Komponenten der Beratung
mind. 5 zentrale Komponenten, die in einem Wechselwirkungsverhältnis stehen:
Ratsuchender
Berater
Beratungsgegenstand
Beziehung
Kontext
Klienten als Komponente in der Beratung
Klienten kommen mit individuellen Erwartungsmustern und vorangehenden Beratungserfahrungen in die Beratung
zeichnen sich zudem durch eine unterschiedlich ausgeprägte Motivation zur Veränderung und zur Mitarbeit im anstehenden Entscheidungs- und Veränderungsprozess aus
Zu beachten sind hierbei auch die „Kliententypen“
Folgende Fragen sind dabei zu reflektieren:
Welche Erwartungen hat der Klient an die Beratung?
Welche Erfahrungen hat er bisher mit Beratung gemacht?
Welche Lösungsversuche hat der Klient bisher unternommen? Welche Auswirkungen hat das auf seine Veränderungserwartungen (z. B. Resignation)?
Wie sind seine Veränderungsmotivation und Selbstwirksamkeitserwartung ausgeprägt?
Welchem Kliententyp entspricht er (klagend, unfreiwillig bzw. geschickt,„reif“)? Besteht bereits eine tragfähige Verantwortlichkeit für den angestrebten Veränderungsprozess, oder muss sie im Beratungsprozess erst herausgebildet werden?
Über welchen lebensweltlichen, arbeitsweltlichen oder soziohistorisch-biografischen Kontext ist der Klient geprägt?
Berater als Komponente in der Beratung
Berater haben nicht nur professionell geprägte, sondern auch individuelle Zielsetzungen und Auffassungen in Bezug auf die Aufgaben von Beratung
Neben den professionell entwickelten haben sie zudem häufig auch persönlich bevorzugte und herausgebildete Vorgehensweisen und Methoden
Folgende Themenbereiche und Fragestellungen sind zu reflektieren:
Welchem Beratungskonzept folgt der Berater? Welches Menschenbild liegt zugrunde?
Methodische Einengung oder methodische Breite?
Selbstverständnis, die eigene Rolle und Funktion als Berater betreffend
Vorurteile gegenüber Klienten mit spezieller Problemlage, bestimmter kultureller, sozioökonomischer Herkunft, sexueller Ausrichtung usw.
Individuelle Auffassung von der Funktion und den Aufgaben von Beratung
„Geheime“ subjektive Auffassungen bezüglich der „tatsächlichen“ Wirksamkeit von Beratung
Über welchen lebensweltlichen, arbeitsweltlichen oder soziohistorisch-biografischen Kontext ist der Berater geprägt?
Welche Auffassung hat der Berater vom Auftrag und Leitbild der Institution,in der die Beratung stattfindet, bzw. er arbeitet?
Welche besonderen Ressourcen und Kompetenzen, welche fachlichen Schwächen hat der Berater, beispielsweise im Hinblick auf
Zugang schaffen und vertrauensvolle Beziehung herstellen können,
Einfühlungsvermögen,
Wertschätzung des Klienten,
Selbstkongruenz,
Zuhören können,
Verbalisierungsfähigkeit,
Kenntnisse der Lebenswelt und der prägenden bzw. aktuellen Lebensphase(n) des Klienten,
Wissen über das Zustandekommen und die Weiterentwicklung des Problems (dominieren subjektive Vorstellungen oder fachliche Kenntnisse?),
Lösungskompetenzen inklusive Ressourcenerschließung,
Kenntnisse und Zugang zu professionellen Netzwerken/persönliche Kontakte?
Beziehung als Komponente in der Beratung
Beziehung ist zu verstehen als die Gestaltung des Geschehens zwischen Berater und Klient in der Beratungssituation (Beratungsbeziehung)
Die Beziehung hat einen herausragenden Stellenwert im Beratungsprozess und auch im Hinblick auf die Wirksamkeit von Beratung
Die Beratungsbeziehung ist vielschichtig und tangiert im Wesentlichen zwei Ebenen:
Emotionale Ebene: erster Eindruck, Sympathie/Antipathie, Wertschätzung, Vertrauen etc.; Interaktionsvariablen, gegenseitige Rollenzuschreibungen
Problem- bzw. Sachebene: (fehlende) Übereinstimmung von Erwartungen
Der Gegenstand als Komponente in der Beratung
Gegenstand der Beratung: das konkrete Anliegen oder das Problem
Einfluss auf den Beratungsprozess:
Der Beratungsgegenstand und die Art und Schwere des Problems,
die Übereinstimmung zwischen Berater und Klient im Hinblick auf die Gegenstandsdefinition,
das Beratungsziel, das Beratungsverfahren und das methodische Vorgehen
Weiteren Einfluss hat die Frage, ob es sich um ein vorgeschobenes Problem handelt und wie dann das dahinterstehende „eigentliche Problem“ erfassbar wird
Der Beratungsgegenstand bzw. das Problem kann sich im Verlaufe eines Beratungsprozesses ändern
Daher gilt es währenddessen immer wieder die Art und den Inhalt des Problems im Blick zu behalten und eine vorschnelle Problemfestlegung zu vermeiden
Zur Veranschaulichung der Problemvielfalt kann folgende Auflistung beitragen:
Informationsproblem,
Entscheidungsproblem,
Bewältigung von Anforderungen/Belastungen in der alltäglichen oder beruflichen Lebensführung (handlungsbezogene und/oder soziale Kompetenzentwicklung),
emotional hoch belastende Lebenskrise, Gestaltung und Durchsetzen individueller Zielsetzungen/Wünsche (Beruf, Bedürfniserfüllung, Lebensqualität),
Beziehungsproblem (in Familie, Partnerschaft oder anderen zwischenmenschlichen Bereichen),
Begleitung bei persönlichen Lebensübergängen (Entwicklung/Wachstum/Selbstgestaltung),
präventive Beratung bei bevorstehenden Entscheidungen und Lebensübergängen,
Wiedereinstieg in Alltag und/oder Beruf (Rehabilitation) nach einer Erkrankung,
Leben mit chronischer Erkrankung, Leben mit chronisch hoher Alltagsbelastung (pflegende Angehörige) u. a. m.
Der Kontext als Komponente in der Beratung
Der Kontext lässt sich differenzieren nach
der Institution, in der die Beratung stattfindet und die ggf. auch die Finanzierung für Klient und Berater sicherstellt,
der sozialen und sozioökonomischen Lebenswelt, in der sich zum einen der Berater und zum anderen die Klienten bewegen
Bei der Erfassung des Beratungsprozesses spielt der Kontext Institution eine nicht zu vernachlässigende Rolle. In die Reflexion sollte einbezogen werden:
Wo findet die Beratung statt (abgegrenzte Räumlichkeit oder offen „zwischen Tür und Angel“)?
