Persönlichekitsentwicklung, Fragen:
Inwiefern könnte sich die Persönlichkeit auch im
Erwachsenenalter noch verändern/entwickeln?
Welche Ursachen könnten für die Veränderung verantwortlich sein?
Persönlichkeitsentwicklung: Stabilität und Veränderung von Persönlichkeit
Mittelfristige Stabilität als definitorisches Merkmal von Persönlichkeit
Aber: Dies schließt langfristige Veränderungen und Entwicklungen nicht aus
—> Thema dieses Vorlesungsabschnitts: Stabilität und Veränderung von Persönlichkeit
Zwei Arten der Persönlichkeitsveränderung
1. Universelle Veränderungen
Allgemeine Mittelwertsverschiebungen über das Alter
2. Differentielle Veränderungen
Änderung der relativen Position von Individuen über das Alter
—> Universelle Veränderungen und Rangordnungsstabilität schließen einander nicht aus
Universelle Veränderungen
• McCrae et al. (1999, 2000):
– Mittelwertsverläufe der Big Five in versch. Kulturen (querschnittlich: Angabe
von Alter & Selbstbericht Big Five)
– Ergebnis: Neurotizismus und Extraversion bei älteren Personen geringer als bei jüngeren, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit sind höher
– Interpretation: „intrinsische Reifung der Persönlichkeit“
Wieso ist diese Interpretation problematisch ?
Probleme von McCrae et al. (1999, 2000): – Kohorteneffekte
Ältere Menschen sind unter anderen Umständen aufgewachsen als Jüngere (Nachkriegsgeneration vs. Generation Instagram)
Evtl. ist nicht das Alter, sondern die unterschiedl. Lebensbedingungen in versch. Kohorten für Persönlichkeitsunterschiede verantwortlich
In Meta-Analyse längsschnittlicher Studien Abnahme von Neurotizismus & Anstieg von Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit bestätigt, nicht die Abnahme von Extraversion
Annahme „intrinsischer Reifung“
„Alternativ“annahme: Persönlichkeit verändert aufgrund einer sich ändernden Umwelt (neue Entwicklungsaufgaben)
Social Investment Theorie
• Annahmen:
– In jedem Lebensabschnitt bestehen normative Anforderungen, die mit der Übernahme sozialer Rollen einhergehen (bspw. sicherheitsspendender Partner, sorgendes Elternteil, zuverlässiger Arbeitskollege)
– „Investition“ in soziale Rollen verändert die Persönlichkeit
• Exemplarische Belege:
– Nach Elternschaft steigt Gewissenhaftigkeit
– Bei Eingehen von Partnerschaft sinkt Neurotizismus
Bleidorn et al. (2013):
Datensatz mit mehr als 800.000 Personen aus 62 Kulturen
Insgesamt Persönlichkeitsreifungseffekte wie in anderen Studien gefunden (Abfall in N, Anstieg in V & G über die Lebensspanne)
Aber: In Kulturen, in denen früher Erwachsenenrollen übernommen werden (v.a., Eintritt ins Berufsleben), setzt Persönlichkeitsreifung früher ein
Fazit Universelle Veränderungen
Replizierte Evidenz:
Im Verlauf des Erwachsenenalters nimmt der Neurotizismus ab, während Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit zunehmen
• Intrinsische Reifungsprozesse allein können universelle Persönlichkeitsveränderungen nicht vollständig erklären, Umweltveränderungen spielen auch eine Rolle (siehe Social Investment Theorie)
Differentielle Veränderungen
Universelle Veränderungen gehen nicht zwingend mit differentiellen Veränderungen einher...
...können aber Aufschluss über Bedingungen differentieller Veränderungen geben
Normative Entwicklungsaufgaben, die zu universellen Veränderungen führen, können für verschiedene Personen unterschiedlich und zu verschiedenen Zeitpunkten gelöst werden, was zu differentiellen Veränderungen führen kann
– Bsp.erstePartnerschaft
– Bsp.Berufseinstieg
– Elternschaft
Prinzipien der Eigenschaftsstabilität
1. Stabilität sinkt kontinuierlich mit wachsendem Retestintervall
akkumulierter Einfluss von Umweltereignissen, die Menschen in unterschiedliche Richtungen entwickeln lassen
Höhe der Stabilität variiert zwischen Persönlichkeitsbereichen
IQ am stabilsten (10-Jahres-Stabilität ca. .90)
Temperamentseigenschaften mittelhoch stabil (10- Jahres-Stabilität ca. .65 )
Selbstwertgefühl und Lebenszufriedenheit am wenigsten stabil (10-Jahres-Stabilität ca. .39)
Mögliche Erklärung: Unterschiedlich starker Einfluss konstanter Faktoren (z.B. Gene), die einen kontinuierlichen Einfluss ausüben
3. Stabilität sinkt mit zunehmend instabiler Umwelt
(Entwicklungsübergänge; kritische Lebensereignisse, etc.)
Beispiel: Asendorpf (1992):
Elternurteile zur Schüchternheit ihrer Kinder gegenüber Gleichaltrigen (4 bis 7 Jährige)
Angaben Änderung der sozialen Umwelt durch drei kritische Ereignisse:
− Wechsel Kindergartengruppe oder Einschulung
− Umzug (mind. 5 km entfernt)
− Wegzug eines engen Freundes des Kindes
Zahl der Ereignisse korreliert mit differentieller Veränderungsstärke
− Je instabiler die Umwelt war, desto stärker änderte sich die Schüchternheit des Kindes
4. Stabilität ist altersabhängig
Bei Kindern und Jugendlichen ist die Stabilität über ein Retestintervall gleicher Länge umso geringer, je jünger die Stichprobe zu t1 ist
Prinzipien der Eigenschaftsstabilität: Mögliche Ursachen
Wahrscheinliche Ursachen der wachsenden Stabilität über die Lebensspanne
Zunehmende Reliabilität der Messungen
Stabilisierung des Selbstkonzepts
Wachsender Einfluss der Persönlichkeit auf die Umwelt (Persönlichkeit- Umwelt Passung führt zu Stabilisierung/Akzentuierung der Persönlichkeit)
Gibt es Persönlichkeitsveränderungen?
Gegen die ,,Gips-Hypothese‘‘ spricht:
Es gibt sowohl universelle als auch differentielle Veränderung
Soziale Faktoren spielen bei der Veränderung ebenfalls eine klare Rolle
Es gibt Persönlichkeitsveränderungen über die gesamte Lebensspanne
Aber: Das Ausmaß der Persönlichkeitsveränderung variiert mit dem Alter
Fazit Persönlichkeitsentwicklung
Persönlichkeitsentwicklung findet bis ins höhere Erwachsenenalter statt (sowohl universelle als auch differentielle Veränderungen)
Biologische Reifung allein kann Persönlichkeitsentwicklung nicht erklären, Investition in soziale Rollen ist relevant
Von der Kindheit zeigt sich auch über lange Zeitspannen eine gewisse Stabilität von Persönlichkeitseigenschaften
Persönlichkeitseigenschaften können auch „harte“ Kriterien, wie Verurteilungen, Scheidung und Mortalität vorhersagen
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