Sinnesphysiologie und Wahrnehmungspsychologie
Über die Sinnessysteme erhält das Gehirn Informationen über die Umwelt
Wahrnehmung ≠ Wirklichkeit
Wahrnehmung = Interpretation der Wirklichkeit durch das Gehirn, basierend auf der Information, die durch die Sinnessysteme zur Verfügung gestellt wird (können keine Magnetfelder wahrnehmen, Wahrnehmung z.B. beschränkt auf Felder wo keine Magnetfelder dabei sind)
Vorverarbeitung und Filtern von Information findet häufig schon sehr früh statt
Beispiel: Laterale Inhibition (-> Kontrastverstärkung) bereits auf Ebene der Netzhaut (Retina)
-> Sinnesphysiologie wichtig: einziger Zugang zu dem, was wir zur Außenwelt haben
Psychophysik und Objektive/subjektive Sinnesphysiologie
Nicht- linerae Repräsentationen sind in der Psychologie in vielen Bereichen verbreitet (z.B. Zeritwahrnehmung)
Weber Fechner Gesetzt, Steven’s Potenzgesetz
Ziel von Sinnessystem: einen physikalischen Reiz umwandeln in Signal, mit dem Neuronen arbeiten können
Reiz tritt ein und wird über Sinneskanal weiter verarbeitet
besteht aus reizaufnehmenden, reizleitenden und reizverarbeitenden Strukturen
für unterschiedlichen Sinnesmodalitäten existieren spezifisch ausgebildete Sinneskanäle
Visuelles System: werden Submodalitäten Farbe, Form und Helligkeit verarbeitet
Informationen, die über die SInneskanäle in unser Bewusstsein gelangt, ist neurophysiologische Basis der Empfindung
Durch Zuflüsse von anderen Kortexarealen und Informationen aus den Sinneskanälen wird gesamte Reizsituation Repräsentiert -> Wahrnehmung
Primäre vs. sekundäre Sinneszelle
Habe 2 Möglichkeiten welchen Output Sinneszelle generiert
Primäre Sinneszelle
Zelle produziert/feuert selbst Aktionspotential (direkter Output)
z.B. Olfaktorische Sinneszellen
sekundäre Sinneszelle
Kann Rezeptorpotential generieren aber nicht selbst AP feuern
beeinflussen nur nachgeschaltete primäre sensorische Neuronen, die dann AP generieren (Photorezeptoren, auditorische Sinneszelle)
Licht & Auge
Das für uns sichtbare Licht besteht nur aus einem sehr kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum der elektromagnetsichen Wellen
Punkt den ich fokussiere fällt auf Fovea (gelbe Fleck der Retina) -> räumliche Auflösung hier besonders gut)
gibt eine Stelle an der die Axone der Zellen der Retina das Auge verlassen (Sehnerv tritt aus dem Auge raus in Richtung Gehirn -> Papille/blinder Fleck -> Signale werden weitergeleitet -> Blinde Fleck)
Sehnerv = Bündel von Axone -> leitet Ergebnis der Verarbeitung des visuellen Signals/ die Berechnung an das Gehirn
Optische Leistungen des Auges
Akkomodation
Einstellung der Brechkraft der Linse
Entspannte Linse -> Ferneinstellung
Bei näheren Objekten -> verstärkte Krümmung der Linse
Regulation des Lichteinfalls
Pupillen passen sich reflektorisch der Lichtdichte an
Sympathikus Wirkung
Pupillenerweiterung
Parasympathikus Wirkung
Pupillenverengung
Akkomodation (Naheinstellung)
DIe Netzhaut
Elemente der Netzhaut und ihre Verschaltung
Organisation der Retina in 5 Zellschichten
Horizontalzellen = Verbindungen nach links und rechts -> für laterale Inhibition zuständig
Amakrinzellen: Verbindungen zu Ganglienzellen
Ganglienzellen: Axone der Ganglienzellen bilden Sehnerv
-> Signalweiterleitung über Sehnerv ins Gehirn
Stäbchen & Zapfen
Stäbchen & Zapfen = sekundäre Sinneszellen
Stäbchen
ca. 120 Millionen Stäbchen
Reizverarbeitung bei schwachen Lichteinfall (skotopisches Sehen, Dämmersehen)
Befinden ich in der Peripherie der Retina
Farbunempfindlich
Das Stäbchensystem wird während des phototopischen Sehens (Tagessehen) aktiv gehemmt
dopaminerge Amakrinzellen -> Interneurone, die von den Zapfen erregt werden und hemmend auf Stöbchensystem wirken
Pigment der Stäbchen: Rhodopsin
Zapfen
ca. 6 Millionen
Reizverarbeitung bei normalen Tageslicht (phototopisches Sehen, Tagessehen)
Befinden sich primär im Bereich der Fovea (Punkt des schärften Sehens)
Farbempfindlich
Photopigment: versch. Zapfenopsine
Sensorische Transduktion im visuellen System
ähnlicher Prozess wie bei metabotropen Rezeptoren
Photopigment in Stäbchen/Zapfenmembran wird durch Lichteinfall aktiviert -> aktiviert G-Protein
G-Protein aktiviert Effektorenzym -> Second Messenger cGMP wird heruntergefahren
reduziert Na+ Ioneneinstrom
Unterschied zu metabotropen Rezeptor:
Stimulustransmitter statt Licht
verstärkt 2nd Messenger statt Reduktion
