Autorenschaft und Hintergrund
AUTOR: Lütje-Klose, Wild et al./ Universität Bielefeld (2012-2014)
In Deutschland 7,1 % aller SUS = Sonderpädagogischer Förderbedarf (SPF) —> die meisten mit Förderschwerpunkt-Lernen(SPF-L)
laut KMK immer dann zugeordnet, wenn aufgrund von Beeinträchtigungen[1]
„…die Beziehung zw. Individuum und Umwelt dauerhaft/zeitweilig erschwert [ist]
& so die Ziele &Inhalte der Lehrpläne = d. allgemeinen Schule nicht oder nur ansatzweise erreichen können
=> deswegen werden nur 39,3 % inklusiv beschult
Inklusionsbegriff
Weit: „Education for All“ (erziehungswissenschaftliche Theoriebildung, internationale menschenrechtliche Diskurs)
HIER:
Eng: gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne SPF
=> jedes Bundesland gestaltet inklusive Bildung anders
Mangel an empirischer Evidenz zu der Frage, welche Einflüsse die verschiedenen Fördersettings auf die Entwicklung mit SuS mit SPF haben
internationale Untersuchungen mit längsschn. Design = nur eingeschränkt auf das dt. Schulsystem übertragbar,
Grund: breiten Differenzierung der Schulformen & der Unterschiede in den Begrifflichkeiten
Grund
=>Begriffsklarheit/Eindeutige Eingrenzung des Begriffs
3 Fördermodelle der Studie:
Förderschulen mit Förderschwerpunkt „Lernen“
GS mit gemeinsamem Unterricht
GS mit Unterstützung durch ein Kompetenzzentrum für sonderpädagogische Förderung
=> gemäß des Angebots-Nutzungs-Modells von Helmke 2009:
diese Fördersettings = formal unterschiedliche Bildungsangebote
Wirkung maßgeblich von der konkreten Umsetzung und Nutzung abhängt
=> individuellen + kontextuellen Risiko- und Resilienzfaktoren
(Motivation, Lehrerqualität, Werkzeuge, …)
Informationen zur Studie
Was wird untersucht?
psycholog. & soz. Komponenten:
motivationale Merkmale
Fähigkeitsselbstkonzept
Selbstwirksamkeit
(Lernmotivation)
soziale Merkmale
soziale Integration
emotionale Merkmalen
allgemeiner Selbstwert
affektives schulisches Wohlbefinden
Theoretische Durchdringung
Fähigkeitsselbstkonzept (kogn. Repräsentation) —> Big-Fish-Little-Pond (inl.<exkl)
Selbstwirksamkeit (Erwatung komm. Leistung) —> varriiert; positiv = Modelllernen
Soz. Integration (hier: keine Außenseiterrolle; Freundschadten) —> verschiedene Studien
Soz. Integration
anzunehmen, dass Förderschule = weniger Anerkannt = negative Beeinflussung
oft niedrige soziometrische Stellung
andererseit: inkl = weniger Stigmatisierung
Allg. Selbstwert (aff. Selbstbewertung) (ink.>exkl)
Allg. Selbstwert
Affekt. schul. Wohlbefinden (Barrieren, mangelnd. soz. Integration, FSK = negative Auswirkung)
Affekt. schul. Wohlbefinden
akzeptierende LP und positives Klassenklima = wichitg
Forschungslücke
Insgesamt = Mangel an Langzeitstudien
Trotz Betonung einer gesunden psychosoz. Entwicklung wurden v. inklusiv & exklusiv. Beschulung —> unzureichend empirisch erforscht
Wenige Studien zu psychosoz., nicht-kogn. Faktoren & oft nur Querschnitt & kleine Stichproben, fehlende Vergleichsgruppen
Fehlenden Beachtung v. Kovariablen wie Intelligenz, …
=> erschwert sowohl die kausale Interpretation
=> Generalisierbarkeit auf die Gesamtpopulation von Kindern mit SPF-L (sehr heterogen!)
Fragestellung
Analyse, ob sich eine breite Palette von
motivationalen[1]
sozialen[2]
emotionalen Merkmalen[3]
am Ende der Grundschulzeit unterschiedlich bei inklusiv und exklusiv beschulten Kindern mit (SPF-L) entwickelt
—> In Übergang auf d. weiterführende Schule mittlerweile als die zentrale Weichenstellung für den späteren Schul- und Bildungserfolg
Warum psychosoziale Entwicklung?
Psychosoziale Entwicklung und verschiedenen Theorien und Modellen zu Schulleistung (z.B. Angebot-Nutzung-Modell[1]) als wichtige nicht-kognitive Outcomes von Schule und Unterricht
Angebot-Nutzungs-Modell
Unterricht = Lehrpersonen geschaffenes Angebot
—> von SuS genutzt werden soll, um Lernerfolge zu erzielen
nutzen diese Lerngelegenheiten durch Lernaktivitäten
individuelle Faktoren wie Motivation und familiärer Kontext eine Rolle)
Unterrichtsqualität:
Unterrichtsqualität
Lehrermerkmale (fachliche Kompetenzen, …)
Motivation
=> Einflussfaktor auf die Wahrscheinlichkeit von Lernerfolgen.
