Max Weber: Der deskriptive Politikbegriff
„Politik bedeutet das Streben nach Machtanteil/Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten oder sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt“
Wer Politik treibt, erstrebt Macht: entweder als Mittel im Dienst anderer Ziele oder Macht um ihrer selbst willen (Prestige etc.)
Dolf Sternberg: Der normative Politikbegriff
„Der Gegenstand und das Ziel der Politik ist der Friede, der Friede ist die politische Kategorie schlechthin“
Protagoras (490 - 411 v. Chr.)
Setzt sich als einer der ersten theoretisch mit der Politik auseinander —>, z.B.: homo-mensura-Satz
Erste systematische „demokratische Theorie“: 1) Befähigung zur öffentlichen Beratung ist allen gegeben 2) pol. Tugend kann erlernt werden
Platon (427 - 347 v. Chr.)
War Schüler des Sokrates
War Gegner des Protagoras und Gegner der Demokratie
Die 3 Stände nach Platon: 1) Die regierenden Philosophen: Repräsentieren die Weisheit und Intelligenz des Staates 2) Die Wächter: Repräsentieren die Krieger- oder Verteidigerklasse und 3) Die Produzenten: Umfasst die breite Masse der Bürger
Die zwei guten Formen der Verfassung nach Platon: 1) Königtum und 2) Aristokratie
Die vier schlechten Formen der Verfassung (in Rangordnung absteigend): 1) Timokratie (Herrschaft der Wächter) 2) Oligarchie (Herrschaft des Geldadels) 3) Demokratie (Herrschaft des Volkes —> führt zu Anarchie) und 4) Tyrannis
Aristoteles (384 - 322 v. Chr.)
War Schüler des Platon
Kritiker an der übertriebenen Vorstellung politischer-sozialer Einheit wie bei Platon
Ziel von Ethik & Politik: Auf das Glück (eudaimonia) gerichtete Orientierung im Handeln
Wichtige Elemente: Volksherrschaft, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, politische Teilhabe und Schutz vor Pöbelherrschaft
Stichwort: Starker Mittelstand
Polybios (200 - 120 v. Chr.)
Annahme nach Polybios: Ideale Verfassung ist die Kombination der drei guten Verfassungsformen —> Der Verfassungskreislauf
Die 3 guten Staatsformen: 1) Monarchie 2) Aristokratie und 3) Demokratie
Niccolo Machiavelli (1469 - 1528)
Wichtigste Merkmale der politischen Theorie nach Machiavelli:
Loslösung von der Macht der Kirche & transzendenten Machtbegründung
Autonomie der Politik
Konflikte und Spannungen zwischen den sozialen Schichten sind notwendig —> Fördern das vorantreiben von Gesetzen/Veränderungen
Tendenz zu einer „demokratischen Republik“ —> Fähigkeit des Volkes zur Selbstregierung
Das Volk ist ebenso in der Lage zu regierem, wie ein Monarch
Thomas Morus (1478 - 1535)
Die größten „Fehler“ der Gesellschaft nach Morus: 1) Privateigentum und deren 2) ungleiche Besitzverhältnisse
Verbot von öffentlichen Debatten außerhalb des Senats/Volksversammlung, da Konfliktgefahr
System nach Morus hätte freie Wahlen von Vorstehern durch das allgemeine Volk
Etienne de la Boetie (1530 – 1563)
Spricht von der freiwilligen Knechtschaft eines Großteils der Bevölkerung
Gründe für die freiwillige Knechtschaft
1. Gewöhnung
2. Versklavung führt zu Mutlosigkeit: kein Mut zur Freiheit
3. Verdummung/Korruption: durch Vergnügung/Betäubungsmittel
Lösung: Ziviler Ungehorsam
Thomas Hobbes (1588 – 1679) (Die “royalistische Option)
Grundannahme: Die Menschen sind von Natur aus schlecht und in ständigem Kampf/Konkurrenz miteinander —> Individualismus
Gesellschaftsvertrag nach Hobbes: Sicherung der individuellen Freiheit eines jeden, durch Übertragung ihrer gesamten Macht/Stärke auf einen Menschen/Regierung, die ihren Willen durch Stimmenmehrheit auf einen einzigen Willen festlegen
Kein Widerstandsrecht der Bevölkerung gegen die Maßnahmen der gewählten Regierung
