Rechtswidrigkeit allgemein
Beim Tatbestand prüft man typisiertes Unrecht => vorläufiges Unrechtsurteil
Rechtswidrigkeit ist indiziert
Bei Rechtswidrigkeit: Prüfung im Einzelfall, ob es ausnahmsweise erlaubt ist => führt zu einem endgültigen Unrechtsurteil
Nur prüfen bei Anhaltspunkten im Sachverhalt
Wann ist die Rechtswidrigkeit nicht indiziert?
Ausnahme: Bei offenen bzw. ergänzungsbedürftigen Tatbeständen
Offene Tatbestände sind sehr weit im Tatbestand gefasst
Regel-Ausnahme-Verhältnis muss deshalb umgekehrt werden, um Ausuferung der Strafbarkeit zu vermeiden
Rechtswidrigkeit muss hier positiv festgestellt werden
z.B. § 240 StGB, § 253 StGB
Wann hier Rechtswidrigkeit vorliegt, ergibt sich jeweils aus Abs. 2
Auch hier keine Rechtswidrigkeit, wenn ein Rechtfertigungsgrund eingreift => Rechtfertigungsgründe zuerst prüfen!
Bedeutung des Eingreifens eines rechtfertigenden Erlaubnissatzes:
Rechtfertigung des Verhaltens im Einzelfall => keine Strafbarkeit der handelnden Person
Duldungspflicht
z.B. „Notwehrprobe“: Person muss das gerechtfertigte Handeln dulden => Notwehr ist gem. § 32 StGB nur gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff möglich
Gegen eine gerechtfertigte Tat ist keine weitere gerechtfertigte Tat möglich
Möglichkeit strafbarer Teilnahme entfällt
Die strafbare Teilnahme erfordert gem. §§ 26, 27 StGB eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat
Bei rechtmäßigem Handeln des unmittelbar Tätigwerdenden kommt u.U. eine mittelbare Täterschaft des Hintermanns in Betracht
Quelle der Erlaubnissätze
Gesamte Rechtsordnung
Einheit der Rechtsordnung
Was zivil- oder öffentlichrechtlich erlaubt ist, kann strafrechtlich nicht verboten sein
z.B. § 127 StPO; §§ 228, 904 BGB
Auch: gewohnheitsrechtliche Erlaubnissätze
Grundsätzliche Prüfung von Rechtfertigungsgründen
Objektives Rechtfertigungselement
Subjektives Rechtfertigungselement
Besondere Rechtfertigungssituation
es muss objektiv, also dem äußeren Geschehen nach, eine besondere Situation vorliegen
z.B. Notwehrlage; Notstandslage
P.: Irrtum über das Vorliegen einer solchen objektiven Rechtfertigungslage (s.u.)
P.: Irrtum über das Vorliegen eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes
Hat der Täter auch das verwirklicht, was die Rechtfertigungssituation erlaubt => darf nicht darüber hinausgehen
Nach der Lehre von den subjektiven Rechtfertigungselementen handelt nur derjenige rechtmäßig, der aufgrund eines Erlaubnistatbesatzes auch rechtmäßig handeln will
Hat der Täter das auch gewusst und gewollt
z.B. bei der Notwehr gem. § 32 StGB der Verteidigungswille
Erforderlichkeit des subjektiven Rechtfertigungselements?
h.M.: Subjektives Rechtfertigungselement erforderlich
Arg.: Nicht nur Schutz der Rechtsordnung, auch Schutz von Individualrechtsgütern; Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Handlungsunwert
Ohne Kenntnis der objektiven Rechtfertigungslage => Entscheidung gegen das Rechtsgut („Entscheidungsunrecht“)
m.M.: Kein subjektives Rechtfertigungselement erforderlich
Arg.: Schutz der Rechtsordnung auch ohne Kenntnis
(-): Steht im Widerspruch zur Systematik des StGB => wenn für die Unrechtsbegründung im Tatbestand eine objektive und subjektive Seite erforderlich ist, muss für die Unrechtsausschließung ebenfalls eine objektive und subjektive Seite gegeben sein
P.: Inhalt des subjektiven Rechtfertigungselement
M1: Notwendigkeit eines Verteidigungswillens
M2: Wissen um objektive Rechtfertigungslage ausreichen
P.: Wie ist zu bestrafen, wenn das subjektive Rechtfertigungselement fehlt?