verstärkt/ reduziert Ionenkanalöffnung statt Schließung
Na+ Reduktion
Phototransduktion am Bsp. der Stäbchen
Bei Dunkelheit:
Na+ und Ca2+ Kanäle werden durch cGMP (second Messenger) offengehalten
Photorezeptoren sind depolarisiert (-30mV)
Bei Lichteinfall:
In Stäbchen ist das Photopigment Rhodopsin
durch lichteinfall verändert sich Struktur der Retina -> dadaurch wird G Protein aktiviert
Phosphodiesterase wird aktiviert -> cGMP wird abgebaut
Ca2+ und N+ Kanäle schließen sich -> Zelle hyperpolarisiert
Phototransduktion Zapfen
Übersetzung in sensorisches Signal bei Zapfen ähnlich
Statt Rhodopsin haben Zapfen verschiedene andere sog. Zapfenopsine (sensitiv für rot, grün, blau)
Bipolarzellen
verbinden die Photorezeptoren (Stäbchen & Zapfen) mit den Ganglienzellen
On/Off Bipolarzellen
führen zu Kontrastverschärfung
On Bipolarzellen
werden aktiviert wenn Licht ins Zentrum fällt
haben inhibitorische metabotrope Glutamatrezeptoren
Bei Lichteinfall hyperpolarisiert der Photorezeptor und es wird weniger Glutamat ausgeschüttet
Die Zelle wird in Folge weniger gehmmt, also aktiviert
-> müssen weniger gehemmt werden
Off Bipolarzellen
werden bei reduziertem Lichteinfall aktiviert
besitzen exzitatorische ionotrope Glutamatrezeptoren
bei weniger Lichteinfall depolarisiert Photorezeptor
es wird mehr Glutamat ausgeschüttet
-> müssen mehr aktiviert werden
Rezeptive Felder
Im visuellen System:
Ein rezeptives Feld ist ein Teil der Retina, der ein nachgeschaltetes Neuron beeinflusst
Rezeptive Felder (RF) der Ganglienzellen besonders relevant, weil diese die Netzhautsignale Richtung Gehirn senden -> Axone der Ganglienzellen bilden Sehnerv
RF unterscheiden sich je nach Lokalisation auf der Retina:
Ganglienzellen im Bereich der Fovea: kleine rezeptive Felder -> hohe räumliche Auflösung (gutes Detailsehen); hauptsächlich Zapfen
Ganglienzellen in Peripherie: besitzen größere bis sehr große rezeptive Felder -> geringere räumliche Auflösung (schlechtes Detailsehen); Stäbchen
Ganglienzellen mit On-Zentrum
gibt die Erregnung des Zentrums ihres RF durch Lichteinfall als verstärktest Signal weiter
Ganglienzellen mit Off Zentrum
wenn Licht in Umfeld und nicht ins Zentrum der Off-Zentrum-Ganglienzelle fällt feuert sie stärker
laterale Hemmung -> Horizontalzellen sind dran beteiligt
Allgemein
Bei Beleuchtung des gesamtes RF (Zentrum + Umfeld) kommt es zu einem schwächeren Signal
Farbsinnstörungen
Dichromasie: partielle Farbsinnstörung, einer der drei Rezeptortypen (rot, grün, blau) fällt aus -> Schädigung in Zapfen
Trichromasie: Farbschwäche, meist rot/grün, Ursache: genetisch bedingte Veränderung der Sensitivität der rot/grün Zapfen
Achromasie: reines Stäbchensehen, deshalb mit stark reduzierter Sehschärfe verbunden
Cerebrale Achromatopsie: Farbsinnstörung aufgrund einer Schädigung von Areal V4 (zuständig für Farbverarbeitung) -> hier ist das Zapfensystem auf Ebene der Netzhaut vollkommen intakt
3 Typen von Ganglienzellen
Magnozellulärer Typ (M-Zellen):
Große rezeptive Felder
Input über Bipolarzellen von Stäbchen -> Farbunempfindlich
Bewegungssensitiv -> Wahrscheinlich wichtig dafür
Parvozellulärer Typ (P-Zellen):
Kleine Rezeptive Felder
Input über Bipolarzellen von Zapfen (im Zentrum der Retina) -> Farbsensitiv
„Form“? -> wichtig für hochaufgelöste Formwahrnehmung
Koniozellulärer Typ (K-Zellen):
Input über Bipolarzellen insb. von Blauzapfen -> Farbsensitiv
„Farbe“? (bilden einen Aspekt der Farbwahrnehmung ab)
Parallele Verarbeitung im visuellen System
Spezialisierung in versch. Informationsebenen schon auf retinaler Ebene -> Basis für die parallele Verarbeitung
über Retina wird Information gekreuzt über den LGN/CGL im Thalamus an den V1 weitergeleitet
nur 5-20% von dem was im V1 ankommt ist externe Projektion (von Netzhaut)
überwiegende Teil kommt aus anderen Regionen -> Rückschleifen/Rückprojektion und Erwartungen (top) Down Prozesse
die Nervenzellen, die sich vom CGL bis zum V1 ziehen heißen optische Radiation
Prozesse nach der Retina: CGL
Lateraler Kniehöcker des Thalamus (Corpus geniculatum laterale, CGL) Englisch: lateral geniculate nucleus (LGN)
Projektionen vom linken und rechten Auge werden in seperaten Schichten des CGL geleitet
CGL ist retinotop Organisiert
Information von verschiedenen retinalen Ganglienzellen (M/P/K) wird in separaten Schichten verarbeitet.