Beschaffenheit und Ausstattung der Räumlichkeiten (abgeschirmter Ort oder unkalkulierbare äußere Störungen, Mithörmöglichkeiten für Kollegen oder andere Klienten); Gestaltung und Mobiliar (spartanisch, einladend, überbordende Chill-Landschaft, Grünpflanzen, politische, kulturelle, religiöse Symbole und Arrangements)
Finanzielle Ausstattung, Zeitbudget der Berater, mögliche Beratungsdauer (nur kurze oder auch längerfristige Beratungsarbeit möglich?)
Erreichbarkeit der Beratungsstelle (z. B. Verkehrsanbindung)
Geschlecht der Berater (sind beide Geschlechter und auch transsexuelle Fachkräfte vertreten?)
Welchen offenen/verdeckten Auftrag hat die Institution an den Berater?
Welche Erwartungen hat die Institution an die Klienten, an den Beratungsprozess und das Beratungsergebnis?Welche Auffassungen oder Vorurteile haben Klienten im Hinblick auf die Institution? Welche hat der Berater?
Erfolgen die Beratungen in der Institution vornehmlich freiwillig oder sehr häufig im Zwangskontext? Welche Auswirkungen hat das auf die Auffassung der Klienten und der Berater von der Beratung und Institution?
Vier Zugangsebenen für fallverstehende Begegnung in der Beratung (Zwicker-Pelzer 2010)
Zwicker-Pelzer (2010) benennt vier Zugangsebenen für eine „fallverstehende Begegnung“ in der Beratung
Die Zugangsebenen „Methoden und Handwerkskoffer“ und „Theorien zum Fall und zur Begegnung“ sind zu gewissen Teilen in den oben thematisierten Komponenten „Beratungsgegenstand/Problem“ und „Beratungsbeziehung“ enthalten
Zum Ausdruck kommt, dass Wissen über Beratung und über bestimmte Klientenwirklichkeiten ohne Methodenkompetenz nicht möglich ist
Prozesse im Vorfeld einer Beratung
Berater müssen daher wissen, wie Veränderungsprozesse eingeleitet und durchgeführt werden
Berater benötigen zudem Kenntnisse darüber, aus welchem Anlass die Beratung aufgesucht wird und welche Bemühungen die Klienten im Vorfeld der Beratung unternommen haben, um mit der anstehenden Problematik zurechtzukommen
etwa 60 % der auftretenden Lebensprobleme werden selbstständig oder mithilfe des privaten sozialen Nahfelds bewältigt werden
Zuwendung zum formellen Hilfesystemen – nur bei maximal 40 % der Lebensprobleme der Fall
Damit kommen zumeist nur „schwierige“ Fälle in die Beratungseinrichtungen
Gründe, warum Menschen Beratung in Anspruch nehmen
Beratung wird zumeist aufgesucht, wenn…
bisherige, alltägliche Handlungsstrategien nicht mehr funktionieren
bisherige Veränderungs- oder Bewältigungsversuche nicht erfolgreich waren
Ressourcen zur Bewältigung von Anforderungen fehlen
das soziale Umfeld keine hilfreiche Unterstützung geben kann
Notiz: Bei der Bewältigung von Anforderungen und Belastungen wenden sich Menschen i.d.R. zunächst ihrem sozialen Umfeld zu, wenn sie sich selbst überfordert fühlen.
-> Erst wenn auch dieses überfordert ist oder versagt, wenden sich Betroffene formellen Hilfesystemen zu.
Maßgeblich sind dabei auch die subjektive Einschätzung des Problems und die antizipierten Ergebnisse des eigenen Bewältigungshandelns.
Betroffene suchen eine professionelle Beratung umso eher auf
je subjektiv bedeutsamer das Problem oder anstehende Ereignis ist (Bedeutsamkeit),
je mehr subjektive Unsicherheit bezüglich der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten besteht (Copingmöglichkeiten, Kontrollierbarkeit),
je unübersichtlicher und mehrdeutiger das Ereignis subjektiv erscheint (Ereigniskomponente),
je unübersichtlicher und unkontrollierbarer die Folgen des eigenen Bewältigungshandelns erscheinen (Handlungskonsequenzen)
Voraussetzungen für Veränderungsprozess
Berater benötigen: Störungswissen, Ressourcenwissen und v.a. fundiertes und methodisch breites Veränderungswissen
um Klienten zur Bewältigung ihrer Lebensanforderungen und Gestaltung ihrer Lebenssituation zu befähigen
Voraussetzungen für Veränderung:
individuelle Bereitschaft, Veränderung und Entwicklung anzustreben
Einsicht in die Notwendigkeit
Bereitschaft, problematische oder schädigende (dysfunktionale) Einstellungs- und Verhaltensmuster abzulegen
An Veränderung ist also der Klient maßgeblich beteiligt
Bei einer Veränderung muss mitbedacht werden, dass die „Vorteile“ des Problemmusters aufgegeben und durch brauchbare Alternativen „ersetzt“ werden müssen
Erklärungsmodelle wie Veränderungen beim Klienten aktiviert werden (Veränderungsmodelle)
McLeod (2004) führt drei Veränderungsmodelle näher aus:
Das siebenstufige Veränderungsmodell (Rogers)
das Assimilationsmodell (Stiles et al.)