Lernergebnisse= fachlichen Kenntnissen, sozialen Kompetenzen, …
Überblick Datenerhebung
V. 1000 Schulen = 441 zufällig ausgewählt
Davon nahmen 162 teil (42% inklusiv / 57% exklusiv)
Längsschnittdesign (bessere Generalisierbarkeit & kausale Interpretation)
Quantitative Teilstudie:
Ziel: objektive, messbare Daten (objektive Zahlen und Trends)
Qualitative Teilstudie:
Ziel: tiefere Einblicke; nuanciertere Informationen über die individuellen Erfahrungen der Kinder, ihre Beziehungen und den Einfluss des schulischen Umfelds gesammelt werden (Kontext, individuelle Erfahrung)
=> Triangulation = verschiedene Blickwinkel
Quantitative Teilstudie mit quasi-experimentellem Längsschnittdesign, drei Messzeitpunkten in der dritten und vierten Klasse, sowie einer weiteren Erhebung in der fünften Klasse
Qualitative Teilstudie mit vertiefenden Einzelschul-Fallstudien (Standardisierte Befragungen von Lehrkräften, Schulleitungen und zu Kompetenz- und Wohlbefindensentwicklung sowie Kontextfaktoren)
Quantitativ
quasi-experimentellen Längsschnittdesign (3. Messzeitpunkten in der 3. und 4. Klasse
weitere Erhebung: 5. Klasse " Übergangsmuster
Einzelbefragungen und Gruppentestungen
Einzelbefragungen
und
Gruppentestungen
separaten, störungsfreien Raum
immer vormittags, da ausreichend Konzentration)
standartisierten SuS-Fragebogen
verbalen Erklärung vom Versuchsleiter
notieren d. Antworten
=> psychosoz. Merkmale
Testverfahren für schrifsprachliche Kompetenzen und kogn. Fähigkeitspotential
Einführung des Versuchsleiters
Gruppentestungen: verschiedener Testformen (A- und B-Formen)
(schriftliche) Befragungen der Eltern (Beruf/Bildung)
(online) Befragung Lehrkräfte
Datenschutz: zur Wahrung Anonymität
Qualitativ
Merkmale auf Ebene der Einzelschule: systematisch ausgewählten Fallstudien untersucht
Ziel: Gelingensbedingungen , unter denen SuS mit SFB-L= besonders günstig entwickeln
Befragung d. Schulleitung (Interview)
Gruppeninterviews v. LP
Ebenenmodell[1] von Reiser et al. (1986)
Konstruiert integrative Prozesse und in der schulischen Integrationsforschung weiterentwickelt
Themat. Leitfaden: Erfassung relevanter Faktoren auf & strukturierte Auswertung und Vergleichbarkeit
didaktische Orientierung, Haltung, interne/externe Kooperationen, Angebote
offenen Fragestellungen konstruiert
Pretest mit erfahrenen Regel- und Förderschullehrkräften erprobt & modifiziert
je nach Schulmodell/-profil unterschiedliche Schwerpunktsetzung
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[1] Differenziert vier Ebenen auf denen integrative Prozesse stattfinden bspw. intrapersonelle (innerpsychische Ebene), interaktionelle, institutionelle und gesellschaftliche Ebene
Was für eine Art Triangulation?
Triangulation: zweiter Messzeitpunkt
Auf Basis von t1
7 Schulen mit bes. hohen und niedrigen Leistungs- und Wohlbefindenswerten
Stichprobe
N = 400
Mehr SuS aus der inklusiven Klasse
zw. 8-10 J.
56% Jungen
kein Wechsel zw. Settings
95% nahmen bei weiterer Erhebung wieder teil
Methoden
Schülerbefragungsbogen
zu jedem Messzeitpunkt je ein Fragebogen
Erfassung affektiv-motivationaler Merkmale
adaptierte Skalen zur Messung des Selbstwertes, des Wohlbefindens und der Lernmotivation (ich mag Mathe; Warst du letzte Woche fröhlich)
Kontrollfragen (AUfmerksamkeit)
Likert-Skala (1-4)
Erfassung von Kontextfaktoren (Aufgabenniveau, die soziale Integration, Stigmatisierung)
Manche Aspekte erst ab t2 (z.B. Motivationsregulation)
Testverfahren
Zur Messung der schriftsprachlichen Kompetenzen und des kognitiven Fähigkeitspotentials
standardisierte Testverfahren
Intensiv v. Versuchsleitern eingeführt und in Kleingruppen (max. 4 SuS) durchgeführt
Erfassung d. Rechtschreibkompetenz. Lesekompetenz = bereits vorhandenen Verfahren
Subtest zur Einschätzung des kognitiven Potenzials (CFT1-R-Rest = GrundintelligenztestSkala 1)
Gütekriterien Qualitativ
Transferierbarkeit:
Transferierbarkeit
Vertiefende Einzelschul-Fallstudien = Kontextualisierung und Einblicke, die auf ähnliche Kontexte übertragbar sein könnten.
