Psychische Erkrankungen im Arbeitsleben (Muschalla, 2014)
12-Monats-Prävalenz zwischen 18 und 65 Jahren: 30%
Psychische Diagnosen in 40% der Fälle chronisch, d.h. sie gehen mit überdauernden Teilhabeproblematiken einher (u.a. bei der Arbeit)
Durchschnittlich 38-41 AU-Tage je Fall (ca. 1/6 der Arbeitstage im Jahr)
Psychosomatischen Rehabilitationskliniken haben täglich bei 80% der Patient/innen mit Fragen der Wiedereingliederung, bei 60% der Fälle mit arbeitsbezogenen Ängsten zu tun
Folgen von Stress (Schaper, 2011)
Opening the Black Box
Belastungs-Beanspruchungsmodell (Rohmert & Rutenfranz, 1975)
Anstrengungs-Belohnungs-Ungleichgewicht (ERI)
(Siegrist, 1996)
Job Demand-Control Modell (JDC, Karasek, 1979)
Job-Demands-Resources-Model (JDR, Bakker & Demerouti, 2007)
Stress as Offense to Self (SOS, Semmer et al., 2007)
Arbeitsbelastung und psychische Erkrankung (Rau & Henkel, 2013)
Kann Arbeit Angst machen? Potenzielle Auslöser (Muschalla, 2014)
Vorstellungen des Scheiterns
Kontroll- und Sanktionierungsfunktion von
Führungskräften
Soziale Konflikte durch Zusammenarbeit
Bedrohungen durch Dritte (bei bestimmten Berufen)
Arbeitsunfälle und Gefährdungen
Unvorhersehbarkeit organisationaler Entscheidungen
Verlust des Arbeitsplatzes
Differentialdiagnostik arbeitsbezogener Ängste (Muschalla, 2014)
Stimulusbezogene phobische Ängste (inkl. Vermeidungsverhalten)
Soziale Ängste am Arbeitsplatz
Gesundheits- und körperbezogene Ängste bei der Arbeit (Hypochondrie)
Insuffizienzängste bezüglich der Arbeit
Arbeitsbezogene generalisierte Sorgenängste
Arbeitsplatzphobie
Konsequenzen arbeitsbezogener Ängste (Muschalla, 2014)
Vermeidung bestimmter Aufgaben (auch subklinisch)
Absentismus: Fernbleiben vom Arbeitsplatz
Arbeitsplatzverlust/Kündigung
Dauerhafte Anspannung
Übermäßiges, evtl. zwanghaftes Engagement
Nicht Abschalten können
Arbeitsangst – Was tun?
Führungskräfte und Verantwortliche sensibilisieren
Angstauslösende Faktoren bei Gefährdungsbeurteilungen beachten und nach Möglichkeit verringern (auch: Prävention)
Arbeitsgestaltung und andere Interventionen, um potenzieller Angstverstärkung entgegenzuwirken
Für konkrete Gefahren: Klarheit der Abläufe, Notrufstrukturen, Deeskalationstraining, Selbstverteidigung
Berücksichtigung bei Personalauswahl: auf Passung achten
Reaktionen auf Ungerechtigkeit am Arbeitsplatz (Muschalla & Linden, 2017)
Verbitterung und Verbitterungsstörung (Linden, 2017)
Verbitterung als „normale“ Reaktion auf erlebte Ungerechtigkeit
Analog zu PTSD: Posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED)
Auslöser: negatives Lebensereignis, das als ungerecht, herabwürdigend, kränkend erlebt wird
wiederkehrende intrusive Erinnerungen, auf die mit Verbitterung und emotionaler Erregung reagiert wird
Zusatz: Herabgesetzte Stimmung, reduzierter Antrieb, Gefühl der Hilflosigkeit, wiederkehrende Rache- und Aggressionsfantasien
Verbitterung erkennen (Arnold & Linden, 2021)
In der zurückliegenden Zeit hatte ich ein einschneidendes Erlebnis zu verkraften,
... das mich äußerst gekränkt oder verbittert hat.
... das aus meiner Sicht äußerst ungerecht oder nicht fair war.
...bei dem es immer noch eine offene Rechnung gibt und ich auf eine Wiedergutmachung oder Vergeltung warte.
... wegen dessen ich mir selbst Vorwürfe mache und ärgerlich auf mich selbst bin.
... das dazu geführt hat, dass ich meinen beruflichen und/oder familiären Aktivitäten nicht mehr wie früher nachgehe.
Verbitterung – was tun?