das Transtheoretische Modell (TTM) (Prochaska und DiClemente)
Alle Modelle gehen davon aus, dass Klienten unterschiedliche Stadien bis zur angestrebten Veränderung durchlaufen
Das Transtheoretische Modell (TTM) von Prochaska und DiClemente
Das Modell ist unter mehreren Aspekten hilfreich:
Es ermöglicht zu erfassen, in welchem Stadium der Veränderungsbereitschaft sich ein Klient befindet
Es verdeutlicht, dass hilfreiche Interventionen bereits zu einem Zeitpunkt möglich sind, zu dem die Klienten selbst noch nicht an einer konkreten Veränderung interessiert oder davon überzeugt sind
Im Beratungsalltag werden die sechs Stadien nicht linear, sondern üblicherweise in einem spiralförmigen Prozess durchlaufen
In jedem Stadium kann Veränderung durch entsprechende Interventionsstrategien unterstützt und gefördert werden
Bei Rückfällen geht die betroffene Person auf ein früheres Stadium zurück, jedoch kaum auf das Ausgangsstadium
Ein Konzept, das sich gut eignet, um Klienten in den ersten drei Stadien zu begleiten und Ambivalenzen in der Änderungsmotivation herauszuarbeiten, ist die „Motivierende Gesprächsführung“ von Miller und Rollnick
Die sechs Stadien der Veränderung nach dem Transtheoretischen Modell
1. Stadium der Sorglosigkeit und Absichtslosigkeit:
Bei der betroffenen Person besteht keine Absicht, das problematische Verhalten in den nächsten sechs Monaten zu verändern
Viele Klienten sind sich ihres Problems nicht bewusst, aber wichtigen Bezugspersonen ist offensichtlich, dass der Klient ein Problem hat
Oftmals veranlasst der Druck ihres Umfeldes die Klienten, professionelle Hilfe aufzusuchen
2. Stadium der Bewusstwerdung, des Nachdenkens und der Absichtsbildung:
Die betroffene Person entwickelt ein – häufig noch ambivalentes – Bewusstsein dafür, dass ein Problem besteht, das sich negativ auf die eigene Lebensgestaltung und auf das nahe soziale Umfeld auswirkt
Sie erwägt, das Problemverhalten in der nächsten Zeit/den nächsten sechs Monaten zu ändern
Positive und negative Handlungserwartungen werden gegeneinander abgewogen
Dabei kann es zu einem Verharren in dieser Ambivalenzphase kommen
3. Vorbereitungsstadium:
In dieser Phase werden erste Schritte zu einer Verhaltensänderung entwickelt, indem der Klient „versuchsweise“ Intention und Verhaltensschritte miteinander verknüpft und auf der Grundlage seiner Erfahrungen dann das Zielverhalten etwa innerhalb eines Monats anstrebt
4. Handlungsstadium:
Der Klient verändert sein Problemverhalten seit mehreren Wochen/seit weniger als sechs Monaten konkret und länger anhaltend in Richtung Zielverhalten
5. Stadium der Aufrechterhaltung:
Der Klient hat die Verhaltensänderung seit mehr als sechs Monaten realisiert und deren positive Wirkungen aufgenommen
In dieser Phase werden das Zielverhalten und Verhaltensweisen zur Vermeidung von Rückfällen konsolidiert
6. Beendigung und Stadium der anhaltenden Aufrechterhaltung:
Der Klient ist aus dem Veränderungsprozess in einen anhaltenden und verinnerlichten Entwicklungszustand ohne (dieses) Problemverhalten übergegangen
Phasenmodelle des Beratungsprozesses
Phasenmodell nach Culley (2002)
Prozessmodell der Selbstmanagement-Therapie nach Kanfer et al. (2012)
Geben eine Orientierung zum Verständnis und zur professionellen Durchführung von Beratung
Je nach Komplexität der Problemlage und der Art, in der sich die Klienten mit sich selbst und ihren Anliegen, Problemen und Fragen auseinandersetzen, können die Phasen in Dauer und Abfolge variieren
Zudem variieren die typischen Ablaufmuster bei…
Besonderheiten im Beratungssetting (Einzel- oder Familiensetting, Einbezug weiterer Personen wie z. B. Lehrer, Erzieher),
in den Beratungsformaten (Supervision, Coaching, Mediation)
bei spezifischen Beratungsverfahren (z. B. Krisenberatung, lösungsorientierte Beratung).
Tabelle Phasenmodell nach Culley und Prozessmodell der Selbstmanagement-Therapie nach Kanfer et al.
Drei komplexe Phasen: Anfangs-, Mittel- und Endphase
Diese Phasen bauen aufeinander auf und sind zugleich ineinander verwoben
Das Konzept basiert auf einem pragmatisch-humanistischen Menschenbild
Zwar formuliert Culley die schulenübergreifende Ausrichtung ihres Modells, in ihren Erläuterungen und Falldarstellungen überwiegen jedoch die hermeneutisch-kommunikativen Verfahren und Fertigkeiten auf der Basis von humanistischen und systemischen Beratungskonzepten
(1) Anfangsphase (Phasenmodell nach Culley)
= Diese Phase dient dem Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Berater und Klient und ist inhaltlich auf die Erfassung des (Ausgangs-)Problems konzentriert
Ziele:
Aufbau einer tragfähigen Beratungsbeziehung. Sie motiviert den Klienten, an seinen Problemen zu arbeiten.
Klärung und Eingrenzung der Probleme. Wesentlich ist, dass Berater und Klient das gleiche Verständnis davon haben, um welche Anliegen und Themen es geht.
Treffen erster Entscheidungen. Es werden erste Arbeitshypothesen erstellt.
Was erwartet der Klient vom Berater? Kann und will der Berater nutzbringend an der Problematik arbeiten?
Um die Erwartungen des Klienten erfassen zu können, muss der Berater einen fundierten und breiten Überblick über mögliche menschliche Problemlagen haben.
Formulierung eines Arbeitsvertrags. Beratung basiert auf einer Wechselseitigkeit zwischen Klient und Berater.
Der Kontrakt soll sicherstellen, dass Beratung als ein gemeinsames Unternehmen und nicht als einseitige „Expertenleistung“ verstanden und gehandhabt wird.
Betont werden im Kontrakt sowohl die Verantwortung des Klienten für sich selbst, für die eigene Entwicklung und Veränderung in der Beratung als auch die Notwendigkeit der Kooperation von Berater und Klient.
Strategien:
Explorieren verhilft zur Aufklärung des Anliegens und zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses davon.
Prioritäten setzen und konzentrieren: den Kern der Thematik bzw. des Problems herausarbeiten und gemeinsam Prioritäten in der Bearbeitung der Anliegen festlegen.
Vermitteln von Grundwerten im Sinne von Akzeptanz, Wertschätzung und Verstehen über beraterische Kommunikation.
Dies sind wesentliche Voraussetzungen für eine gelingende Beratungsbeziehung.
Grundlegende Fertigkeiten:
„Aktives Zuhören“ in reflektierender wie sondierender Form.
Reflektierende Fertigkeiten sensu „verbalisierendes Spiegeln“.
Dies erfolgt im Wesentlichen über das Wiederholen von Schlüsselworten oder zentralen Sätzen, Paraphrasieren und Zusammenfassen zentraler Aussagen bzw. Anliegen.
Sondieren zur Erfassung der Probleme in ihrem jeweiligen Bezugsrahmen.
Dies erfolgt über spezifische Frageformen, wie z. B. aktivierendes, konkretisierendes, zirkuläres, vergleichendes oder feststellendes Fragen, und über Konkretisieren, z. B. bei generalisierenden, verschwommenen oder verworrenen Klientenaussagen.
Diese Fertigkeiten können bei jeder der genannten Strategien dieser Phase, aber auch in den anderen Beratungsphasen eingesetzt werden.
(2) Mittelphase (Phasenmodell nach Culley)
= Kern der Mittelphase ist der Versuch, Klienten zu helfen, ihre Anliegen und Probleme neu zu ordnen und neu zu bewerten.
