Privatautonomie
Privatrecht ➤ Persönlichkeit frei entfalten, frei gestalten, macht die Freiheit größer und sicherer; rechtliche Selbstbestimmung ➜ privat Autonomie
Das zentrale Prinzip der Privatrechtsordnung
Jeder kann seine rechtlichen Verhältnisse so gestalten, wie er will (= rechtliche Selbstbestimmung).
Im Schuldrecht: Umfassende Vertragsfreiheit
Im Sachenrecht: Eingeschränkte Vertragsfreiheit durch Numerus Clausus und Typenzwang
Verfassungsrechtlich abgesichert (Art 2 I GG: Vertragsfreiheit; Art 14 GG: Eigentums- und Testierfreiheit)
Grenzen: z. B. Schutz des typischerweise schwächeren Vertragspartners (fehlende Vertragsparität bzw. „verdünnte Willensfreiheit"), Allgemeininteresse, öffentliche Ordnung
Ausgestaltungsformen der Privatautonomie,
Vertragsfreiheit beinhaltet…
ABSCHLUSSFREIHEIT
Freiheit, selbst zu bestimmen, ob und mit wem man einen Vertrag schließt
Grenzen: Kontrahierungszwang
Bei gesetzlicher Anordnung (Strom, Gas, Personentransport)
Allgemein bei öffentl. Versorgungsaufgaben („lebenswichtige Güter")
Mittelbar durch AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 2006) wegen Schadensersatz für Diskriminierung
GESTALTUNGSFREIHEIT, INHALTSFREIHEIT
Freiheit, Rechtsgeschäfte mit beliebigem Inhalt zu schließen
Grenzen:Gesetzliches Verbot (§ 134), gute Sitten (§ 138)
FORMFREIHEIT
Freiheit, die Abschlussform eines Rechtsgeschäfts selbst zu bestimmen
Grenzen: Gesetzliche Formvorschriften (z. B. Schriftform oder notarielle Beurkundung; Gründe: insb. Übereilungsschutz, Beweissicherung)
RECHTSWAHLFREIHEIT
Freiheit, die auf ein Rechtsverhältnis anwendbare Rechtsordnung zu bestimmen
Grenzen: Reine Inlandsgeschäfte, Verbraucher- und Arbeit-nehmerschutz, Ordre Public (Art. 6 EGBGB)
Menschliches Verhalten (Schaubild)
Rechtsgeschäft
Mittel mit dem wir unsere Privatautonomie ausüben können; nach eigenem Willen frei gestalten
Das privatrechtliche Rechtsgestaltungsmittel
Tatbestand, der (u.a.) aus einer/mehreren Willenserklärung/en besteht
Wird als Grund für den Eintritt von Rechtsfolgen anerkannt (außer bei missbilligten Rechtsfolgen, z.B.: wucherischer Kaufvertrag)
Abstraktum, tritt in der freien Wildbahn" nur in Gestalt konkreterer Geschäftstypen (z.B. Kauf, Miete, Kündigung, Testament) auf.
Auf dem typus Schenkungsvertrag entsteht dann ein konkretes Rechtsgeschäft
Willenserklärung (Definiton)
Private Willensäußerung (äußeres Tatbestandselement)
Auf Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet
(deshalb keine Willenserklärungen: Gratulation zum Geburtstag; Vereinbarung eines Rendezvous)
Kundgabezweck
Innerer Wille
Handlungswille (erforderlich)
Erklärungsbewusstsein (BGH: Erkennenkönnen bei Anwendung gehöriger Sorgfalt genügt)
Geschäftswille (nicht erforderlich)
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Wird nach außen manifestiert und geäußert
!!! muss auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet sein, setzt voraus, dass bestimmte Rechtsfolgen eintreten
Nicht jede Äußerung eines Wunsches oder Willens ist eine Willenserklärung im Rechtssinn
Willenserklärung (Schaubild,Verhalten)
Die Willenserklärung muss mit dem inneren Willen übereinstimmen, wenn man es geäußert hat
Handlungswille => Verhalten, das vom Bewusstsein beherrscht wird; handeln vom Willen beeinflusst
Der Handlungswille muss gegeben sein, sonst liegt keine gültige Willenserklärung vor
Erklärungsbewusstsein => Bedeutung des Rechtsgeschäfts ist bekannt; oder auch: Erklärungsfahrlässigkeit (genügt auch seit neuem Urteil des BGH) => hätte man erkennen können müssen etc.
Geschäftswille => bewusst, dass ein bestimmtes Rechtsgeschäft geschaffen wird
Arten der Willenserklärung
AUSDRÜCKLICHE (DIREKTE, UNMITTELBARE) WE
Der Geschäftswille kommt unmittelbar in der Erklärung zum Ausdruck
KONKLUDENTE (STILLSCHWEIGENDE, INDIREKTE, MITTELBARE) WE
Aus dem sonstigen Verhalten des Erklärenden ist auf den Geschäftswillen zu schließen („protestatio facto contraria“ wirkt nach h.M. nicht)
Abgrenzung: Bloßes Schweigen ist regelm. Keine Willenserklärung
Ausnahme:
Vertragliche Vereinbarung (aber: § 308 Nr. 5!)