Unterschied zu Machiavelli: Verschwinden des politischen Handlungsraums
James Harrington (1611 – 1677)
Setzt Machiavellis Linie eines demokratischen Republikanismus fort —> Volk ist für die Regierung weiser/geeigneter als ein Monarch
Prinzipien: 1) Repräsentation, durch gewählte Vertreter 2) Ämterrotation 3) Politische Macht beruht auf Landeigentum
John Locke (1632 – 1704)
Grund für die Staatenbildung: Sicherung und Erhalt des Eigentums, welches im Naturzustand nicht gesichert ist —> Eigentümer schließen also einen Gesellschaftsvertrag ab
Vorschlag Lockes: „Gemäßigte Monarchie“ mit Legislative, Exekutive und Föderative (nach außen) / Wichtig: keine unabhängige Judikative
Höchste Gewalt: Legislative (Bestehend aus Oberhaus (Adel) + Unterhaus (Bürger)
Fazit: Gleichheit vor dem Recht + Widerstandsrecht + Schutz von Eigentum aber Festhalten an einer „mixed monarchy“ mit „Gewaltenteilung“
Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1787)
Ursprünglicher Naturzustand im Gegensatz zu Hobbes: Menschen sind nicht von Grund auf schlecht, sondern gut, gleich, friedlich
Begin der Probleme: Zeitalter der Nahrungsknappheit, Sesshaftigkeit, des Privateigentum und Arbeitsteilung
Lösung: 1) Vertrag aller mit allen 2) Legislative Gewalt muss beim Volk liegen —> Volkssouveränität
Merkmale der Volkssouveränität: 1) Befugnis für Versammlungen 2) Gesetzgebende Macht 3) Gemeinwille steht über dem Einzelwillen
Benjamin Constant (1767 - 1830)
Vater des Liberalismus
Freiheit des Individuums
Trennung von Privat- und öffentlichem Leben
Begrenzte Regierungsgewalt
Recht auf Widerstand
Liberaler Rechtsstaat
Edmund Burke (1729 – 1779)
Vater des Konservatismus
Gegen den Rationalismus der Aufklärung —> stattdessen: Verteidigung der Religion
Gegen die Sozialvertragslehren
Gegen die Gleichheitsvorstellungen —> stattdessen: natürliche Hierarchien (von Gott)
Gegen die Idee der Menschenrechte
Gegen die Idee der Volkssouveränität —> stattdessen: monarchisches Prinzip
Arnold Ruge und Co.
Vertreter des Radikalismus im deutschen Vormärz
Ansichten “der Radikalen”:
1) Allgemeines Wahlrecht auf allen körperschaftlichen Ebenen
2) Republik als Staatsform (keine konstitutionelle Monarchie)
3) Soziale Rechte
4) Nationalisierung von Schlüsselindustrien (nicht aber Gütergemeinschaft)
5) Recht auf öffentlich finanzierte Schulbildung
6) Wahl von Richtern und Beamten
„Gracchus“ Babeuf (1769-1797)
Einer der Vordenker des Sozialismus —> Sozialismus als Radikalisierung des Gleichheits- und Solidaritätsprinzips der demokratischen Revolution
1) Er kritisierte die soziale Ungerechtigkeit und die ungleiche Verteilung von Reichtum während der revolutionären Periode
2) Kollektives Eigentum und Umverteilung von Reichtum: Fordert die Abschaffung des privaten Eigentums und die Umverteilung von Reichtum
3) Sozialistische Gesellschaftsordnung: Alle Menschen brauchen die gleichen Möglichkeiten und Zugang zu Ressourcen
4) Revolution und Widerstand: radikale Revolution sei notwendig
Claude Lefort (1924-2010)
Vertreter der “demokratischen Revolution”
Originäre Teilung der Gesellschaft: Jede demokratische Gesellschaft ist offen und unbestimmt, ohne klare Hierarchien oder vordefinierte soziale Rollen —> die Gesellschaft hat keine festen Grundlagen und ist ständig in Bewegung
Macht als symbolische (Selbst-)Repräsentation der Gesellschaft durch Selbst-Abspaltung: Die Macht einer Demokratie ist nicht einfach in Institutionen oder Führern zentriert, sondern sie entsteht durch die aktive Teilnahme der Bürger