-> Ohne neue und differente Sichtweisen auf sich selbst und auf ihre Anliegen ist eine Veränderung und Verbesserung der Lage dieser Klienten unwahrscheinlich.
Neubewertung von Problemen. D.b., dem Klienten dabei zu helfen, sich aus seiner eingefahrenen Sicht auf sich, auf das Problem und auf eigene Denk- und Handlungsweisen zu befreien und diese aus anderen und unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Dieser Prozess der Neukonnotation wird von manchen Klienten als sehr schmerzvoll und belastend erlebt.
Daher dürfen die beiden folgenden Strategien nicht aus dem Blick geraten.
Aufrechterhalten der Arbeitsbeziehung. Sie stellt eine bedeutsame Basis für die Strategien dieser Phase dar.
Auf den Arbeitskontrakt hinarbeiten. Zwar kann der Arbeitskontrakt im Prozess der Beratung modifiziert werden, doch soll das nicht mehr oder weniger willkürlich aus einer aktuellen beraterischen Situation (z. B. Hilflosigkeitserleben) heraus erfolgen.
Vielmehr gilt es, sich die Zwecke und Ziele der ursprünglichen Vereinbarung immer wieder vor Augen zu führen.
Mitteilen von Grundwerten. Klienten können sich auf die Prozesse dieser Mittelphase besser einlassen und sie produktiv für eine tiefere Einsicht nutzen, wenn sie die beraterischen Grundhaltungen und Werte konstant erfahren
Herausfordern. Diese Strategie bedeutet, den Klienten eine Sichtweise anzubieten, die sich von ihrer gewohnten Sichtweise unterscheidet und sie stimulieren könnte, ihre eigene Position oder ihren eigenen Sichtwinkel zu überprüfen.
Herausfordern provoziert tiefergehende Explorationen. Damit meine ich, daß die Klienten ermutigt werden, etwas über sich herauszufinden, was ihnen bisher unbewußt oder nur schwach bewußt war oder was zu sehen sie bisher vermieden haben.
Herausforderung kann über verschiedene beraterische Verfahren erfolgen, die jeweils einen eigenen Fokus haben:
– Konfrontation kann dem Klienten helfen, die „Tricks“ (kognitiv-emotionale Muster, Schemata) zu durchschauen, die er verwendet und die anstehende Veränderungen behindern.
- Feedback: Der Berater gibt Rückmeldung, wie er den Klienten wahrnimmt.
– Information kann den Klienten ermutigen und anregen, seine Selbstwahrnehmung und Selbstbewertung zu ändern.
– Richtunggeben fordert den Klienten auf eine direkte Art und Weise auf, etwas Bestimmtes zu tun, z. B. ein bestimmtes Verhalten auszuprobieren oder im Gesprächsprozess innezuhalten und nachzuspüren, welche Gefühle gerade im Vordergrund sind.
– Selbstmitteilungen (sparsam zu verwenden). Der Berater kann auch über eigene Erfahrungen in Bezug auf das aktuelle Thema sprechen. Das dient dazu, Scheu bei Klienten abzubauen und sie anzuregen, die eigenen Anliegen in einer vertieften Weise zu bearbeiten.
– Unmittelbarkeit. Diese Strategie zielt auf das aktuelle Beziehungsgeschehen zwischen Berater und Klient. Der Berater vermittelt seine Sicht auf die gegenwärtigen Interaktionen und regt den Klienten an, seinerseits zu reflektieren, was gerade geschieht und wie er das erlebt.
Fertigkeiten: Wie Anfangsphase
(3) Endphase (Phasenmodell nach Culley)
= In der Endphase werden die als wirksam erkannten Handlungen durch den Klienten geplant und ausgeführt.
Ein weiterer Akzent liegt auf der planvollen Beendigung der Beratungsbeziehung.
Angemessenen Wandel vorbereiten. Gemeinsam mit dem Klienten gilt es herauszuarbeiten, welche Lebensumstände und Verhaltensweisen geändert werden sollen, welche Veränderungen nötig und ob diese auch möglich sind und zu welchen Resultaten, ob gewünscht oder nicht gewünscht, sie nach Meinung des Klienten führen.
Veränderungen ausführen. Es ist ein wichtiger und zugleich banal anmutender Aspekt, anvisierte Entscheidungen und Veränderungen kompetent in die Praxis umzusetzen, z. B. angemessenes Verhalten auszuführen und problematisches zu unterlassen.
Wichtig ist, Klienten darin zu unterstützen, ihrem Zielangemessene Entscheidungen zu treffen, sie bei der Auswahl realistischer Handlungsweisen zu begleiten und sie in der Bereitschaft, diese umzusetzen, zu stärken.
Hierbei ist es auch nötig, Klienten darin zu unterstützen, Ressourcen bei sich selbst oder in ihrer sozialen Umwelt wahrzunehmen und auch konkret einzusetzen.
Lernen und Einsichten in die Lebenswelt übertragen. Was Klienten im Beratungsprozess über sich und ihr Verhalten und über die unterschiedlichen Optionen, die ihnen offenstehen, herausarbeiten und lernen konnten, muss auf ihre Lebenswelt übertragen werden, damit sie erfolgreiche Schritte zur Veränderung und Problembewältigung umsetzen und dort auch dauerhaft etablieren können.
Die Beratungsbeziehung beenden. Neben dem Gewinn wichtiger Erfahrungen bedeutet das Ende der Beratung nicht nur die Erfüllung eines Kontraktes, sondern für die meisten Klienten auch den Verlust einer wichtig gewordenen Beziehung.
Daher sollte gemeinsam mit den Klienten erfasst werden, was das Ende der Beratungsbeziehung für sie bedeutet und wie ein „gutes“ Ende erreicht werden kann.
Ziele entwickeln und Ziele setzen. Das kann über verschiedene Strategien erfolgen, z. B. über die Entwicklung von konkreten Vorstellungen, wie das Verhalten sein wird, wenn das Problem beendet ist, oder über Rollenspiele oder angeleitete Fantasiereisen.
Ziele müssen vom Klienten selbst gewollt, entwickelt und formuliert und operationalisierbar, insb. beobachtbar sein.
Außerdem sollten sie konkret formuliert und in kleine realisierbare Teilziele unterteilt werden.
Bekannt geworden sind die SMART-Kriterien zur Zielformulierung
Handlungsvorbereitung und -planung. Ziele werden über Handlungen erreicht.
Um handeln zu können, ist es nötig, verfügbare Optionen zu kennen und daraus angemessene auszuwählen.
Zudem muss geplant werden, wie und in welcher Abfolge die Handlungen erfolgen sollen.
Dabei wird auch erfasst, was Klienten am Handeln hindert.