M1 und Rspr.: Vollendungslösung
= Bestrafung wegen vollendeter rechtswidriger Tat
Arg.: Erfolg gegeben und subjektiv Angriff gegen das Rechtsgut
h.M.: Versuchslösung => Entsprechende Anwendung der Versuchsregelungen
Arg.: Erfolg zwar gegeben, aber nach objektiver Lage auch zulässig => somit kein Erfolgsunrecht
Nur Handlungsunrecht, der im Willen zur Rechtsverletzung zum Ausdruck kommt
Entspricht strukturell dem untauglichen Versuch
Analogieverbot steht nicht entgegen, da Analogie zugunsten des Täters
P.: Strafbarkeitslücken, wenn Versuch des konkreten Delikts nicht unter Strafe steht
Dann: teilw.: Straflosigkeit; teilw.: Strafbarkeit wegen Vollendung
Meinungsstreit bei Strafzumessung erörtern (nach der Schuld)
Hier also feststellen, dass wegen fehlendem subjektiven Rechtfertigungselement keine Rechtfertigung und später in der Strafzumessung nochmal aufgreifen
Es kommen dementsprechend nicht alle Vorschriften der §§ 22 ff. StGB analog zur Anwendung, sondern nur die Möglichkeit der Strafmilderung gem. §§ 23 II, 49 I StGB
P.: Irrtum über das Vorliegen einer obj. Rechtfertigungslage
Somit: Objektiv Unrecht
Aber: nach h.M. kein subjektives Unrecht => = Erlaubnistatbestandsirrtum
Nicht im StGB geregelt
Eine Möglichkeit: Analoge Anwendung der Irrtumsregelungen (§§ 16, 17 StGB)
§ 17 StGB analog (= strenge Schuldtheorie): Grds. passend; problematisch: Vermeidbarkeit => wenn der Irrtum vermeidbar war, wird der Täter sofort wegen vorsätzlicher Tat bestraft (zu streng)
Deshalb § 16 StGB analog (eingeschränkte Schuldtheorien): Bestrafung für Fahrlässigkeit
Kein Vorsatz
Ggfs. Fahrlässigkeit => Sorgfaltspflichtverletzung beim Verkennen, dass in Wirklichkeit keine objektive Rechtfertigungslage vorliegt
Problem: Bei fehlender Rechtswidrigkeit keine Möglichkeit der Teilnahme => deshalb will man es teilweise auf Ebene der Schuld prüfen
P.: Irrtum über das Vorliegen eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrund
Erlaubnisirrtum: Irrtum über das Unrecht => indirekter Verbotsirrtum/Erlaubnisirrtum gem. § 17 StGB
Vermeidbarkeit prüfen gem. § 17 StGB
Nebeneinander rechtfertigender Erlaubnissätze?
Grds. Anwendung aller Rechtfertigungsgründe nebeneinander => es reicht aus, wenn ein Rechtferitgungsgrund/Erlaubnissatz eingreift
Ausnahme: Rechtfertigungsgründe, die für bestimmte Situationen besondere Wertungen enthalten
Lex specialis
z.B.: § 228 BGB (defensiver Notstand) und § 904 BGB (aggressiver Notstand) im Verhältnis zu § 34 StGB (genereller rechtfertigender Notstand) => § 34 StGB tritt als ultima ratio regelmäßig zurück
Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung
Wenn eine Vorschrift in einem bestimmten Bereich der Rechtsordnung rechtfertigende Wirkung hat, stellt sie gleichzeitig einen Rechtfertigungsgrund im Strafrecht dar
Was z.B. zivilrechtlich erlaubt ist, kann nicht strafrechtlich verboten sein
Wenn eine Handlung mehrere Straftatbestände gleichzeitig erfüllt?
Eine Handlung kann mehrere Straftatbestände gleichzeitig erfüllen, es kann jedoch vorkommen, dass nur für einen dieser Straftatbestände eine Rechtfertigung besteht
Rechtfertigung ist immer in Bezug auf den konkreten Straftatbestand zu prüfen!
z.B. § 127 S. 1 StPO kann eine Nötigung rechtfertigen, aber keine Körperverletzung
P.: Können sich auch Amtsträger auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe von §§ 32, 34 StGB und § 127 StPO berufen?
h.M.: (+), soweit nicht spezielleres Gesetz eine abschließende Sonderregelung getroffen hat
Problematisch insb. bei polizeilichem Schusswaffengebrauch
BGH: Die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Handelns richtet sich bei § 32 II StGB nicht streng akzessorisch nach der materiellen Rechtmäßigkeit des dem Handeln zugrunde liegenden Rechtsgebiets
Rechtfertigungsgründe
Notwehr, § 32 StGB
Defensivnotstand, § 228 BGB
Aggressivnotstand, § 904 BGB
Rechtfertigender Notstand, § 34 StGB
Rechtfertigende Pflichtenkollision
Einwilligung
Elterliches Züchtigungsrecht
§ 193 StGB: Bei Ehrverletzungen
Notwehr gem. § 227 BGB
Selbsthilferecht, § 229 StGB
Besitzkehr, Besitzwehr, § 859 BGB
§ 1029 BGB
§ 81a StPO
§ 127 I 1 StPO
Art. 4 GG: Glauens- und Gewissensfreiheit (m.M.)
Widerstandsrecht aus Art. 20 IV GG
Unmittelbare Rechtfertigung durch Grundrechte (str.)
Ziviler Ungehorsam (str.)
Zuletzt geändertvor 7 Monaten