Inszenierung: Stetige Neudefinition und Symbolisierung der Macht durch die Bürger einer demokratischen Gesellschaft
Joseph A. Schumpeter (1883-1950)
Durch Wahlen: Abtreten der politischen Macht und dadurch keine ständige Beteiligung der Bürger (findet er gut)
Idee der "schöpferischen Zerstörung": In einer Demokratie wird der politische Prozess durch den Wettbewerb zwischen verschiedenen politischen Ideen und Programmen geprägt —> neue Ideen können die bestehende Ordnung herausfordern und verändern
Anthony Downs (1930 - 2021)
Fortsetzung der Theorien nach J. A. Schumpeter
Konsumenten wie „Anbieter“ verhalten sich rational kalkulierend —> nutzenmaximierend (übertragen auf Demokratien: stimmenmaximierend)
Sieht politische Prozesse und Akteure wie eine Marktwirtschaft an
Sieht keine Gemeinwohlorientierung, sondern egoistische „Profitorientierung“
Carol Pateman (*1940)
Forderungen der „contemporary theory of democracy“:
Aktivere politische Beteiligung aller Bürger einer Demokratie —> keine „passiven Zuschauer“ —> Recht auf direkte politische Teilhabe abseits von Wahlen
Ausweitung der demokratischen Idee auf alle Teilbereiche des Lebens —> keine Trennung von öffentlichem und privatem Bereich
C. B. Macpherson (1911-1987)
Fordert Mischform aus repräsentativer und radikaler Demokratie:
Bedingung: Abbau der sozialen und ökonomischen Ungleichheiten
Kritik am aktuellen demokratischen System: Ist quasi ein Oligopol, dessen (wenige) Anbieter das Nachfrageverhalten steuert
Zwei Vorschläge für neues demokratisches Modell nach Macpherson:
1. Modell: Pyramidenförmiges Rätemodell: Direkte Demokratie an der Basis, Delegationsprinzip (imperatives Mandat) auf höheren Ebenen bis hinauf zum nationalen Rat
2. Modell: Kombination von 1. mit System konkurrierender Parteien
Benjamin Barber (1939-2017)
Starke Demokratie: Regierungsform, in der alle sich zumindest zeitweise in einigen öffentlichen Angelegenheiten selbst regieren
Partizipation und Gemeinschaft als Teil der Aktivbürgerschaft —> Losverfahren auf lokaler Ebene
Allgemeiner 1-2 jähriger „Bürgerdienst“ (Präsenz- oder Zivildienst) + plus: nationale Referenden und Volksinitiativen (Vorbild: Schweiz)
Ernesto Laclau (1935-2014) und Chantal Mouffe (*1943)
Vertreter der radikalen Demokratietheorie
Ausweitung und Vertiefung der demokratischen Prinzipien von Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Volkssouveränität
Anerkennung von Pluralismus —> Demokratie sollte ständig hinterfragt und erweitert werden, um Partizipation und Anerkennung zu fördern
Macht manifestiert sich in Diskursen —> Diskursanalytischer Ansatz
Förderung einer dynamischen, offenen und inklusiven Demokratie
Karl Marx (1818 - 1883)
“Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen”
Unterdrücker und Unterdrückter standen in stetem Gegensatz zueinander —> Kampf führte meist zu beider Untergang
Cambridge School der „Intellectual History“ (G.J.A. Pocock & Quentin Skinner)
„Viele als originell erscheinende Systeme basieren tatsächlich auf bereits vorhandenen Ideen, die lediglich neu arrangiert oder verarbeitet wurden“
Kritik an der Cambridge School: 1) Konzentration auf die großen Theoretiker “des Kanon” 2) Problem der Intentionalität und 3) Fehlende Berücksichtigung der Sozialgeschichte (“Big Picture”)
Kritik am “gegenwärtigen Kanon” nach Siep Stuurman:
Die Notwendigkeit, den Kanon zu erweitern
und verschiedene Stimmen und Traditionen einzubeziehen, die möglicherweise
marginalisiert oder ausgelassen wurden
Hauptprobleme:
1) bürgerlicher Klassencharakter
2) Androzentrismus (männliche Hegemonie)
3) Eurozentrismus
Cicero (106 - 43 v. Chr.)