Das können fehlende Fertigkeiten sein oder unzureichend motivierende Belohnungen, oder die Handlungen sind mit zu hohen Risiken oder mit unliebsamen Zwängen verbunden, oder der Handlungsplan ist zu perfektionistisch angelegt.
Für erfolgreiches Handeln sind ein passendes Belohnungssystem und vor allem ein unterstützendes soziales Netzwerk (z. B. Freunde, Familie, Arbeitskollegen) erforderlich.
Evaluieren und Veränderungen aufrechterhalten. Die eingesetzten Maßnahmen werden auf ihren Erfolg hin überprüft.
Zumeist ist das an der Frage ausgerichtet, ob Klienten nun besser in der Lage sind, ihre Anliegen voranzubringen oder mit ihren Problemen fertigzuwerden als vor der Beratung und die Veränderungen auch aufrechterhalten können.
Beenden. Rückblickend werden der durchlaufene Beratungsprozess und die wahrgenommenen Veränderungen noch einmal gemeinsam erfasst, wobei auch Wertschätzung vermittelt wird und Erfolge thematisiert werden.
Zudem soll angemessen viel Zeit eingeplant werden, um bei den Klienten Gefühle von Abschied und eventuell auch von Beziehungsverlust bearbeiten zu können.
Fertigkeiten: Wie in den beiden anderen Phasen.
Ein verhaltenstherapeutisch fundiertes Prozessmodell, das auch im Beratungskontext und zunehmend auch therapieschulenübergreifend eingesetzt wird
Borg-Laufs hat das Modell auf die Beratungsarbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien übertragen
Es liefert einen Orientierungsrahmen für einen verfahrensmäßig und methodisch begründeten siebenstufigen Prozessablauf in Beratung und Therapie
Die einzelnen Phasen bauen aufeinander auf, werden jedoch, nicht stringent voneinander abgegrenzt, sondern können nach Bedarf in rekursiven Schleifen, wenn nötig auch mehrfach, durchlaufen werden.
Die 1. Phase des Prozessmodells
Die erste Phase legt den Schwerpunkt auf die Schaffung günstiger Ausgangsvoraussetzungen für die Beratung bzw. Therapie
Nach der Erläuterung von Setting, Vorgehen und organisatorischen Fragen geht es um die Klärung und Abstimmung der Erwartungen an den Beratungsprozess sowie um die Erfassung des Beratungsanliegens und (in groben Umrissen) der Problemlage
Über diese Prozesse wird zugleich auch die Beziehung zwischen Berater und Klient aufgebaut und gestaltet
Je nach Störungsbild, den individuellen Eigenschaften und den aktuell ausgedrückten Einstellungen des Klienten wird die Beziehung ausgestaltet
Bereits in dieser Phase wird die aktive Rolle des Klienten gefördert, z. B., indem man ihn ermuntert, Informationen oder relevante Unterlagen einzubringen, Vorschläge für den Einbezug relevanter Personen (Partner, Partnerin) zu machen und Vereinbarungen und Abmachungen gemeinsam zu treffen und auch einzuhalten
Zudem geht es in dieser Phase auch darum, ein gemeinsames Verständnis von Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe zu entwickeln und die Beratung nicht etwa als „Klageort“ und „Kummerkasten“ oder als „Kaffeekränzchen“ zu betrachten
Die 2. Phase des Prozessmodells
Die zweite Phase dient dem Aufbau von Veränderungsmotivation, der Auswahl von Veränderungsbereichen und der (vorläufigen) Definition von Zielen im Sinne von Grob- und Zwischenzielen:
Was soll verändert werden?
Was soll bestehen bleiben oder als gegeben akzeptiert werden?
Wie wird mein Leben sein, wenn ich die Änderungen realisiere? Was wird besser sein? Was wird eventuell schlechter sein?
Was muss ich einbringen, um diese Änderungen zu erreichen?
Kann ich es schaffen?
Vertraue ich der Unterstützung des Beraters?
Die Zielerfassung soll dabei so erfolgen, dass die Klienten erkennen können, dass Veränderungen und Ziele nur durch eigenen Einsatz zu erreichen sind
In dieser Phase geht es sowohl darum, Mutlosigkeit und Resignation, mit der Klienten oft in die Beratung kommen, zu verringern als auch unrealistische Erwartungen zu dämpfen, aber auch darum, schwindende Änderungsmotivation „abzufangen“, wenn Frustrationen und andere Nebenwirkungen in den Vordergrund rücken
Die 3. Phase des Prozessmodells
Phase drei bildet als diagnostisch fundierte Problemerfassung das Kernstück des Beratungsprozesses
Je nach der beraterischen oder therapeutischen Konzeption bzw. Schulenzugehörigkeit ist das diagnostische Verfahrensrepertoire unterschiedlich ausgerichtet
In jedem Fall ist eine realistische Erfassung der Problemlage und der Lebenssituation des Klienten bedeutsam
Beispielsweise werden über eine verhaltenstherapeutische Analyse (SORKC-Schema) die situativen äußeren (sozialen, materiellen) und inneren (psychischen, „organismischen“) Bedingungen erfasst, die zu diesem Verhalten geführt haben, es aufrechterhalten und seine Veränderung behindern oder erleichtern können
Die kontextuelle Analyse beschäftigt sich mit den handlungsleitenden Kognitionen (Überzeugungen, Gedanken, Gefühlen, Werten und Normen)
Hierzu gehört auch, die subjektiven Erklärungen des Klienten zur Problementstehung und deren Realitätsgehaltzu erfassen, ebenso wie bisher erfolgte Selbstkontroll- und Änderungsversuche, Kontrollverluste bzw. Rückfälle und Delegation von Verantwortung an andere
Weiterhin soll der Berater auch einschätzen, inwieweit das Health-Belief-Modell (subjektive Gesundheitsüberzeugungen) des Klienten konstruktiv in den Beratungsprozess einbezogen werden kann oder geändert werden muss
Diese Phase ist Bedingung für die nächste Phase
Die 4. Phase des Prozessmodells
Die vierte Phase dient der abschließenden Vereinbarung von Zielen
Hier geht es um die gemeinsame, konsensuelle Klärung und Analyse von realistischen Beratungszielen und um die Art und die Reihenfolge der angestrebten Veränderungen
Der Klient soll seine gegenwärtige Situation (Ist-Situation) in Relation zu seinen Zielen, Wünschen und Wertvorstellungen (Soll-Situation) betrachten und die angestrebten Veränderungen auch als Teil seiner Zielsetzungen für das eigene Leben erfassen