Diese Signale werden auch im visuellen Kortex in seperaten Pfaden weiterverarbeitet
Retinotopie
Nebeneinanderliegende Neurone repräsentieren nebeneinanderliegende Bereiche der Retina!
Retina, CGL, V1
Verzerrung: Bereiche der Fovea sind im Gegensatz zur Peripherie überrepräsentiert
CGL Eingänge
• Nur 5-20% der Eingänge des CGL stammen
von der Retina!
• Das heißt: bis zu 95% der Eingänge des CGL kommen uA vom
visuellen Kortex und optischen Tectum
Visueller Kortex
Primärer visueller Kortex (V1 )
wird auch Area striata genannt
Kortikale Blindheit
Läsionen des primären visuellen Kortex führen zu kortikaler Blindheit. Welcher Teil des Gesichtsfeldes betroffen ist hängt von der Lokalisation der Schädigung ab.
Blindsight
Patienten mit kortikaler Blindheit (z.B. Hemianopsie) können teilweise noch auf visuelle Reize im gestörten visuellen Feld reagieren, obwohl sie dort keinerlei bewusste visuelle Wahrnehmung mehr haben.
Woran könnte das liegen?
Mögliche Ursachen:
Direkte Projektionen von CGL (Thalamus) in höhere visuelle
Areale (V1 wird sozusagen „umgangen“) -> z.B. direkte Weiterleitung an V2
Reizverarbeitung in subkortikalen Bereichen (z.B. Colliculi
Superiores) (Erinnerung: das optische Tectum erhält eigene Eingänge vom optischen Trakt!)
Simple Cells im V1
Einfache Zellen (simple Cells) im V1 sind orientierungssensitiv -> Kantendetektierung
Feuerrate ist maximal, wenn ein Balken von bestimmter Ausrichtung ins rezeptive Feld der Zelle fällt (je nach Orientierung/Ausrichtung des Balkens anderes Signal)
können durch die Kombination der Eingänge mehrerer CGL-Center-Surrounder-Zellen entstehen (On/Off Zellen)
Allgemein:
V1 = Bewegungssensitiv/Kantendetektion
V2 = Gestalt & Kontur
V3 = Gestalt bewegter Objekte
V4 = Farbe
V5 = Bewegung
Okuläre Dominanzsäulen in V1, Säulenstruktur
Streifenmuster
Okulär
in den Säulen gelegenen Zellen werden bevorzugt entweder vom rechten oder vom linken Auge aktiviert (von beiden Augen erregbar, aber in untersch. Stärke)
bei Zelle herrscht also okuläre Dominanz
Okulären Dominanzsäulen vom rechten bzw. linken Auge sind im V1 abwechselnd angeordnet
Ventraler und Dorsaler Pfad
Informationen aus dem V1 werden über doralen Pfad (Wo-Pfad, räumliche Information, Bewegung, V5) und ventralen Pfad (Was-Pfad, V4 Farbareal, Objektinformation) weitergeleitet
Im ventralen Pfad im Bereich des Temporalkortex gibt es Zellen, die nur dann feuern, wenn ein ganz bestimmtes objekt (Gesicht, Hand usw.) auftaucht. -> Grandmother Cells -> hochspezifische Rezantworten z.B. auf das Gesicht der Großmutter
Störung des ventralen Pfades:
Störung der Objekterkennung/ Agnosie
Störungen des dorsalen Pfades
Störung der Bewegungswahrnehmung
Patienten sehen nur noch statische Bilder
Zuletzt geändertvor 10 Monaten