Intersubjektive Nachvollziehbarkeit:
klare Beschreibung der Forschungsmethoden
Methodenwahl
Informationsquellen
Angemessenheit der gewählten Methoden (Steinke); Gegenstandsangemessenheit (Strübing)
Längsschnitt, um eine mgl. Veränderung zu erfassen und kausale Interpretationen zu unterstützen
Kontext durch Befragung (Kriterien erläutert)
Forschungsfrage und Erhebung stimmen überein
Pretest (Justierung (Strübing))
Empirische Verankerung (Steinke)/ Theoretische Durchdringung (Strübing)
stütz auf bereits vorhandenen Daten (soz. Integration, Fähigkeitsselbstkonzept, …)
u.a. Wohlbefinden = Frage nach Ressourcen
Limitation
Grenzen werden genannt (Sekundarstufe, Beginn d. GS, unbeeinträchtigten Vergleichsgruppe " allg. psychosozialen Entwicklungen, andere Förderschwerpunkte " Generalisierbarkeit, …)
Technologiefähigkeit (Breuer/Reichertz) —> Kontextinformationen
Gütekriterien Quantitativ
Validität
bewährte Instrumente (Pretest/Pilotierung)
mit Feedback)
Inhaltsvalidität
Kontrollvariablen
Reliabilität
Verständlichkeit
Objektivität
standardisierte Fragebögen mit Antwortoption (Reproduzierbarkeit)
Allgemeine Gütekriterien
Transparenz
Triangulation
Adäquatheit
Ergebnis: Beantwortung der Forschungsfrage
keine signif. Unterschiede bei psychosoz. Merkmalen zw. den Settings
wenige/minimale Effekte bei FSK in Mathe (inkl.<exkl.)
FSK
kl. Effekt auf schul. Selbstwirksamkeit
schul. Selbstwirksamkeit
Falszifizierung d. Hypothese: soz. Integration ≠ Abhängigkeit v. Schulform
soz. Integration
Wohlbefinden und Selbstwert = allg. positiv (keine sign. Unterschiede)
Wohlbefinden und Selbstwert
Selbstwertentwicklung = kl. Effekt (inkl<exkl)
=> Insgesamt beides: posz Ergebnisse in Leistungs- und psychosozialen Entwicklung
Weitere Ergebnisse
In allen Fördersettings kontinuierlicher Ausbau der Lese- und Rechtschreibkompetenz (wenig Effekt: inkl > exkl),
In allen Fördersettings
aber meist nicht Kompetenzniveau SuS ohne SPF
Deutliche Schwankungen d. Werte innerhalb der Schulen
=> Bedeutung v. Bedingungen auf der Ebene der Einzelschule und -klasse
Qualität von Schule und Lehrkraft entscheidend:
für erfolgreiche Inklusion wichitg
weniger relevant: formale Aspekte (Schulgröße und Beschulungsform)
=> fachlicher Kompetenz & Ziel von LP
die Lernenden in ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten und eine allgemein positive Einstellung zum Lernen zu vermitteln.
proximale Bedingungen (Haltung, did.-meth. Orientierung, kooperative Struktur, …)
Empfehlungen
stärkere Betonung individueller Bezugsnormen
Lern- statt Leistungszielorientierung
Einbezug von spezialisiertem Personal (Niklas Luhmann)
Schulleitungen und Kollegien =
positivere Einstellungen zur Inklusion fördern
stärkeres Engagement im Umgang mit Heterogenität zeigen
mehr Flexibilität bei besonderen schulischen Herausforderungen entwickeln
Was bringt die Studie?
können in der Praxis genutzt werden, um
zukünftige Entwicklung einer schulischen Angebotsstruktur
Konzepte der inklusiven Beschulung weiterzuentwickeln
Schulentwicklungsprozesse in diesem Feld gezielt unterstützen
evidenzbasierte Angebote der Aus- und Fortbildung von Grundschullehrkräften sowie von sonderpädagogisch qualifizierten Lehrkräften entwickelt werden.
Stärken der Studie
Studiendesign:
Studiendesign
Längsschnittliches Design.
Kontrolle relevanter Kovariaten implementiert.
Breite Palette motivationaler, sozialer und emotionaler Merkmale einbezogen.
Befunde am Ende der Grundschulzeit
Schwächen der Studie
Beginn der Grundschulzeit möglich —> schränkt kausale Interpretation ein
unbeeinträchtigten Vergleichsgruppe—> Bewertung der psychosozialen Entwicklungen.
Bewertung der psychosozialen Entwicklungen als üblich oder ungewöhnlich ?
Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf andere Förderschwerpunkte unklar.
Befunde könnten durch die begrenzte Teilnahmebereitschaft bestimmter Schulen verzerrt sein.
z.B. besonders engagierte, Schulen an der Studie mitgewirkt haben.
Desiderat für die Sekundarstufe
Zu untersuchen, in welcher Form sich diese Entwicklungsmuster auf der weiterführenden Schule fortsetzen oder verändern, sollte eine der Hauptaufgaben zukünftiger Inklusionsforschung darstellen
Zuletzt geändertvor 6 Monaten