Was bedeutet “LBG?”
LBG = Lautsprachbegleitende Gebärdensprache
Was versteht man unter Phonetik, Phonologie und Morphologie?
Phonetik:
-> Lehre der materiellen (konkreten) Phone (= Sprachlaute) mit den Teilgebieten artikulatorische, akustische und auditive Phonetik, Gegenstand phonetischer Transkription
Phonologie:
-> Lehre der (abstrakten) Phoneme (= kleinste bedeutungsunterscheidende Einheiten der Sprache), Gegenstand phonologischer Analyse
Morphologie:
-> Lehre der (abstrakten) Morpheme (= kleinste bedeutungstragende Einheiten der Sprache), Gegenstand morphologischer Analyse
Was bedeutet “DGS?”
DGS = Sprache der deutschen Gebärdensprachgemeinschaft
Was bedeutet “LUG?”
LUG = Lautsprachunterstützende Gebärden
Nenne drei Vorurteile der Gebärdensprache!
konkret
Universell (gestisch)
Weniger komplex als Lautsprachen
Heutiges Wissen über Gebärdensprache?
-> Gebärdensprachen sind natürliche & vollwertige Sprachen
funktionell: erfolgreiche Lebensführung
Strukturell: doppelte Gliederung (Phonologie, Morphologie)
In der Verarbeitung (neurologische Repräsentation)
Im Spracherwerb (universale Erwerbsreihenfolge)
Nenne Höflichkeitsformen der Gebärdensprache
generelles Duzen
Direktheit in der Kommunikation
Grußverhalten
Klopfen als “Guten Appetit”
ATG (Attention getting sign), um in ein Gespräch einzusteigen
Nenne Regeln im Umgang mit tauben Menschen
kein verzerrtes Mundbild
Schreiben als Hilfestellung
Gute Lichtverhältnisse
Mimik-Kongruenz (Übereinstimmung von verbalen & nonverbalen Aussagen)
Gesprächsaufbau -> antippen auf Schulter, Winken, Lichtsignal,…
Was versteht man unter “phonologischer Bewusstheit” im engeren und im weiteren Sinne?
im engeren Sinne:
-> bewusster Umgang mit den kleinsten Einheiten der gesprochenen Sprache, den Phonen (= Lauten)
im weiteren Sinne:
-> bezieht sich auf größere Einheiten der gesprochenen Sprache (wie etwa Reime & Silben)
Wie kann die phonologische Bewusstheit bei tauben Menschen gefördert werden?
Durch Sprachspiele -> mit ihren Entsprechungen in DGS!
Wie wurde die Gebärdensprache von Generation zu Generation übertragen?
Gibt keine Gebrauchsschrift
trotz ernsthafter Bemühungen seit 1820
Mündliche Überlieferung
selten auch in Fremdsprache aufgeschrieben
Filme [seit Erfindung des Films]
(später) DVDs
Heute: Archive im Internet
Warum ist das Kino (glaube Stummfilm) bei den Gehörlosen beliebter als das Theater?
Mimik der Schauspieler
Anschauligkeit der Handlung
Kino hat größeres Bild, Szenen genauer erkennbar
Natürliche Ausstattung der Bühne
Kino filmt reale Orte, Theater nur künstliche Bühnenbilder
Nenne verschiedene Gehörlosentheater
National Theater of the Deaf [USA]
L´International Visual Theatre [Frankreich]
Deutsche Gehörlosen-Theater
Von einem CODA gegründet
erst Sprech Theater, dann LBG und dann DGS
Nenne ein paar Aspekte oder Materialien der Gebärdensprachpoesie
ABC Stories
Gebärdensprachpoesie-Festivals
Geschichten
Schnee [Gunter Puttrich-Reignard]
Was sind ABC Stories?
Beispiele
Geschichten in denen jedes Wort durch eine Gebärde dargestellt wird, wobei die Gebärden jeweils mit aufeinanderfolgenden Buchstaben des Alphabets beginnen
Geschichte im Park
Im Zug [Jürgen Endress]
Titanic [Patric Fischer]
Nenne Verschiedene Arten der Visualisierung von DGS
Bilder
historisch/ früher: Sehr detailiert, fast schon Kunstwerke
heute: Fotos mit Pfeilen, einfache Zeichnungen
Filme [Kurzvideos]
Avatar [heute - Zukunft]
Was sind die Vor- & Nachteile eines Avatars?
Vorteile
kleinere Datenmengen als Videos
kann Übersetzungen von Sätzen generieren
Nachteil
Generiert aus großer Datenmenge & Statistik
Übersetzung ist fehleranfällig
Wozu dienen Glossen?
Glossen dienen dazu, die Gebärdensprache zu transkribieren und aufzuschreiben
Sie sind jedoch keine Gebärden-Schrift!
Welche Besonderheit entwickelte Roch-Ambroise Bébian?
Wie nannte er sein Konzept?
Warum hat es sich nicht durchgesetzt?