Erster bedeutender Theoretiker des Privateigentums: Besitzverhältnisse müssen unantastbar sein —> sonst steht die Grundlage des Gemeinwesens in Frage
In der Politik bedarf es:
der Vorbereitung auf „Ausnahmesituationen“ im Staat
Dem Prinzip: „learning by doing“
Die antimonarchische Option nach John Milton, John Lillburn und Gerrard Winstanley
Fray Bartolome de las Casas (1474 – 1566)
Setzte sich im „Disput von Valladolid“ für die Rechte der Indigenen inLateinamerika ein, welche stark unterdrückt wurden
Legte den Grundstein für zukünftige Diskussionen über Menschenrechte und
Gerechtigkeit in Bezug auf die Kolonialisierung
Auguste Comte (1798 – 1857)
Begründer des Positivismus
Positivismus: Betonung empirischer Beobachtungen und wissenschaftlicher Methoden und Ablehunung spekulativer und metaphysische Überlegungen
3 Stadiengesetz: Theologisch/Fiktive Stadium < Metaphysische/Abstrakte Stadium < Positive/Wissenschaftliche Stadium
Max Horkheimer und Theodor Adorno
Begründer der “Frankfurter Schule”
Frankfurter Schule: Untersuchung kultureller, sozialer und psychologischer Aspekte der Gesellschaft, im Kontext der Massenkultur und der Entfremdung des Individuums in modernen Industriegesellschaften
Horkheimer kritisiert den Positivismus, welcher Sinnfragen und die Selbstreflexion außer Acht lässt
Kritisiert die aktuelle Wissenschaft, da: ahistorisch, verwertbarkeitsorientiert, arbeitsteilig und unter Ausblendung von Machtfragen
Die Rationalität der Vernunft gilt Horkheimer und Adorno als hochgradig ambivalent
Hannah Arendt (1906 - 1975)
Assoziative Politikbegriff: “Handeln, im Unterschied zum Denken und Herstellen, kann man nur mit der Hilfe der anderen und in der Welt”
Und Teil des eudämonistischen Politikbegriffs: “Acting is Fun!” —> vgl. US-Konstitution und Aristoteles
Scibius Africanus (235 - 183 v. Chr.)
Der Staat ist die Sache des Volkes —> es braucht eine planvolle Leitung —> Mischverfassung
Die drei guten Verfassungen (nach Polybios) sind alle defizitär: 1) Monarchie: zu wenig haben Anteil an der Staatenlenkung 2) Aristokratie: Die Menge hat kein Anteil an der Freiheit und 3) Demokratie: die Gleichheit ist das Element der Ungerechtigkeit
Pierre-Joseph Proudhon (1809 - 1865)
Gesellschaft muss durch kooperative Selbstverwaltung, ohne Privateigentum und ohne staatliche Autprität funktionieren
Robert Owen (1771 - 1858)
Vater der Genossenschaften
Für: 1) Verbesserung der Arbeitsbedingungen 2) Einführung von Bildungseinrichtungen für seine Mitarbeiter 3) Schaffung einer kooperativen Gemeinschaft
Charles Fourier (1772 - 1837)
Gesellschaftsvorstellung, die auf natürlichen, sozialen und menschlichen Neigungen basiert —> utopischer Sozialismus
Colin Crouch (*1944)
„Die Krise beseht gerade in der Tatsache, daß das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann”
“Aushöhlung der Demokratie durch Verlust realer Mitbestimmungsrechte”
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