Diese Phase wird durch einen erfolgreichen Beziehungs- und Motivationsaufbau unterstützt
Erst nach Abschluss dieser Phase kann die methodisch fundierte Handlungsplanung und -durchführung erfolgen
Die 5. Phase des Prozessmodells
In Phase fünf erfolgt die Auswahl, Planung und Durchführung von Erfolg versprechenden beraterischen Strategien und Veränderungsmaßnahmen
Die eingesetzten Methoden sollen sich möglichst an Erkenntnissen aus der Beratungs- und Psychotherapieforschung und an Kriterien von Effektivität orientieren
Die 6. Phase des Prozessmodells
Phase sechs fokussiert die Evaluation von Fortschritten im beraterischen Vorgehen
Evaluation ist nur bei klar definierten und nachvollziehbaren (operationalisierten) Zielvereinbarungen möglich
Sie kann begleitend während des gesamten Beratungsprozesses oder als Erfassung der Prä-Post-Veränderung sowohl aus Sicht des Klienten als auch aus der des Beraters/Therapeuten erfolgen
Prozessbegleitende Evaluation dient auch zur Aufrechterhaltung der Motivation („Ich habe schon etwas Nachvollziehbares geschafft“) wie auch zur realitätsbezogenen Selbsteinschätzung der erzielten Fortschritte
Die 7. Phase des Prozessmodells
Phase sieben fokussiert die Erfolgsoptimierung und den Abschluss der Beratung
Zum einen ist sie auf eine Stabilisierung der erreichten Erfolge, zum anderen auf Rückfallprophylaxe ausgerichtet
Die in der Beratung entwickelten Lösungen und Veränderungen sollten so in das alltägliche Verhaltensrepertoire des Klienten integriert sein, dass er sie selbstständig und ohne therapeutische/ beraterische Unterstützung umsetzen und bei eventuellen Rückschlägen selbstregulierende Fertigkeiten einsetzen kann
Im Abschlussgespräch erfolgt ein Rückblick auf den Veränderungsprozess, bei dem der Klient u. a. realisiert, dass seine Entwicklungen auf seine neu gewonnenen Fähigkeiten zum Selbstmanagement zurückgehen
Zudem erfolgt die Vorbereitung auf die Katamnese, die in einer definierten Zeitspanne nach Beratungsende durchgeführt wird
Was sollte in der Anfangsphase eines Beratungsprozesses stattfinden?
Aufbau einer Beratungsbeziehung; Erläuterung von Setting, Vorgehen und organisatorischen Fragen, Vermittlung von Grundwerten
Klärung der Kooperationsbasis /der gegenseitigen Erwartungen
Klärung des Anliegens, Problemexploration
Prioritätensetzung/Fokussierung; Vereinbarung von konkreten Beratungszielen; Beauftragung/Arbeitsvertrag
Phasenablauf innerhalb einer Beratungssitzung
Auch der Ablauf einer Beratungssitzung folgt in der Regel einer bestimmten Struktur
Folgender Ablauf hat sich bewährt:
Eingangsphase
Bearbeitung der zentralen Thematik
Erfassung der zentralen Ergebnisse
Transfer in den Alltag
Abschlussphase
Der Beginn einer Beratungssitzung soll dem Klienten die Möglichkeit geben, „anzukommen“, d. h. vom eventuell erlebten Alltagsstress abzuschalten und sich auf die Themen der Beratung einzustellen
Dabei hilft eine gewisse Ritualisierung des Beratungsbeginns, z. B. bei der Begrüßung oder beim Aufsuchen eines Platzes im Beratungszimmer
Zur Einstimmung dienen Fragen zur anstehenden Thematik in der Sitzung
Eine eher unspezifische Eingangsfrage ist z. B.: „Was steht heute bei Ihnen im Vordergrund?“, mehr lösungsorientiert ist: „Wenn wir heute hier abgeschlossen haben, was wird für Sie erreicht sein?“
Fragen zur Umsetzung der Vereinbarungen aus der letzten Sitzung, wie z. B. „Wie haben Sie unsere Absprache XY in Ihrem Alltag gehandhabt?“, lenken eher auf die Fortführung der Thematik
Diese Phase bildet den Schwerpunkt der Beratungssitzung
Abhängig von der Arbeitsweise des Beraters bringt der Klient ein aktuelles Anliegen ein oder nimmt Bezug auf seine Erfahrungen in und nach der letzten Sitzung, was dann in eine vertiefte Bearbeitung überführt wird
Oder der Berater folgt einem einzelfallspezifischen Plan und schließt an die Beratungsinhalte der vorhergehenden Sitzung an
Je nach konzeptioneller Vorgehensweise, Anliegen und Thematik kommen in dieser Phase kommunikative und spezifische beraterische Verfahren zur Problemerfassung, Problembearbeitung oder Lösungsfindung zum Einsatz
Im Anschluss an diese Arbeitsphase soll hinreichend Zeit eingeplant werden, damit sich der Klient (mit Unterstützung des Beraters) einer Rekapitulation und Zusammenfassung der erarbeiteten, subjektiv bedeutsamen Inhalte (z.B. Einsichten, Gefühle, Kognitionen, Änderungsvorhaben) widmen kann
Einerseits dient dies dazu, die Erfahrungen aus der Sitzung zu festigen, andererseits erfährt der Berater, was der Klient bewusst aufgenommen hat und „mitnimmt“
Auch wenn andere Inhalte der Sitzung nicht bewusst reproduziert werden können, sind sie nicht „weg“, sondern können später wieder auftauchen oder in anderer („unbewusster“) Weise nachwirken
In einem weiteren Schritt überlegen Berater und Klient gemeinsam, welche Konsequenzen sich aus dem Erarbeiteten für den Lebensalltag des Klienten in der Zeit bis zur nächsten Beratungssitzung ergeben und wie der Klient einzelne Ergebnisse aus der Themenbearbeitung in dieser Zeit konkret umsetzen kann
Im Anschluss daran erfolgt eine kurze, freundliche Verabschiedung, die häufig ebenfalls einem bestimmten Ritual folgt
Die Ebene der Sprache: Zuhören
Beim Zuhören sind viele Menschen in einen inneren Dialog verstrickt – je mehr Verstrickung, umso weniger können sie zuhören
Denn auch beim Zuhören geschehen mehrere Dinge gleichzeitig
Gut zuzuhören erfordert Folgendes:
Der Zuhörer schenkt dem Sprecher seine volle Aufmerksamkeit und ist voll und ganz bei der Sache
Der Zuhörer löst sich von allen eventuell bei ihm vorhandenen Vorstellungen in Bezug auf das, was der Sprecher ihm zu sagen hat