Erste Idee verschiedener (simultaner) Komponenten
Heute nennen wir sie Parameter (Handform, …)
Mimographie [1825]
zu kompliziert
Welche vier Parameter gibt es?
Handform SAGEN/ FRAGEN
Bewegung SOHN/ TCOHTER
Ausführungsstelle NASE/ICH
Handstellung SALZ/ GELD
Um welche Notationsvariante handelt es sich hierbei + welche Parameter sind dabei integriert?
William Stokoe “Sign Language Structure“
Handform [Orientierung am Fingeralphabet (A,B,…)]
Bewegung [a,^,…]
Ausführungsstelle [diese komplizierten Symbole]
—> Erste phonetische Schrift der modernen Gebärdensprache
Hamburger Notationssystem [HamNoSys]
Handform
Ausführungsstelle
Bewegung
Was sind die Nachteile des Hamburger Notationssystem und des Sign-Language-Structure?
Keine Notation für Mimik
Simultanität ist nicht vorhanden
lange Beschreibungen für nur ein Wort (HamNoSys)
Wobei liegt der Unterschied im Lesen der Alphabetschrift und von HamNoSys?
Alphabetschrift
Lesen durch Synthese (Zusammensetzen von Bausteinen)
Hund = [H][u][n][d]
HamNoSys
Lesen durch Rekonstuktion
Gebärdensprache hat sich in der Welt immer mehr durchgesetzt. Bis dahin war es, jedoch ein harter und langer Weg. Nenne die wichtigsten Ereignisse auf diesem Weg.
Ca. 400 v. Chr. erste Erwähnung der Gebärdensprache
Nutzung der Gebärdensprache in der Schule ab ca. 1760
Mimographie 1825 (erster Versuch einer Gebärdenschrift)
Mailänder-Kongress 1880
Massenpetition 1891
“Sign Language Structure” von Stokoe 1960
Schlüsselmoment in Hamburg 1985 (Skizzen zu einer deutschen Grammatik der DGS)
Vancouver-Kongress 2010
Was geschah im Mailänder Kongress 1880?
Welche Auswirkungen hatte er?
Italiener, Franzosen, Engländer, Amerikaner, Schweden, Belgier, Deutsche trafen sich
162 hörende Lehrerinnen, 3 selbstbetroffene Pädagog*innen
Auswirkungen:
Durchsetzung der Lautsprache und Verbot der Gebärdensprache im Unterricht
Was geschah bei der Massenpetition 1891?
Massenpetitionen der Taubstummen an den deutschen Kaiser
Sie verlangten neben der Lautsprache die lang ersehnte Einführung der Gebärdensprache im Unterricht der Taubstummen
Von John Pacher
1960 wurde die Linguistik der Gebärdensprache anerkannt.
Die “Sign Language Structure”, die die Phonologie der Amerikanischen Gebärdensprache zeigte machte hier den Anfang.
1975 fanden dann erste Gebärdensprachkurse statt. Wie sah es in Deutschland aus?
1985:
“Skizzen zu einer Grammatik der Deutschen Gebärdensprache”
Erste sprachwissenschaftliche Beschreibung der DGS
Nenne Eckdaten zu den zwei Punkten:
Pädagogische Anerkennung der DGS
Rechtliche Anerkennung der DGS
Pädagogische Anerkennung:
-> 1982: “Münchner Gebärdenpapier” erlaubt LBG
-> 1992: Hamburg bilingualer Schulversuch
-> 2017: Inklusive bilmodal-bilinguale Schule
Rechtliche Anerkennung:
-> 2001: SGB IX
-> 2002: Behindertengleichstellungsgesetz
-> UN-BRK
Was passierte 2010 in Canada?
Vancouver-Kongress
-> Deaf participation and collaboration
-> Rückverweis der Beschlüsse des Mailänder Kongress
Erkläre das Modell der Gehörlosen- / Gebärdengemeinschaft.
Warum ist die Diskussion so wichtig?
-> Menschen definieren sich über Gemeinschaft
-> Minderheitssituation
Nenne die zwei Komponenten der Gebärdensprache
manuelle Komponente:
1) Handform
2) Handstellung
3) Ausführungsstelle
4) Bewegung
=> suprasegmentale Anteile
non-manuelle Komponente:
-> Mimik
-> Blickrichtung
-> Kopf / Oberkörper
-> Mundgestik
-> Mundbild
=> phonologische Anteile
Nenne die drei Verbklassen in DGS
Einfache Verben:
-> Anpassung in Hinblick auf Handlungsaspekt
Bsp.: kochen, trinken, arbeiten
-> Wie wird etwas getrunken?
Kongruenzverben:
-> Übereinstimmung von Objekt und Verb
Bsp.: geben, fragen, leihen
-> Wem wird etwas gegeben?
Raumverben:
-> an räumliche Verortung angepasst
-> Figur-Grund-Prinzip!
Bsp.: stehen, fahren, gehen
Was sind Kongruenzverben in DGS?
