Wichtige historische Einflüsse auf die A&O
Frederick Winslow Taylor (1856-1915)
Henry Ford (1863-1947)
Hugo Münsterberg (1863-1916)
Amerikanischer Ingenieur und Begründer des „Scientific Management“
Bereits als Kind an Optimierung interessiert (z.B. „Albtraum-Vermeidungsmaschine“)
Seit 1893 Unternehmensberater („Consulting Engineer“) für Rationalisierungsprojekte
Wissenschaftliche Betriebsführung (Taylor, 1913)
Trennung von Hand- und Kopfarbeit
Konzentration auf Arbeitsausführung
Pensum festlegen, Boni zahlen
Arbeiterauslese und Anpassung
Versöhnung von Arbeiter und Management durch Expertenherrschaft: Wohlstand für alle als Ziel
Ziel: Effizienzsteigerung, Deckung des Bedarfs an Produkten
Weite Verbreitung (z.B. Ford-Werke), aber auch frühe Kritik an z.T. grotesken Auswüchsen
Zeitstudien in der wissenschaftlichen Betriebsführung
Zerlegung der Arbeitstätigkeit in einfache Bewegungsbestandteile („Elementarbewegungen“)
Zeitstudien: sorgfältige Beobachtung mehrerer geschickter Arbeiter
Reduktion von überflüssigen Bewegungen
Notwendigen Zuschlag für Unterbrechungen,
Anlernzeit und Pausen bestimmen und einkalkulieren
Führte 1913/14 die Fließbandfertigung in Autoindustrie ein
Prinzip von Schlachthöfen übernommen
Optimale Anordnung der Werkzeuge und Materialien
Transport der Werkstücke, damit immer an gleicher Position gearbeitet werden kann
Reduzierung der Denktätigkeit
Ideal: Immer gleiche Bewegung
Konsequenzen des Taylorismus und Fordismus
Entstehung der Arbeitspsychologie als Reaktion
Florierende Auseinandersetzung mit Arbeitstätigkeit
Psychotechnische Zeitschrift
Schon frühzeitig relativ viel Kritik am Taylor-System:
Lewin (1920): Die zwei Gesichter der Arbeit – Arbeit als Mühe, Last, Kraftaufwand vs. Arbeit als unentbehrlicher Teil des erfüllten Lebens
Hellpach (1922): Gruppenfabrikation und Konzept der vollständigen Aufgabe (inkl. Planung, Entwurf der Aufgabe/Lösung mit freier Wahl, Entscheidung und Verantwortungsübernahme, Durchführung, Abschluss)
Deutscher Psychologe – Experimentalpsychologe, später Begründer und Verfechter der angewandten Psychologie
Zunächst kritisch gegenüber angewandter Psychologie
Später vielfältige Beiträge zur Pädagogischen Psychologie, Rechtspsychologie, Psychotherapie und Wirtschaftspsychologie
Wichtiges Werk: Psychologie und Wirtschaftsleben (1912)
Münsterberg – Psychologie und Wirtschaftsleben (1912)
Betonung individueller Unterschiede
Konsequenz: Auswahl von geeigneten Personen
Versuche mit Straßenbahnfahrern, im Schiffsdienst und bei Telefonisten
Dabei viel von heutiger Eignungsdiagnostik vorweg genommen:
Prinzip der Analyse: Aufgabe in psychologische Komponenten zerlegen, Verfahren entwickeln, um diese dann beim Menschen zu testen
Prinzip der Miniatur-Aufgabe: Aufgabe nachstellen, feststellen, wie gut jemand Aufgabe bewältigen kann (Leistung messen)
Später auch: Bedingungen schaffen, Personen anlernen
Bedeutung von Menschenbildern (Kauffeld & Sauer, 2011)
Bezugssysteme, beeinflussen gesellschaftliche Werte und individuelle Verhaltensweisen
Themen der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Arten wissenschaftlicher Fragestellungen sind geprägt vom Menschenbild
Bewertung und Gestaltung von Arbeit und Organisationen durch Menschenbild geprägt
Aber: Menschenbild meist implizit, daher sollte hier Reflexion stattfinden
Entwicklung von Menschenbildern (Kauffeld & Sauer, 2011, S.16)
Verschiedene Menschenbilder unterscheiden
Economic Man
Social Man
Self-actualizing Man
Complex Man
Grundannahmen des Economic Man (Kirchler, 2011)
Mensch handelt zweckrational
Er strebt nach (max.) Nutzen bei möglichst wenig
Aufwand/Kosten
Arbeit ist Mittel zum Zweck
Daher: Mitarbeiter/innen scheuen Anstrengung, Verantwortung, da diese mit (unnötigen?) Kosten verbunden sind
Suche nach einfachstem „besten“ Weg, Arbeit zu erledigen
Motivation des einzelnen lässt sich einfach durch monetäre Anreize steigern
Grundannahmen des Social Man (Kirchler, 2011)
Arbeitender Mensch von sozialen (nicht materiellen!!) Motiven geleitet
Identität und Bereitschaft zur Integration entstehen aus sozialen Beziehungen heraus
Mensch richtet sich mehr nach informellen Regeln/Normen der Gruppe (Konformität) als nach formellem Kontroll- und Belohnungssystem
Erfüllung sozialer Bedürfnisse führt zu Leistung
Soziale Beziehungen gleichen aus, was durch Zerstückelung der Arbeit verloren wurde
Grundannahmen des Self-actualizing Man (Kirchler, 2011)
Mensch strebt nach Selbstverwirklichung und Sinnerleben am Arbeitsplatz
Zuvor: „niedere“ Bedürfnisse müssen erfüllt sein
Zur Entwicklung fähig, wollen als reife Persönlichkeiten behandelt werden,
Interessante Arbeit, autonom entscheiden, flexibel reagieren können, langfristige Perspektive haben
Intrinsische vor extrinsischer Motivation: Muss kein Widerspruch zu Zielen der Organisation sein
Grundannahmen des Complex Man (Kirchler, 2011)
Keine einheitliche Bedürfnislage: Motive variieren inter- und intraindividuell
Motive miteinander vernetzt, nicht abgrenzbar
Neue Motive durch Lernerfahrungen in
Organisationen/Lebensbereichen geweckt
Engagement in mehreren Organisationen oder
Lebensbereichen —> unterschiedliche Motive
Arbeitszufriedenheit nicht nur durch Motivbefriedigung, sondern durch komplexes Zusammenspiel von Bedingungen
Menschenbilder: Wie geht es weiter?