Gesetzliche Regelung (z.B. wenn der Schweigende nach Treu und Glauben zu einer Erklärung verpflichtet war, wie etwa der „Geschäftsbesorgungskaufmann“ gem. § 362 HGB)
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EMPFANGSBEDÜRFTIGE
An eine andere Person (Erklärungsempfänger) gerichtet
Diese muss sich auf die durch die Erklärung geschaffene Rechtslage einstellen können (z.B. Kündigungserklärung, Vertragsangebot, Annahmeerklärung)
NICHT EMPFANGSBEDÜRFTIGE (an die Allgemeinheit gerichtet)
Nicht an eine andere Person gerichtet
Es gibt niemanden, der sich auf die Rechtslage einstellen müsste (z.B. Testament)
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ABGRENZUNG
Geschäftsähnliche Handlungen
Äußerungen oder Mitteilungen, an die die Rechtsordnung unabhängig vom Willen des Äußernden Rechtsfolgen knüpft (z.B. Mahnung: § 286; Mängelrüge § 377 HGB)
Realakte
Rechtsordnung knüpft Rechtsfolgen unmittelbar an Handlung (z.B. Verarbeitung fremder Sachen; Schatzfund; Schöpfung eines Werkes)
Schaubild Einteilung
Arten von Rechtsgeschäften
Einseitig <-> mehrseitig
-> Einseitiges Rechtsgeschäft: Enthält die Willenserklärung einer Person (z.B: Kündigungserklärung, Testamentserrichtung)
-> Mehrseitiges Rechtsgeschäft: Enthält die Willenserklärungen zweier oder mehrerer Personen
Verträge: Übereinstimmende, wechselseitige Willenserklärung mindestens zweier Personen
Gesamtakte: Übereinstimmende, gleich gerichtete Willenserklärungen mindestens zweier Personen (z.B. Beschlussfassung durch die Vereinsmitglieder in der Hauptversammlung zur Satzungsänderung)
Beschlüsse: Gleich gerichtete Willenserklärungen mehrerer Personen in Personen-vereinigungen
Entgeltlich <-> unentgeltlich
=> Entgeltliches Rechtsgeschäft:
Austauschverhältnis: Leistung gegen Gegenleistung (in der Praxis am wichtigsten der synallagmatische Vertrag = Synallagma = gegenseitiger Vertrag, z.B.: Kaufvertrag)
=> Unentgeltliches Rechtsgeschäft:
Kein Austauschverhältnis: Leistung ohne Anspruch auf Gegenleistung (z. B.: Schenkung[1])
[1] = Vertrag
Verpflichtungsgeschäft <-> Verfügungsgeschäft
(„Trennungsprinzip“-> in den meisten Rechtsordnungen)
=> Verpflichtungsgeschäft
Durch dieses Geschäft verpflichten sich die Parteien zu einem bestimmten Verhalten (insb. schuldrechtliche Rechtsgeschäfte wie z. B. der Kaufvertrag); an der Rechtslage hinsichtlich des betroffenen Rechtsobjekts ändert sich dadurch unmittelbar noch nichts (Beispiel: Doppelverkauf); keine unmittelbare Verminderung der Aktiva, sondern Vermehrung der Passiva; Verfügungsmacht nicht erforderlich (§ 433)
=> Verfügungsgeschäft
Durch dieses Geschäft wird unmittelbar auf ein bestehendes Recht eingewirkt (Ubertragung, Belastung, Anderung, Aufhebung) (insb. sachenrechtliche Rechtsgeschäfte wie z. B. die Eigentumsübertragung [§§ 929 ff. für bewegliche Sachen, §§ 873, 925 für Grundstücke]; aber auch: die Forderungsabtretung); Verfügungsmacht erforderlich
Kausal <-> abstrakt
„Causa“ = Rechtsgrund einer Zuwendung
- Donandi (unentgeltliche Zuwendung)
- Credendi (Zuwendung soll verpflichten)
- Solvendi (Zuwendung soll von Schuld befreien)
=> Kausales Rechtsgeschäft
Rechtsgrund der Vermögensverschiebung bildet Inhalt des Rechtsgeschäfts (insb. Verpflichtungsgeschäfte wie z.B. Kauf, Schenkung, Miete, Pacht)
=> Abstraktes Rechtsgeschäft
Vom Rechtsgrund der Zuwendung losgelöst (insb. Verfügungsgeschäfte wie
z. B. Einigung und Übergabe bzw. Eintragung in das Grundbuch; aber auch das konstitutive Schuldversprechen, das konstitutive Schuldanerkenntnis, die Schuldverschreibung auf den Inhaber sowie der Wechsel und der Scheck)
Trennungsprinzip
Abstraktionsprinzip
Eigentumserwerb in europäischen Staaten
Auslegung des Rechtsgeschäft:
einfache (erläuternde) Auslegung
Ziel: Ermittlung des hinter der Erklärung stehenden Geschäftswillens (Beispiel: „Dollar": US-$, CAN-$, AUS-$?)