-> müssen in Hinblick auf Objekt (Person & Numerus) und können auf Subjekt (nur Person) markiert werden
-> können verschiedene Pluralformen bilden
-> werden vom Objekt regiert
bidirektionale Kongruenzverben in Bewegung:
bidirektionale Kongruenzverben mit Wechsel der Handflächenorientierung:
Bsp.: verspotten, erklären
bidirektionale Kongruenzverben mit Bewegung & Wechsel der Handflächenorientierung:
Bsp.: abholen, besuchen
monodirektionale Kongruenzverben (nur in eine Richtung):
Bsp.: hassen, bespucken, vertrauen
Räumliche Grammatik in der DGS
Satzbau:
Subjekt- Objekt- Verb
Bsp.: “Mann Gabel Haben”
Adjektiv steht hinter Nomen
Bsp.: “AUTO-ROT-FAHREN”
Zeit & Ort stehen am Anfang des Satzes
Bsp.: “MORGEN HEIDELBERG ICH AUTO ROT KAUFE”
Was sind die Eigenschaften der räumlichen Grammatik?
syntaktische Beziehungen werden über räumliche Eigenschaften dargestellt (Verortung)
Satzglieder können simultan (zeitgleich) dargestellt werden
Sätze werden nach Figur-Grund-Prinzip aufgebaut (erst Hintergrund, dann Einzelheiten)
Abstrakte Konzepte wie “Zeit” werden über räumliche Metaphern im Raum (Zeitlinien) dargestellt
Direkte Rede & Handlung spielen wichtige Rolle bei der Strukturierung des Textes
Metasprachliche Bewusstheit in DGS
Nenne Beispiele für:
lexikalische und freie Morpheme
lexikalische und gebundene Morpheme
grammatische und freie Morpheme
grammatische und gebundene Morpheme
Lexikalische und freie Morpheme: HUND, KATZE, MAUS
Lexikalische und gebundene Morpheme: EINE^STUNDE
grammatikalische und freie Morpheme: NICHT, GEWESEN
grammatikalische und gebundene Morpheme: KANN^NICHT
Morphologie der DGS
Nenne Beipiele für…
… Wortbildungsprozesse
-> innersprachliches Kompositum (Komposita)
-> lehnsprachliches Kompositum (Komposita)
-> Kompositum, Inkorporation und Verschmelzung zweier lexikalischer Morpheme
… Formildungsprozesse
-> Komposition, Inkorporation und Verschmelzung zweier lexikalischer Morpheme
-> Komposition, Inkorporation und Verschmelzung zweier lexikalischer und eines grammatischen Morphems
Wortbildungsprozesse:
Komposita innersprachliche Komposition:
GELD+INHALT, TROCKEN+SCHLEUDER
lehnsprachliches Kompositum:
GEBÄRDEN+SPRACHE+DOLMETSCHER
Kompositum, Inkorporation und Verschmelzung zweier lexikalischer Morpheme:
SCHREIBTELEFON
Formildungsprozesse:
Komposition, Inkorporation und Verschmelzung zweier lexikalischer Morpheme:
3^STUNDEN, 4^WOCHEN, 5^MONATE
Komposition, Inkorporation und Verschmelzung zweier lexikalischer und eines grammatischen Morphems:
6^JAHRE^VERGANGEN
Nenne die Funktionen von Gebärdenschriften und -notationen
Dienen…
sprachwissenschaftlichen Transkribition & Analyse (Bebian, Stokoe, HamNoSys)
der Anerkennung der Gebärdensprache als vollwertige Sprache (Bebian, Stokoe, HamNoSys)
dem Einsatz im bilingualen und gebärdensprachlichen Unterricht (Glossen und Gebärdensprache)
Glossen gibt es…
… ausführlich
… vereinfacht
… stark vereinfacht
Warum haben sich Glossen nicht wirklich durgesetzt?
Nenne Kritikpunkte
ein polnischer Gehörloser kann nicht so leicht DGS lernen, da er erstmal Deutsch lernen muss
alles keine Schrift der Gebärdensprache!
Das Selbst- & Fremdbild ist sehr unterschiedlich.
Wie sieht das Selbstbild der Gehörlosengemeinschaft aus und wie das Fremdbild?
Selbstbild:
-> sehen sich als lebendige Sprachgemeinschaft mit eigener Sprache, eigenen Regeln und Konventionen
Fremdbild:
-> Gehörlose werden von Mehrheitsgesellschaft häufig als isolierte interessante und bemitleidende Individuen gesehen
Nenne ein paar Punkte durch die die Gehörlosengemeinschaft versucht hat ihr “Fremdbild” gerade zudrücken
1834 Organisation der Taubstummenbankette in Paris
1838 Gründung der Société Centrale des Sourds-Muets de Paris (weltweit erster Gehörlosenverband)
1845 Brief von Victor Hugos an Berthier
1848 Gründung des allgemeinen Taubstummen-Unterstützungsvereins in Berlin
1872 Herausgabe der Zeitschrift “Der Taubstummenfreund”
1873 Organistation der ersten sechs Taubstummenkongresse
1927 Gründung des Reichsverbandes des Gehörlosen Deutschlands in Weimar
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