Einige Ideen: Virtual Man, Self-organized Man, Postmodern Man
These: Self-optimizing Man, also selbstverantwortetes Streben nach Optimierung der eigenen Person/Arbeitskraft
Beschäftigungssicherheit nicht mehr gegeben
Verantwortung auf Einzelnen verlagert, daher Streben nach vielfältigen Erfahrungen
Aber: nicht für Selbstverwirklichung, sondern Beschäftigungsfähigkeit (Employability)
Die Bedeutung von Empirie in der A&O-Psychologie
Praktische Erfahrungen vs. empirisch fundierte Erkenntnisse
Häufig zu hören: „Ich habe die Erfahrung gemacht...“
Auch: „Das mag ja theoretisch so sein, aber die Erfahrungen in der Praxis zeigen doch...“
Empirisch = „auf Erfahrung beruhend“
Aber: Empirische Forschung sucht nach verallgemeinerbarem Wissen und sammelt dazu systematisch Erfahrungen, die für eine Vielzahl von Menschen zutreffend sind
Praktikererfahrung häufig subjektiv und von konkreter Situation geprägt (dennoch generalisiert; aber: N = 1)
Wozu empirische Forschung in der A&O-Psychologie?
Erkenntnisfunktion: Beschreibung, Messung, Erklärung und Prognose des Erlebens und Verhaltens von Menschen in Organisationen
Quasi-naturwissenschaftlicher Zugang (Schuler, 2006)
Anwendungsfunktion: Forschung, um Praxis zu beraten, Innovationen und neue Lösungen zu entwickeln, Maßnahmen zu evaluieren
Aufklärungsfunktion: Glaubenssätze, Mythen und Ideologien der Praxis aufdecken, versteckte Wertprämissen aufzeigen, Ideen der Praxis auf Realitätsgehalt hin überprüfen und hinterfragen
Auseinandersetzung mit Managementtrends und -moden notwendig
Der Forschungsprozess
Coaching – Definition von Greif (2008)
Intensive und systematische Förderung
ergebnisorientierter Problem- und Selbstreflexionen
sowie Beratung von Personen oder Gruppen
zur Verbesserung der Erreichung selbstkongruenter Ziele
oder zur bewussten Selbstveränderung und Selbstentwicklung
In der A&O-Psychologie typische Studiendesigns unterscheiden
Experimentelles Design
Randomized Controlled Trial
Quasiexperiment
Querschnittstudien
Befragung von Führungskräften
Längsschnittstudien
Mehrebenenstudien
Tagebuchstudien
Standardisierte Befragungen, die zu mehreren Zeitpunkten durchgeführt werden
Qualitative Designs
Hürden der Datenerhebung
Schwierig erreichbare oder auffindbare Stichproben
Heikle Themen, über die Teilnehmende nicht gern berichten
Wunsch-Design nicht realisierbar
Fragebögen werden als „zu lang“ oder inhaltlich unpassend befunden
—>Viel Überzeugungsarbeit nötig
—>Langwierigere Absprachen mit Organisationen
—>Verschiedene Interessengruppen überzeugen, die Entscheidungen blockieren oder hinauszögern können (z.B. Betriebsrät/innen)
Wichtige statistische Verfahren
Korrelation
Regression
Moderierte hierarchische Regression
Mediationsanalyse
Faktorenanalyse
Mehrebenenanalyse
ANOVA mit Messwiederholung
Warum kommunizieren – warum publizieren?
Einzelnes Forschungsergebnis als Puzzleteil zur kollektiven Erkenntnis
Mehr Information als intendiert (z.B. Korrelationen, Messinstrumente etc.)
Publikationen ermöglichen Kritik, Diskussion und Selbstkorrektur in der Wissenschaft
Publikation einzelner Ergebnisse als Ausgangsbasis für Meta-Analysen
„Publish or Perish“ als Anreizsystem der Forschung
Meta-Analysen
Dient quantitativer Verdichtung empirischer Befunde („Puzzle zusammenfügen“)
Quantifiziert Zusammenhänge oder Unterschiede über Einzelstudien hinweg
Berücksichtigung von (mangelnder) Reliabilität und eingeschränkter Varianz in Einzelstudien
Ermöglicht die Suche nach Moderatoren, die in Einzelstudien nicht erfasst werden können
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