Der Zuhörer interpretiert das, was er hört und sieht, deskriptiv und nicht urteilend
Der Zuhörer achtet auf eventuelle Unklarheiten und stellt Fragen, um Klarheit zu gewinnen
Der Zuhörer lässt den Sprecher wissen, dass er ihn und auch den Inhalt gehört hat, den der Sprecher übermitteln wollte
Vom Zu-Hören zum Ver-Stehen
Natürlich hat jede Kommunikation auch Schwierigkeiten oder Fallen: Denn viele Menschen tun so, als ob sie wüssten, was der andere meint, oder als ob der andere ohnehin schon wüsste, was man sagen will
Satir nennt dies die Andeut-Methode und Gedanken-Methode
Um Missverständnisse und Verurteilungen zu vermeiden, empfiehlt sie eine deskriptive Sprache, vor allem aber auch Lob, Anerkennung und unbedingte Wertschätzung des anderen
Kongruenz
In Anlehnung an Carl Rogers unterscheidet Virginia Satir inkongruente und kongruente Kommunikation
Kongruente Kommunikation bedeutet, dass alle Ebenen, auf denen wir kommunizieren, dieselbe Botschaft vermitteln und wir damit authentisch sind
Unsere Kommunikation setzt sich zusammen aus der verbalen und der nonverbalen Ebene, die aus folgenden Elementen bestehen:
Verbale Kommunikation: Wörter
Nonverbale Kommunikation: Gesichtsausdruck, Gestik, Körperhaltung, Muskeltonus, Atemsequenz, Klang der Stimme
Inkongruente Kommunikation tritt häufig auf, wenn das Selbstwertgefühl eines Menschen sehr gering ist und er gleichzeitig unter Stress steht, dies aber nicht zum Ausdruck bringen kann
Wenn jemand am eigenen Wert zweifelt, bietet es sich für ihn sozusagen an, sich über die Aktionen und Reaktionen anderer zu definieren, d. h., er reagiert nicht authentisch (in Übereinstimmung mit den eigenen Gefühlen oder dem eigenen Denken), sondern so, wie er glaubt, am besten angenommen werden zu können
Kongruentes Verhalten dagegen schafft Vertrauen und Wohlbefinden, da es Wahrheit und Aufrichtigkeit vermittelt
Satir unterscheidet dabei vier universelle Muster, die Menschen benutzen, um sich vor Zurückweisung zu schützen und den Selbstwert zu sichern:
Beschwichtigen
Anklagen
Rationalisieren
Ablenken
Die Aneignung von kongruentem Verhalten
Man kann sich kongruentes Verhalten z. B. aneignen, indem man zunächst herausfindet, welche Ängste einen davon abhalten, sich kongruent zu verhalten
Um der Gefahr der Ablehnung zu entrinnen, bringen wir uns selbst häufig durch eine der folgenden Befürchtungen in Bedrängnis:
Ich könnte einen Fehler machen.
Es könnte jemanden missfallen.
Irgendjemand wird mich deswegen kritisieren.
Ich könnte lästig sein.
Sie wird denken, dass ich nichts tauge.
Die Leute könnten denken, dass ich unvollkommen bin.
Er könnte mich verlassen.
Wenn man sich eine der folgenden Antworten auf die obigen Aussagen geben kann, hat man einen echten Schritt vorwärts getan:
Natürlich mache ich Fehler, wenn ich etwas angehe, besonders, wenn es etwas Ungewohntes ist.
Mit Sicherheit wird immer irgendjemand nicht mögen, was ich tue. Das liegt einfach daran, dass nicht jeder Mensch das Gleiche gut findet.
Ja, irgendjemand wird mich sicherlich kritisieren. Ich bin wirklich nicht vollkommen. Kritik kann auch nützlich sein.
Sicherlich! Jedes Mal, wenn ich in Gegenwart einer anderen Person spreche und sie unterbreche, bin ich lästig!
Dann lass sie doch denken, dass ich nichts tauge. Vielleicht bin ich manchmal tatsächlich nicht so überragend. Aber manchmal deuten andere auch etwas in mein Verhalten hinein. Wie soll ich wissen, was jeweils der Fall ist?
Wenn ich glaube, vollkommen sein zu müssen, besteht die Gefahr, dass ich immer irgendetwas Unvollkommenes an mir entdecke.
Dann geht er eben. Vielleicht ist das sowieso besser. Ich werde es überleben.
Systemische Techniken der Gesprächsführung
Klärende Prozesse in Gang setzen durch Wie- und Was-Fragetechniken
Wie- und Was-Fragen hingegen unterstützen Klienten dabei, die verschiedenen Wahrnehmungsebenen (verbal-kognitiv, emotional und körperlich) des Systems in ihrer Vernetzung zu erkunden und neue Erfahrungen und Wahrnehmungen zu machen
Wie- und Was-Fragen können sich auf allen drei Gestaltebenen bewegen:
Verbal-kognitiv – d. h., Fakten erfragen:
„Was ist so schwierig für Sie?“
„Was sehen Sie als das Problem?“
„Was befürchten Sie?“– „Was ist für Sie so problematisch?“
„Wer ist beteiligt?“
„Was haben Sie bisher unternommen?“
Emotional – d. h., die Beziehung zu den Fakten erfragen:
„Wie geht es Ihnen damit?“
„Welche Gefühle löst das bei Ihnen aus?“
„Was bedeutet es für Sie?“
„Was ist Ihnen dabei wichtig?“
Körpergefühl – d. h., die Beziehung zu den Fakten erfragen:
„Mit welchen Beschwerden ist das verbunden?“
„Welche Erfahrungen haben Sie dazu?“
„Wie fühlt sich das an?“
Die Fragen können auch auf verschiedene Zeitebenen (Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit) bezogen sein
Bild: Prozesssteuerung in der systemischen Therapie
Die neun Schlüssel der Selbstachtung (André und Lelord 2008)
Ziel-und Auftragsklärung
Bei eine gute Beratung sind direkte und indirekte Aufträge zu unterscheiden
Direkte Aufträge sind z. B. Jugendamtsaufträge oder ärztliche Aufträge;
indirekte Aufträge sind z. B. die inneren und verinnerlichten Aufträge von (inneren) Personen, z. B. die eigenen kritischen und unterstützenden Anteile, die es herauszufinden gilt (wie z. B. die Anwältin des Kindes, die Frauenrechtlerin, die Anwältin gegen Ungerechtigkeit u. a. Anteile)
Der Prozess der Auftragsklärung
Aufträge sind zu ordnen
vom Klienten,
von den Institutionen,
von den Angehörigen,
vom Finanzierungsträger.
Zu prüfen ist, ob es sich um (a) widersprüchliche Aufträge und (b) handlungsleitende Aufträge handelt; diese gilt es auszumachen und zu analysieren:
Welche Aufträge sehe ich?
Welche sind worin widersprüchlich?