Ausgangspunkt: Die Erklärung; aber kein Haften am buchstäblichen Sinn [§ 133 lesen!
Mitberücksichtigung aller (auch außerhalb der Erklärung liegenden) Umstände
Dient auch zur Klärung der Frage, ob überhaupt eine Willenserklärung bzw. ein Vertrag vorliegt.
Auslegungsmethoden des Rechtsgeschäfts
Natürliche Auslegung
erforscht den Willen des Erklärenden (§ 133) (nach h.M. insb. bei einseitigen Rechtsgeschäften relevant, hier wiederum insb. bei nicht empfangsbedürftigen WE, z.B. beim Testament; Korrektur durch Andeutungstheorie")
Normative Auslegung
stellt auf Interessen des Erklärungsempfängers ab [§ 157] und ermittelt (nach h.M. insb. bei Verträgen; Korrektur z.B. durch „falsa demonstratio"-Regel) den „normativen" Willen
Grundsätzlich Auslegung nach dem „Empfängerhorizont" und damit Schutz des Erklärungsempfängers; Erklärender kann Erklärung evtl. durch Anfechtung beseitigen.
Ausnahmsweise kein Schutz des Erklärungsempfängers, wenn
dieser nicht schutz bedürftig ist (erkennt trotz abweichender Erklärung, was tatsächlich gewollt ist; aber auch falsche Bezeichnung, die von beiden im gewollten Sinn verstanden wird - „falsa demonstratio non nocet") oder
nicht schutzwürdig ist (hätte bei zumutbarer Sorgfalt erkennen können, was mit der Erklärung gewollt war).
Ergänzende Auslegung
(Beachte: Entspricht funktional der Analogie bei Gesetzeslücken)
Ergänzung des lückenhaften Rechtsgeschäfts
Falls vertragsergänzende Funktion des dispositiven Gesetzesrechts («Konfektionsware") im Einzelfall nicht passt oder dispositive Regeln nicht existieren
Erforschung der Motive und Umstände, die zum Geschäftswillen geführt haben
Richter hat zu ermitteln, was beide Parteien gewollt hätten, wenn sie den nicht bedachten Umstand berücksichtigt und hierbei die Gebote von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte bedacht hätten = Ermittlung des „hypothetischen Parteiwillens" („Was hätten die Parteien bei Kenntnis der Lücke vernünftigerweise vereinbart?") Genau genommen löst man sich damit vom Willen der konkreten Parteien und sucht nach einem objektiven Verständnis der vertraglichen Regelung.
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Bei Rechtsgeschäften: Mit der erklärenden Auslegung zum Ziel komme
Bei Verträgen: durch Lücken zum Ziel kommen
Im Vertrag gibt es Lücken, deshalb: ergänzende Auslegung
Abgabe und Zugang der WE
Problem: Wann wird eine Willenserklärung wirksam? (Anders gefragt: Auf wessen Gefahr „reist" sie?)
Abgabe der Willenserklärung
o Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen genügt deren „Entäußerung". (Damit werden sie bereits wirksam.)
o Empfangsbedürftige Willenserklärungen müssen vom Erklärenden zunächst in Richtung auf den Empfänger „in Bewegung gesetzt" werden. (Für die Wirksamkeit bedarf es überdies des Zugangs.)
Mündliche Erklärung
· unter Anwesenden: muss verstehbar abgegeben werden
· unter Abwesenden: Gegenüber einem Boten möglich
Schriftliche Erklärung
· Unter Anwesenden: muss überreicht werden
· Unter Abwesenden: Muss in Richtung auf den Empfänger auf den Weg gebracht werden
Für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften des Erklärenden kommt es auf den Zeitpunkt der Abgabe (nicht des Zugangs) an (§ 130 Abs. 2)
Empfangsbedürftig: Ausnahme, an die Allgemeinheit gerichtet
Nicht Empfangsbedürftig: wenn es unmittelbar um die Rechte und Pflichten geht, an bestimmte Adressaten gerichtet, muss sich in der Außenwelt manifestieren
Zugang der empfangsbedürftigen WE
Gegenüber einem Abwesenden
Die Willenserklärung wird mit dem Zugang wirksam [§ 130 Abs 1 Nr. 11.
Die Erklärung muss so in den Machtbereich des Empfängers eintreten, dass
er Kenntnisnehmen kann
und
unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann (also nicht „zur Unzeit“)
Anmerkung: gilt auch für E-Mail
Zugang über Mittelpersonen
Empfangsvertreter (mit Empfangsvollmacht ausgestattet)
Empfangsbote (jemand, der als geeignet und ermächtigt anzusehen ist)
Erklärungsbote (alle anderen Fälle; hier reist die Erklärung bis zum Zugang weiter auf Gefahr des Erklärenden)
Trotz Zugangs wird die Willenserklärung nicht wirksam, wenn dem Empfänger vor oder gleichzeitig mit ihrem Zugang ein Widerruf zugeht
Gegenüber einem Anwesenden
Bei schriftlicher Erklärung: Regelmäßig mit der Übergabe an den Empfänger
Bei mündlicher Erklärung: Laut h.M. „Vernehmungstheorie“
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