Lied
Wie-Seite = formale Untergattungen
eine der wichtigsten Gedichtformen der deutschen Literatur
ausgeprägte Sangbarkeit, die über die gewöhnliche Musikalität eines „normalen" Gedichtes hinausreicht
Lieder im engeren Sinne sind lyrische Texte, die tatsächlich gesungen wurden oder zumindest gesungen werden könnten
In den meisten Fällen bestehen sie aus metrisch regulierten und gereimten Versen, die zu Strophen zusammengefügt sind
im ursprünglichen Volkslied und seinen künstlerischen Nachahmungen auch unreine Reime, Assonanzen oder unvollständige Reime
Sonderformen: Imitation der Sangbarkeit in „lyrischen Liedern“ -> Muster „echter“ Lieder, aber keine Melodie/ Vertonung vorhanden, Sangbarkeit wird nur behauptet -> „Genre des Gedichts, das sich formal in die Tradition der gesungenen Strophenlieder früherer Jahrhunderte stellt, aber nicht auf Gesang oder Musik bezogen bzw. angewiesen ist
Unterscheidung zw. Volkslied und Kunstlied (letzteres mit namentlich bekanntem Verfasser), geistliches und weltliches Lied usw.
Als moderne Formen des Liedes werden Chanson, Couplet, Schlager und Song verstanden
(Volks-)Liedvers
einfache Versform aus Volkslied, seinen Nachbildungen und Kirchenlied
alternierend mit drei oder vier Hebungen, gereimt (auch mit Assonanz), oft mit Kreuzreim
auftaktige und auftaktlose Verse, sowie männliche und weibliche Kadenzen (beides oft abwechselnd)
Sonett
Wurzeln liegen im italienischen Mittelalter, erster Höhepunkt im Werk des Renaissance-Dichters Petrarca
Einzige Gedichtform, die in der dt. Lyrik vom Barock bis hin zur Gegenwart (mit geringen Unterbrechungen) verwendet wurde
14 Verse, aufgeteilt in zwei Quartette und zwei Terzette -> Versgruppen statt Strophen, weil ungleiche Länge
Quartette sind meist im gleichen umarmenden Reim gereimt (a b b a – a b b a) -> dadurch wurde der von Petrarca verwendete Kreuzreim abgelöst. Reimung der Terzette ist freier, z.B. Schweifreim c c d – e e d, aber auch c d c - d c d, c d e - c d e (italien. Tradition) und c c d - e d e (frz. Tradition) kommen vor
Versgruppen sind im Barock oft durch Einrückung kenntlich gemacht und nicht durch Leerzeilen
Gewichtiger Einschnitt/ Antithetik zwischen den Quartetten und Terzetten, der häufig semantische Entsprechung findet: „Die Quartette stellen in These und Antithese die Themen des Gedichts auf; die Terzette führen diese Themen in konzentriertester Form durch und bringen die Gegensätze abschließend zur Synthese." (Metzler zitiert nach Burdorf) -> Antithetik auch innerhalb der beiden einzelnen Terzette und Quartette zueinander und innerhalb der einzelnen Verse
Sonderform englisches Sonett: drei kreuzgereimte Quartette ohne Reimwiederholung mit einem abschließenden Reimpaar (a b a b – c d c d – e f e f – g g), wird teilw. auch in der deutschen Literatur verwendet
Barocksonett nach franz. Vorbild verwendet als Versform häufig den Alexandriner
Alexandriner: Versform, bestehend aus 12 oder 13 Silben (je nach männlicher oder weiblicher Kadenz) mit Kolongrenze („Zäsur“) nach der sechsten Silbe.
Seit Opitz baut sich im Deutschen der Alexandriner aus sechs Jamben auf: v – v – v –|v – v – v – (v)
Ab 1800 in Fortführung der ital. Tradition auch Endecasillabo
Endecasillabo: Gereimter Elfsilbler mit weiblicher Kadenz. Im Deutschen jambisch reguliert (z. B. „Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten“, v ‐ v ‐ v ‐ v ‐ v ‐ v) und auch mit männlicher Kadenz auftretend (dann: akatalektischer jambischer Fünfheber)
Ausgeprägte Selbstreferenzialität:
oft ist das Thema nichts anderes als Sonett selbst, seine lange Tradition und seine durch die strenge Form gegebene „Herausforderung“
es gibt unzählige Sonette, deren Thema nichts anderes als das Sonett selbst ist: seine lange Tradition, seine durch die strenge Form gegebene "Herausforderung" und andere Aspekte reizen und beschäftigen die Schriftsteller immer
Zuspitzung der formalen Virtuosität: Sonettkranz
14 + 1 Einzelsonette, jedes Sonett nimmt in seinem ersten Vers den Schlussvers des vorangehenden Sonetts auf, aus den 14 Schlusszeilen ergibt sich in unveränderter Reihenfolge das 15. Sonnet, auch „Meistersonett“ genannt
Elegie und Epigramm
aus der Antike stammende Sub-Gattung, die formal oder inhaltlich definiert werden kann