Im Gespräch bleiben: Exploration des Ereignisses und der Folgen (Intrusionen, Rachefantasien, Alltagsveränderungen) und Emotionsabkühlung
Weisheitskompetenzen aktivieren: Weisheitstherapie (Baumann & Linden, 2008) mit Fokus auf weisheitsaktivierenden Bewältigungsstrategien
Dimensionen der Weisheit und Weisheitskompetenzen (Arnold & Linden, 2021)
Was ist Burnout?
Zustand totaler körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung sowie verringerter Leistungsfähigkeit
Jahresprävalenz: 37% körperliche Erschöpfung, 26% emotionale Erschöpfung (Stressreport 2019)
Im ICD10-GM-2017 als Kategorie unter Z00-Z99: Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitssystems führen
Z73: Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung
Unterkategorie: Ausgebranntsein (Burn-out)
Burnout als Metapher (Schaufeli et al., 2009)
Metapher für den Verbrauch von Energie
Burnout = Erlöschen eines Feuers, bei dem kein Holz nachgelegt wird oder einer Kerze, die das Ende erreicht hat
Feuer hat gebrannt, kann aber nicht mehr so hell brennen, wenn keine Ressourcen (hier: Holz oder brennbares Material) nachgelegt werden
Arbeiten ohne Ressourcen, eher auf „Sparflamme“
Leistungen/Beiträge eher dürftig, können „Raum nicht erhellen“
Burnout vs. Depression
Häufig Depression als Diagnose, da sonst keine Therapie gerechtfertigt
Burnout weniger stigmatisiert als Depression
Überblicksartikel finden z.T. deutliche Überlappungen (z.B. Glass & McKnight, 1996), aber auch Unterschiede (bzgl. biologischer Prozesse)
Arbeitsbezogen (Burnout) vs. allgemein (Depression)
angesichts Spillover nur bedingt aufrechtzuerhalten
Aber: Unterschied in Behandlungsindikation (Ruhe vs. Beschäftigung)
Schlussfolgerung: Burnout kann mit Depression einhergehen, aber unterscheidbare Phänomene
Von Burnout noch weit entfernt? - Burn on (te Wildt & Schiele, 2021)
Burn on = Zustand chronischer Erschöpfung und Daueranspannung
Folge: andauerndes Ausgebranntsein-Gefühl, Freude an Dingen geht verloren (wirken wie Zusatzbelastungen)
schleichend, oft unbemerkt
Regenerative Maßnahmen bewirken keine Entspannung, sie werden ergriffen um funktionsfähig zu bleiben und nicht, um sich zu erholen
Arbeitssucht (Work Addiction, Workaholism)
Erstmals von Oates (1968) beschrieben als Abhängigkeit analog zu Alkohol-, Drogen- oder Glückspielsucht
Überlanges Arbeiten (aber nicht alleiniges Kriterium!)
Innerer Drang/Zwang zu ständigem Arbeiten, mangelnde Fähigkeit zum Abschalten
Einschränkung der Freizeitaktivitäten, Schuldgefühle bei Nicht-Arbeit
Erst aufhören, wenn Gefühl, genug getan zu haben (oder vor Erschöpfung einschlafen)
Ist Arbeitssucht eine Sucht? (Rademacher, 2017)
Kontrollverlust: Unausweichliches Verlangen nach Arbeit
Dosissteigerung: immer mehr Arbeit (für den „Kick“)
Entzugserscheinungen: Unruhe, Unwohlsein oder Schuld bei Nicht-Arbeit
Abstinenzunfähigkeit: Präsentismus, Wochenend-/Urlaubsarbeit, heimlich
Psychosoziale Störungen: Vernachlässigen anderer Lebensbereiche
Psychoreaktive Störungen: Weiterarbeiten, trotz negativer Konsequenzen
Arbeitssucht – Präventionsmöglichkeiten (Rademacher, 2017)
Arbeiten mit Depression?
Schwierigkeiten beim Arbeiten durch
Mangelnden Antrieb
Konzentrationsschwierigkeiten
Restriktionen in sozialen Interaktionen
Leistungseinbußen
Stigmatisierung
Stigmatisierung von Mitarbeiter/innen mit Depressionen (Martin, 2010)
Affektives Stigma
Mitarbeiter/innen mit Depressionen machen mir Angst.
Das Arbeiten mit depressiven Mitarbeiter/innen ist stressig
und zieht einen emotional herunter.
Kognitives Stigma
Depressionen sind ein Zeichen persönlicher Schwäche.
Mitarbeiter/innen, die Antidepressiva brauchen, sollten nicht arbeiten.
Behaviorales Stigma
Ich würde keine Person beschäftigen, der unter Depressionen leidet.
Bedingungen der Stigmatisierung (Martin, 2010)
Work-Focused Treatment of CMD (Lagerveld et al., 2012)
Return to work (RTW) – Das IGLOO-Modell (Nielsen et al., 2018)
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