein
Entwickeln sich lt. Freud in der Latenzphase
Verstörende, verletzende, beängstigende Gedanken, Gefühle werden ins Unbewusste verdrängt
Schutz vor psychischen Verletzungen, Selbstwertschutz
Kritik an Freuds Theorien
Zentrale Annahmen Freuds sind nicht empirisch
prüfbar/falsifizierbar (z. B. Greve & Roos, 1996):
Beispiel: Zuneigung eines Jungen zur Mutter (Bestätigung der Theorie)
Beispiel: Abneigung des Jungen gegen Mutter (Reaktionsbildung: Bestätigung der Theorie)
Problematische Datenquellen & Methoden
Daten, die Freud zur Grundlage seiner Modellvorstellungen macht, sind in der Regel von ihm selbst erhoben, ausgewertet und interpretiert
Gütekriterien der Methoden (z.B. Traumdeutung)
Keine Kontrollgruppen
Kritik an der Psychoanalyse als Therapie
Therapie sehr langwierig und damit „unökonomisch“
bis zu 300 Stunden (bei 1-3 h/Wo. 2-6 Jahre!)
aufgrund der Natur der Therapie: wenig bis keine random. kontrollierten Studien (d.h. Patienten zufällig zu mehreren Therapien bzw. einer Therapie- od. Wartegruppe zuordnen)
Weiterwirken in der Forschung:
• Das Revival des Unbewussten
• In der Forschung werden unbewusste oder automatisch ablaufende
Verhaltensprozesse wieder stärker beforscht.
Weiterwirken: Die Bedeutung frühkindlicher Traumata
Frühkindliche Traumatisierung
Epigenetische Veränderungen (DNA Methylierung in einem stressrelevanten Gen) bei Erwachsenen, die im Kindesalter Opfer von sexuellem Missbrauch wurden
Epigenetische Veränderungen traten nicht auf, wenn identisches Trauma im Erwachsenenalter erlebt wurde
—> Kindheit als “sensitive Periode”
PSYCHODYNAMIK_FREUD
Zusammenfassung
Freud als zentraler Vertreter psychodynamischer Ansätze (sehen Mensch als Energiesystem, das Homöostase- und Hedonismusprinzip unterliegt, betonen Rolle des Unbewussten und frühkindlicher Erfahrungen, sind therapieorientiert)
Annahme von Trieben (Eros und Thanatos) als Triebfeder menschlichen Verhaltens
Betonung der Rolle des Unbewussten neben dem Vorbewussten und Bewussten
Untergliederung des psychischen Apparates in die Instanzen ES (Triebe), ICH (Kognitionen) und ÜBER-ICH (Normen)
Charakter-(Persönlichkeits)entwicklung im Wechselspiel von angeborener Stärke der Funktionen der Instanzen und Triebbefriedigungs-Erfahrungen während psychosexueller Entwicklungsphasen
trotz (teils berechtigter) Kritik noch heute Weiterwirken in Forschung und Praxis
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