formale Definition: ein in Distichen verfasstes Gedicht, das sich durch seinen größeren Umfang vom Epigramm unterscheidet, welches gewöhnlich nur aus einem Distichon besteht. Die längere Elegie kann (muss aber nicht) strophisch gegliedert sein
inhaltliche Definition: a) als sanfte, erhaben melancholische oder resignative Klage (auch Totenklage) oder b) als Liebesgedicht in der Tradition der lateinischen erotischen Elegie
elegisches Distichon: Aus einem Hexameter und einem Pentameter gebildete metrische Einheit, die in Elegien und Epigrammen auftritt
Hexameter: Ungereimte sechshebige Versform mit daktylischem Grundmetrum, bei dem die ersten vier Füße zu Trochäen verkürzt werden können. Der fünfte Fuß ist immer daktylisch, der letzte Versfuß ist immer katalektisch (hier: trochäisch): ‐ v (v) ‐ v (v) ‐ v (v) ‐ v (v) ‐ v v ‐ v (- betont, v unbetont)
Pentameter: reimloser Vers mit sechs Hebungen, in den ersten beiden Versen können die Daktylen zu Trochäen verkürzt werden. Zweite Vershälfte beginnt mit zwei Daktylen und endet erneut mit einer für sich stehenden Hebung ‐ v (v) ‐ v (v) ‐‘ ‐ v v ‐ v v ‐; charakteristisches Merkmal ist, dass die dritte und vierte Hebung unmittelbar aufeinander folgen, so dass hier ein metrischer Akzent („Hebungsprall“) liegt. Beispiel: „Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?“ (Goethe)
Epigramm
besteht meist nur aus einem einzigen elegischen Distichon
Originalität, Prägnanz und scharfsinnig-antithetische, oft satirische Zuspitzung
Von Barock bis Weimarer Republik sehr verbreitet
Ode und Hymne
Ode
ist aus der Antike stammende, ausgeprägt liedhafte Gedichtform
Strophenbau variiert in den verschiedenen historischen Ausprägungen, ist aber stets strengen Formkritierien unterworfen war
Die Ode ist als besonders hohe Form literarischen Sprechens (Lob- und Preisgesang) dem genus grande zugehörig
es gibt verschiedene vierversige Odenstrophen (alkäische Ode, asklepiadeische Ode, sapphische Ode)
Hymne:
geht auf pindarische Ode zurück, die als Chorgesang konzipiert ist und zeichnet sich durch ihre Freiheiten im Vers- und Strophenbau aus
Allg.:
Die Begriffe Ode und Hymne wurden im 18. Jahrhundert synonym verwendet, sie lassen sich aber aufgrund der genannten Formkritierien deutlich voneinander abgrenzen
Die wichtigsten deutschen Oden-Dichter waren Friedrich Gottlieb Klopstock (Zürchersee) und Friedrich Hölderlin (An die Parzen)
Gashele
aus dem Arabischen oder Persischen stammende Gedichtform
Definiert sich durch ihre besondere Reimform: mit den ersten beiden Versen wird ein Paarreim gebildet, der dann, jeweils von einer Waise (= Vers ohne Reimpartner) unterbrochen, durch das gesamte Gedicht, dessen Länge variieren kann, beibehalten wird a-a-x-a-x-a-x-a usw.
Ursprünglich handelte es sich um 16-hebige Langzeilen, die dann in zwei Halbverse aufgesplittet wurden
wurde im frühen 19. Jahrhundert von Rückert und Platen in die deutsche Literatur importiert
Haiku
lyrische Kurzform japanischer Herkunft
Drei Zeilen mit genau 5, 7 und 5 Silben
prägnante Gestaltung von Sinneseindrücken, Gedanken oder der Kombination aus beidem, z.B. ein von der Natureindruck ausgelöster Gedankenblitz
Stanze
Strophen‐ und Gedichtform, die sich aus acht jambischen Fünfhebern in der Reimordnung abababcc zusammensetzt
Madrigal
regelloser Madrigalvers
einziges einheitliches Prinzip ist, dass sie immer gereimt auftreten
sonst: ungleich lange Verse, Füllungsfreiheit, unregelmäßige Versgruppierungen, unterschiedliche Reimstrukturen
Ritornell
dreiversiges Gedicht, dessen Reimschema eine meist im zweiten Vers stehend Waise enthält
erster Vers ist kürzer als die anderen
zweiter und dritter Vers oft alternierender Fünfheber mit Auftakt (-> Endecasillabo)
Anagrammgedicht
sämtliche Verszeilen sind Anagramme, also buchstabengleiche Neukombinationen der Überschrift oder des ersten Verses
Elfchen
Ausgehend von einem Grundgedanken (= einem Wort) kommt man über Verse aus zwei, drei und vier Wörtern zu einem Fazit, das dann wieder aus einem Wort besteht
Terzinen
Eine Folge von aus drei Versen bestehenden Strophen, die im Kettenreim (aba bcb cdc...) miteinander verbunden sind und von einem Einzelvers (z. B. ... yzy z) abgeschlossen werden. Nicht zu verwechseln mit „Terzett“
Akrostichon
Ein aus den ersten Buchstaben (Silben, Wörtern) aufeinanderfolgender Verse oder Strophen gebildetes Wort (oft ein Name, auch ganze Sätze)
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