Was wären geeignete Kompromissaufträge?
Aufträge können erkannt werden durch
die eigene Wahrnehmung, den eigenen Eindruck,
das, was Einzelne oder die Familie, die helfende Institution tun (Ausdruck),
das, was man denkt, fühlt (das eigene Bewusstsein und das der anderen)
Aufträge gehören in den kritischen Diskurs des Beraters und des zu Beratenden.
Beide Seiten prüfen miteinander die Klarheit des Ziels, die Offenheit für Veränderung und die Relevanz des beraterischen Hilfeangebots für den Ratsuchenden
Die Subjektivität des Klienten, Bewohners, der Angehörigen oder der Mitarbeiter wird damit deutlich herausgefordert und in ihrer Entwicklung unterstützt
Ein systemischer Leitfaden vom Anlass über das Anliegen zum Contracting (von Schlippe und Schweitzer 2009)
1. Anlass: ‚Was führt Sie her?‘
Was führt Sie her, gab es einen Auslöser, einen aktuellen Anlass?
Warum wünschen Sie gerade jetzt Beratung?
2. Anliegen: ‚Was möchten Sie hier erreichen?‘
Was soll heute hier geschehen?
Was soll am Ende der Sitzung/der Beratung/der Supervision geschehen sein, damit Sie sagen können (oder: jeder sagen kann): Es hat sich gelohnt?
Problemdefinition und Anliegen (bei mehreren Gesprächspartnern ggf. von jedem) erfragen, auch Nicht-Anwesende (vor allem Überweisende) können miteinbezogen werden
Mögliche Fragen:
Zur Problemerklärung: Was vermuten Sie (bzw. ein anderer), wo das beklagte Problem liegt?
Zu Katastrophenphantasien: Was ist Ihre schlimmste Befürchtung?
Wie erklären Sie es sich, dass es nicht schlimmer ist?
Zu Lösungsversuchen: Was haben Sie bisher versucht? Gab es Ausnahmen?
Zu Lösungsideen: Was sollte passieren?
3. Auftrag: ‚Was wollen Sie von mir?‘
Was genau wollen Sie dabei von mir?
Womit würde ich Sie enttäuschen?
Wer sonst von den Anwesenden oder nicht Anwesenden möchte etwas von mir – und was genau? Möchten Sie das auch? Wie gehen wir mit möglichen Diskrepanzen der Interessen um?
4. Kontrakt: ‚Was biete ich an?‘
Das habe ich verstanden (zusammenfassen)
Wertschätzung von jedem: Jeder hat ein gutes Motiv!
Kooperationsbasis finden über:
a) Passung/Abgrenzung: das kann ich mit meinen Mitteln/können wir hier in der Institution leisten, das – zumindest in dieser Form– nicht, aber:
b) Angebot: das kann ich Ihnen anbieten
Äußerer Rahmen (vorläufige Sitzungsanzahl, Ort, Geld usw.)
5. (Zwischen-)Bilanz: ‚Wo stehen wir jetzt?‘
War es bisher ein guter Weg? Sind Sie zufrieden?
Bin ich zufrieden?
Neue Ideen, Wünsche, ggf. modifizierter Kontrakt.
Aufgaben und Funktionen von Diagnostik
Deskriptive Funktion: Umfassende qualitative und quantitative Beschreibung der jeweils aktuellen Problemlage mit den auftretenden Erscheinungsformen (Symptome, Problemmuster, Störungsbilder)
Erklärende Funktion: Erklärung der Entstehung, Aufrechterhaltung und des Verlaufs eines Problems (Anamnese, lebensgeschichtliche und aktuelle lebensweltliche Bedingungen)
Indikative Funktion: Auswahl geeigneter Vorgehensweisen für die erfasste Problemlage
Prognostische Funktion: Prognostische Informationen über den jeweiligen Verlauf der Störung und über die Konsequenzen bei spezifischen Interventionsformen
Evaluative Funktion: Erfassung der Beratungsergebnisse während und/oder nach Abschluss des Beratungsprozesses
Konzepte und Systeme von Diagnostik
Störungsdiagnostik:
Orientiert sich am Störungsbild (kategoriale Klassifikation).
Erfasst Störungen und ihren Schweregrad.
Analysiert psychosozialen Hintergrund der Symptomatik.
Multimethodische Herangehensweise: Anamnese, Exploration, Fragebögen, Verhaltensbeobachtung, Tests.
Multidimensionale Problem- und Ressourcendiagnostik:
Fokus auf Störungen und Ressourcen.
Zwei-Prozess-Modell: Problemperspektive und Ressourcenperspektive.
Berücksichtigt ungenutzte Ressourcenpotenziale.
Einbeziehung von Anamnese, Exploration, Fragebögen, Selbstbeobachtung, Fremdbeurteilung, Verhaltensbeobachtung, Tests.
Klassifikationssysteme:
ICD und DSM für psychische Störungen.
Begrenzte Berücksichtigung der Beziehungen zum sozialen Umfeld.
ICF ergänzt ICD um relevante Lebensqualitätsfaktoren.
Disability Assessment Schedule (DAS II) erfasst Funktionsfähigkeit im Umweltbezug.
Biopsychosoziale Verständnisweise:
Erfasst den Menschen in lebensweltlicher, sozialer und biografischer Dimension.
Wechselseitige Beziehungen zwischen psychischen, kontextuellen und biologischen Faktoren.
Komplexes Strukturmodell:
Dreidimensionales kategoriales Strukturmodell zur Erklärung psychosozialer Probleme.
Berücksichtigt Problemkonstellation, Systemebenen, biopsychosoziale (Meta-)Dimension.
Psychosoziale Diagnostik und Sozialdiagnostik:
Psychodiagnostik, psychosoziale Diagnostik und Sozialdiagnostik unterscheiden sich.
Psychosoziale Diagnose berücksichtigt Lebenslage, Lebenskrisen und Verarbeitungsweise.
Sozialdiagnostik integriert soziale und sozioökonomische Variablen der Lebenslage.
Koordinatensystem psychosozialer Diagnostik und Intervention:
Hilfreiches Instrument zur Ordnung und Systematisierung komplexer Daten.
Berücksichtigt Individuum-Umfeld und Defizite-Ressourcen Dimensionen.
Ermöglicht Erfassung von Wechselwirkungen für Diagnose und Interventionsplanung.
Wandel in der Beratungsdiagnostik:
Shift von Defizit- und Problemorientierung zu Kompetenz- und Ressourcenorientierung.
Ganzheitliche Betrachtung von Problemen in lebensweltlichen und biopsychosozialen Kontexten.
Diagnostik wird gemeinsam mit den Klienten durchgeführt und ist prozessbegleitend.
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